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Titel: Hinweise des Tages
Datum: 5. August 2006 um 11:14 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
- Deutsche Industrie leidet unter schwacher Inlandsnachfrage
Die deutsche Industrie hat im Juni entgegen den Erwartungen weniger Aufträge bekommen. Besonders die Konsumgüterindustrie musste deutliche Auftragseinbußen hinnehmen, aber auch bei den Investitionsgüterherstellern ging das Ordervolumen zurück.
Quelle: FTD
Anmerkung: Den Erwartungen aufmerksamer NachDenkSeiten-Leser widerspricht dieser Auftragsrückgang sicher nicht. In Deutschland trägt der Binnenmarkt etwa doppelt so viel zum Bruttosozialprodukt bei wie die Exportwirtschaft. Wenn hierzulande die Realeinkommen sinken, dann sinkt auch der Konsum und damit die Nachfrage und das führt wiederum zu einem Rückgang der Aufträge zumal in der Konsumgüterindustrie – so einfach ist das. Alles andere ist Un-Sinn.
- Mangelhafte Kontrolle: Bund verliert fünf Milliarden Euro pro Jahr
Steuererklärungen werden nur noch im Schnellverfahren bearbeitet. Der Bundesrechnungshof: spricht von “Schwierigkeiten, Steuern ordnungsgemäß zu erheben”. Nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG) entgehen dem Fiskus jährlich Steuereinnahmen von rund fünf Mrd. Euro, weil die Finanzverwaltungen personell unterbesetzt sind. “Um leidlich ordentlich arbeiten zu können, bräuchten wir 10 000 zusätzliche Mitarbeiter”, sagt der Bundesvorsitzende der DStG, Dieter Ondracek. Die Länder aber wollen die Zahl der Mitarbeiter nicht aufstocken, weil sie finanzielle Nachteile für sich befürchten.
Quelle: WELT
Quelle: Nicht mehr erreichbar (24.08.2006)
Anmerkung: Auch dies erklärt zum Teil die große Differenz zwischen nominaler und realer Unternehmensbesteuerung in Deutschland. Es stellt sich die Frage, ob das politisch gewollt ist.
- Kinder sollen für arbeitslose Eltern zahlen
Neuer Vorstoß aus der CDU: Betuchte Kinder sollen nach Vorstellungen der Christdemokraten zu den Unterhaltskosten ihrer arbeitslosen Eltern beitragen. In der großen Koalition werde im Herbst „über eine grundlegende Reform von Hartz IV“ beraten. „Dann werden wir auch über diese Form der Verantwortungsgemeinschaften, über diese Erweiterung, reden müssen“, erklärte der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung: Dass nur „betuchte“ Kinder für ihre arbeitslosen Eltern zahlen sollen, ist eine Interpretation des Handelsblatt-Redakteurs. Pofalla selbst sprach vage von „finanziellen Voraussetzungen“.
Wie lang wird es wohl noch dauern, bis der erste Koalitionär vorschlägt, auch die Gesetzliche Rentenversicherung auf diese Weise zu entlasten?
- Amerikanische Verhältnisse
Gerhard Schröder und Franz Müntefering gingen naiv auf den Handel Abbau des Sozialstaates gegen Aufbau von Arbeitsplätzen ein und brauchten Jahre, bis sie feststellten, wie sehr sie den Neoliberalen auf den Leim gekrochen waren. Nun hat sogar Jürgen Rüttgers von der CDU entdeckt, dass eine zentrale Formel im Ideologiegebäude der Marktradikalen – Steuersenkungen für Unternehmen gleich Investitionen gleich Arbeitsplätze – nichts als eine Lebenslüge war.
Aber steuert die große Koalition jetzt um? Davon ist nichts zu spüren. 25 Jahre Angebotspolitik mit katastrophalen gesellschaftlichen Auswirkungen werden fortgesetzt, als wäre nichts geschehen.
Quelle: Nicht mehr erreichbar (24.08.2006)
- Nützlicher Lärm – damit die SPD dem Einstieg ins Kopfprämiensystem nicht unbemerkt zustimmen kann
Verdi und die Kassen haben den Protest begonnen. Aber er ist noch zu unpolitisch. Denn die Koalitionäre wollen uns den Gesundheitsfonds uns als Kompromiss zwischen den Bürgerversicherungsplänen der SPD und der Kopfprämie der Union verkaufen. In Wahrheit hat er mit einer Bürgerversicherung nichts tun, öffnet aber ganz klar den Weg zur Kopfprämie, weil die Privatversicherten ungeschoren bleiben. Man muss Verdi und den Kassen dankbar sein, dass sie den Protest eröffnet haben. Im September gibt es zwei Landtagswahlen. Dann wird die bisher so geräuschlose Arbeit der großen Koalition vielleicht zum Politikum.
Quelle: Freitag
- Polizei soll Einsicht in Mautdaten erhalten
Die Polizei wird voraussichtlich schon ab 2007 Daten aus der Erhebung der Lkw-Maut zur Verfolgung schwerer Straftaten nutzen können. Das Bundesinnenministerium teilte mit, ein entsprechendes Gesetz sei in Vorbereitung.
Quelle: FTD
Auszug: Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Horst Friedrich: “In der Vergangenheit hat die Union hoch und heilig versprochen, dass die Mautdaten nicht (für andere Zwecke, KR) verwendet werden dürfen. Heute sollen Schwerverbrecher mit Daten der Lkw-Maut verfolgt werden, und in Zukunft fordert die Union, Ladendiebe mit Hilfe der Pkw-Maut dingfest zu machen.”
- Fallstrick Recherche
Der SWR-Chefreporter Thomas Leif kämpft für Transparenz und Unabhängigkeit im Journalismus – ein Anspruch, dem er als Vorsitzender des Netzwerks Recherche selbst nicht immer genügen kann. Warum hat er in seinem Buch “Beraten & verkauft” darauf verzichtet, die Bertelsmann-Stiftung an den Pranger zu stellen? Der Verdacht liegt nahe, dass dies am Verlag liegen könnte, der es veröffentlicht hat: C. Bertelsmann in München – im Besitz der Bertelsmann AG, deren Aktienmehrheit wiederum der Bertelsmann-Stiftung gehört.
Quelle: TAZ
- US-Regierung räumt soziale Probleme ein
Finanzminister Henry Paulson hat einen Kurswechsel in der amerikanischen Wirtschaftspolitik angedeutet. Bei seinem ersten offiziellen Auftritt in der Finanzmetropole New York kritisierte Paulson die wachsenden Einkommensunterschiede in den USA.
Quelle: FTD
Anmerkung: An dieser Meldung ist nur bemerkenswert, dass der amerikanische Finanzminister offenbar weiß, dass zu niedrige Löhne zu volkswirtschaftlichen Problemen führen. Der großen Mehrheit der deutschen Ökonomen ist er damit weit voraus.
- Rechnungshof kritisiert erneut die Bahn
Die Zuordnung von Immobilien entspreche nicht den Gesetzen – Bund solle Geld zurückfordern.
Quelle: Berliner Morgenpost
- Scholl-Latour geht nicht mehr in Talkshows
Auf Argumente kommt es im Fernsehen nicht mehr an, sagt der Nahost-Experte. Parteilichkeit und Oberflächlichkeit prägen die Politsendungen. Auf der Strecke bleibt dabei der Zuschauer.
Quelle: WELT
- Australien: Die Immobilienblase droht zu platzen
Seit über zehn Jahren erlebt Australien einen historisch einzigartigen Wirtschaftsboom, und die Wachstumsorgie der Vorstädte ist sein stärkstes Symptom. Doch nun droht die Immobilienblase zu platzen, die zu einer Spaltung des Mittelstandes geführt hat. Für viele Australier scheint eine Zinserhöhung schlimmer zu sein als ein El-Kaida-Anschlag.
Quelle: Handelsblatt
- Kombilohn: Manager würden gerne die Förderung kassieren, aber keine Langzeitarbeitslosen einstellen
Quelle: FTD
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