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Titel: Die CDU verschärft ihren neoliberalen Reformkurs
Datum: 29. Oktober 2004 um 16:14 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, CDU/CSU, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Albrecht Müller
Die Analyse eines Lesers der NachDenkSeiten.
Hinter der aktuellen Kontroverse der Unionsparteien über die „K-Frage“ und eine neue Krankenversicherung à la Kopfpauschale verschwimmt derzeit, dass die CDU-Führung ihr neoliberales Reformprogramm insgesamt deutlich verschärfen will.
Mit ihrem vom Bundesvorstand verabschiedeten 78seitigen Leitantrag für den nächsten Bundesparteitag am 6./7.12.2004 in Düsseldorf mit dem Titel „Wachstum – Arbeit -Wohlstand. Wachstumsstrategien für die Wissensgesellschaft“ [PDF – 364 KB], der eine Art Blaupause für ein Regierungsprogramm der Union darstellt, erhebt die CDU den Anspruch, „Reformkonzepte“ zur Schaffung von Wachstum, Arbeit und Wohlstand vorzulegen.
So zutreffend manche Befunde und so anerkennenswert die Zielsetzungen sind – die Überwindung der Wachstumsschwäche unserer Volkswirtschaft und der hohen Arbeitslosigkeit sollen in den Mittelpunkt aller wirtschaftspolitischen Überlegungen gestellt werden -, so zweifelhaft bis gefährlich einseitig sind die im Leitantrag enthaltenen Diagnosen und Therapieansätze. Wo immer es konkreter wird, setzt die CDU nämlich fast ausschließlich und damit noch merklich stärker als früher auf die Konzepte der Angebotsökonomie. Ganz im neoliberalen Geiste sucht sie das wirtschaftspolitische Heil in der Senkung der Arbeitskosten (zzgl. weiterer Strukturreformen am Arbeitsmarkt wie Verlängerung der Arbeitszeiten, Einschränkung der Tarifautonomie, zusätzliche Lockerungen des Kündigungsschutzes und Etablierung eines Niedriglohnsektors auch für Vollerwerbsarbeitsplätze), in forcierter Deregulierung und Entstaatlichung sowie ausdrücklich in der Förderung von Eliten. Hierbei allerdings wie auch bei Forschungs- und Verkehrsinvestitionen wird dem Staat eine stärkere Rolle als bisher eingeräumt (ohne das jedoch mit wirklich belastbaren Finanzierungsvorschlägen zu verknüpfen).
Geht man die 78 Seiten des Leitantrags vollständig durch, finden sich nahezu alle der in Albrecht Müllers Buch „Die Reformlüge“ kritisch aufgearbeiteten Reformmythen und -legenden in den „Wachstumsstrategien“ der Union wieder. Indes, die CDU-Spitze glaubt anscheinend fest daran und beschwört die typischen Leitsätze bisweilen wörtlich (siehe z.B. das Motto auf S. 29ff.: „Sozial ist, was Beschäftigung schafft“).
Der Agenda 2010-Reformkurs der Bundesregierung wird von den „Wachstumsstrategien“ der CDU z.T. so radikal zu überholen versucht, dass ihr die SPD bereits – insoweit mit Berechtigung – nicht nur „Ideenklau“, sondern auch „Sozialabbau“ und „Verantwortungslosigkeit“ unter „Verlust gesamtwirtschaftlichen Denkens“ zum Vorwurf machen kann.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht frappierend sind aber nicht nur die eindeutige soziale Schieflage der CDU-Konzepte und die völlig einseitige Betonung der Angebotsfaktoren (und -interessen). Fast noch bedenklicher erscheint das Ignorieren und teilweise sogar Tabuisieren zentraler makroökonomischer Problemlagen:
Frei nach Heinrich Heine gesprochen, muss ein nicht parteigebundener Ökonomen das Fazit ziehen:
Denk ich an solche “Reformkonzepte” für Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht!
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