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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Heuschreckenfraß
Datum: 31. Juli 2006 um 12:29 Uhr
Rubrik: Ökonomie, Privatisierung
Verantwortlich: Albrecht Müller
In der FR vom 29.7. erschien ein Beitrag von Heiner Flassbeck. Wenn man so etwas liest, muss man immer in Erinnerung behalten, dass diese Art von zerstörerischer Investorentätigkeit von Schröder und Eichel steuerfrei gestellt worden ist – weil damit die „Deutschland AG“ mobilisiert werde. Schöne Mobilisierung. Und niemand rührt sich, um die Steuerfreiheit dieser Veräußerungsgewinne rückgängig zu machen. Auch Müntefering, der Heuschreckenbeschwörer nicht. Sie stecken alle unter einer Decke.
Von Heiner Flassbeck, FR, Devise, 29.7.2006
Nun also Tank & Rast. Man wusste ja schon, dass Heuschrecken vor nichts Fressbarem haltmachen, dass es aber einen ehemaligen Staatsbetrieb so schnell trifft, hatte wohl niemand erwartet. Jedenfalls hat am Mittwoch ein Bericht der Financial Times Deutschland über die Art und Weise, wie der neue Investor das Unternehmen Tank & Rast aussaugt, für erheblichen Wirbel gesorgt. Der Wirbel selbst ist verwunderlich, weil das Muster des Vorgehens dieser „Investoren“ immer gleich ist und niemand hätte mehr verwundern müssen.
Vor einiger Zeit erschien ein interessanter Beitrag über Heuschrecken in der Wochenend-Beilage der Süddeutschen Zeitung. Da wurde zwar auf naive Weise, aber gerade wegen der Naivität wunderbar klar beschrieben, wie ein neuer Heuschreckenchef eine Firma umkrempelt. Der neue Chef „wende einige Kniffe” an, sagen die Angestellten. Die hat er allerdings schon in zehn anderen Firmen vorher angewendet, um jedes Mal eine ordentliche Abfindung zu kassieren, aber bisher ist es ihm noch immer gelungen, die Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital deutlich zu erhöhen.
Zu den “Kniffen” gehört es, wie jetzt bei Tank & Rast, zunächst die Verschuldung des Unternehmens dramatisch zu erhöhen, weil das eine einfache Möglichkeit bietet, die Rendite auf das jetzt viel geringere Eigenkapital drastisch zu erhöhen – noch verdient das Unternehmen wie vorher – und die hinter dem private equity Investor stehenden Finanzinvestoren wie Hedge Fonds oder Pensionsfonds zu beglücken. Zu den „Kniffen“ zur Steigerung der kurzfristigen Rendite gehört es aber auch, die Investitionen in Menschen und in Maschinen und Anlagen herunterzufahren. Das wiederum ist logisch, weil das die Kosten drückt und die Heuschrecke ja nicht daran interessiert ist, ob die Firma in zwanzig Jahren noch existiert oder technologisch Spitze bleibt, sondern allein die Frage, ob und wie sie in zwei bis drei Jahren mit einem ordentlichen Gewinn wieder verscherbelt werden kann. Willkommen in der schönen neuen Welt der von global agierenden Pensionsfonds angeheuerten Renditejäger: “Nach mir die Sintflut” ist das unternehmerische Prinzip des neuen Finanz-Kapitalismus.
Bezeichnend ist, dass den Fonds inzwischen die Manager ausgehen, die sie an die Spitze der von ihnen erworbenen Unternehmen setzen können. Was machen sie? Sie heuern pensionierte Manager aus allen möglichen Bereichen an, denen sie im Schnelldurchgang die Kniffe beibringen. Dass diese Allzweckwaffen etwas zum langfristigen Unternehmenserfolg beitragen sollen, glaubt natürlich keiner, aber darum geht es ja auch nicht. Paradoxerweise ist der Glaube, man könne alles produzieren und alles verkaufen, wenn man nur ein smarter Bursche ist und einen business Abschluss von Harvard hat, gerade gescheitert. Das Konzept der Diversifizierung durch Zukauf ist schwer in Bedrängnis geraten, weil Unternehmer, die alles machen, am Ende fast alles falsch machen, aber das wird schlicht ignoriert.
In der Tat, bei den meisten Produkten die deutsche Unternehmen herstellen, braucht es eine Menge Erfahrung und eine Menge Detailkenntnisse, um sie vernünftig und das heißt, mit einer vernünftigen Langfriststrategie ausgestattet, weiterzuentwickeln und zu verkaufen. Jetzt machen wir den Fehler der Alleskönner wieder, indem wir gute Firmen mit einem Management versehen, dass Kniffe anwenden zum Hauptzweck der Unternehmung macht. Man will ja gar nichts von der Sache verstehen, sondern nur ein paar Jahre dazu nutzen, einen anderen Investor, eine andere Heuschrecke oder ein paar systematisch dumm gehaltene Aktionäre davon zu überzeugen, dass das Unternehmen wunderbar dasteht.
Im Übrigen, dass es alle möglichen Fälle auf der Welt gibt, und so etwas auch einmal gut gehen kann, kann man nicht bestreiten. Aber zu behaupten, das sei systematisch geeignet, eine effizientere Wirtschaft hervorzubringen, ist grandioser Unsinn. Jedes Unternehmen, das die dritte Heuschrecke hinter sich hat, ist erledigt. Mit anderen Worten, die Übertragung des Geschäftsmodells der Finanzmärkte auf die Gütermärkte funktioniert nicht, weil man in letzteren viel mehr können muss, als das, was man beim Masterkurs in Harvard lernt.
© Frankfurter Rundschau
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