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Titel: Bertelsmann-Studie über die Vorstellungen der Arbeitnehmer zu ihrem Rentenübergang. Oder: Woher Bundespräsident Köhler seine Denkanstöße bezieht.

Datum: 25. Juli 2006 um 14:52 Uhr
Rubrik: Bundespräsident, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Rente
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Tatsächlich zeigen auch Umfragen, dass die Deutschen sich darauf einstellen, später in Rente zu gehen. Ich finde, es könnte durchaus auch darüber diskutiert werden, ob starre Altersgrenzen überhaupt noch in unsere Zeit passen.

Das sagte Köhler im Mai auf dem 8. Seniorentag in Köln.

Arbeitnehmer in Deutschland wollen auch in fortgeschrittenem Alter beruflich aktiv bleiben – Mehrheit möchte Renteneintritt in der Altersphase zwischen 60 und 67 selbst bestimmen.

Das ist die Überschrift einer Befragung der Bertelsmann Stiftung, die am 24.07.06 vorgestellt wurde.
Ist diese Übereinstimmung Zufall – oder haben die guten Beziehungen zwischen Bertelsmann und dem Bundespräsidialamt Köhler zu diesem „Denkanstoß“ verholfen?

Die Präsentation der Ergebnisse der Bertelmann-Umfrage überlassen wir gerne ihrer kritischen Lektüre. Wir wollen nur Folgendes zu bedenken geben:

61 Prozent der Befragten Arbeitnehmer möchten ihren persönlichen Renteneintritt im Alter zwischen 60 und 67 Jahren selbst bestimmen können. Eine große Mehrheit wünscht sich also wie Köhler „möglichst viel Freiheit“.
Wer für möglichst viel Freiheit eintritt sollte aber auch berücksichtigen, dass „lediglich fünf Prozent der Befragten … mit einer Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre einverstanden (sind), um auf diese Weise die Rentenzahlungen auch zukünftig finanzieren zu können.“ Und nur 34 Prozent sprechen sich für eine Rente ab 65 Jahren aus.

Wie Bertelsmann-Vorstandmitglied Dr. Johannes Meier bei der Vorstellung der Umfrage bei dieser nahezu totalen Ablehnung der Rente ab 67 und dem weit überwiegenden Wunsch, vor 65 in Rente gehen zu können, resümieren kann, “die hohe Bereitschaft der Erwerbstätigen, sich bis ins Alter beruflich und gesellschaftlich zu engagieren, sehen wir als Hinweis für die Entwicklung einer neuen Kultur der Altersbeschäftigung“, das ist wohl eher seiner politischen Wunschvorstellung, als den erhobenen Umfrageergebnissen geschuldet. Meier ist der Auffassung: “Angesichts der demographischen Entwicklung ist ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel hin zu längeren Tätigkeitsbiographien zwingend notwendig.”
Der politische Wunsch nach Verlängerung der Lebensarbeitszeit war also wieder mal der Vater dieser ziemlich verwegenen Interpretation der eigenen Umfrageergebnisse. Es ist halt wie so oft bei „wissenschaftlichen“ Studien von Bertelsmann: Umso schlimmer für die empirisch erhobene Wirklichkeit, wenn sie nicht der vorgegebenen politischen Mission des Hauses Bertelsmann entspricht.

Im Übrigen ist der Wunsch nach der „Freiheit“, seinen persönlichen Renteneintritt ab 60 Jahren frei wählen zu dürfen, ja nur zu verständlich. Entscheidender ist aber, ob dieser Wunsch in der realen Arbeitswelt erfüllbar ist. Wie der Altersübergangs-Report des Instituts Arbeit und Technik [PDF – 131 KB] zeigt,

  • erfolgt nur rund ein Fünftel aller Zugänge in Altersrenten unmittelbar aus sozialversicherungspflichtiger beruflicher Tätigkeit,
  • nimmt knapp ein Drittel eines Geburtsjahrganges die Regelaltersrente in Anspruch, und das ganz überwiegend nicht im unmittelbaren Anschluss an eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung,
  • hat knapp ein Fünftel aller Neuzugänge in Altersrenten unmittelbar vor Renteneintritt Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen.

Dies IAT-Studie vermag jedenfalls in der realen Arbeitswelt keine „neue Kultur der Altersbeschäftigung“ (Meier) ausmachen, im Gegenteil: Sollte sich am Einstellungsverhalten der Betriebe gegenüber Älteren nichts ändern, „birgt die geplante Heraufsetzung des gesetzlichen Rentenalters – zusammen mit aktuellen Änderungen in der Arbeitsmarktpolitik – die verstärkte Gefahr von Altersarmut.“

Weitere Quellen:
Altersübergangs-Report des Instituts Arbeit und Technik [PDF – 131 KB]
Der Altersübergang im Wandel von Renate Büttner, Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen [PDF – 126 KB]


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