Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 5. September 2012 um 8:51 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung: Der Artikel erschien auch am Montag in der Printausgabe der SZ
Quelle: Real World Economics Review
Dazu: Erkunden Sie den Brüsseler Lobbydschungel
Wollen Sie wissen, was Facebook in Brüssel treibt? Und wie es kommt, dass eine ehemalige EU-Abgeordnete der SPD in deren Brüsseler Lobbybüro sitzt? Oder was die Lebensmittellobby unternahm, damit die Lebensmittelampel nicht europaweit eingeführt wurde? Ab heute können Sie es nachlesen: der neue LobbyPlanet Brüssel führt sie durch die verborgene Welt des Lobbyismus in Brüssel.
Der Lobbystadtführer ist komplett überarbeitet: Auf etwa 50 Stationen stellen wir Ihnen die wichtigsten Lobbyakteure und -netzwerke der “Hauptstadt der Europäischen Union” vor. Wir zeigen die Tricks und Strategien, mit denen sie die Politik beeinflussen. Und wir zeigen, wie eng Unternehmen und EU an vielen Stellen verflochten sind, zum Beispiel in den zahlreichen Experten-Gruppen oder den interfraktionellen Gruppen im Europäischen Parlament. Der LobbyPlanet Brüssel gibt eine leicht verständliche Einführung in den Brüsseler Lobbyismus und wie er uns alle betrifft. Allzu oft können sich die Lobby-Akteure mit dem größten Lobbybudget durchsetzen. Aber der LobbyPlanet zeigt auch die ersten Erfolge, die das Engagement in unserem europäischen Netzwerk ALTER-EU in den vergangenen Jahren gebracht hat.
Quelle: LobbyControl
Anmerkung JB: Es ist schon fast symptomatisch, dass die FTD die Verlierer nur auf der Kapitalseite sieht. Die verpulverten Millionen werden in Zukunft vor allem von den Beschäftigten von Rhön, Helios und Asklepios wieder eingespielt werden müssen – sie sind die eigentlichen Leidtragenden der großspurigen Übernahmeschlacht zweier privater Krankenhausbetreiber. Weitere Verlierer sind die Patienten, auf deren Rücken die nun leeren Kriegskassen wieder aufgefüllt werden und natürlich auch die Beitragszahler der Krankenkassen, die die Millionensummen, die an der Börse verbrannt wurden, schlussendlich gezahlt haben.
Anmerkung Orlando Pascheit: Und so wird sich der “Bürgerkrieg” nach dem Abzug der sowjetischen Truppen wiederholen. Und genauso wenig wie die Sowjetunion die Regierung Nadschibullah halten konnte, werden die USA die Regierung Karsai halten können. Eine Persönlichkeit wie Ahmad Shah Massoud ist nirgendwo in Sicht. Unter Umständen werden die USA und der Westen am Ende wieder an dem Punkt stehen, den sie wegen eines sogenannten “Krieges gegen den Terror” aufgegeben hatten: Verhandlungen mit den Taliban oder einer anderen Pakistan genehmen Gruppierung.
passend dazu: “Die letzten Gemeingüter dieses Planeten verschwinden”
Fred Pearce über “land grabbing”, die Vorurteile von Naturschützern und die Rettung unseres Planeten durch Kleinbauern
Als die Getreidepreise und damit die Kosten für Grundnahrungsmittel 2007 auf ein historisches Rekordniveau kletterten, kam es weltweit zu Protesten – überall dort, wo die Bevölkerung einen Großteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden muss. Zwei Jahre später führte die Welle von Aufständen dann vielen Machthabern deutlich vor Augen, dass ihre Macht mit dem Schwanken der Lebensmittelpreise steht oder fällt. Unter dem Eindruck des Arabischen Frühlings beschlossen viele Regierungen, ihre Ernährungssicherheit zu verbessern, indem sie billigen, aber fruchtbaren Boden in anderen Ländern aufkaufen oder (häufiger) mit langfristigen Verträgen pachten.
Quelle: Telepolis
Sendetermine: Di, 04.09.12, 18.00 Uhr und Mi, 05.09.12, 17.15 Uhr auf Phoenix
Ich pack’ aus – Wenn Insider an die Öffentlichkeit gehen
Weltweit häufen sich Wirtschafts- und Unternehmensskandale. In Deutschland stehen selbst Global Player wie Siemens, Metro oder Volkswagen in der Kritik. Whistleblower werden die Hinweisgeber genannt, die die Öffentlichkeit unterrichten: über Misstände in der eigenen Firma, über gesundheitliche Gefahren, Korruption oder gar Staatsgeheimnisse. Ein Film über Menschen, die “geplaudert” haben: Sind sie Helden oder Verräter?
Quelle: Phoenix
Sendetermine: Mi, 05.09.12, 21.00 Uhr, Do, 06.09.12, 08.15 Uhr und Do, 06.09.12, 19.15 Uhr auf Phoenix
71. Exclusiv im Ersten: Die Nein-Sager
Sie stürzen Tausende in finanzielle und seelische Nöte. Deutsche Versicherungen kassieren Jahr für Jahr, Monat für Monat ihre Prämien. Wenn sie aber gebraucht werden, können sie sich fast ohne Risiko verweigern. Sie aktivieren juristische Apparate, arbeiten mit perfiden Tricks, verzögern und verschleiern, um berechtigte Ansprüche von Geschädigten abzulehnen. Reporter Christoph Lütgert geht zu verzweifelten Opfern, blickt ins Innere der Versicherungen und fragt die Politik, warum sie die übermächtigen Konzerne gewähren lässt. Zitatende.
Quelle: ARD
Anmerkung unseres Lesers J.B.: Mit Dank an Christoph Lütgert, einen der besten Journalisten die wir wohl zur Zeit haben. Die Wiederholung ist leider etwas zur Unzeit, aber man kann sich das ja eventuell via Mediathek ansehen, wenngleich der Allianzanwalt die Sendung des Interviews eines Allianzsprechers verboten hat. Gesendet wurde trotzdem!!!
Jens Berger schrieb: “Pies ist jedoch ein Wirtschaftsethiker. Da stellt sich unweigerlich die Frage, welche Ethik ein Ökonom vertritt, der nicht nur wider besseres Wissen an das Dogma der Effizienzmarkthypothese zu glauben scheint, sondern auch sämtliche Argumente der Kritiker von Lebensmittelspekulation auf rabulistische Art und Weise verzerrt”.
Zunächst: Im Grunde gibt es keine Ausbildung zum “Wirtschaftsethiker”, d. h. es ist ein Etikett, das sich jede oder jeder anheften kann, der oder die meint, sich dazu berufen zu fühlen.
Zum besseren Verständnis halte ich es für erforderlich, darauf hinzuweisen, dass Ingo Pies als Schüler von Karl Homann für eine ganz bestimmte Ausrichtung einer Wirtschafts-“Ethik” steht, nämlich für die “Ethik nach ökonomischer Methode”. (Siehe auch den Lebenslauf von Pies)
Dahinter versteckt sich der Anspruch, die ökonomischen Methoden auf alle Lebensbereiche anzuwenden (ökonomischer Imperialismus). Es ist nichts anderes als das, was in der Soziologie als Ökonomisierung der Gesellschaft” und Ökonomismus beschrieben wird.
Ein besonderes Spezifikum ist dabei, dass “der Markt” bzw. die Sphere der Wirtschaft als amoralisch angesehen wird – alles, was dort geschieht, hat nichts mit Moral zu tun, sondern die Moral steckt in den Regeln (so diese Sichtweise; siehe auch das Zitat unten).
Deshalb verwundert es nicht, wenn Pies auf die Marktmechanismen setzt (Pies: “Viele Bauern leiden immer noch darunter, dass ihnen der Marktzugang erschwert ist.”) und der Spekulation etwas Gutes abgewinnen kann. Mit Blick auf die Finanzkrise meinte sein Doktorvater, Karl Homann, einmal:
“Das Problem in der aktuellen Finanzkrise ist, dass wir innovative Finanzprodukte haben, aber keine Rahmenordnung dafür [PDF – 271 KB]”.Und natürlich ist “Wettbewerb solidarischer als Teilen” (ebd.). Der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm. Ökonomen sind damit natürlich auch fein aus dem Schneider, denn egal, was sie vorschlagen: Es kann ja gar nicht moralisch verwerflich sein, denn sie agieren in einem moralfreien Raum.
Leider (!) dominiert diese Homann-Schule den deutschsprachigen Raum: Im Grunde sind die Lehrstühle für Wirtschaftsethik vorwiegend “ordnungsethisch” besetzt.
Als wirtschaftsethisch forschender Volkswirt möchte ich deshalb darauf hinweisen, dass auch Wirtschaftsethiker existieren, die daran zweifeln, ob es sich bei dieser “Ethik nach ökonomischer Methode” überhaupt um “Ethik” handelt. Darüber hinaus unterscheidet sich diese Form einer “Ethik” erheblich von anderen Ethik-Konzepten, z. B. der Integrative Wirtschaftsethik von Peter Ulrich oder der Sozialen Marktwirtschaft (konkreter: der Sozialen Irenik) von Alfred Müller-Armack.Insofern finde ich den Titel “Wenn Wirtschaftsethiker der Unmoral das Wort reden” etwas unglücklich, weil er suggeriert, dass alle Wirtschaftsethiker so denken. Das mag mit Blick auf die Dominanz der Homann-Schule richtig sein und deshalb ist es auch berechtigt, den Äußerungen von Wirtschaftsethikern zunächst einmal mit Skepsis zu begegnen.
Allerdings existieren aber auch andere Wirtschaftsethiker – wie Ulrich Thielemann, die weniger marktfolgsam sind und sich z. B. in den letzten Wochen sehr kritisch auch zum Thema “Schweiz, Steuern und Schwarzgeld” geäußert haben. Diese haben dann wiederum sehr darunter zu leiden, dass unter dem Label “Wirtschaftsethik” der Ökonomismus verkauft wird.Noch ein inhaltlicher Hinweis zum Beitrag von Pies: Offenbar geht Pies davon aus, dass Bauern zwangsläufig in Märkte eingebunden sein und handeln müssen. Das muss aber keineswegs so sein. Insbesondere, wenn er den “Welthunger” bekämpfen will, wäre auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es in bestimmten Teilen der Welt noch üblich ist, gemäß dem safety-first-principle zu wirtschaften: Das heißt sichere – wenngleich weniger produktive – Anbaumethoden, direkt konsumierbare Güter statt einer Produktion für den Markt usw. (Siehe auch James C. Scott: The Moral Economy of the Peasant). Ich denke, dass der Weg, zunächst die Wirtschaftsform einer Selbsterhaltung zu gewährleisten und dann (!) über etwaige ländliche Produktionen für den Markt nachzudenken eher geneigt ist, den Welthunger zu bekämpfen. Allerdings steht dem oft genug eine andere Spekulationsform im Weg: Die Spekulation um Boden (land grabbing).
Ergänzende Anmerkung JB: Herr T. hat recht – die Überschrift „Wenn ein Wirtschaftsethiker der Unmoral das Wort redet“ wäre treffender gewesen. Leider kannte ich den wissenschaftlichen Hintergrund von Ingo Pies noch nicht, als ich den Artikel geschrieben habe.
Ein weiterer Leser schrieb mir:
„Laut Wikipedia war er z.B. zu “Forschungsaufenthalten bei Gary S. Becker an der University of Chicago und bei James M. Buchanan an der George Mason University”. Genug gehört, Euer Ehren. Wer bei solchen Leuten (beides Mont Pelerin-Mitglieder) bzw. Unis (insbesondere die GMU gilt als Hochburg der Libertären, die “Chicagoer Schule” dürfte ebenfalls ein Begriff sein) unterwegs ist, kann kaum anders als an effiziente Märkte zu glauben. Zumal sein Doktorvater in die gleiche Ecke zu gehören scheint. Dass er dann den Kritikern der Nahrungsmittelspekulation Unwissenschaftlichkeit und Unkenntnis der einschlägigen Forschungsergebnisse vorwirft, ohne selbst eine einzige Studie zu zitieren, ist wenig verwunderlich.“
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=14331