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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 31. August 2012 um 15:49 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Über den Wolken – das Vertrauen ist futsch
  2. Republikaner-Konvent
  3. Albrecht von Lucke – Von Merkel lernen, heißt siegen lernen
  4. Thomas Fricke – Wer ist der wahre Stabilitätspapst?
  5. 25 Millionen Menschen in der EU ohne Job
  6. UN-Arbeitsorganisation warnt vor Griechenland-Austritt
  7. Die bunte und teure Welt der «Strukis»
  8. Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: Lautsprecher des Kapitals
  9. Tschechien: Juristischer Kreuzzug gegen Korruption
  10. Leistungsschutzrecht
  11. J. Bradford DeLong – Democracy in Tea Party America
  12. Der Mond wird aufgegangen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Über den Wolken – das Vertrauen ist futsch
    Gastbeitrag einer langjährigen Lufthansa-Kollegin zum Streik der Flugbegleiter
    Über den Wolken herrscht Krisenstimmung, auch dort. Die Geschütze im Arbeitskampf bei der Lufthansa sind in Stellung gebracht, die Parolen donnern: Geld! Leiharbeit! Ausgliedern! Kurz, das Tarifkostüm des ehemaligen Staatsbetriebes soll neu zugeschnitten werden, sprich: sehr eng tailliert.
    Ähnliches gab es schon einmal. Vor sechs Jahren wurde den Flugbegleitern die Kröte dargereicht, manteltarifvertragliche Gehaltssteigerungen massiv zu verlangsamen: Um in die Gehaltsstufe zu gelangen, die eine Stewardess früher nach zehn Jahren erreichen konnte, muss sie nun länger arbeiten – 22 Jahre. Mit entsprechenden Folgen für Rente und Betriebsrente. Falls ihr keine Schwangerschaft dazwischen kommt; dann muss sie nachsitzen.
    Vor sechs Jahren schluckten die Flugbegleiter diese Kröte, bei den meisten bislang unverdaut, um die Wettbewerbsfähigkeit ihres Konzerns zu sichern. Gegen Billigkonkurrenz, subventionierte Airlines vom Golf und wegen der steigenden Kerosinpreise.
    Quelle: Wiesaussieht
  2. Republikaner-Konvent
    1. Greed and Debt: The True Story of Mitt Romney and Bain Capital
      How the GOP presidential candidate and his private equity firm staged an epic wealth grab, destroyed jobs – and stuck others with the bill
      Unemployment: the real Eurozone problem
      The great criticism of Mitt Romney, from both sides of the aisle, has always been that he doesn’t stand for anything. He’s a flip-flopper, they say, a lightweight, a cardboard opportunist who’ll say anything to get elected.
      The critics couldn’t be more wrong. Mitt Romney is no tissue-paper man. He’s closer to being a revolutionary, a backward-world version of Che or Trotsky, with tweezed nostrils instead of a beard, a half-Windsor instead of a leather jerkin. His legendary flip-flops aren’t the lies of a bumbling opportunist – they’re the confident prevarications of a man untroubled by misleading the nonbeliever in pursuit of a single, all-consuming goal. Romney has a vision, and he’s trying for something big: We’ve just been too slow to sort out what it is, just as we’ve been slow to grasp the roots of the radical economic changes that have swept the country in the last generation.
      Quelle: Rolling Stone

      dazu auch der Folgeartikel: On Mitt Romney, Bain Capital and Private Equity
      Quelle: Rolling Stone

    2. US-Wahlkampf wird interessanter
      Der US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf ist seit kurzem interessanter und, so könnte man sagen, genuin politischer geworden. Es klingt wie ein Treppenwitz: Ausgerechnet die Nominierung des fiskalpolitischen Radikal-»Falken« Paul Ryan als »running mate«, d.h. Vizepräsidentschaftskandidat an der Seite Mitt Romneys könnte wieder genuin richtungspolitische Inhalte in die Debatte tragen.
      Einerseits war der Vorwahlkampf der Republikanischen Partei (GOP) erstaunlich stark um sexuell aufgeladene Themen gekreist und hatte richtungspolitische Entscheidungsfragen schlafwandlerisch umschifft. Wenn nicht gerade der texanische Gouverneur Rick Perry damit angab, gleich drei wichtige staatliche Regulierungsbehörden zu schließen, ihm auf Nachfrage aber nur zwei einfallen wollten, dann beschäftigte das Bewerberfeld der GOP die Presse mit Ehebruchskandalen (so geschehen beim Unternehmer Herman Cain und Bill Clintons altem Gegenspieler Newt Gingrich) oder offensiver Gegnerschaft zu Verhütungsmitteln und Familienplanung (Rick Santorum).
      Andererseits bewegte sich der Wahlkampf im Eiltempo auf das zu, was Jugendliche hierzulande das »Niveau-Limbo« nennen, seitdem klar war, dass der ehemalige Massachusetts-Gouverneur Mitt Romney für die Republikaner gegen Barack Obama ins Rennen um die Präsidentschaft gehen wird. Auch aus dem Lager des einstmaligen Saubermanns Obama wurde Romney für seine Biographie attackiert. Ein Werbespot aus diesem Lager bringt den ehemaligen Stahlkocher Joe Soptic zur Sprache, dessen Werk von GST Steel geschlossen wurde, einige Jahre nachdem es von einer Investorengruppe gekauft worden war, zu der auch Mitt Romneys Bostoner Investmentfonds Bain Capital gehört hatte.
      Quelle: Sozialismus Aktuell
    3. Paul Ryan ist der eigentliche König
      Egal wie die Wahl am 6. November ausgeht, nicht Mitt Romney, sondern Paul Ryan wird eine neue republikanische Ära einläuten. Sollte Romney gegen Barack Obama verlieren, könnte Ryan in vier Jahren sogar selbst US-Präsident werden. […]
      Wie er stellen auch sie die reine Lehre über den politischen Kompromiss. Das gemeinsame Dogma lautet: Weniger Staat, weniger Gesetze, weniger Steuern! […]
      Quelle: Tagesspiegel

      Anmerkung JB: Die wohlwollenden Paul-Ryan-Portraits der Tagesspiegel-Autoren Klingst und von Marschall ist beängstigend. Wesentlich kritischer fällt da schon der Artikel des SPON-Autoren Gregor Peter Schmitz aus, der auch auf Ryans ideologischen Hintergrund eingeht. Ryan ist ein Anhänger Friedrich August von Hayeks und Ludwig von Mises. Er bezeichnet sich selbst als Vertreter der „Österreichischen Schule“, die man wohl am ehesten als radikal-kapitalistisch bezeichnen könnte und die den Gesellschaftsvertrag durch einen reinen Sozialdarwinismus ersetzen will. Leider hat sich die Radikalität dieser Ideologie immer noch nicht bis in die Redaktionsstuben der Republik durchgesprochen. Selbst was wir hierzulande beispielsweise von der FDP kennen, ist im Vergleich zu den „Österreichern“ geradezu sozialistisch! Wehret den Anfängen, man muss sich einer derartig menschenverachtenden Ideologie in den Weg stellen, bevor sie weiter um sich greift. Mit netten Verharmlosungen á la Tagesspiegel erreicht man jedoch das genaue Gegenteil.

  3. Albrecht von Lucke – Von Merkel lernen, heißt siegen lernen
    Worum es heute geht, ist die Rückeroberung des Primats der Politik gegen die Macht der Finanzmärkte. Wenn Sahra Wagenknecht dazu das Erhardsche Leitmotiv »Wohlstand für alle« besetzt, ist das weit mehr als ein bloß kluger Schachzug. Eine Replik auf Ulrike Herrmann und ein Plädoyer für eine soziale Marktwirtschaft von links
    Sarah Wagenknecht hat seit geraumer Zeit ihr Herz für Ludwig Erhard entdeckt. Das ist mit Sicherheit klüger als frühere Sympathien für Walter Ulbricht, zieht jedoch auch Kritik auf sich – so unlängst die von Ulrike Hermann, Wirtschaftskorrespondentin der »Tageszeitung«. Der zentrale Vorwurf an Wagenknecht, beileibe nicht nur von Hermann, ist der angeblich fehlender Radikalität. Anstelle des Ordoliberalismus solle sie sich doch zumindest auf Roosevelts wesentlich radikaleren New Deal beziehen. Diese Stoßrichtung ist unter ökonomischen Gesichtspunkten sicherlich nicht falsch: Soziale Marktwirtschaft bedeutet eben dezidiert nicht demokratischen Sozialismus (weshalb sich die deutsche Sozialdemokratie anfänglich auch schwer damit tat); und aus Liberalismus, konsequent befolgt, geht keineswegs, wie von Wagenknecht behauptet, notwendig Sozialismus hervor.
    All dies übersieht jedoch die politisch-strategische Frage. Und in dieser Hinsicht ist der Versuch der Aneignung der sozialen Marktwirtschaft – über das Erhardsche Leitmotiv »Wohlstand für alle« – ein Meisterstück. Schließlich handelt es sich dabei heute weniger um ein eng umrissenes ökonomisches Konzept als vielmehr um den Leitbegriff der Konservativen und dieser Republik – also gewissermaßen um das Tafelsilber der Union.
    Quelle: Neues Deutschland

    dazu: Ulrike Herrmann – Warum nicht Roosevelt?
    Wie die Marxistin Sahra Wagenknecht auf den Ordoliberalen Ludwig Erhard hereinfällt
    Sahra Wagenknecht hat Ludwig Erhard gelesen. Und sie macht kein Geheimnis daraus. Seit geraumer Zeit lässt sie kaum einen Anlass aus, den christdemokratischen Wirtschaftsminister und Bundeskanzler zu zitieren. Diese Strategie hat sich für sie gelohnt. »Der Spiegel« nennt sie »erzliberal«, in Talkshows ist sie Dauergast, und Gregor Gysi kann sich vorstellen, dass sie seine Nachfolgerin wird. Ironisch kommentierte er, Wagenknecht habe ja »nicht nur Karl Marx, sondern auch Ludwig Erhard gelesen – und verstanden.«
    Bleibt die Frage: Was hat Wagenknecht da eigentlich gelesen – und verstanden? Sie bezieht sich auf Erhard wie auf eine Autorität, was bei den meisten Zeitgenossen den durchaus gewollten Eindruck hinterlassen dürfte, dass dieser Ordoliberale ein hochkomplexes theoretisches Werk hinterlassen habe. Das ist falsch. Erhards Buch »Wohlstand für alle« ist vielmehr eine ausufernde Wahlkampfschrift, die pünktlich zur Wahl 1957 erschien. Das Werk stammt auch gar nicht von ihm allein, sondern ist »unter der Mitarbeit« des Handelsblattjournalisten Wolfram Langer entstanden. Der theoretische Gehalt ist gering, denn wie für eine Wahlkampfschrift zu erwarten, besteht sie in großen Teilen aus Selbstlob – und aus Kritik am politischen Gegner SPD.
    Quelle: Neues Deutschland

  4. Thomas Fricke – Wer ist der wahre Stabilitätspapst?
    Der nahende Einsatz der Europäischen Zentralbank als Käuferin von Staatsanleihen weckt im Land der Bundesbank tiefe Ängste. Zu Recht? Höchste Zeit für einen Gefahrencheck. […]
    Das Dilemma der Bundesbanker scheint in der Scheu zu liegen, einzuräumen, dass Märkte auch einmal falsch ticken können – was ja nicht heißt, dass das immer so ist. Was aber heißt, dass dann keine alten Standards helfen und man auch heiklere Eingriffe erwägen muss. Und sich nicht daran klammern kann, dass das schwierig ist und die Bundesbank deklaratorisch für Stabilität stehe.
    Sollten die Märkte wirklich gerade verrückt spielen, kann das nach aller Finanzkrisenerfahrung ohne baldiges Eingreifen rasch in ein Währungsdesaster führen, das mit der Stabilität, die hiesige Stabilitätspäpste uns versprechen, nichts mehr zu tun hat.
    Quelle: FTD
  5. 25 Millionen Menschen in der EU ohne Job
    Die Arbeitslosenquote des Euroraums bleibt auf Rekordniveau. Sie betrug im Juli 11,3 Prozent, unverändert gegenüber dem Vormonat Juni, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Donnerstag bekanntgab. Mit 4,5 Prozent verzeichnete Österreich unverändert gegenüber Juni die niedrigste Rate in der gesamten EU.
    In der gesamten EU lag die Arbeitslosenquote bei 10,4 Prozent, ebenfalls stabil im Vergleich zum Juni. Nach Schätzungen der EU-Statistiker sind somit 25,3 Millionen Menschen in der EU arbeitslos, davon 18 Millionen in der Eurozone. Gegenüber Juli 2011 stieg vor allem die Zahl der Arbeitslosen in der Eurozone, nämlich um fast 2,1 Millionen.
    Quelle: derStandard.at

    dazu auch: Unemployment: the real Eurozone problem

    1. The unemployment rate in the Eurozone did not increase but the number of unemployed is still increasing
    2. The June rate has been increased with 0,1%-point
    3. Which together means that the rate of increase is unabated (see also the numbers graph in the Eurostat press release)
    4. Also, differences within the Eurozone are still increasing, though not anymore because Dutch, Austrian en German unemployment (low unemployment countries) is going down. Unemployment in Austria and the Netherlands is even increasing relatively fast.
    5. The difference between the Eurozone and the rest of the EU is also increasing (Eurozone: up, non-Eurozone: down)
    6. The only large decreases: the Baltic countries, but even these decreases are mainly due to developments in 2011 (see also Statistics Estonia)

    Unemployment: the real Eurozone problem

    Quelle: Real World Economics Review

  6. UN-Arbeitsorganisation warnt vor Griechenland-Austritt
    Die Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) warnt vor einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit, falls Griechenland aus der Euro-Zone austreten sollte. Sie würde sich in Deutschland 2015 auf 9 Prozent erhöhen und über Jahre auf diesem hohen Niveau verharren.
    Im August lag die Arbeitslosenquote hierzulande bei 6,8 Prozent. Im Durchschnitt der 17 Euro-Staaten würde sie von 10 Prozent Ende vergangenen Jahres auf 13 Prozent steigen, sagte ILO-Volkswirt Ekkehard Ernst in der “Süddeutschen Zeitung” (Freitag).
    Nach den Berechnungen des ILO-Experten würde ein griechischer Ausstieg aus der Euro-Zone besonders dramatische Konsequenzen für die ohnehin schon von der Krise geschüttelten Länder Spanien und Portugal mit sich bringen. In Spanien sei 2014 mit einer Arbeitslosenquote von 27,7 Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit von 51,3 Prozent zu rechnen.
    Quelle: DGB
  7. Die bunte und teure Welt der «Strukis»
    Mit den meisten Geldanlage-Produkten gewinnen Anleger nur, wenn die Kurse an der Börse steigen. Was aber, wenn die Börse nicht vom Fleck kommt oder die Kurse gar über eine längere Zeitperiode hinweg fallen? Lange Zeit waren Privatanlegern in solchen Situationen die Hände gebunden. Dies hat sich mit dem zunehmenden Erfolg der strukturierten Produkte geändert. So können Anleger mit «Strukis» einen Sicherheitspuffer gegen fallende Kurse einbauen, Verluste absichern oder an der Entwicklung eines Indexes teilhaben. Ausserdem können sie mit den Produkten auf seitwärts tendierende Märkte oder auf rapide Kursverluste setzen. Obendrein ist es mit strukturierten Produkten möglich, jede Meinung über die weitere Entwicklung des Markts abzubilden. Mit strukturierten Produkten erhalten Privatanleger ausserdem Zugang zu neuen Märkten, die früher für sie nicht erreichbar waren. So ist es ein Leichtes, mit den Produkten auf exotische Rohwaren, die Entwicklung von Währungspaaren oder ferne Immobilienmärkte zu setzen.
    Bei der Verwendung der Finanzinstrumente ist allerdings zu beachten, dass der Investor den Markt richtig einschätzen muss, um erfolgreich zu sein. Wie das Kapitel zu den aktiv verwalteten Anlagefonds bereits gezeigt hat, gelingt dies zumindest auf längere Sicht nur sehr wenigen Investoren. Dafür ist der Zufall an der Börse ein zu starker Einflussfaktor. Wie überall am Finanzmarkt gilt auch bei strukturierten Produkten das eherne Gesetz, dass Rendite und Risiko sich wie siamesische Zwillinge verhalten. Dies soll nicht heissen, dass Wetten mit strukturierten Produkten für Privatanleger nie aufgehen können. Die Produkte sind aber so kalkuliert, dass die Bank fast immer gewinnt, der Anleger hingegen nur unter bestimmten Umständen.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein Blick in die (Finanz)Welt der Derivate bzw. der Strukturierten Produkte, der sich weniger der Problematik dieser “Produkte” widmet, aber zumindest den Zockerwilligen darauf hinweist, “dass die Bank fast immer gewinnt, der Anleger hingegen nur unter bestimmten Umständen.” In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Vorschlag von Dirk Solte hinweisen, bereits die Erzeugung von Finanzprodukten zu besteuern. Sein Ausgangspunkt das nach seiner Meinung nicht steuerbare Konzept der Geldschöpfung über die Erzeugung ungedeckten Schwellgeldes. Schwellgeld ist das über festgelegte Zentralbankgeldmenge von Geschäftsbanken jenseits einer Mindestreserveanforderung vermehrte Geld. Das Schwellgeld ist kein Zentralbankgeld, sondern nur ein Geldversprechen, das besagt, dass das über einen Kredit vermittelte Geld zu einem bestimmten Zeitpunkt als Zentralbankgeld zurückbezahlt wird. “Die gesamte Staatsverschuldung ist Schwellgeld, alles Geld, das nicht Zentralbankengeld ist, z.B. alle “verbrieften Kredite”, Bundesobligationen, Schuldverschreibungen von Staaten, etc. und auch das Geld “auf dem Konto” ist Schwellgeld, es ist Geschäftsbankengeld. Alle Kredite sind letztlich Versprechen, später einmal Zentralbankengeld zu “liefern”, das man nicht hat, wenn man den Kredit aufnimmt. Es ist der Leerverkauf von Zentralbankengeld, das ist Schwellgeld, also gewissermaßen “Zentralbankengeld-Gutscheine”. Schwellgeld ist solange “so gut wie Zentralbankengeld”, wie jemand darauf vertraut, dass bei Bedarf sein “Geldgutschein” eingelöst wird. Wenn “Schwellgeld” fällig wird, also am Ende einer vereinbarten Kreditlaufzeit, muss das Zentralbankengeld geliefert werden, dazu müsste man es aber haben.”
    Er fordert eine Lenkungsabgabe auf alle Finanzprodukte, auf alle verbrieften Kredite. “Eine auf die Erreichung umweltverträglicher und sozial nachhaltiger Wertschöpfung zielende Kreditaufnahme soll dabei natürlich nicht verhindert, sondern im Gegenteil unterstützt werden, aber spekulative Aktivitäten, gerade des Finanzsektors, sollen gedämpft werden.“ Neben der Dämpfung verspricht sich Solte Einnahmen für die öffentliche Hand und vor allem Transparenz durch die steuerliche Erfassung jeder Transaktion (Kauf), die die Aufdeckung von Missbrauch ermögliche. “Die vorgeschlagene Finanzproduktsteuer ist keine Transaktionssteuer, kann diese aber sinnvoll ergänzen! Eine Transaktionssteuer, wie sie mittlerweile diskutiert wird, ist eher vergleichbar mit der Grunderwerbsteuer. Ein Haus, das einmal gebaut wurde, unterliegt dann der Grunderwerbsteuer, wenn es weiter veräußert wird. Bei der erstmaligen Erstellung des Hauses ist keine Grunderwerbsteuer fällig. Hier greift stattdessen die Mehrwertsteuer. Sie wird nur bei der Erstellung fällig. So wäre es auch bei der Finanzproduktsteuer. Diese Abgabe wird bei der Erstemission von Schwellgeld fällig. Sie müsste von dem gezahlt werden, der das Schwellgeld – das neue Finanzprodukt – erzeugt, also dem, der den Kredit aufnimmt, der das System, weil er das Kartenhaus Weltfinanzsystem vergrößert, mit einem Risiko belastet.” [PDF – 815 KB]
    Das Schwellgeldkonzept ist natürlich umstritten, wer dazu näheres lesen möchte sei auf das Buch “Das Kartenhaus Weltfinanzsystem” oder auf eine auch ansonsten ergiebige Fragestunde des SR2 an den Autor hingewiesen.

  8. Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: Lautsprecher des Kapitals
    Anfang Juli 2012 konnte Wolfgang Clement nach langer Zeit wieder einmal für eine kleine Schlagzeile sorgen: Er wurde zum Vorsitzenden des Kuratoriums der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gewählt. Der ehemalige „Superminister“ der rot-grünen Bundesregierung und ehemaliges Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands scheint endlich angekommen zu sein. Der „Wutbürger Clement“ hat eine neue Heimat gefunden. Wichtiger als die Personalie Clement aber ist die genannte Organisation. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist eine sehr effizient arbeitende und erfolgreiche Lobbyorganisation der Arbeitgeber. Sie plädiert für Privatisierung, Deregulierung und Flexibilisierung und polemisiert u.a. gegen den Mindestlohn. In den letzten Jahren war es still geworden um diese Initiative. Kein Zufall, denn die INSW ist zwar äußerst aktiv, legt aber großen Wert auf Diskretion und vor allem darauf, nicht als Interessenvertreterin des Kapitals wahrgenommen zu werden.
    Quelle: Welt der Arbeit
  9. Tschechien: Juristischer Kreuzzug gegen Korruption
    Noch ist die Tschechische Republik nicht in derselben Situation wie Italien in den Jahren 1992-93, als die etablierten politischen Parteien an den Pranger gestellt wurden. Ein Teil von ihnen hat sich bis heute nicht vom Glaubwürdigkeitsverlust erholt. Eine derartige politische Katastrophe könnte schon morgen der Tschechischen Republik bevorstehen. Die steigende Anzahl von Skandalen um Vetternwirtschaft beweist, dass Korruption, Veruntreuung und Interessenkonflikte keine Zufallsprodukte, sondern im Gegenteil weit verbreitet sind und landesweit mit System betrieben werden. Mit den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise nimmt die Toleranz der Bürger ab, sowohl gegenüber der Korruption als auch dem Unwillen und/oder der Unfähigkeit von Politik und Staatsbediensteten, das Problem entschlossen anzugehen. Korruption und die diversen Formen der Plünderung öffentlicher Ressourcen sind nicht nur unmoralisch, sie stellen darüber hinaus ein echtes ökonomisches Problem dar: Immer mehr erweisen sie sich als ein Faktor, der die „Schuldenkrise“ noch verschärft, der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften schadet und den Wohlstand bedroht.
    Quelle: Hospodářské noviny via presseurop

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon erstaunlich wie wenig seinerzeit Konsequenzen seitens der EU-Kommission aus ihren eigenen Berichten zum Fortschritt der Beitrittskandidaten gezogen wurden, in denen bis zuletzt auf die tief sitzenden Korruption in den Ländern Osteuropas hingewiesen wurde. Das soll kein Vorwurf an diese Länder sein, die sich in einer beispiellosen Umbruchsituation befanden, aber Alt-Europa hätte sich mehr um die Umsetzung und nicht nur um die schriftliche Fixierung von EU-Recht kümmern müssen. Vor allem sollten wir uns hüten, in punkto Korruption immer nur auf Griechenland zu zeigen.

  10. Leistungsschutzrecht
    1. Die Scheinargumente für ein Leistungsschutzrecht
      Es sind im Kern nicht mehr als zwei Argumente, mit denen die Verlage ihr Leistungsschutzrecht herbeireden: ein rationales Scheinargument und ein emotionales Hilfsargument.
      Das rationale Scheinargument lautet: »Es kann nicht sein, dass profitorientierte Anbieter gratis auf Inhalte zugreifen.« In dieser knappen Form hat es zum Beispiel Kulturstaatsminister Bernd Neumann mit minimalen Variationen immer wieder formuliert. […]
      Und das emotionale Hilfsargument lautet: Google hat‘s ja. Der Laden macht Fantastilliarden Euro Gewinn, dem tut das doch nicht weh, davon was abzugeben an Medienunternehmen, die mit Müh und Not über die Runden kommen, aber jeden Cent zweimal rumdrehen müssen.
      Quelle: Stefan Niggemeier
    2. Ein unmögliches Gesetz
      Die so lange gepriesene, umfangreiche deutsche Presselandschaft hat womöglich soeben einen forschen Schritt zu ihrem weiteren Niedergang getan – aus eigener Kraft und mit kräftiger politischer Unterstützung. […]
      Aufgrund der Vielfalt und des Aufbaus des Netzes ist dies ein massiver Schlag, der viele Inhalte aus dem Netz verschwinden oder unauffindbar werden lässt. Am Ende wird es möglicherweise auch die großen Anbieter – so sie überhaupt in den Anwendungsbereich des Gesetzes kommen, was aktuell völlig unklar ist – wie Google, Microsoft, die Deutsche Telekom und viele mehr treffen. Selbst wenn diese theoretisch dazu in der Lage wären, hunderte von Anwälten zu beschäftigen, würde es sie trotzdem in den meisten Fällen nicht von der Gefahr der Haftung befreien, da sie nie alle Fälle abdecken können.
      Das Konzept Suchmaschine wird damit in Deutschland im Bezug auf Angebote von „Presseverlagen“ in Frage gestellt. Weniger verfügbare harte Informationsquellen bedeuten einerseits eine stärkere Verflachung der verfügbaren Informationen, andererseits schlicht eine Einschränkung der Möglichkeit, sich zu informieren.
      Quelle: Carta
  11. J. Bradford DeLong – Democracy in Tea Party America
    When the French politician and moral philosopher Alexis de Tocqueville published the first volume of his Democracy in America in 1835, he did so because he thought that France was in big trouble and could learn much from America. So one can only wonder what he would have made of the Republican National Convention in Tampa, Florida. […]
    And the Republicans gathered in Tampa to celebrate the rule – to say that the America that Tocqueville saw no longer exists: Americans no longer believe that the wealth of the rich rests on the prosperity of the rest. Rather, the rich owe their wealth solely to their own luck and effort. The rich – and only the rich – “built” what they have. The willingness to sacrifice some part of their private interest to support the public interest damages the souls and portfolios of the 1%.
    Quelle: Project Syndicate
  12. Der Mond wird aufgegangen
    Auf der Regierungsbank und in Ausschüssen geht es zu wie bei Hinz zu Kunz nach drei Bier: Du, was is’n eigentlich näher – New York oder der Mond? Worauf Kunz nicht lange fackelt: Der Mond natürlich! Den kann ich von hier aus sehen! Nach dieser Logik argumentiert die Regierung unter Merkel und jene fiktive unter Gabriel, Steinmeier oder Steinbrück, die in einer Krise harte Sparauflagen und Beschränkungen auferlegt, um sie in den Griff zu bekommen. Der Schuldenabbau durch Sparmaßnahmen ist jener Erdbegleiter, der angeblich viel näher sein soll, weil man ihn ja sehen kann. Wer spart, der hat am Ende mehr Geld: Das kann man sofort erkennen, denn man sieht ja, dass es für Privatpersonen genau so funktioniert.
    Quelle: ad sinistram


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