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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 26. Juli 2012 um 8:45 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Es gibt wohl keine Legislaturperiode in der Geschichte der Bundesrepublik, in der das Bundesverfassungsgericht so oft und in so kurzer Zeit hintereinander die Gesetze einer die Regierungsmehrheit stellenden Koalition kassiert hat.
Vor gut einer Woche wurde von Karlsruhe das Asylbewerberleistungsgesetz kassiert weil es gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verstößt. Im letzten Monat stellte das Gericht fest, dass bei den Verhandlungen über den Euro-Rettungsschirm die Regierung das Parlament nicht ausreichend informiert hatte. Im Februar dieses Jahres erklärten die obersten Richter, dass die Übertragung der Entscheidungskompetenz auf neun Mitglieder des Haushaltsausschusse bei dringenden Entscheidungen über Hilfsmaßnahmen im Rahmen des Rettungsschirms EFSF die Rechte des Parlaments in verfassungswidriger Weise verletze. Gleichfalls anfangs 2012 wurde entschieden, dass die Berechnungsmethode für die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Erwachsene gegen das Grundgesetz verstoße.
Die aktuelle Entscheidung zum Wahlrecht erfolgte, nachdem das Gericht schon im Jahre 2008 das vorherige Wahlgesetz aus ganz ähnlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt hatte, weil es nämlich zu einer negativen Stimmengewichtung und zu einer den Wählerwillen verfälschenden Zahl der Überhangmandate führen konnte. Trotz der eindeutigen Hinweise des Gerichts für eine verfassungskonforme Lösung, haben die Regierungskoalitionen – dazu erst nach der von Karlsruhe vorgegebenen Frist – exakt gegen diese Verstöße in ihrem neuen vom November 2011 Wahlgesetz keine Abhilfe geschaffen – im Gegenteil. Man kann somit geradezu von einer provokativen Renitenz von CDU/CSU und FDP gegen die richterlichen Vorgaben sprechen. Die Häufung der richterlichen Entscheidungen gegen Gesetze dieser Koalition, ist ein Warnsignal. Wie auch die derzeitige Prüfung des Fiskalpakts und des ESM durch das Bundesverfassungsgericht zeigt, bewegt sich diese Regierung und teilweise mit ihr die Opposition von SPD und Grünen immer häufiger am Rande der verfassungsrechtlichen Legalität und geht sogar mehrfach über diese Grenzen hinaus. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass wir uns nicht nur im Prozess eines gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Systemwechsels befinden, sondern auf dem Weg in eine innere Aushöhlung des Grundgesetzes.
Übrigens: 24 Überhangmandate bekam die Union – 9 mehr als nach der Entscheidung vom Mittwoch zulässig wären. Und so wurde Angela Merkel zur „Überhangkanzlerin“: Die Kanzlermehrheit lag bei 312 Stimmen, Merkel wurde mit 323 Stimmen gewählt.
Siehe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli.
Siehe die Kurzfassung in der Pressemitteilung.
Siehe zur Entwicklung der Zahl der Überhangmandate die Grafik in der SZ.
Deutsche Übersetzung der Zusammenfassung von unserem Leser S.P.:
Während die globale Finanz- und Wirtschaftskrise anhält, setzen die europäischen Regulatoren und politischen Entscheidungsträger ihre Versuche fort, einen Weg aus der Krise zur Stabilität zu finden, der einen Ausgleich zwischen den öffentlichen Interessen souveräner Nationen erfordert, die eine tiefere finanzielle, ökonomische, politische und fiskalische Union anstreben. Parallel zu diesen Versuchen stellen die Medien und Regierungsvertreter der Kernländer die Krise dar als verursacht durch verschwenderische
Verschuldung und verantwortungslose öffentliche Ausgaben seitens der Länder in der Periphärie.
Der vergangene Wachstum in der Eurozone, insbesondere in Deutschland, wurde nicht durch bedeutende Verbesserungen der Produktivität, erzielt, sondern durch Lohneinbußen bei den Haushalten und industriefreundliche Arbeitsmarktreformen, den Hartz Reformen, welche Reichtum von der Bevölkerung zu den Banken und den exportorientierten Industrien transferierten.
Während die deutschen und französischen Steuerzahler zu Recht wütend sind, ist ihre Wut in hohem Maße mißgeleitet. Anstatt die falsche Narrative anzunehmen, welche den Ländern an der Periphärie die Bailouts zur Last legt, sollte sich ihre Wut berechtigterweise an die folgenden Stellen richten:
Vor diesem Hintergrund ist es logisch zu folgern, dass die deutsche Regierung und Bundesbank die Märkte für die deutschen Exporteure und den deutschen Bankensektor zu schützen suchen. Demzufolge wir die deutsche Regierung gezwungen sein, entweder einen größeren Anteil der Kosten für die Unterstützung einer weiteren Integration der EWU zu tragen, oder, alternativ, die größeren ökonomischen und sozialen Kosten ihres Zusammenbruchs auf sich zu nehmen, einschließlich der enormen Kosten für die Rekapitalisierung der deutschen Banken und für die finanzielle Unterstützung der deutschen Industrie. Beide Ansätze werden die deutsche Verschuldung beträchtlich steigern, während die Wirtschaft schrumpft. Die Kosten werden erheblich sein.
Je länger es dauert, bis die politischen Repräsentanten ihrer Wählerschaft diesen Sachverhalt transparent offenlegen, umso höher werden die Kosten für die Lösung ausfallen. Aus diesem Grund müssen die europäischen Führer jetzt entschlossen handeln.
Dieses Papier wird keinen besonderen Weg vorschlagen. Vielmehr wird dieses Papier zeigen, dass die Wahl für einen Weg aus der Krise durch den Mangel an politischem Willen und nicht durch ökonomische Sachzwänge erschwert wird. Dieser fehlende Wille ist ein Versagen der politischen Führung und der Technokraten, der deutschen Bevölkerung diese nicht willkommene, aber nötige Botschaft zu vermitteln.
In Deutschland, wo seit einem Jahrzehnt die realen Lohneinbußen die Haushalte um Konsum gebracht haben und den Transfer von Einkommen zu Banken und Exporteuren darstellt, wird für den Steuerzahler die Botschaft, dass er nun für das Bailout dieser Firmen verantwortlich sein und zugleich ein Verzicht an Souveränität akzeptieren muss, eine besonders bittere Pille sein.
In mehreren Europäischen Ländern drohen nationalistische Ausbrüche das Euro-Projekt zum Scheitern zu bringen. Ein ungeregelter Zusammenbruch würde zu weit höheren Kosten in den Kernländern führen als die volle Anerkennung der Verluste, die Rekapitalisierung der Banken und die Integration der Ökonomien der Eurozone. Dieses Papier wird untersuchen:
Je länger die politische Führung wartet und je unentschlossener ihr Vorgehen, umso größer die Gefahr, dass der Bund und die deutschen Banken ihren Status als ‘sicheren Anlagenhafen’ Europas verlieren. Diese Gefahren nehmen bereits zu, wie kürzlich durch die Abnahme des Appetits der Investoren für deutsche Staats- und Banktitel bezeugt.
Passend dazu: In den Niederlanden droht eine Immobilienblase zu platzen
Lange galten die Niederlande als Hort der Stabilität. Doch nun rutscht auch das Land der Tulpen und des Goudakäses immer tiefer in die Krise. Laut einer Schätzung droht ein Abschreibungsbedarf von 37 Mrd. Euro.
Quelle: DiePresse
Anmerkung RS: Als Amerikaner, der jedes Jahr eine amerikanische Steuererklärung abgeben muss, obwohl ich in Deutschland lebe und hier Steuern zahle, ärgere ich mich schon lange darüber, wie in Deutschland so getan wird, als könnte man nichts dagegen tun, dass deutsche Großverdiener durch einen Wohnsitz im Ausland deutsche Steuern vermeiden. Der Staat steht eben nicht machtlos da, sondern willenlos. Es ist in Deutschland eben nicht erwünscht, dass reiche Deutsche ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen müssen. Die Debatte um die Steuer-CDs und um den steuerlichen Ablasshandel mit der Schweiz belegt, dass sogar kein Interesse besteht, dass Steuerhinterzieher belangt werden. Andererseits sollen natürlich Hartz-IV-Empfänger strengstens kontrolliert werden, damit sie keinen einzigen Cent mehr Stütze bekommen, als ihnen zusteht.
Anmerkung Orlando Pascheit: Und Europa schläft und träumt davon, dass mit der Rücktritt Berlusconis in Italien das Schlimmste aus der Welt sei. Wer nicht schläft, sind Leute in allen Regierungen Europas, die sich fragen, wie man zukünftige politische und soziale Proteste legal entsorgen könnte.
Anmerkung Orlando Pascheit: Jungle World bietet zurzeit als Schwerpunktthema: Flüchtlingssolidarität auf dem Mittelmeer.
Anmerkung RS: In Deutschland ist es einfacher: Man lässt die Lobbyisten einfach in den einschlägigen Ministerien arbeiten oder im Bundestag sitzen.
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