Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 22. Oktober 2012 um 9:08 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB/WL)
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung: „Die Verträge und die Volksabstimmung sind damit nicht weggewählt“, sagte er (Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne)) der taz „Aber ich nehme mal an, dass das kein Wahlergebnis ist, über das sich die Deutsche Bahn freut.“
Anmerkung WL: Obwohl Bofinger im Text ausführlich erklärt, dass die „Staatschuldenkrise“ eigentlich ein Problem der bedrohlich steigenden Zinsen ist und für die langfristige Entwicklung der Staatsverschuldung das Verhältnis zwischen Schuldenstandsquote, Zinsen und nominalem Wirtschaftswachstum entscheidend ist, gebraucht er dennoch diesen Begriff, der von den Agendapolitikern als Hebel benutzt wird, in ganz Europa eine Austeritätspolitik durchzusetzen, die die Volkswirtschaften einbrechen lässt.
Auch übernimmt er den Begriff „Sparprogramme“, obwohl er belegt, dass diese nicht nur eine destabilisierende Wirkung haben, sondern das Gegenteil von dem bewirken, was sie vorgeben, nämlich – weil sie die Wirtschaft abwürgen – eine noch höhere Verschuldung.
Es ist schade, dass selbst Ökonomen, die dem derzeitigen „Rettungskurs“ kritisch gegenüberstehen, die ideologischen Tarnworte der Verfechter des Austeritätskurses kritiklos übernehmen. Vgl. Albrecht Müller „Eine Anregung: Übernehmen Sie nicht den Sprachgebrauch und die Legenden der herrschenden Lehre. Beispiel: Sparen, Sparkurs, …“
Anmerkung Orlando Pascheit: Lassen wir einmal außen vor, dass die Bertelsmann-Stiftung die Studie in Auftrag gab, lassen wir auch außen vor, dass im Simulationsmodell von Prognos mit einem Haircut von 60 Prozent und einer Abwertung von 50 Prozent alle möglichen Austrittsländer über einen Kamm geschoren werden. Jedenfalls sollten diejenigen, die Austrittsszenarien propagieren, nachdenklicher werden. Ob mit dem Austritt Griechenlands ein Flächenbrand entfacht wird, können wir unter Beibehaltung der jetzigen Politik, trotz Schäubles Einlassungen, wohl bald beobachten. Studien, die einen Austritt Griechenlands positiv bewerten sind mir nicht bekannt. Interessant ist, dass Deutschland mit 70 Prozent seines aktuellen BIPs (1,7 Billionen Euro) und Frankreich mit 150 Prozent seines BIPs (2,9 Billionen Euro) betroffen wären. Vielleicht erklärt das ein wenig die Eile, die Hollande in der Frage einer Bankenaufsicht, als Voraussetzung für die Bankenhilfen aus dem ESM, an den Tag legt.
Quelle: WSI [PDF – 534 KB]
Quelle: Thorsten Schulten, WSI [PDF – 408 KB]
Quelle: Thorsten Schulten, WSI [PDF – 408 KB]
Quelle: Thorsten Schulten, WSI [PDF – 408 KB]
Anmerkung: Siehe zu weiteren interessanten tarifpolitischen Themen „WSI Tarifpolitische Tagung 2012: Faire Löhne und Gute Arbeit“. Insbesondere auch zum krassen Missverhältnis zwischen Debattenwirklichkeit und der Wirklichkeit betrieblicher Arbeitspolitiken [PDF – 405 KB].
Anmerkung Mark Roach: Von Krise also keine Spur, bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken!
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon erstaunlich, wie die Koalition auf das Kurzfristdenken der Wähler setzt (Landtagswahlen in Niedersachsen und Bayern sowie die Bundestagswahl im Herbst), indem sie mit dem Hinweis auf sinkende Rentenbeiträge das allmähliche Absinken des Rentenniveaus kaschiert. Dabei dürfte davon ausgegangen werden, dass die jüngere Generation liebend gern auf Beitragssenkungen verzichten würde, wenn das Rentenniveau gehalten werden könnte. 1989 war im Bundestag zur Sicherung des Rentenniveaus die Rede von einer Beitragserhöhung auf 23 Prozent. Kein Aufschrei, auch nicht von der Arbeitgeberseite, so ändern sich die Auffassungen in Zeiten des Neoliberalismus. Natürlich muss das Gesetz geändert werden und zwar substanziell. Der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor* (was für eine Name für eine der größten Ungerechtigkeiten im sozialen Sicherungssystem) muss weg, um die bis zum Jahr 2030 geplante Absenkung des Rentenniveaus von 51 Prozent auf 43 Prozent zu stoppen. Leider steht die „Volkssolidarität“ mit dieser Forderung ziemlich allein. Auch dem DGB fällt neben allgemeinen Phrasen zur Altersarmut nur die Abschaffung der Praxisgebühr ein.
* Durch den Nachhaltigkeitsfaktor soll, so die Sprachregelung, der Anstieg der Renten bei einer Erhöhung der Zahl der Rentner im Verhältnis zur Zahl der Beitragszahler gedämpft werden und die Beitragszahler dadurch entlastet werden. Natürlich ist das Augenwischerei: die Renten sinken. Sie sinken auch bereits heute, da die letzten Erhöhungen keineswegs den Kaufkraftverlust durch Inflation auffingen.
Anmerkung WL: Ein Videobeitrag, in dem anschaulich gezeigt wird, welches Spiel gerade zur Denunzierung der Energiewende und des EEG gespielt wird. (Auch wenn der Beitrag der Photovoltaik m.E. etwas zu undifferenziert dargestellt wird und man bei der Förderung stärker auf die Effizienz der erneuerbaren Energien achten sollte.)
Zu der in dem Video dargestellten Kampagne der INSM schreibt unser Leser P.S:
Die INSM übernimmt einen Vorschlag des RWI, verfasst von dem langjährigen Kritiker des EEG Manual Frondel und seinem Chef Chr. Schmidt.
Es ist das Quoten/Zertifikate- Fördermodell, das von Ökonomen schon immer bevorzugt wurde, da es auf dem Papier und theoretisch effizienter scheint. Es hat sich aber in der Praxis herausgestellt, dass es in der Wirklichkeit (speziell Großbritannien) nicht nur ineffektiv ist, sondern sogar ineffizient ist, jedenfalls bezogen auf die gleiche Technologie. Es gibt eine Serie von Studien, die zeigen, dass beispielsweise die Windenergieförderung auf die erzeugte kWh gerechnet, im Quoten/Zertifikatssystem wesentlich TEURER ist als im Einspeisesystem. Und die Praktiker (Developer) bestätigen das seit Jahren. Das hängt vor allem damit zusammen, dass der künftig erzielbare Preis im Quotensystem sehr unsicher ist, und dass die Investoren daher eine wesentlich höhere Mindestrendite ansetzen. Das wirkt sich besonders kostentreibend bei einer kapitalintensiven Technologie aus. Hinzukommen die Transaktionskosten für die Zertifikate, d.h. die Courtagen und Spekulationsgewinne der Zertifikatshändler.
Das EEG hingegen hat die Zielsetzung, eine Reihe von Technologien gleichzeitig zu fördern, und bietet daher differenzierte Einspeisevergütungen. Das wäre beim Quotenmodell nicht so angelegt, was in der Praxis dazu geführt hat, dass z.B. in GB in Bezug auf Technologien gar nichts passiert ist. Die Quote wurde möglichst mit der Wiederbelebung alter Kleinwasserkraftwerke erfüllt. GB hat daher seit einigen Jahren die Förderpolitik (unter Einführung von differenzierten Quoten) geändert, da a) die allgemeine Quote nie zielgerecht erfüllt wurde, b) keine Erneuerbare-Energie-Technologieentwicklung stattfand, und c) das dann auch noch relativ teuer war.
Es ist höchst fragwürdig, dass das RWI (jedenfalls in der Kurzfassung) überhaupt nicht auf die problematischen Aspekte der Quoten/Zertifikatsregelung eingeht, angesichts dessen, dass diese gut dokumentiert sind und auch in den Fachkreisen gut verbreitet, sodass beispielsweise auch die Internationale Energieagentur sich in ihren Analysen und Empfehlungen auf diese Erfahrungen stützt.
Anscheinend sind diese Diskussion und diese Erkenntnisse auch vom Sachverständigenrat unbemerkt geblieben. Der Sachverständigenrat hat sich wohl auf sein Mitglied Chr. Schmidt verlassen (Präsident des RWI und Verantwortlich für die INSM Studie)!!! Auch Kartellamtspräsident Mundt scheint sie nicht zu kennen.
Nun haben wir jetzt in Deutschland ja eine neue Situation, da die EE-Technologien dank EEG schon einen hohen Marktanteil haben und sehr viel billiger geworden sind.
Damit sind die Technologieförderziele z.T. erreicht, und man kann verstärkt auf die Effizienz achten. Man kann aber nicht einfach die ollen Kamellen rausholen und sie mit den gleichen Werbesprüchen (effizient, kostensparend!) wieder verkaufen. Aus verschiedenen Gründen würde der RWI/INSM-Vorschlag keinesfalls so funktionieren wie er von seinen Propagandisten verkauft wird.
Unser Leser M.F. merkt an: Energiewende sozial gestalten. Dieser Forderung liegt die Annahme zugrunde, Strom von Sonne und Wind sei sehr viel teurer, als konventionell erzeugter Strom aus Kohle oder Kernkraft.
Wenn ich mir die aktuellen Wirtschaftlichkeitsberechnungen des Fraunhofer Instituts für solare Energiesysteme ISE anschaue, erkenne ich folgendes:
Aus diesen Daten ergeben sich für mich zwei Thesen:
Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) [PDF – 6.6 MB]
Ob dagegen Indect hilft?
Anmerkung WL: Im September 2001 wurde die „International University Bremen“ nach dem Vorbild der „Rice University“ (Houston, Texas) feierlich eröffnet. Ausgerechnet das hoch verschuldete Bremen gewährte der IUB mit über 200 Millionen Mark eine üppige Starthilfe. Man hoffte auf eine Quote von 50 Prozent Selbstzahlern unter den Studierenden und eine hohe Spendenbereitschaft aus den Top-Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Beide Ziele erfüllten sich nicht wie erwartet: Die Wirtschaft blieb zaudernd, und die Bewerber waren nicht so finanzstark.
2005 verzeichnete die Bilanz der IUB-GmbH einen Fehlbetrag von 20,9 Millionen Euro; 2004 waren es 18,4 Millionen Euro. Die Substanz des 106-Millionen-Euro Startgeldes vom Land Bremen war längst angegriffen: Bankkrediten über 89 Millionen Euro standen laut Bilanz Ende 2005 nur Wertpapier-Fonds von 76 Millionen Euro gegenüber. Als der vom Land Bremen (und vom Bund mit Hochschulbaufördermittel in Höhe von 40 Millionen Euro) mit viel Geld angeschobenen Hochschule das Wasser bis zum Hals stand, rettete eine spektakuläre 200-Millionen-Euro-Spende (auf wie viele Jahre auch immer verteilt) des Unternehmers Klaus Jacobs rettete die Universität vor der Insolvenz. Der Name änderte sich Anfang 2007 in “Jacobs University” (die Uni aus der „Kaffeekasse“).
Bremen sollte sich mit weiteren 25 Millionen über fünf Jahre beteiligen, so die Bedingung des Großspenders. (Klaus J. Jacobs, Gründer der Jacobs Foundation, in der das Vermögen aus dem Verkauf des Familienkonzerns Jacobs Suchard liegt, ist nicht nur Kaffeeröster und Schokoladehersteller (Suchard), er ist auch Großaktionär des Zeitarbeitskonzerns Adecco.)
Zähneknirschend stimmte die Politik den zusätzlichen Millionen zu. Gleichzeitig sollte allerdings die staatliche Universität Bremen mit 25 Prozent weniger Geld auskommen und die Planung war, dass diese Hochschule statt mit über 300 mit 240 Professuren zurecht kommen sollte.
Es gilt halt immer der gleichen Logik: Man blutet die staatlichen Institutionen aus, damit die privaten überhaupt erst eine Chance haben. Und es ist immer die gleiche Dramaturgie: Mit Hilfe der Medien werden die privaten Hochschulen zu Elite-Hochschulen hochgejubelt, um damit Staatsgelder abzupressen. Die Medien, die ja mehr oder weniger darauf programmiert sind, alle öffentlichen Einrichtungen herunterzureden, greifen die Werbesprüche der privaten Neugründer begierig auf und feiern sie als vorbildliche Eliteeinrichtungen. Nachdem sich die Unternehmer als Stifter kräftig von Politik und Medien haben feiern lassen, verlässt sie meist die Begeisterung. Mit ein paar Millionen und einigen schicken Gebäuden kann man halt keine Elite-Universität schaffen.
Die Wirtschaft zieht – wie an vielen anderen privaten Hochschulen – ihr finanzielles Engagement nach relativ kurzer Zeit zurück oder friert es ein. Die nun einmal gegründete, private Hochschule zwingt dann unter Androhung des Konkurses den Staat in eine Ausfallbürgschaft. (Vgl. Die Wirtschaft kann alles besser oder der Größenwahn der privaten Elitehochschulen)
Nach 10 Jahren brachte die „Elite-Uni“ Jacobs University gerade einmal 2.100 Absolventen hervor. Trotz Studiengebühren und Verpflegungskosten in Höhe von 22.500 Euro, ist wohl dem Land Bremen kein/e Studierende/r teurer gekommen als die Studierenden an der Jacobs University. Und ob sie besser ausgebildet sind, da sollte man sich auch nicht auf die Werbesprüche verlassen. Der einzige Vorteil für die Studierenden dürfte sein, dass sie in ein „Elite“-Netzwerk eingebunden sind. Und da reden manche immer noch von „Leistungsgesellschaft“!
Anmerkung AM: Eine weitere Besprechung des Buches von Werner Rügemer „Rating Agenturen“. Lesenswert! Siehe auch hier.
Anmerkung: Da Minister a.D. Michael Glos im Zusammenhang mit Steinbrück´s Nebengeschäften ebenfalls mit diversen Lobbytätigkeiten genannt wurde, könnte hier der Bildschirm knistern.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=14787