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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 23. August 2012 um 9:02 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB/WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Steffen Lehndorff: Ein Triumph gescheiterter Ideen
  2. Die EZB und der Zinsdeckel – Versuch einer Klärung
  3. Sackgasse Austeritätspolitik
  4. Die Euro-Krise als Zäsur: Eine neue Finanz-, Geld-, und Wirtschaftspolitik in Europa
  5. Europa sollte sich Island als Vorbild nehmen
  6. Mark Thoma – Put Inflation Fears Aside
  7. Hurra, wir sind Überschuss-Weltmeister
  8. Wer wirklich vom Euro profitiert hat
  9. Rot-grüne Reformen nutzten vor allem den Reichen
  10. ver.di Stellungnahme zur Beitragssenkung bei der Rentenversicherung
  11. ver.di-Stellungnahme zur „Zuschussrente“
  12. Was bringt der “Pflege-Bahr”?
  13. Gesetzlicher Mindestlohn – gut für Einkommen, Beschäftigung und öffentliche Finanzen
  14. Leiharbeiter im Dauereinsatz: Vier Jahre vorübergehend angestellt
  15. Wer entscheidet sich für eine Riester-Rente, und aus welchen Gründen?
  16. Kristallnacht im August
  17. Kein Platz mehr für Annette Schavan
  18. Ober-Pirat auf Spendenbasis
  19. Klassenkampf zwischen Millionären und Milliardären
  20. US-Gewerkschaften bluten aus
  21. Bundesregierung sieht erste Erfolge durch Investition in Bildung
  22. Bundesregierung sieht das Deutschlandstipendium auf gutem Weg
  23. Viele Polen ziehen wieder gen Westen
  24. Äthiopien: Jenseits von Hunger und Demokratie
  25. Zu guter Letzt: Offshore-Garantien

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steffen Lehndorff: Ein Triumph gescheiterter Ideen
    Das Grundproblem ist das deutsche Geschäftsmodell einer erweiterten DM-Zone bei gleichzeitigem neoliberal orientierten Abbau der auf sozialen Ausgleich gerichteten
    Institutionen im deutschen Kapitalismus, der alle Länder in Leistungsbilanzdefizite hineintreibt, die sich nicht ebenfalls auf stagnierende Durchschnittslöhne und zunehmende Ungleichheit einlassen…
    Es wird keine europäische Reformagenda geben, ohne dass jedes Land seine Hausaufgaben macht. Doch ebenso gilt, dass ohne eine neue europäische Reformagenda alternative Ansätze in den meisten europäischen Ländern sehr schnell erstickt werden dürften. Luft zum Atmen bekommen andere Länder erst, wenn sie nicht länger durch die deutsche Politik bevormundet werden.
    Die Herausforderungen an einen Politikwechsel sind komplex, aber am größten sind sie in Deutschland…
    Einstweilen triumphieren die gescheiterten Ideen ein weiteres Mal. Die paradoxe Basis dieses Triumphs ist die wegen des Vertrauens in diese Ideen sprunghaft angestiegene Staatsverschuldung, und sein Vehikel ist das der Eurozone oktroyierte Austeritätsregime. Daran zeigt sich, dass die gescheiterten Ideen diesmal nicht als Heilsversprechen daherkommen, sondern ihr neuerlicher Triumph auf Einschüchterung und Angst beruht. Dies offenbart die Schwäche der Starken. Die Politik des Nicht-Lernens kann nur weitere Krisen hervorbringen. Bleibt zu hoffen, dass nicht das europäische Projekt zu ihren nächsten Opfern gehört.
    Quelle: Einleitung zu dem höchst lesenswerten Buch „Ein Triumph gescheiterter Ideen“ [PDF – 172 KB]
  2. Die EZB und der Zinsdeckel – Versuch einer Klärung
    Die Meldung, wonach die EZB plane, einen Zinsdeckel für südeuropäische Staatsanleihen einzuführen, hat eine beachtliche Rallye an den Märkten ausgelöst. Das legt die Frage nahe, was bei der nächsten Sitzung des Zentralbankrats wohl entschieden werden wird – und es dürfte eine Enttäuschung geben.
    Nach allem, was ich höre, stellt sich die Lage so dar: In den Arbeitsgruppen des Eurosystems – insbesondere in der Generaldirektion Marktoperationen unter Ulrich Bindseil – wird an verschiedenen Modellen getüftelt. Das ist nicht unüblich, dort werden ständig verschiedene Optionen durchgespielt, auch bei den LTRO lagen unterschiedliche Varianten vor.
    Quelle: ZEIT Herdentrieb
  3. Sackgasse Austeritätspolitik
    1. Griechenland will Luft zum Atmen
      Griechenland spart wie noch kein Industrieland zuvor. Dennoch wird das Geld in der Staatskasse immer knapper. Ministerpräsident Antonis Samaras will mehr Zeit für Reformen bekommen.. „Wir fordern kein zusätzliches Geld. Wir stehen zu unseren Verpflichtungen und zur Erfüllung aller Vorgaben“, sagte Samaras der Bild-Zeitung. „Wir müssen das Wachstum ankurbeln, weil das die Finanzlücken verkleinert. Alles, was wir wollen, ist ein wenig Luft zum Atmen“, um die Wirtschaft rasch in Gang zu bringen und die Staatseinnahmen zu erhöhen. Mehr Zeit bedeutet nicht automatisch mehr Geld.“…
      Steuererhöhungen und Ausgabensenkungen der vergangenen zwei Jahre summieren sich auf satte 20 Prozent der Wirtschaftsleistung…Doch die Zeiten werden noch härter für Griechenland. Bis 2013, so Laura Weymes, Ökonomin bei der irischen Zentralbank, werden sich die Sanierungsmaßnahmen auf 33 Prozent der Wirtschaftsleistung belaufen.
      Die Kosten sind gigantisch. Athen kürzt Renten und Gehälter, entlässt Zehntausende von Staatsangestellten, erhöht Steuern und Abgaben. Das spüren die Geschäfte: Der Einzelhandel setzte zuletzt 40 Prozent weniger um als vor der Krise. Die Arbeitslosigkeit steigt dramatisch, die Wirtschaftsleistung dürfte 2012 um sechs bis sieben Prozent schrumpfen…Dieser Rückgang macht die Sparbemühungen tendenziell zunichte. Von Athen werden daher weitere Kürzungen über sieben Prozent der Wirtschaftsleistung verlangt…Um die geforderten 11,5 Milliarden Euro zu sparen, sollen die Staatsbediensteten auf eine weitere Milliarde verzichten, die Rentner auf 2,6 Milliarden, Kliniken und staatliche Versicherungen auf zwei Milliarden Euro.
      Damit führt Griechenland laut Weymes einen verzweifelten Kampf gegen den „Schneeballeffekt“: Die Sparmaßnahmen lassen die Wirtschaftsleistung schrumpfen. Gleichzeitig ist die Zinslast auf die Schulden erdrückend hoch. „Diese Faktoren absorbieren die Anstrengungen bei der Schuldenreduktion“.
      Quelle: FR

      Anmerkung WL: Selbst die „schwäbische Hausfrau“ müsste doch allmählich erkennen, dass sie allein mit Sparen immer ärmer wird, weil ihre Ernährer allmählich verhungern und das Familieneinkommen dadurch trotz aller Sparbemühungen mehr und mehr sinkt und die Schulden zunehmen. Die Gläubiger müssten doch allmählich auch erkennen, dass wenn man sein gepumptes Geld (wenigstens zu einem Teil) wieder zurückbekommen will, dem Schuldner nicht die Luft zum Atmen nehmen darf.

    2. Brandbeschleuniger Fiskalpakt: Wie Kürzungspolitik die Eurokrise verschärft!
      2008 begann die größte Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Spekulationsblase der internationalen Immobilienmärkte platzte. Viele Banken standen vor dem Bankrott. Die Staaten stützten sie mit milliardenschweren Rettungspaketen. Dies führte zu einem massiven Anstieg der Staatsverschuldung und zu Haushaltsproblemen. Die folgende Kürzungspolitik verschärfte die Krise und führte die Krisenstaaten in die Rezession. Sinkende Steuereinnahmen und weitere Eskalation der Krise sind die Folge. Der Fiskalpakt mit seinen Schuldenbremsen schreibt die Kürzungspolitik nun für ganz Europa fest. Auch in Deutschland wird auf Jahre hinaus im sozialen Bereich gespart werden müssen. Das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente wird ausgehöhlt. Deswegen klagt DIE LINKE gegen den Fiskalpakt vor dem Bundesverfassungsgericht.
      Quelle: Die Linke auf YouTube
    3. Sparzwang schwächt Süden
      Bislang schienen die Schwellenländer immun. Doch jetzt droht den Antreibern der Weltwirtschaft der Schwung auszugehen. Schuld daran ist auch die europäische Sparpolitik…
      So warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) unlängst in seinem World Economic Outlook, die „ohnehin nicht sehr starke weltwirtschaftliche Erholung zeigte in den vergangenen Monaten weitere Anzeichen von Schwäche“. Schuld seien neben der anhaltenden Eurokrise vor allem die sinkenden Wachstumsaussichten in den Entwicklungs- und Schwellenländern.
      Das britische Entwicklungsinstitut ODI warnte kürzlich, die Krise verursache in praktisch allen Entwicklungsländern einen starken Rückgang bei Exporten, Investitionen, Rücküberweisungen von Migranten und bei der Entwicklungshilfe. Selbst die aufstrebenden Schwellenländer haben ihre Volkswirtschaften bislang kaum von den Industrieländern abnabeln können und erzielen immer noch einen Großteil ihrer Einnahmen durch Exporte in den Norden.
      Und wenn es in Europa kriselt und auch die USA und Japan mit ihren gigantischen Handelsdefiziten sparen müssen, dann leiden darunter zwangsläufig auch die Volkswirtschaften im Süden.
      Quelle: taz
    4. Austeritätspolitik in Europa: Spanien
      • Die von der Sozialistischen Partei im Mai 2010 initiierte und von der konservativen Regierung unter Rajoy seit Anfang 2012 verschärfte Austeritätspolitik konzentriert sich bisher vor allem auf Ausgabenkürzungen im öffentlichen Sektor, mit deutlich negativen Folgen für die dort Beschäftigten. Die Systeme der sozialen Sicherung sind bislang weniger betroffen.
      • Die Strukturreform des Arbeitsmarktes stärkt die Position der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern, erleichtert Entlassungen und schwächt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften.
      • Die spanische Wirtschaft wird voraussichtlich auch in den Jahren 2012 und 2013 weiter schrumpfen. Die Arbeitslosigkeit wird auf dem sehr hohen Niveau von ca. 25 Prozent verharren, die soziale Ungleichheit wird zunehmen und die Sanierung der Staatsfinanzen nur langsam voran schreiten.
      • Die politische Situation bleibt zunächst stabil. Die konservative Partido Popular dominiert das politische Geschehen und in den nächsten drei Jahren stehen keine Wahlen an. Der wachsenden Unzufriedenheit fehlt noch ein gesellschaftspolitischer Akteur, der ihr über vereinzelte Protestaktionen hinaus Ausdruck verleihen könnte.

      Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse [PDF – 623 KB]

      Dazu sollte man wissen:

    5. Adiós, Exporteuropameister Spanien!
      Erstaunlicherweise hat ein Land wie Spanien, das gerade unter einer heftiger Kapitalflucht leidet, noch bis Ende 2011 eine bessere Entwicklung hingelegt als „Reformweltmeister“ Deutschland. Hier das Exportwachstum im Vergleich zum Durchschnitt des Jahres 2009 – dem Tiefpunkt nach der Lehman-Pleite:

      Allein Spaniens Regierung hat gerade sein Sparpaket auf rund 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis Ende 2014 erhöht. Bereits im ersten Quartal 2012 musste Spanien den Titel des Exporteuropameisters an Deutschland abgeben: Spanien lag nur noch 23,7 Prozent über dem 2009er Niveau. In Deutschland waren es 25,9 Prozent.
      Und wer glaubt, dass die ambitionierten Sparprogramme im Euroland keine Wirkung auf die Weltwirtschaft haben, muss sich nur die heute veröffentlichen Exportzahlen aus Japan anschauen: Die Ausfuhren in die EU lagen zuletzt 25 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Guten Morgen, globaler Deflationsschock!
      Quelle: FTD Wirtschaftswunder

    6. George Osborne may be forced into austerity U-turn
      Chancellor faces criticism from all sides over failure to reduce deficit through austerity measures.
      The public finances paint a bleak picture of the UK economy. Tax receipts are down on this time last year, and the government is on course to borrow more in the current financial year than it did in 2011-12. These will be worrying numbers for a chancellor who has made deficit reduction the judge and jury of his economic management.
      Poor old George Osborne is getting stick from both ends of the political spectrum. The left say the £3.4bn deterioration in the deficit between July 2011 and July 2012 is evidence that austerity isn’t working, and supports the argument that the chancellor went at deficit reduction like a bull in a china shop.
      Quelle: The Guardian

      Anmerkung JB: Auch Großbritannien muss lernen, dass man langfristig den Staatshaushalt in Krisenzeiten nicht durch Austeritätspolitik sanieren kann. Wegen der rigoroser Budgetkürzungen haben sich die Steuereinnahmen so sehr verschlechtert, dass das britische Finanzministerium nicht, wie geplant, einen ausgeglichenen Haushalt, sondern ein um 3,4 Mrd. Pfund höheres Defizit als im Vorjahr vermelden musste.

  4. Die Euro-Krise als Zäsur: Eine neue Finanz-, Geld-, und Wirtschaftspolitik in Europa
    Die Europäische Union ist spätestens mit dem Vertrag von Maastricht und der Einführung des europäischen Binnenmarktes Anfang der 1990er Jahre ein Projekt der Staatenkonkurrenz geworden. Die nationalen Ökonomien der EU sollten in Konkurrenz miteinander treten, weil eben diese Konkurrenz nach neoliberaler Ideologie das beste Ergebnis für die Bürgerinnen und Bürger Europas bringen sollte: „schlanke“ Staaten, niedrige Steuern, innovative Unternehmen, viele neue Arbeitsplätze etc…
    Im Wettlauf gibt es nur einen oder wenige Gewinner, und Gewinner gibt es nur, wo es auch Verlierer gibt. Und die Verlierer werden nun mal – auch das eine unausweichliche Konsequenz der Marktlogik – von den Märkten abgestraft…
    Wie dumm das neoliberale Leitbild einer EU als Staatenkonkurrenz aber ist, wird spätestens bei der Frage klar, wohin denn eigentlich die EU-Mitgliedsländer verschwinden sollen, die im Staatenwettlauf verlieren. Sollen sie vom „Staaten-Markt“ verschwinden? Soll Griechenland nun zerschlagen werden und die Belegschaft der Griechenland AG – sprich die griechische Bevölkerung – sucht sich eine neue Wirkungsstätte?…
    So traurig es ist: die brutalen Spardiktate für die Krisenländer sind nicht nur sozial völlig ungerecht und ökonomisch kontraproduktiv, sie gehen auch schon im Ansatz komplett am Problem vorbei.
    Die LINKE fordert, den derzeitigen – im Laufe der Krise noch weiter verschärften – Stabilitäts- und Wachstumspakt durch eine „Europäische Ausgleichsunion“ zu ersetzen. Diese Ausgleichsunion wäre ein Regime, das die Wirtschafts-, Sozial-, Fiskal-, und Steuerpolitik der EU-Länder – mindestens aber der Mitgliedsländer der Währungsunion – durch eine Mischung aus Angeboten und Sanktionen zu einem koordinierten und auf Kohärenz gerichteten politischen Handeln bewegt…
    Für ein Land wie Deutschland, das in der Vergangenheit Exportüberschüsse von über 6 Prozent des BIP produziert hat, bedeutet ein Ausgleich der Leistungsbilanz eine gewaltige Aufgabe, die sowohl Maßnahmen zur Steigerung der Importe als auch eine Senkung der Exportabhängigkeit erforderlich macht. Die sinnvollste Lösung wäre zweifellos eine Ausweitung der Binnenkaufkraft durch eine Anhebung des Lohnniveaus, weil dies gleichzeitig hilft, aus ökonomischer Sicht die deutsche Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den Nachbarländer wieder auf ein für Europa verträgliches Niveau zu senken bzw. aus verteilungspolitischer Sicht die Lohnentwicklung endlich wieder auf ein sozial verträgliches Niveau anzuheben…
    Quelle: Zeitschrift Luxemburg
  5. Europa sollte sich Island als Vorbild nehmen
    Vor fünf Jahren brach die Volkswirtschaft des Landes zusammen. Die danach eingeleiteten Reformen der isländischen Regierung zeigen Wirkung – und sind auch für andere Staaten beispielhaft. […]
    Entscheider und Politiker in Europa sollten ernsthaft darüber nachdenken, ob es nicht an der Zeit wäre, ähnlich wie Island eine Rangliste der Prioritäten ins Gesetz aufzunehmen. Die Entscheidung, bei der Abwicklung gescheiterter Finanzinstitute Ansprüchen allgemeiner Sparer Vorrang einzuräumen, würde eine deutliche Botschaft aussenden: Aktionäre, Anleihegläubiger und andere Eigentümer von Bankschulden können, wenn etwas schief läuft, nicht auf die Einlagen von Privatpersonen zugreifen, um auf diese Weise ihre Verluste zu begrenzen.
    Eine solche Herangehensweise würde wahrscheinlich auch die Kosten künftiger Rettungsaktionen auf ein Minimum reduzieren. Aktuelle Äußerungen des britischen Finanzministers George Osborne lassen darauf schließen, dass man sich allmählich der Mängel jetziger Systeme bewusst wird und vielleicht sogar die Bereitschaft vorhanden ist, Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen.
    Quelle: FTD

    Siehe dazu: Rückschau: Vorbild Island
    Island war einer der ersten Staaten, den die Eurokrise voll erwischt hat. Inzwischen läuft wieder alles nach Plan auf der Insel – und zwar weitgehend ohne soziale Einschnitte für Bürger und Steuerzahler. Wie hat Island das nur geschafft?
    Quelle: Das Erste plusminus

    Dazu auch auf den NachDenkSeiten: „Island – ein Fanal der Hoffnung in Zeiten der Krise

  6. Mark Thoma – Put Inflation Fears Aside
    Unfortunately for the millions of people who cannot find work because of the recession, the Fed is unlikely to do more to help the economy recover because of a misperception of the cost and benefits of further policy action. The Fed is far too worried about the potential for inflation, and far too pessimistic about its ability to lower the unemployment rate. […]
    The problem is that inflation imposes large costs on the rich and powerful, they have considerable political influence, and this has an impact on who does and who does not end up as a member of the Fed. The result is a bias toward the appointment of inflation hawks and less attention to the unemployment problem.
    Quelle: New York Times

    Anmerkung JB: Was Thoma über die FED schreibt, trifft auch um so mehr auf die EZB und die Bundesbank zu.

  7. Fabian Fritzsche – Hurra, wir sind Überschuss-Weltmeister
    Deutschland wird in diesem Jahr voraussichtlich den höchsten Leistungsbilanzüberschuss aller Volkswirtschaften weltweit aufweisen, was sowohl auf steigende Überschüsse hier als auch auf sinkende in China zurückzuführen ist. Sollte der Saldo jedoch mehr als 6% des BIPs betragen, droht Deutschland nach einer Vereinbarung aus 2011 eine Rüge der EU-Kommission, was bereits vorsorglich zu einer Verteidigung durch die Bundesregierung und zu wütenden Leserbriefen in den Medien geführt hat….
    Die Überschüsse des Einen sind aber notwendigerweise die Defizite eines Anderes. Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, die anderen zur Nachahmung empfohlen werden kann, wird daher nie das Ziel haben, möglichst hohe Überschüsse zu generieren. Was auf deutscher Seite gerne übersehen wird ist, dass Überschüsse in der Leistungsbilanz auch keineswegs so positiv für Deutschland sind. Das Überschussland produziert schließlich mehr als es selbst verbraucht und erhält dafür im Gegenzug Forderungen, die sich möglicherweise am Ende als wertlos herausstellen. Doch selbst wenn die Forderungen werthaltig bleiben, sind diese an sich nicht Wohlstand steigernd…
    Allein aus Eigeninteresse heraus sollte daher eine ausgeglichene Bilanz das Ziel sein…
    Die gute Nachricht lautet, dass Deutschland seit 2011 auf diesem Weg ist, die Lohnstückkosten sind 2011 gestiegen und werden wohl auch 2012 steigen. Die schlechte Nachricht ist, dass bisher vor allem die oberen Einkommen weiter ansteigen, wodurch der Konsum nur wenig belebt wird. In den kommenden Jahren sollten daher auch die unteren Einkommen endlich steigen, um so ein ausgewogeneres, gesünderes Wachstum zu erzielen, von dem sowohl wir als auch unsere Handelspartner profitieren.
    Quelle: FTD – Wirtschaftswunder
  8. Wer wirklich vom Euro profitiert hat
    Laut dem Analysten-Team um Paul Donovan haben demnach Griechenland, Portugal und Spanien am meisten vom Euro profitiert. Aber auch Finnland gewann. Dagegen hätten Deutschland, Irland, Italien und Frankreich einen sinkenden Lebensstandard hinnehmen müssen.
    Auf den zweiten Blick ist die Sache allerdings nicht mehr ganz so eindeutig. Denn auch die niedrigen Einkommensgruppen in den Kernländern mussten einen Rückgang im real verfügbaren Einkommen hinnehmen. Die Reichen in den Kernländern konnten dagegen mehr Geld ausgeben. In anderen Worten: Die Armen wurden ärmer – die Reichen wurden reicher…
    Die Schlussfolgerung der UBS-Experten klingt ernüchternd: Für die meisten Euro-Länder sei der Beitritt zur nicht funktionierenden monetären Union aus ökonomischer Sicht ein Fehler gewesen. Die Tatsache, dass der Lebensstandard gefallen sei, habe nur zu Ressentiments und Bitterkeit gegen diejenigen Länder geführt, deren Lebensstandard gestiegen sei…
    Die Ergebnisse spielten somit eher national gesinnten Politikern im Euro-Zentrum in die Hände, kommentierte die UBS.
    Quelle: t-online

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Ein interessanter Artikel, der leider in der Analyse zu kurz greift und wie immer einige wichtige Informationen ausklammert. Immerhin wird deutlich, dass dank des Euros “Die Reichen reicher und die Armen ärmer wurden”. Dass der Lebensstandard auch und vor allem gesunken ist, wird in der Studie heraus gestrichen. Der Verfasser des Artikels kommt aber natürlich nicht auf die Idee, danach zu fragen, warum das so ist. Sonst hätte er ja ein Wort zu den stagnierenden Löhnen und Gehältern hierzulande etwas sagen müssen. Dass vor allem Deutschlands Unternehmen enorme Gewinne eingefahren haben wird tunlichst unterschlagen, stattdessen schwadroniert Lansky über das zu stopfende Haushaltsloch Frankreichs, das zweifellos entsteht, weil es Hollande wagt, das Rentenalter von 62 auf 60 Jahre zu senken, während in Deutschland ein Eisenschädel namens Clement von der “Rente mit 80” faselt.

  9. Rot-grüne Reformen nutzten vor allem den Reichen
    Die rot-grüne Regierung hat in sieben Jahren Amtszeit vor allem den reichsten Menschen des Landes geholfen. Diese These legt nun eine Studie zum Steueraufkommen nahe – mit beeindruckenden Zahlen.
    In den letzten Jahren sind ausgerechnet die durchschnittlichen Steuersätze der Superreichen deutlich gesunken. Das ist das Ergebnis einer Studie von Stefan Bach (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), Giacomo Corneo und Viktor Steiner (beide Freie Universität Berlin), die demnächst im “German Economic Review” erscheint, das der traditionsreiche Verein für Socialpolitik herausgibt…
    Bis 1998 – also vor den Steuerreformen der rot-grünen Bundesregierung – stieg der Anteil der zu zahlenden Steuern mit wachsendem Einkommen noch relativ gleichmäßig an, zeigen Corneo, Bach und Steiner. So mussten die reichsten 50.000 Haushalte, die mindestens eine Million Mark pro Jahr verdienten, 37 Prozent zahlen. Die Allerreichsten 50 – mit jährlichen Einkommen jenseits der 100 Millionen – zahlten sogar 48 Prozent. Der Durchschnittssteuerzahler dagegen musste 12 Prozent abführen.
    Unter der rot-grünen Bundesregierung Gerhard Schröders änderte sich das Bild aber deutlich. Ihre Steuerreformen führten nicht nur zu einer generellen Reduzierung der Einkommensteuersätze, sondern auch zu einem Knick in der Progression.
    Die Superreichen wurden überproportional stark entlastet und zahlen seitdem relativ gesehen weniger Steuern. So müssen die 50 Superreichen nur noch 29 Prozent ihres Einkommens abgeben, stolze 19 Prozentpunkte weniger als zu Kanzler Kohls Zeiten. Sie zahlen damit relativ gesehen weniger als diejenigen, die zwischen einer halben und 2,5 Millionen Euro verdienen. Die nämlich haben jetzt den höchsten Durchschnittssatz: 34 Prozent. “Die Progressivität der Steuer hört beim reichsten Prozent auf”, schreiben die Forscher.
    Der Grund für den Knick in der Kurve: Die Reformen gaben den Superreichen einen Werkzeugkasten an legalen Steuertricks, mit dem sie ihr zu versteuerndes Einkommen massiv drücken konnten. Weil sie ihr Einkommen meistens aus unternehmerischen Tätigkeiten und nicht als Arbeitslohn beziehen, standen ihnen nun viele Schlupflöcher offen, zum Beispiel bei Leasing- und Mietgeschäften im Immobilienbereich.
    Quelle: Handelsblatt
  10. ver.di Stellungnahme zur Beitragssenkung bei der Rentenversicherung
    Der Beitragssatz für 2013 soll weiterhin nicht nach der Herbstschätzung und erneut nicht als Rechtsverordnung, sondern weiterhin als Gesetz – ohne dass eine Zustimmung des Bundessrates erforderlich wäre – durch das Gesetzgebungsverfahren gebracht werden.
    Dieses Verhalten offenbart die Missachtung von gesetzlichen Vorschriften, den Beitragssatz mit Zustimmung des Bundessrates durch Rechtsverordnung festzusetzen…
    Durch § 1 Beitragssatzgesetz 2013 soll der Beitragssatz für das Jahr 2013 für die allgemeine Rentenversicherung auf 19,0 % festgesetzt und damit um 0,6 Beitragssatz-punkte abgesenkt werden.
    Die gesetzliche Rentenversicherung muss so im Jahr 2013 auf rd. 7,2 Mrd. Euro verzichten. Weitere Folge des Absenkens des Beitragssatzes wäre, dass die Rentenversicherung vom Bund im Jahr 2013 0,37 Mrd. € weniger Beiträge für Kindererziehung erhält (§ 177 SGB VI). Durch die Anbindung des allgemeinen Bundeszuschusses (BZ) an den Beitragssatz zahlt der Bund insgesamt 1,11 Mrd. € weniger (0,87 Mrd. € allgem. BZ, 0,24 Mrd. € für die neuen Bundesländer weniger, §§ 213 Abs. 2 und 2a, 287e SGB VI).
    Diese Maßnahme ist keine echte Entlastung der Arbeitnehmer/innen, sondern aus-schließlich der Arbeitgeber/innen. Weniger finanzielle Mittel der gesetzlichen Rentenversicherung bedeuten zugleich weniger Leistungen und mehr Armut im Alter…
    Durch die Kürzung des Bundeszuschusses fehlen der Rentenkasse in diesem Jahr bereits rd. 1 Mrd. Euro; bis 2016 beläuft sich diese Summe auf 4,5 Mrd. Euro. Weiterhin strich die schwarz-gelbe Bundesregierung bereits zum 1.1.2011 die früher vom Bund gezahlten Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Bezieher/innen ersatzlos. Der Rentenkasse fehlen dadurch allein in 2012 weitere 4 Mrd. Euro – knapp 20 Mrd. Euro weniger in nur rd. 2 Jahren und das bei einer steigenden Anzahl von älteren Menschen in Armut.
    ver.di schließt sich deshalb den Beitragssatzforderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) an und fordert weiterhin, den Beitragssatz sofort wieder auf 19,9 % anzuheben, um die Mittel umgehend für echte Leistungsverbesserungen bei Erwerbsminderungsrenten (EM-Renten), der rentenrechtlichen Anerkennung von Zeiten des Alg-II-Bezugs (mit Erstattung durch die BA), der gleichen Bewertung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten in den alten und neuen Bundesländern und der Fortführung der Rente nach Mindestentgeltpunkten (§ 262 SGB VI) nutzen zu können. Dazu ist die Höchstnachhaltigkeitsrücklage in § 158 SGB VI zu streichen, die Mindestrücklage auf 0,5 Monatsausgaben anzuheben. Besteht die Vermutung, dass die Mindestrücklage unterschritten wird (§ 158 Abs. 2 SGB VI), muss der Beitragssatz entsprechend angehoben
    werden.
    Quelle: sopaktuell Nr. 126 (Download)
  11. ver.di-Stellungnahme zur „Zuschussrente“
    Der nun vorliegende Entwurf eines Alterssicherungsstärkungsgesetzes hat keine Verbesserung im Vergleich zum Lebensleistungsanerkennungsgesetz gebracht. Der Entwurf stärkt die Alterssicherung nicht, sondern schwächt die gesetzliche Rentenversicherung. Die Regelungen des Alterssicherungsstärkungsgesetzes sind auch nicht geeignet, das Problem der Altersarmut ursachenadäquat zu lösen.
    Insbesondere die mit diesem Gesetz vollzogene weitere Absenkung des Beitragssatzes von aktuell 19,6 % auf 19,0 % entzieht der gesetzlichen Rentenversicherung weitere rd. 7,2 Mrd. Euro und zeigt die verantwortungslose Politik dieser Bundesregierung. (Siehe oben (WL))…
    Die hohen Hürden der Zuschussrente bleiben bestehen und machen die Erfüllbarkeit der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Zuschussrente für sehr viele Versicherte unmöglich. Neu hinzugekommen ist eine Bestrafung für kinderlose Geringverdiene-rinnen und -verdiener, deren Entgeltpunkte weit geringer aufgestockt werden als bei Geringverdienerinnen und -verdienern mit Kindern…
    Es gibt nach wie vor keine Anreize für zusätzliche Vorsorge. Hier setzt ver.di den mit dem Sozialverband Deutschland (SoVD) entwickelten Rentenzuschuss als echte Alterna-tive zur Zuschussrente entgegen…
    Quelle: sopaktuell Nr. 125 (Download)
  12. Was bringt der “Pflege-Bahr”?
    Der so genannte “Pflege-Bahr” soll die Lücke zwischen den Kosten fürs Pflegeheim und der Rente schließen. Doch kann die geplante staatlich geförderte Privatvorsorge das überhaupt leisten? Oder werden dabei eher Steuergelder verschwendet?
    Beifall bekommt der Pflege-Bahr eigentlich nur von der Versicherungswirtschaft. Ein Interview vor der Kamera lehnt sie ab. Schriftlich wird aber die richtige Weichenstellung begrüßt. Es sei höchste Zeit, durch “mehr Kapitaldeckung die Pflege auch in der Zukunft zu sichern.”
    Das Zentrum für Sozialpolitik der Uni Bremen kommt da zum genau entgegengesetzten Ergebnis. Seine Untersuchungen zeigen, dass eine kapitalgedeckte private Versicherung zwar Kosten auf heute vorverlagert, dass die Versicherten in der Zukunft aber trotzdem nicht entlastet werden. Bei einer konstant niedrigen Geburtenrate sei die Kapitaldeckung völlig funktionslos und mache daher auch keinen Sinn, sagt Dr. Robert Arnold von der Bremer Uni. Da sei es viel billiger, die Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung leicht anzuheben, und zwar erst dann, wenn das Geld wirklich gebraucht wird. Selbst im Spitzenjahr 2055 würden dafür 3,4 Prozent reichen; je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. “Völlig klar, dass die Verwaltungskosten viel niedriger sind, wenn wir nicht zwei Systeme haben,” d.h. keine zwei Einzahlungs- und keine zwei Auszahlungssysteme. Außerdem sei das Vorziehen der Belastungen durch den Pflege-Bahr völlig überflüssig, weil es keinerlei Funktion habe.
    Quelle: Das Erste plusminus
  13. Gesetzlicher Mindestlohn – gut für Einkommen, Beschäftigung und öffentliche Finanzen
    Zusammenfassung und Kritik aktueller Studien
    Der gesetzliche Mindestlohn würde nicht nur zu mehr Einkommen und Beschäftigung führen, sondern auch zu einer deutlichen Entlastung der öffentlichen Haushalte. Letzteres hat das renommierte Schweizer Prognos-Institut berechnet. Schnell wurde vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft eine Gegenrechnung präsentiert. Allerdings beruht diese auf willkürlichen Annahmen und massiven Rechenfehlern… Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?
    Eine Studie des Schweizer Prognos-Instituts zu den fiskalischen Effekten eines gesetzlichen Mindestlohns kam zu dem Ergebnis, dass ein gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland erhebliche Mehreinnahmen und Minderausgaben für den Staat zur Folge hätte. Die Entlastung der öffentlichen Haushalte läge zwischen 1,3 Milliarden Euro bei einem Mindestlohn von fünf Euro und 24,4 Milliarden Euro bei einem Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde. Bei einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro, wie es die Gewerkschaften fordern, würden die öffentlichen Haushalte um gut sieben Milliarden Euro entlastet.
    In der Gegenrechnung des IW wurden wie üblich erhebliche Arbeitsplatzverluste als Folge des Mindestlohns unterstellt – und schon kam man auf negative Ergebnisse auch mit Blick auf die Staatsfinanzen…
    Angesichts der gewaltigen Diskrepanzen zwischen dem Prognos- und dem IW-Gutachten hat ver.di zusammen mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Inhalt, Methode und Schlussfolgerung der IW-Studie von dem Ökonometriker Klaus Bartsch in einem Gutachten untersuchen lassen. Das Ergebnis hätte für das IW kaum verheerender ausfallen können: Massive Rechenfehler, willkürliche Annahmen und eine methodisch unhaltbare Vorgehensweise werden der IW-Studie attestiert.
    Quelle: ver.di Wirtschaftspolitik
  14. Leiharbeiter im Dauereinsatz: Vier Jahre vorübergehend angestellt
    Sandra Kersten arbeitet seit vier Jahren als Leiharbeiterin in einer Privatklinik und bekommt 250 Euro weniger als Festangestellte. Das ist kein Einzelfall. Leiharbeiter im Dauereinsatz – dieses Problem treibt die Gewerkschaften seit einigen Jahren um. Ursprünglich durften die Arbeitskräfte maximal drei Monate beschäftigt werden. Schwarz-Gelb dehnte diese diese Grenze mehrfach aus – bis sie Rot-Grün 2003 ganz kippte. Bei Airbus stehen neben 17.000 Stammbeschäftigten rund 3.400 Leiharbeiter am Band, bei BMW sind es derzeit 12.000. Mehr als die Hälfte davon, so eine Umfrage der IG Metall, werden über ein Jahr auf dem gleichen Job beschäftigt, viele aber auch länger: „Drei bis vier Jahre sind kein Einzelfall“, sagt Helga Schwitzer, Tarifexpertin und geschäftsführendes IG-Metall-Vorstandsmitglied.
    Auch in der Dienstleistungsbranche hat sich Leiharbeit festgesetzt. Relativ neu ist, dass sie nun häufiger in sozialen Berufen vorkommt – wo Personalbedarf planbar ist und Absatzmärkte keine Rolle spielen. Gab es 2009 bundesweit 5.664 pädagogische Fachkräfte, darunter SozialarbeiterInnen und KindergärtnerInnen, waren es 2011 bereits 7.338. In den Gesundheits- und Pflegeberufen wuchs die Zahl der Leiharbeiter zwischen 2005 und 2011 von 3.196 auf 16.350 Personen. Sandra Kersten ist also kein Einzelfall. Allein Asklepios soll in Brandenburg zwischen 2007 und 2011 319 nichtärztliche Leiharbeiter eingestellt haben, sagt der Betriebsrat. Asklepios bestreitet dies. „Private Klinikkonzerne setzen Leiharbeit systematisch ein, um Tarifverträge zu umgehen“, so Niko Stumpfögger von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Rekrutiert werde vor allem Pflegepersonal.
    Quelle: taz
  15. Wer entscheidet sich für eine Riester-Rente, und aus welchen Gründen?
    Für das eigene Alter vorsorgen zu wollen, ist nicht das einzige Motiv. Schwerer wiegt häufig die Absicht, die staatlichen Zulagen und Steuervergünstigungen in Anspruch zu nehmen, die mit dieser Form der Altersvorsorge einhergehen. Finanzberatungen haben dabei einen signifikanten Einfluss. Denn bei Personen, die sich einem professionellen Finanzberater anvertrauen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie einen Riester-Vertrag abschließen. Diese und weitere Ergebnisse sind in einer neuen, an der Universität Bayreuth entstandenen Studie enthalten, die jetzt im „Journal of Pension Economics and Finance“ erschienen ist.
    Wie die neue Studie zeigt, entscheiden sich viele Menschen tatsächlich vor allem deshalb für den Abschluss einer Riester-Rente, weil sie sich die staatlichen Zulagen und Steuer-vergünstigungen nicht entgehen lassen wollen. Dieses Motiv ist häufig stärker ausgeprägt als die Sorge um das eigene Alter.
    Rund 12 Prozent aller Personen, die zum Abschluss einer staatlich geförder-ten Riester-Rente berechtigt sind, müssen mit weniger als 606 Euro monatlich auskommen und gehören damit der untersten Einkommensgruppe an. Sie entscheiden sich sehr selten für eine Riester-Rente. Ihre Altersvorsorge bleibt in vielen Fällen auch in Zukunft prekär, zumal sie kaum eine andere private Vorsorge betreiben.
    Die oberste Einkommensgruppe umfasst hingegen die rund 8 Prozent der Förderberechtigten, die monatlich über mehr als 2.475 Euro verfügen. Sie schließen überdurchschnittlich viele private Vorsorgeverträge ohne staatliche Förderung ab; gleichzeitig stehen sie aber auch Riester-Verträgen aufgeschlossen gegenüber.
    Insgesamt gesehen, sind es vor allem mittlere Einkommensgruppen, die eine private Altersvorsorge mit den Vorteilen einer staatlichen Förderung verbinden wollen und sich vorrangig für eine Riester-Rente entscheiden.
    Besonders ausgeprägt ist die Neigung, zusätzlich eine Riester-Rente anzusparen, bei Personen, die einen Bausparvertrag haben. „Anscheinend spielt bei zahlreichen Entscheidungen für eine Riester-Rente ein gewisser ‚Mitnahme-Effekt’ eine Rolle“…
    Bei Personen, die den Empfehlungen eines Finanzberaters folgen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Riester-Vertrag abschließen, erheblich höher als bei Personen, die auf eine professionelle Finanzberatung verzichten.
    Quelle: Medienmitteilung der Universität Bayreuth [PDF – 149 KB]
  16. Kristallnacht im August
    “Deutschland den Deutschen”: Im Sommer 1992 wütete ein entfesselter Mob in Rostock-Lichtenhagen drei Abende lang gegen “Ausländer” und “Asylanten”.
    Quelle: Die Zeit Online

    Anmerkung unseres Leser G.B.: Die Frage bleibt, wer innerhalb des Staatsapparates und der Politik diese Vorgänge im Vorfeld nicht verhindert oder toleriert oder billigend in Kauf genommen oder sogar indirekt oder direkt gefördert hat.
    Im Ergebnis war der Asyl-Artikel im Grundgesetz dann weg. Das Ziel war erreicht. War es nicht so?

  17. Kein Platz mehr für Annette Schavan
    Weil sie für Kanzlerin Merkel zum Risiko geworden ist, sagt Kontext-Autor Hans Peter Schütz.
    Erstens: Wie es aussieht, wird es 2013 für Angela Merkel nicht mehr zu einer schwarz-gelben Koalition reichen. Am wahrscheinlichsten ist die Neuauflage einer Großen Koalition. Und wenn eine CDU-Politikerin keine Chance hat, von der SPD im Bildungsbereich als Ressortchefin akzeptiert zu werden, dann Schavan…
    Zweitens: In einer Merkel-Stellvertreterin Schavan steckt ein erhebliches Risiko für den kommenden Bundestagswahlkampf. Noch immer ist ungeklärt, ob Schavan 1980 bei ihrer Doktorarbeit aus anderen Arbeiten abgekupfert hat…
    Drittens: Seit Jahren profiliert sich Schavan systematisch als engste Vertraute der Kanzlerin und erklärt damit die Tatsache, dass sie bei den Wahlen zur CDU-Führung stets die schwächsten Ergebnisse kassiert…
    Viertens: Schavan tut sich jetzt schon schwer genug, in ihrem Wahlkreis Ulm überhaupt wieder als CDU-Kandidatin aufgestellt zu werden…
    Wie schwer es Merkel fällt, auch nur eine Annette Schavan überzeugend zu ersetzen und auch nur halbwegs überzeugenden und populären Ersatz zu bieten, legt offen, wie einsam es um sie in der CDU-Führung geworden ist.
    Quelle: Kontext Wochenzeitung
  18. Ober-Pirat auf Spendenbasis
    Bis vor Kurzem lebte der Politische Geschäftsführer der Piraten Johannes Ponader von Hartz IV. Jetzt rufen einige seiner Kollegen zu Spenden auf, das gefällt aber nicht allen bei den Piraten.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung JB: Die ganze Aufregung ist aus zwei Gründen schizophren. Zum Einen ist es immer noch besser, wenn ein Politiker über Spenden seiner Anhänger finanziert wird als durch „Spenden“ von Lobbyverbänden. Zum Anderen ist es absolut unverständlich, warum die Piraten einen Parteifunktionär nicht bezahlen. Wie stellen sich die Piraten das eigentlich vor? Dürfen sich bei ihnen nur Parteimitglieder in ein Amt wählen lassen, die, wie es so schön in Kontaktanzeigen heißt, „finanziell unabhängig“ sind?

  19. Upper-Class Warfare in the Hamptons
    Helicopters from hell and a lead-smelting tycoon’s mega-mansion: The contentious backdrop for Mitt Romney’s stop in America’s toniest summer spot.
    With twin 2,520-horsepower engines and up to 19 seats, the Sikorsky S-92 [1] is among the world’s most powerful civilian helicopters. “Helibuses” typically service offshore oil platforms and the like, but two years ago billionaire industrialist Ira Rennert [2] acquired a posh version to shuttle himself between Manhattan and Long Island’s exclusive Hamptons, where he owns a 63-acre, 110,000-square-foot villa complex [3]. One of the first to notice the giant bird was Frank Dalene, founder and CEO of a successful luxury homebuilding company, who lives on a ridge along Rennert’s flight path. Its whumping rotor was like “a lightning bolt striking nearby,” says Dalene, a fast-talking 58-year-old with a long nose and narrow-set eyes. He blames the vibrations for “literally damaging my home.”
    Quelle: Mother Jones

    Anmerkung GL: Klassenkampf auf höchstem Niveau – Oder: Geld und Moral
    Auf Long Island (NY, USA), bekämpfen “arme” Millionäre “reiche” Milliardäre, die zu ihrer Arbeitsstelle in Manhatten und zu ihren Mit-Milliardären in der Umgebung mit ihren eigenen Hubschraubern fliegen, und dabei die Luft mit ihren Abgasen (verbleites Benzin) verpesten und die Gegend volllärmen. Mother Jones-Reporter Josh Harkinson geht dem Fall des Milliardärs Ira Rennert nach, der seinen Reichtum mit rücksichtslosen, teilweise kriminellen Finanzspekulation, Umwelt und Kinderschädigenden Magnesium- und Bleibergwerken, und den Kriegen in Irak und Afghanistan (Produktion von Militärfahrzeugen Humvee) gemacht hat. Rennert greift mit seinen Milliarden aktiv in die Nahost-Politik ein, indem er illegale jüdische Siedlungen in arabischen Gebieten finanziert und die jetzige Regierung dort unterstützt. Rennerts Karriere, so Mother Jones, gründet sich darauf, jedem anderen zu sagen, dass er sich zum Teufel scheren soll (“telling everybody else to fuck off”).

    Dieser gut recherchierte Artikel mit den vielen Links zu weiteren Informationen zum Thema eignet sich gut für den Unterricht in verschiedenen Fächern, neben Politik, auch in English (Landeskunde USA) und Ethik.

    Man kann das Verhalten eines rücksichtslosen Kapitalisten wie Rennert vergleichen lassen mit der Biographie von anderen Milliardären, die ihren Reichtum weniger rücksichtslos zusammenbekommen haben, und ihn heute mittels Stiftungen dazu benutzen, anderen und sich selbst Gutes zu tun.
    Dabei sollte man auch die Frage untersuchen lassen, wie sich die Steuerzahler mit Steuersubventionen an diesen Wohltaten beteiligen müssen, und die Frage, ob Milliardäre diese Mittel tatsächlich weiser und effektiver einsetzen als demokratisch kontrollierte Administrationen (im Falle der Gates-Stiftung scheint das nicht immer der Fall gewesen zu sein, wie eine eigene Untersuchung ergab).
    Man kann die Frage behandeln lassen, ob wir es hinnehmen dürfen, dass Monopole und Zugang zur politischen Macht rigoros ausgenutzt werden dürfen, um in kurzer Zeit legal Milliarden anzuhäufen, während viele durch überhöte Preise (für PCs) von der wirtschaftlichen Entwicklung abgeschnitten sind.
    Oder die Frage, ob wir eine Welt gutheißen können, in der fast die Hälfte der Menschheit in Armut, teilweise bitterster Armut lebt, weil sie die Milliarden der Rennerts und Gates erwirtschaften müssen.
    Oder die Frage, ob der Wahlkampf in den USA deshalb so teuer sein muss, damit Milliardären ihre Interessen mit Hilfe ihres Geldes gegen alle anderen Interessen durchzusetzen können und damit alles so bleibt wie es ist.
    Schließlich lässt der Artikel auch Einblicke zu in die Sprachpraxis reicher Amerikaner zu, die sich — offenbar unbeeindruckt vom Englischunterricht — reichlich des f***-Wortes bedienen. Die Schüler könnten untersuchen, wie sich die Reichen-Sprache von der Sprache der Armenghettos und der Straßengangs unterscheidet, wenn es denn Unterschiede gibt.

  20. US-Gewerkschaften bluten aus
    Um überhaupt einen Job zu bekommen, nehmen viele US-Bürger auch schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf. Die Gewerkschaften sind zu schwach für den Kampf: Ihnen laufen die Mitglieder davon.
    Den einst so mächtigen Industriegewerkschaften in den USA droht der Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit akzeptieren viele Amerikaner mittlerweile Niedriglöhne ohne soziale Absicherung – nur um überhaupt einen Job zu bekommen. Wie geschwächt die US-Gewerkschaften inzwischen sind, hat jetzt ein spektakulär gescheiterter Arbeitskampf beim Baumaschinenhersteller Caterpillar gezeigt…
    Die gesamte Industrie in den USA hatte den Arbeitskampf in Illinois gespannt verfolgt. Der weltweit führende Baumaschinenkonzern erwirtschaftete 2011 einen Rekordgewinn von 4,9 Mrd. Dollar, dieses Jahr soll es noch mehr werden. Die Bezüge von Caterpillar-Chef Douglas Oberhelman stiegen im vergangenen Jahr um 60 Prozent auf 16,9 Mio. Dollar.
    Bei den Mitarbeitern in Illinois werden nun die Löhne über sechs Jahre eingefroren, die Pensionen gekürzt und die Beiträge für die Krankenversicherung verdoppelt. “Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis”, sagte Werksleiter Tim Flaherty. “Wir wissen, dass das nicht einfach ist für die Arbeiter und ihre Familien.”
    Gerade einmal sieben Prozent der Beschäftigten in der US-Privatwirtschaft gehören heute noch einer Gewerkschaft an. 1950 waren es noch 35 Prozent.
    Quelle: FTD

    Dazu auch:

    Walker`s victory, un-sugar coated
    Suppose instead that the unions had supported a popular campaign—media, door knocking, phone calling—to agitate, educate, and organize on the importance of the labor movement to the maintenance of living standards?
    If they’d made an argument, broadly and repeatedly, that Walker’s agenda was an attack on the wages and benefits of the majority of the population?
    That it was designed to remove organized opposition to the power of right-wing money in politics? That would have been more fruitful than this major defeat. …
    And as much as it hurts to admit this, labor unions just aren’t very popular. In Gallup’s annual poll on confidence in institutions, unions score close to the bottom of the list, barely above big business and HMOs but behind banks. More Americans—42%—would like to see unions have less influence, and just 25% would like to see them have more. Despite a massive financial crisis and a dismal job market, approval of unions is close to an all-time low in the 75 years Gallup has been asking the question. A major reason for this is that twice as many people (68%) think that unions help mostly their members as think they help the broader population (34%). …
    But whatever you think of that analysis of the past is rapidly becoming irrelevant. Collective bargaining has mostly disappeared in the private sector, and now looks doomed in the public sector. There are something like 23 states with Republican governors and legislative majorities ready to imitate Walker who will be emboldened by his victory. And there are a lot of Dems ready to do a Walker Lite. If they don’t disappear, public sector unions will soon become powerless.
    That means that if unions ever want to turn things around—and I’m old-fashioned enough to believe that we’ll never have a better society without a reborn labor movement—they have to learn to operate in this new reality. Which means learning to act politically, to agitate on behalf of the entire working class and not just a privileged subset with membership cards.
    Quelle: LBO News from Doug Henwood

    Anmerkung KR: Steht den deutschen Gewerkschaften etwas anderes bevor?

  21. Bundesregierung sieht erste Erfolge durch Investition in Bildung
    Mehr als jemals zuvor hat die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode in die Bildung und Forschung investiert. Ganz besonders gestiegen seien die Ausgaben des Bundes im Bildungsbereich, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/10448) auf die Kleine Anfrage „Geplante Ausgaben für Bildung im Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2013 und in der mittelfristigen Finanzplanung“ (17/10390) der Linken. Um der stark steigenden Studiennachfrage gerecht zu werden, wurden in den Jahren 2010 bis 2013 insgesamt 3,85 Milliarden Euro für die Schaffung neuer Studienplätze bereitgestellt, listet die Regierung auf. Dazu kämen weitere Investitionen in die Qualität der Lehre, in die Mobilität während des Studiums sowie in die Verbesserung der Studienfinanzierung. Insgesamt steige der Etat 2012 laut Regierungsentwurf gegenüber 2011 um rund 2,6 Milliarden Euro. Davon entfallen 57 Prozent auf die Bildung und 43 Prozent auf die Forschung.
    Im Forschungsbereich wurden laut der Antwort der Bundesregierung verstärkt Mittel vor allem für die Förderung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingesetzt. Weiteres Geld werde für die Exzellenzinitiative und für die Projektförderung unter dem Dach der Hightech-Strategie veranschlagt. „Mit dieser gewaltigen Anstrengung sollen die Zukunftschancen der nächsten Generation gewahrt und ausgebaut sowie gleichzeitig dem Bedarf der deutschen Wirtschaft nach gut ausgebildeten Fachkräften Rechnung getragen werden“, heißt es in der Antwort.
    Die Linke hatte in ihrer Kleinen Anfrage thematisiert, dass aus der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung hervorgehe, dass das Volumen der Finanzplanung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zwar im Wahljahr 2013 steige, 2014 dann jedoch wieder sinke. Insbesondere beim Hochschulpakt für Bildung seien in 2014 erhebliche Einschnitte vorgesehen.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: Aus der Antwort der Bundesregierung: „Die aktuellsten Daten der OECD für Bildungsausgaben beziehen sich auf das Jahr 2008. Im Jahr 2008 betrugen die Ausgaben für Bildungseinrichtungen im OECD-Durchschnitt 5,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Deutschland 4,8 Prozent. Es erscheint nicht zielführend, den internationalen Vergleich für die Berechnung von Mehrausgaben heranzuziehen, da unterschiedliche wirtschaftliche und demographische Entwicklungen den Vergleich beeinflussen würden [PDF – 138 KB].“
    Dort wo die Bundesregierung schlecht dasteht, gilt ein internationaler Vergleich nicht als zielführend. Wenn es um die Beschönigung der wirtschaftlichen und sozialen Lage Deutschlands geht, spielen die unterschiedlichen „wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen“ aber offenbar keine Rolle. Siehe dazu: „Der Placeboeffekt des Relativismus als politisches Erfolgsmodell“.

  22. Bundesregierung sieht das Deutschlandstipendium auf gutem Weg
    Die Bundesregierung ist insgesamt gesehen mit dem Erfolg des Deutschlandstipendiums zufrieden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (17/10430) auf die Kleine Anfrage der Grünen „Deutschlandstipendium und Begabtenförderungswerke“ (17/10351) hervor. Die Grünen hatten ein Jahr nach der Einführung des Deutschlandstipendiums eine fundierte Bilanz des Instruments gefordert. Das Deutschlandstipendium ist ein deutschlandweites Stipendienprogramm, das begabte Studenten aller Nationalitäten an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen mit monatlich 300 Euro fördert.
    Bereits im ersten Jahr nach dem Start des Deutschlandstipendiums zum Sommersemester 2011 hätten sich rund drei Viertel aller Hochschulen daran beteiligt; etwa die Hälfte davon habe ihre Höchstförderquote schon zu diesem frühen Zeitpunkt voll ausgeschöpft. Diese lag laut Bundesregierung im ersten Jahr bei 0,45 Prozent der Studierenden. Mittelfristig sollen acht Prozent der Studenten mit dem Deutschlandstipendium gefördert werden. In der Antwort heißt es: „Die Bundesregierung sieht sich auf einem guten Weg bei der Erreichung dieses Ziels.“
    Zwischen 2005 und 2011 hat die Bundesregierung die Mittel für die Arbeit der Begabtenförderungswerke von 80,5 Millionen auf rund 170 Millionen Euro erhöht, schreibt sie in ihrer Antwort. Die Gesamtzahl der Stipendiaten der Begabtenförderungswerke konnte dadurch im gleichen Zeitraum von rund 13.500 auf rund 24.500 gesteigert werden. 5.375 Stipendiaten seien im ersten Jahr des Deutschlandstipendiums auch in diesem Vergleich ein beachtlicher Erfolg.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: Nach dem 2010 eingeführten „Deutschlandstipendium soll der Bund soll 150 Euro pro Stipendium und Monat zahlen, wenn die jeweilige Hochschule den gleichen Beitrag von privater Seite einwirbt. “Mit dem Deutschlandstipendium stärken wir die Vernetzung der Hochschulen mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld und legen den Grundstein für den Aufbau einer Stipendienkultur” verkündete Bildungsministerin 2010 anlässlich der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes. 5.375 oder 0,45 Prozent von 2,4 Millionen Studierenden sollen also eine „Stipendienkultur“ begründet haben. Die Ist-Ausgaben lagen 2011 gerade mal bei 5,746 Mio. Euro und erreichten nur etwas mehr als die Hälfte des vorgesehenen Haushaltsansatzes.
    Hier wird aus einer Mücke ein Elefant gemacht.
    Das „Deutschlandstipendium“ soll ein Förderprogramm für „Hochbegabte“ sein, für die Förderung unterrepräsentierter Gruppen sind hingegen 2011 Sonderprojektmittel nur in Höhe von 3,1 Millionen eingesetzt worden.
    Siehe dazu nochmals: „Du bist Deutschland – zu teuer!

  23. Viele Polen ziehen wieder gen Westen
    Neue Auswanderungswelle an der Weichsel. Diesmal packen Akademiker ihre Koffer. Nach dem Studium einen Arbeitsplatz zu finden wird immer schwieriger. Tatsächlich packen immer mehr junge Ingenieure, Ärzte, Wissenschaftler und qualifizierte Facharbeiter die Koffer und verlassen Polen. Zielländer sind vor allem Großbritannien, die Niederlande, Deutschland und Norwegen. Experten schätzen, dass bereits rund 2,5 Millionen Polen ständig im Ausland leben. Tendenz: steigend. “Die meisten kommen nicht mehr nach Polen zurück”, erklärt die Migrationsexpertin Krystyna Iglicka von der privaten Lazarus-Universität in Warschau. Polen ist traditionell ein Auswanderungsland. Immer wieder hat es in der Geschichte große Auswanderungswellen gegeben. Doch es waren zumeist arme Menschen, die gingen, oder ab 1945 politische Gegner des kommunistischen Regimes. Heute aber kehrt Polens junge Elite dem Land den Rücken. Auch wenn Deutschland nicht mehr Zielland Nummer eins ist, sind doch im letzten Jahr über 173.000 Polen ins Nachbarland umgezogen. Polen stellen damit in Deutschland die größte Zuwanderergruppe aus EU-Ländern – noch vor Rumänen und Bulgaren.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Eigentlich basierte die positive Einschätzung der Wirtschaft Polens schon immer auf einem Missverständnis. Das viel zitierte gerade im Verhältnis zu anderen osteuropäischen Ländern solide Wachstum (2010: 3,9 Prozent; 2011: 4,3 Prozent) wird selten auf sein Ausgangsniveau oder auf die Quellen des Wachstums befragt. Ebenso wurde ignoriert, dass das „Boomland“ eine anhaltend hohe Arbeitslosenquote von 10 Prozent verzeichnet. Die Wachstumsraten ändern nichts daran, dass Polen immer noch ein relativ armes Land ist, dessen BIP-Pro-Kopf-Einkommen (2011) nur 64 Prozent des EU-27- Durchschnitts erreicht (Slowenien 83 Prozent oder Tschechien 79 Prozent), und das in Kaufkraftparitäten gerechnet. Dieser “Boom” ist aber wie seinerzeit in Irland oder Spanien nicht aus eigener Kraft gewachsen. Zwischen 2007 bis 2013 bekommt Polen etwa 67 Milliarden Euro aus Europäischen Strukturfonds. Das entspricht etwa 20 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung und ist mehr als jedes andere Land in der EU erhält. Und leider sind diese Gelder vor allem in den Bausektor (Fußball-Europameisterschaft) geflossen statt in Programme zur Stärkung der polnischen Wettbewerbsfähigkeit, die sich eher in einem Leistungsbilanzdefizit von 4,3 Prozent des BIP ausdrückt (Daten WIIW). Zwar liegt die Handelsbilanz auch im Minus, aber insbesondere die Gewinn-Transfers ausländischer Filialbetriebe ausländischer Konzerne belasten die polnische Leistungsbilanz. Vor allem aber klafft eine große Lücke zwischen denen, die von der Modernisierung profitieren – und jenen, die zurückbleiben. Eurostat verzeichnete 2010 mehr als 17 Prozent von Armut bedrohte Polen. Zum Vergleich: Im benachbarten Tschechien waren es nur neun Prozent. – Kein Wunder, dass die polnische Jugend nicht Generationen abwarten will, bis sich das polnische Pro-Kopf-Einkommen dem Durchschnitt der EU nähert.

  24. Äthiopien: Jenseits von Hunger und Demokratie
    Im Alter von 57 stirbt der umstrittene Regierungschef Meles Zenawi. Sein Erbe: ein wirtschaftlich erfolgreiches, autoritäres Land. Meles Zenawi hat Äthiopien in vieler Hinsicht modernisiert. Doch trotz Wirtschaftswachstum ist der Staat sehr traditionell
    Quelle 1: taz
    Quelle 2: taz, Der Wille zur Macht

    Anmerkung Orlando Pascheit: Auch wenn mancher “Erfolg” von Meles Zenawi zu hinterfragen ist, so kann man doch einen Moment innehalten um mit Dominic Johnson festzuhalten: “Mit Meles Zenawi stirbt erstmals ein Staatslenker aus der Generation postkolonialer afrikanischer Befreiungsbewegungen, die mit der Waffe in der Hand die Macht gegen ihre eigenen Landsleute erkämpften und seither ihre Länder umkrempeln. Ob der Äthiopier Meles, der Ruander Paul Kagame oder der Ugander Yoweri Museveni: Es geht ihnen nicht um persönliche Bereicherung, sondern darum, sich als Gründerväter einer neuen Zeit in die Geschichtsbücher einzutragen.” – Angesichts des in Korruption und persönlicher Bereicherung ertrinkenden ANC (Afrikanischer Nationalkongress) in Südafrika, eines von seinen Voraussetzungen viel besser ausgestatteten Landes, heißt das viel. Wer auf die politische Repression oder die Bürgerkriegstoten in Äthiopien verweist, sollte nicht vergessen, dass im friedlichen, demokratischen Südafrika in Jahr vor der WM 18.148 Morde, 12.571 Totschläge und über 50.000 Vergewaltigungen registriert wurden.

  25. Zu guter Letzt: Offshore-Garantien

    Quelle: Harm Bengen


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