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Titel: Flassbeck und Spiecker zur EZB-Entscheidung
Datum: 7. September 2012 um 15:16 Uhr
Rubrik: Finanzkrise, Schulden - Sparen, Wettbewerbsfähigkeit
Verantwortlich: Albrecht Müller
Hier noch eine Wertung von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker. “EZB Entscheidung: In die richtige Richtung, aber mit dem falschen Vorzeichen”. Albrecht Müller
EZB Entscheidung: In die richtige Richtung, aber mit dem falschen Vorzeichen
von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker
für Nachdenkseiten.de, 7.9.2012
Schade, so vertut man eine entscheidende Gelegenheit: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Prinzip mit der Entscheidung, massiv, ja sogar unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, einen großen Schritt in die richtige Richtung getan, aber sie tut es unter Konditionen, die, wie schon beim letzten Mal, den Misserfolg des Programms vorprogrammieren. Das ist tragisch, wird das in einem oder zwei Jahren doch all denen in Deutschland scheinbar Recht geben, die, wie die Bundesbank, mit dieser „Monetisierung der Staatsschulden“ das Ende der Welt heraufziehen sehen.
Wäre die EZB gestern vor die Presse getreten und hätte verkündet, dass sie bei einer fundamentalen Wende der Politik bei der Eurorettung bereit wäre, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, wäre alles gut. Sie hätte sagen können, dass sie der Überzeugung ist, dass die Ursache der Krise in der Eurozone eindeutig in der großen Diskrepanz in der Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten liegt und diese mittelfristig beseitigt werden muss. Sei die Politik unter aktiver Teilnahme Deutschlands bereit, dafür zu sorgen, dass von nun an die Lohnstückkosten in Europa so weit konvergieren, dass bei Aufrechterhaltung des Inflationsziels von zwei Prozent die südeuropäischen Staaten einschließlich Frankreichs in zehn Jahren ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangt haben, werde sie alles tun, um die monetären Voraussetzungen für diesen Heilungsprozess zu garantieren, um sich danach wieder ihren normalen Aufgaben zu widmen.
Das genau hat Mario Draghi aber nicht gesagt. Implizit hat er gesagt, dass tatsächlich das Problem der Eurozone bei den Staatshaushalten liegt, weswegen weiterhin oder sogar noch konsequenter eine Politik des Gürtel-enger-Schnallens bei den Staatshaushalten (unter dem Schirm) angesagt sei. Würden die Politiker versprechen, die Staatshaushalte auf diesem Wege zu sanieren versuchen, werde die EZB schon vorher versuchen, die Zinsen, die für Staatsanleihen zu zahlen sind, zu senken.
Das kann nicht funktionieren. Inzwischen müsste auch dem Letzten klar sein, dass man Staatshaushalte mitten in einer Rezession, in der die privaten Haushalte und die Unternehmen zu sparen versuchen, nicht durch Sparversuche sanieren kann. Wer jetzt die staatlichen Ausgaben senkt oder die Steuern erhöht, treibt die Wirtschaft nur weiter in die Rezession und den Staat weiter ins Defizit. Dass die Zinsen auf Staatsanleihen einen oder zwei Prozentpunkte niedriger sind, ändert daran nichts. Die Erfolglosigkeit des EZB Programms wird in einigen Monaten aber genau daran gemessen werden. Man wird sagen, da sieht man, wohin die EZB Druckerpressenpolitik führt, nämlich immer nur weiter ins Unglück.
Wiederum geht es nur um zwei einfache logische Zusammenhänge: Erstens, Nationen können nicht wie schwäbische Hausfrauen sparen, ohne ihre Wirtschaft zu zerstören und, zweitens, nicht alle Nationen können zur gleichen Zeit ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Alle Nationen können zwar zugleich ihre Einkommenssituation über ihre Produktivität verbessern, aber nicht alle können vom Außenhandel im Sinne verbesserter Wettbewerbsfähigkeit und höherer Leistungsbilanzüberschüsse oder geringerer Defizite profitieren. Genau das aber wurde in der Pressekonferenz der EZB genannt: „In order to restore confidence, policy makers in the euro area need to push ahead with great determination with fiscal consolidation, structural reforms to enhance competitiveness and European institution-building.“
Wenn diese Zusammenhänge nicht bald verstanden werden, ist Euroland verloren. Man sollte meinen, dass das nicht so schwer sein kann. Man muss aber nur heute Morgen in die deutschen Zeitungen und sonstige „Leitmedien“ schauen, um zu verstehen, dass eine unbegreifliche Mischung aus Unwissen, bewusster Ignoranz und plumper Interessenvertretung schon verhindert, dass diese Fragen in Deutschland überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt und diskutiert werden. Stattdessen wird – mit Schaum vor dem Mund – der „Rechtsbruch“ der EZB oder die Überschreitung „von roten Linien“ angeprangert. Selbst wenn es ein Rechtsbruch wäre: Wie kann man unkonditioniert die Durchsetzung von Recht verlangen, das von denen, die dem Recht unterliegen, fordert, etwas zu tun, was objektiv unmöglich ist? Wo es gegen die Logik verstößt, hat auch das Recht sein Recht verloren.
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