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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Heiner Flassbeck: “Wie ist der EURO noch zu retten?”
Vortrag vor dem 62, Österreichischen Städtetag in Dornbirn
Quelle: Städtebund
- Wachstumsprogramm – Wie viel bringen die EU-Gipfel-Beschlüsse wirklich?
Drei Experten nehmen für PLUSMINUS das Wachstumspaket unter die Lupe:
- Der Wirtschaftsexperte Frederico Steinberg aus Madrid: Der erste Posten – 55 Milliarden – fließt vor allem für große Infrastrukturprojekte wie eine Autobahn bei Madrid. Doch Beton ist das letzte, was Spanien jetzt braucht
- Für den Konjunkturforscher Gustav Horn ist das ein ziemlich dreister Etikettenschwindel. Die Mittel aus dem Strukturfonds, die besagten 55 Milliarden, flössen nicht zusätzlich in die Wirtschaft. Sie seien lediglich umgewidmet worden. Deshalb entstehe kein Konjunkturimpuls.
Und selbst das Umschichten des Geldes in andere Projekte ist mehr als schwierig.
- EU-Experte Daniel Gros aus Brüssel: 2007 hat sie beschlossen, in den kommenden Jahren 308 Milliarden für Strukturförderung zur Verfügung zu stellen. Diese Summe wird nun in Raten ausgezahlt. Jetzt sind noch 55 Milliarden übrig. Diese werden einfach umbenannt zum neuen Wachstumsprogramm.
Quelle: Das Erste plus minus
- ESM: Verfassungsrichter geraten unter Druck
Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Eilanträge gegen die Gesetze zur langfristigen Euro-Stabilisierung warnen Politiker vor den Folgen eines Scheiterns und setzen damit die Verfassungsrichter unter Druck.
Quelle T-Online
Anmerkung WL: Jetzt wird selbst die sonst so gern beschworene „Unabhängigkeit“ des Gerichts in Frage gestellt, ja sogar die Urteilsfähigkeit der Richter bezweifelt.
- Italien
- Wir haben äußerst magere Jahre vor uns
Keinen Lohn mehr, kein Übergangsgeld, keine Arbeitslosenunterstützung – und keine Rente: Dieses Schicksal droht in den nächsten Jahren Hunderttausenden Arbeitern und Angestellten in Italien. Schuld ist die im Dezember 2011 Hals über Kopf verabschiedete Rentenreform. Da beschloss die gerade erst ins Amt getretene Regierung Monti einen radikalen Schnitt. Mit einem Schlag wurde das Renteneintrittsalter für Männer auf 66, ab 2020 auf 67 Jahre, für Frauen auf 62 Jahre erhöht; für Frauen sind weitere Anpassungsschritte auf 63,5 Jahre im Jahr 2014, auf 65 Jahre im Jahr 2016 und dann auf 66 Jahre im Jahr 2018 vorgesehen. Und zugleich wurden die Möglichkeiten, vor Erreichen dieser Altersgrenzen auszuscheiden, radikal eingeschränkt. Dumm nur, dass Personen wie De Martino, ermuntert von ihren Unternehmen und vom Staat, vorher schon Auflösungsverträge unterschrieben hatten – Verträge, die auf einmal nichts mehr wert sind. Stefania Venturi, 56 Jahre alt, war Informatikerin bei einer Firma, die für die Staatsbahnen arbeitete. Am 30. April schied sie aus, drei Jahre lang wurde ihr das sogenannte “Mobilitätsgeld” zugesichert – 700 Euro im Monat. Danach wäre sie noch eineinhalb Jahre ohne Unterstützung arbeitslos – und dann in Rente gegangen. Verkraftbar, dachte sie, schließlich arbeitet ihr Mann. Jetzt wird sie erst mit 67 in den Ruhestand gehen können, also neun Jahre schier nichts erhalten. “Wir haben zwei 15-jährige Kinder”, erzählt sie, “das Brot kann ich noch kaufen, aber wir haben äußerst magere Jahre vor uns.”
Bloß 65.000 Arbeitnehmer seien betroffen und die würden durch Hilfen aufgefangen, hatte Arbeitsministerin Elsa Fornero immer wieder behauptet, doch vor einigen Tagen legte die Rentenkasse präzise Zahlen vor: Fast 400.000 Personen werden teils über Jahre hinweg ohne Einkommen dastehen. Ministerin Fornero hat jetzt zwar nachgebessert und Geld für Übergangsregelungen locker gemacht, die weiteren 55.000 Betroffenen Schutz gewähren – doch immer noch bleiben 270.000 außen vor. “Kein Geld”, erwiderte sie im Parlament trocken auf kritische Nachfragen.
Quelle: taz
Anmerkung Orlando Pascheit: Ob das einer Nichtexpertenregierung mit etwas mehr Sinn für “Volkes Stimmung” auch passiert wäre?
- Kurzarbeit: In Italien kein Erfolgsmodell
…beide Länder starteten mit einer identischen Arbeitslosenquote von 7,8 Prozent in die Wirtschaftskrise. Hier hören die Gemeinsamkeiten allerdings auf: Trotz des kräftigen Einbruchs behielten in Deutschland die meisten Arbeitnehmer ihren Job. Seit Anfang 2010 nahm die Beschäftigung sogar wieder zu, die Wirtschaft erholte sich. In Italien hingegen gingen sowohl die Zahl der Erwerbstätigen als auch das Wachstum erheblich zurück. Eine nachhaltige Erholung ist nicht in Sicht.
Dass Deutschland besser abschnitt, beruht nach der Analyse von Stein und Aricò auf den günstigeren Rahmenbedingungen. Angesichts des großen Ausmaßes der Rezession verließ sich die Bundesregierung nicht allein auf arbeitsmarktpolitische Instrumente. In kurzer Folge legte sie mehrere Konjunkturprogramme auf, die dabei halfen, den starken Nachfragerückgang aufzufangen. Die italienische Regierung unterstützte die Wirtschaft dagegen kaum; Begründung: Der Staat sei zu hoch verschuldet.
Quelle: Böckler Impuls 12/2012
- Manifest für wirtschaftliche Vernunft, deutsch
Mehr als vier Jahre nach Beginn der Finanzkrise bleiben die weltweit wichtigsten Volkswirtschaften zutiefst in Flaute oder Depression – eine allzu bekannte Situation aus den 1930er Jahren. Der Grund ist einfach: Wir verlassen uns auf die gleichen Konzepte, welche die damalige Politik geprägt hatten. Diese Ideen – inzwischen längst widerlegt – beinhalten tiefgreifende Fehler, sowohl über die Ursachen der Krise, als auch ihre Natur und die angemessene Reaktion.
Diese Fehler haben tiefe Wurzeln im öffentlichen Bewusstsein genommen und genießen die Unterstützung der Öffentlichkeit für übermäßige Strenge der aktuellen Finanzpolitik in vielen Ländern. Also die Zeit ist reif für ein Manifest, in dem Mainstream-Ökonomen der Öffentlichkeit eine weitere, auf vielfacher Erfahrung beruhende Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Probleme aufzeigt.
Quelle 1: Übertragung ins Deutsche [DOC – 41 KB]
Quelle 2: Eine weitere Übersetzung auf einem schwedischen Blog fiket
Quelle 3: Nochmals das Original in englisch mit Unterzeichnern
Dazu auch:
- Paul Krugman: Wir sparen uns zu Tode
…Inzwischen sind seit Beginn der Krise vier Jahre vergangen. Der Abschwung ist überwunden, aber der Aufschwung hat noch immer nicht begonnen. In den Vereinigten Staaten geht die Arbeitslosigkeit leicht zurück (während sie in Europa weiter steigt), doch sie ist noch immer viel zu hoch und weit von dem Stand entfernt, auf dem sie sich vor wenigen Jahren befand. Zig Millionen Amerikaner und Europäer stecken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit jedem Monat werden die Zukunftsaussichten der jungen Menschen schlechter. Und all das wäre nicht nötig.
Tatsache ist, dass wir über das Wissen und die Instrumente verfügen, diese Krise zu beenden. Wenn wir endlich längst bekannte und erprobte wirtschaftliche Prinzipien anwenden, deren Gültigkeit durch die jüngsten Ereignisse noch bestätigt wurde, kämen wir in kürzester Zeit, vielleicht schon innerhalb von zwei Jahren, zur Vollbeschäftigung zurück.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Der graue Markt der Schattenbanken
Trotz der dramatischen Folgen der anhaltenden Finanzkrise nutzen viele Schattenbanken weiterhin hochkomplexe und hochriskante Wertpapiere für ihre Machenschaften. Hedgefonds spekulieren hauptsächlich mit komplizierten Derivaten, während außerbilanzielle Zweckgesellschaften in der jüngsten Krise insbesondere über verbriefte Produkte stürzten, deren Konstruktion ihre Manager selbst nicht oder nur unzureichend verstanden hatten. Auch sind die Aufseher oft schon aus personellen Gründen mit der Einschätzung der mit derartigen Papieren verbundenen Risiken überfordert. Diese Probleme könnten durch einen Finanz-TÜV angegangen werden.[12] Würden unverständliche und riskante Wetten nicht mehr zugelassen, wäre gerade den am wenigsten regulierten Schattenbanken eine wesentliche Geschäftsgrundlage entzogen und ihr Daseinszweck damit in Frage gestellt.
Die Politik muss endlich begreifen, dass die Existenz der Schattenbanken eine Einladung zur Regulierungsvermeidung darstellt. Die Devise muss daher lauten: Gleiche Regeln für gleiches Geschäft. Für alle Aktivitäten auf den Finanzmärkten müssen die gleichen Anforderungen in Bezug auf Transparenz, Risikomanagement, Liquidität und Eigenkapital sowie auf eine geordnete Abwicklung im Insolvenzfall gelten – gleichgültig, ob die jeweiligen Akteure über eine Banklizenz verfügen oder nicht. Nur so lässt sich eine weitere Blase und damit die Neuauflage der gegenwärtigen Finanzmarktkrise verhindern.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Libor-Skandal
- Libor-Skandal brockt Deutscher Bank Klage in den USA ein
Dass Investoren gegen die Banken klagen, die den Libor manipuliert haben soll, ist ein normaler Vorgang. Die Deutsche Bank ist aber offenbar so besorgt, dass bereits erste Mitarbeiter freigestellt wurden.
Die Deutsche Bank sieht sich wegen der mutmaßlichen Zinsmanipulationen durch europäische Banken mit Klagen von Investoren konfrontiert: Eine zum Frankfurter Bankhaus Metzler gehörende Kapitalanlagegesellschaft habe sich in New York an mehreren Sammelklagen gegen die Deutsche Bank und andere Institute beteiligt, die der Manipulation des Interbankenzinssatzes Libor bezichtigt werden.
Quelle: FTD
- Harald Schumann: Straflos, skrupellos
Schon jetzt ist klar, dass der Barclays- Bankenskandal am entscheidenden Punkt genauso ausgehen wird wie alle vorangegangenen: Keiner der führenden Verantwortlichen wird sich persönlich vor einem Strafgericht verantworten müssen.
… so folgerichtig der Rücktritt von Europas dreistestem Bonus-Jäger ist (Jahressalär 2011: 26 Millionen Euro), so wenig trägt das zur Lösung des eigentlichen Problems bei…Keiner der führenden Verantwortlichen wird sich persönlich vor einem Strafgericht verantworten müssen…
Gewiss, im Einzelfall ist es stets schwierig, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen, wenn die Top-Leute der Hochfinanz mal wieder Milliardenschäden anrichten. Darum wagen die meisten Staatsanwälte nicht einmal eine Anklage. Aber das rechtfertigt nicht die Untätigkeit der Regierenden.
Quelle: Tagesspiegel
- Libor als Anachronismus der Londoner City
Die Euphorie an den Finanzmärkten nach dem jüngsten EU-Gipfel hat sich gelegt. Die Schuldenkrise ist zurückgekehrt, erneut haben sich Hoffnungen auf eine nachhaltige politische Lösung nicht überraschend als trügerisch erwiesen. Die Zins-Spreads, wichtiger Indikator für Spannungen im Euro-System, haben sich wieder ausgeweitet. Marktteilnehmer sind zur Überzeugung gekommen, dass die Resultate des Gipfels nichtssagend und weit unsicherer sind, als sie auf den ersten Blick ausgesehen haben. Skeptisch werden auch die Pläne für ein neues Sparprogramm in Spanien an den Märkten beurteilt. Kommentatoren sind zunehmend überzeugt, dass im gegenwärtig herrschenden Konjunkturklima weitere Sparmassnahmen kontraproduktiv wirken und die Haushaltdefizite erhöhen. Marshall Auerback von Pinetree Capital weist zudem auf bisher in der Öffentlichkeit wenig beachtete Stresssymptome im Euro-Raum hin: Interbanken-Ausleihungen sinken weiter, und es findet ein Abfluss von Kapital aus dem Euro-Raum statt.
Überlagert wird gegenwärtig die Schuldenkrise von dem in der Sicht einiger Kommentatoren «grössten Insiderhandel-Skandal der Geschichte». . Natürlich ist es ein Skandal, wenn Banken Zinssätze, die als Ausgangsgrösse für die Preisgestaltung von Finanzinstrumenten im Wert von 800 Bio. $ dienen und die die Notenbanken für ihre Geldpolitik verwenden, seit Jahren oder Jahrzehnten gezielt manipulieren und damit falsche Marktsignale aussenden. Doch einige Stimmen warnen vor vorschnellen Urteilen und Überreaktionen. Wie die Fachzeitschrift «IFR» betont, ist der Libor ein Anachronismus, ein Überbleibsel aus jener Zeit, als die Londoner Square Mile noch auf Vertrauen und Verantwortung statt auf Kontrakten basierte und man sich als «Gentleman Banker» in einem grossen Klub gegenseitig kannte und benahm. Der Libor ist nie ein auf effektiven Transaktionen basierender Zinssatz gewesen, der adäquat die am Markt herrschenden Kreditkosten spiegelt. Der Branchenkommentator Christopher Whalen spricht von einem «Konsens-Indikator». Der Libor ist das Ergebnis von Zinssätzen, zu denen, wie Banken annehmen, andere Institute ihnen Geld ausleihen würden, falls sie wollten. Wie aber können Banken ohne echte Offerten wissen, zu welchem Preis ihnen Geld angeboten würde? Zudem ist es ein Aspekt der Finanzkrise, dass Banken zögern, sich gegenseitig Kredite zu geben. Trotz der grossen Empörung scheint keineswegs klar zu sein, ob und in welchem Ausmass Banken in London ihre Zinsangaben manipuliert haben. Eine Meinung lautet, dass Banken stets dazu tendieren, die Meldungen, die öffentlich sind, zu niedrig anzusetzen, um ihr gutes «Standing» im Markt zu unterstreichen. Eine andere, von Regulatoren geteilte Ansicht ist, dass Banken kartellartig zu hohe Sätze gemeldet haben, um Zusatzgewinne auf ihren Finanzgeschäften zu erzielen. Allerdings seien im Laufe der Finanzkrise – möglicherweise mit offizieller Duldung oder Ermunterung – zu niedrige Sätze übermittelt worden, um keine Zeichen von Schwäche zu geben.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Bemerkenswert ist, dass die Regierungen uns ihren Austeritätskurs als Beruhigung der Märkte verkaufen möchten, während die Märkte uns schon seit einiger Zeit signalisieren, dass dieser Kurs kontraproduktiv sei. Einmal abgesehen davon, dass die EU im Gegensatz zu Griechenland Spanien schon wieder ein höheres Minus bei Haushaltsdefizit erlaubt, ist die geplante Absenkung von 6,3% (2012) auf 4,5% in 2013 und 2,8% in 2014 viel zu rigoros und wird den Wirtschaftseinbruch eher befördern. – Was den Libor betrifft, mag dieser in der Tat anachronistisch sein, aber zu vermissen sind Vorschläge, wie dieses Meldesystem zu verbessern sei bzw. wodurch es ersetzt werden könnte. Voraussetzung wäre zumindest die radikale Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken im Sinne des Glass-Steagall-Gesetzes (1933). Einmal ist es grundsätzlich ein Unding, dass die auf Kurzfristigkeit ausgerichteten Händler auch über langfristige Einlagen und Kredite bestimmen, wie jetzt bei der deutschen Bank. Und was den Libor betrifft, ist es geradezu fahrlässig töricht, die Libormeldungen den Händlern bzw. den Zockern zu überlassen.
- Made-in-London Scandals Risk City Reputation as Money Center
London risks losing its status as the world’s top financial center as the $360 trillion interest-rate fixing probe follows a series of market abuses by banks that eroded trust in a city already shrinking faster than rivals.
Quelle: Bloomberg
Anmerkung WL: Selbst der gewiss der Finanzwirtschaft verbundene Wirtschaftsdienst Bloomberg lässt an der Londoner City kein gutes Haar mehr. Mag natürlich sein, dass damit nur ein anderer Finanzplatz hochgeschrieben werden soll.
- Viele Fußangeln auf dem Weg zur Euro-Banken-Aufsicht
Das Vorhaben der Euro-Staaten, als Voraussetzung für direkte Bankenhilfen eine europäische Bankenaufsicht zu installieren, ist ehrgeizig. Ziel ist die Durchbrechung des Teufelskreises von Banken- und Staatsschuldenkrise, was viele Ökonomen und Politiker für ein zentrales Element zur nachhaltigen Überwindung der Krise halten. Aber nicht alle: Rund 170 deutschsprachige Ökonomen warnten in einem offenen Brief voller Polemik vor der «Vergemeinschaftung der Haftung für die Bankschulden». Letzteres gibt der Gipfelbeschluss zwar kaum her. Doch er hat viele Fragen offengelassen. Die Gipfelerklärung hält nur fest, dass die Europäische Zentralbank (EZB) «einbezogen» werden soll. Wird somit eine zentrale Aufsichtsbehörde in oder bei der EZB geschaffen? Wird diese nur für grenzüberschreitend tätige Großbanken oder für alle Institute zuständig sein? Welche Rolle bleibt den nationalen Behörden und der bestehenden, schmalbrüstigen EU-Bankenaufsicht (EBA)? Wenn der ESM, ein gemeinsames Vehikel der Euro-Staaten, direkt Banken rekapitalisieren kann, muss es auch eine gemeinsame Kontrolle geben. Wobei anzumerken ist, dass die Frage der Haftung für den Fall, dass eine Bank einen Hilfskredit nicht zurückzahlen kann, noch umstritten zu sein scheint: Trägt der ESM den Verlust, oder haftet der Herkunftsstaat des Instituts? Der wichtigste Mangel der Gipfelerklärung liegt darin, dass sie sich über das Thema Restrukturierung und Abwicklung ausschweigt. Wenn der ESM direkt Banken rekapitalisiert, wer entscheidet über deren Restrukturierung und – falls der ESM Aktionär wird – über die spätere Reprivatisierung? Wer bestimmt, wann eine geordnete Abwicklung statt einer Rettung angezeigt ist? Doch bereits die Schaffung einer europäischen Aufsicht einschließlich Abwicklungsregime verlangt von den Euro-Staaten einen erheblichen Verzicht auf Souveränität zugunsten der Euro-Ebene. Und je weiter man dabei geht, desto dringender stellt sich die Frage, wie die neuen Strukturen demokratisch legitimiert und kontrolliert werden. Weitere Herausforderungen stellen der Umgang mit Altlasten und die Auswirkungen auf EU-Staaten, die am geplanten Integrationsschritt nicht teilnehmen, aber Teil des Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen bleiben.
Angesichts all dieser offenen Fragen mahnen besonnene Brüsseler Stimmen, dass es bis zur vollständigen Umsetzung einer derart weitreichenden Reform Zeit brauchen werde… Einen raschen Beitrag zur Überwindung der akuten Krise wird er deshalb kaum leisten können. Dies wird Spanien und andere Südeuropäer enttäuschen, denen vor allem an der raschen direkten Rekapitalisierung liegt. Zudem bleibt abzuwarten, wie weit die Euro-Staaten tatsächlich zum Transfer von Kompetenzen bereit sind. Damit besteht die Gefahr, dass man sich unter dem Druck der Märkte, im Lechzen nach raschen Lösungen und unter dem Zwang zu Kompromissen mit einem minimalistischen Schnellschuss zufriedengibt. Damit aber wäre niemandem geholfen.
Quelle. NZZ
- Schweizer Angst vor dem Kollaps der Großbanken
Sind unsere Banken sicher? Und ab wann sind sie es nicht mehr? In der Schweiz lautet die Antwort: keine Ahnung. Dies lässt sich jedenfalls aus dem Hickhack schließen, das dieser Tage dort ausgefochten wird, und zwar auf höchster Ebene. Es ist ein Streit, wie er eigentlich in jedem Land mit denselben Argumenten laufen könnte – und stets mit beunruhigenden Einsichten…
Aber bekanntlich droht im Banking, wenn denn einmal Unfälle auftreten, gleich die Massenkollision: Die Zahlungsprobleme des einen Hauses werden zum Zahlungsproblem des nächsten – und so weiter. In den Worten des Stabilitätsberichts der Nationalbank: “Das Gegenparteien-Risiko für das Schweizer Bankensystem hat zugenommen. Das Risiko des Zusammenbruchs einer großen Bank bleibt substanziell.” Wenn die obersten Währungshüter der Schweiz solche Befürchtungen äußern, dann müsste es vielleicht auch andernorts zu denken geben.
Quelle: Zeit Online [PDF – 66.3 KB]
- Exporte steigen, Eurozone schwächelt, Inlandsnachfrage sinkt
- Verarbeitendes Gewerbe Mai 2012: Umsatz saisonbereinigt + 0,7 % zum Vormonat
Der preisbereinigte Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe war nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Mai 2012 saison- und arbeitstäglich bereinigt um 0,7 % höher als im April 2012 (nach – 0,9 % im April 2012 gegenüber März 2012). Dabei erhöhte sich der Inlandsumsatz im Mai 2012 um 0,3 %, die Umsätze mit ausländischen Abnehmern nahmen um 1,2 % zu. Bezogen auf die Absatzrichtung des Auslandsgeschäfts verringerte sich der Umsatz mit der Eurozone um 0,4 %, während der Umsatz mit dem restlichen Ausland um 2,4 % stieg.
Im Vergleich zum Mai 2011 stieg der arbeitstäglich bereinigte Umsatz des Verarbeitenden Gewerbes im Mai 2012 real um 0,7 %. Das Geschäft mit inländischen Abnehmern verringerte sich in diesem Zeitraum um 1,4 %, während sich der Auslandsumsatz um 3,0 % erhöhte. Der Absatz in die Eurozone sank um 2,3 %, der Umsatz im Geschäft mit dem restlichen Ausland stieg hingegen um 7,1 %.
Kumuliert von Januar bis Mai 2012 lag das arbeitstäglich bereinigte Umsatzvolumen im Verarbeitenden Gewerbe um 0,8 % über dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Dabei nahmen der Inlandsumsatz um 0,6 % und der Auslandsumsatz um 1,0 % zu.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Anmerkung WL: Nach wie vor lebt das Verarbeitende Gewerbe vom Export. Der Inlandsabsatz war mit 0,3 % deutlich schwächer als der Auslandsumsatz mit 1,2 %. Deutlich zeigt sich auch die Rezession in der Eurozone.
- Deutsche Ausfuhren im Mai 2012: + 0,5 % zum Mai 2011
Im Mai 2012 wurden von Deutschland Waren im Wert von 92,5 Milliarden Euro ausgeführt und Waren im Wert von 77,2 Milliarden Euro eingeführt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand vorläufiger Ergebnisse weiter mitteilt, waren damit die deutschen Ausfuhren im Mai 2012 um 0,5 % höher und die Einfuhren um 0,2 % niedriger als im Mai 2011. Kalender- und saisonbereinigt nahmen die Ausfuhren gegenüber dem Vormonat April 2012 um 3,9 % und die Einfuhren um 6,3 % zu.
Die Außenhandelsbilanz schloss im Mai 2012 mit einem Überschuss von 15,3 Milliarden Euro ab. Im Mai 2011 hatte der Saldo in der Außenhandelsbilanz + 14,6 Milliarden Euro betragen. Der Außenhandelsbilanzüberschuss lag im Mai 2012 kalender- und saisonbereinigt bei 15,0 Milliarden Euro.
Zusammen mit den Salden für Dienstleistungen (– 1,0 Milliarden Euro), Erwerbs- und Vermögenseinkommen (– 0,8 Milliarden Euro), laufende Übertragungen (– 1,7 Milliarden Euro) sowie Ergänzungen zum Außenhandel (– 2,8 Milliarden Euro) schloss – nach vorläufigen Berechnungen der Deutschen Bundesbank – die Leistungsbilanz im Mai 2012 mit einem Überschuss von 9,0 Milliarden Euro ab. Im Mai 2011 hatte die deutsche Leistungsbilanz einen Aktivsaldo von 7,4 Milliarden Euro ausgewiesen.
In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) wurden im Mai 2012 Waren im Wert von 53,6 Milliarden Euro versandt und Waren im Wert von 49,5 Milliarden Euro von dort bezogen. Gegenüber Mai 2011 sanken die Versendungen in die EU-Länder um 1,5 %, während die Eingänge aus diesen Ländern um 0,4 % stiegen. In die Länder der Eurozone wurden im Mai 2012 Waren im Wert von 35,8 Milliarden Euro (– 2,3 %) geliefert und Waren im Wert von 34,8 Milliarden Euro (– 0,6 %) aus diesen Ländern bezogen. In die EU-Länder, die nicht der Eurozone angehören, wurden im Mai 2012 Waren im Wert von 17,8 Milliarden Euro (+ 0,2 %) ausgeführt und Waren im Wert von 14,7 Milliarden Euro (+ 2,7 %) von dort eingeführt.
In die Länder außerhalb der Europäischen Union (Drittländer) wurden im Mai 2012 Waren im Wert von 38,9 Milliarden Euro exportiert und Waren im Wert von 27,7 Milliarden Euro aus diesen Ländern importiert. Gegenüber Mai 2011 nahmen die Exporte in die Drittländer um 3,4 % zu und die Importe von dort um 1,2 % ab.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Anmerkung WL: Auch in dieser Statistik zeigt sich, dass Deutschland seine Außenhandels- und Leistungsbilanzüberschüsse weiter steigert. Ebenso zeigen sich die rezessiven Entwicklungen im Euro-Raum. Die deutlich höhere Steigerung der Exporte und der Überschüsse mit den Ländern außerhalb der EU mag Wasser auf die Mühlen derjenigen lenken, die darauf setzen, dass die deutsche Volkswirtschaft nicht auf die Euro-Länder angewiesen sei, sondern sich besser auf seine weltweite Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren sollte. Wer darauf setzt, kann jedoch die Euro-Zone und den Euro generell nicht retten. Im Übrigen, werden die sog. Drittländer ähnliche Leistungs- und Handelsbilanzüberschüsse Deutschlands auf Dauer nicht hinnehmen, sondern mit der Abwertung ihrer Währungen reagieren.
Wenn Deutschland seine europäischen Nachbarländer weiter niederkonkurriert und damit die Währungsunion notwendigerweise sprengt, verliert unser Land die (Preis-)Vorteile eines derzeit durch die Krise etwas geschwächten Euros. Fliegt die Euro-Zone auseinander, so wird eine dramatische Aufwertung einer dann wie auch immer gearteten „deutsche Währung“ oder eine Währung einer „Lega Nord“ die Folge sein. Wenn Deutschland dann auf dem außereuropäischen Markt weiter preislich so wettbewerbsfähig bleiben will, wie bisher, ginge das logischerweise nur, wenn die Löhne und die Sozialleistungen sowie die Unternehmensteuern auch in Zukunft weiter gesenkt würden.
- ver.di kritisiert Minijob-Reform
Zur von der Regierungskoalition geplanten Anhebung der Einkommensgrenzen bei Minijobs von 400 auf 450 Euro erklärt der Vorsitzende von ver.di:
“Minijobber brauchen nicht ein bisschen mehr Geld, sondern sozialversicherungspflichtige Arbeit”. Alles andere verschärfe lediglich die Altersarmut.
Nach Auskunft der Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See liege die Zahl der 400-Euro-Jobber bei rund 6,8 Millionen.
Quelle: Berichte in mehreren Medien u.a. Spiegel Online
- Süße Ware, saure Arbeit
Endlich Sommer, und alle lieben Erdbeeren. Viele Städte sind mit quietschroten Verkaufsbüdchen überschwemmt. Doch die Verkäuferinnen werden von einem Beerengiganten miserabel entlohnt und mit peniblen Vorschriften drangsaliert. Die rund 600 Saisonarbeiterinnen schwitzen locker auch mal 12 Stunden am Tag in ihren 4 Quadratmeter kleinen Metallbutzen – für 7,50 Euro die Stunde. Brutto. Vielen bleibt nicht viel mehr als 5 Euro übrig. Prekär.
Quelle: taz
Dazu noch:
Ein Knochenjob für ein sensibles Früchtchen
Die Erdbeere ist eine deutsche Erfolgsgeschichte. Gab es 1990 erst 5.000 Hektar Anbaufläche, so ist es derzeit fast dreimal so viel, knapp die doppelte Fläche Hamburgs. Darauf wurden im letzten Jahr 154.400 Tonnen Erdbeeren geerntet. “Das geht nur durch Wanderarbeiter”, sagt der Sozialgeograf Jörg Becker. Viele würden im März aus Polen oder Rumänien zur Spargelernte kommen und nach Erdbeer-, Kirsch-, Wein- oder Apfelernte erst im November wieder fahren, wenn die letzten Möhren aus der Erde geholt worden sind, erklärt Becker. Ohne die Zehntausende Helfer gehe in deutschen Agrarbetrieben wenig. “Die Erdbeerpflücker brauchen besonders viel Geschicklichkeit”, betont Jörg Becker. Und sie verdienen noch weniger als die Verkäuferinnen in der Branche: Laut einem inzwischen ausgelaufenen Tarifvertrag zwischen 6,10 Euro (Ost) und 6,40 Euro (West). “Völlig unklar, wie die überleben können”, sagt Becker. Einen gültigen Tarifvertrag gibt es nicht, die Tarifpartner konnten sich nicht einigen.
Auch weil manche Kunden Erdbeeren schon unterm Weihnachtsbaum naschen wollen, wurden 2011 etwa 85.000 Tonnen Erdbeeren importiert. Wenn sie bei uns auf dem Tisch landen, haben sie bereits einen sehr weiten Weg hinter sich. Die Herkunftsländer sind Marokko, Ägypten, Israel, Neuseeland oder Mexiko, aber Spanien führt. Hier bedroht der enorme Durst der Erdbeere den Grundwasserspiegel. Laut einer Studie des Umweltverbands WWF wurden bislang in Spanien mehr als 2.100 Hektar öffentlicher oder privater Wälder ohne Genehmigung in Erdbeerplantagen umgewandelt, 450 Hektar davon sogar in besonders geschützten Natura-2000-Gebieten. In Andalusien sind ganze Landstriche mit Erdbeerfeldern unter Plastikplanen übersät – viele davon illegal.
Quelle: taz
Anmerkung Orlando Pascheit: Also bleibt auch hier nur die Forderung nach einem Mindestlohn, auch wenn die hiesigen Erdbeerproduzenten auf die ca. 6 Euro Stundenlohn in Spanien verweisen werden.
- Alleinerziehende in Hartz IV zu vielen Kompromissen bereit
40 Prozent der Alleinerziehenden benötigen Hartz IV – fast ausschließlich Frauen. Dabei wären drei von vier alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängerinnen bei der Jobsuche bereit, unterhalb ihres fachlichen Könnens und unter belastenden Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Gut die Hälfte würde auch für ein geringes Einkommen arbeiten. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die am Montag in der Zeitschrift IAB-FORUM veröffentlicht wurde.
Lediglich Bedingungen, die der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zuwiderlaufen, akzeptieren Alleinerziehende seltener als der Durchschnitt der Hartz-IV-Empfänger. Ein langer Arbeitsweg von einer Stunde oder ungünstige Arbeitszeiten sowie ein Wechsel des Wohnortes werden von den meisten alleinziehenden Hartz-IV-Empfängerinnen nicht in Kauf genommen, berichtet das IAB.
Mehr als ein Drittel geht parallel zum Leistungsbezug einer Erwerbstätigkeit nach. Meist handelt es sich bei dieser Beschäftigung aber lediglich um einen Mini-Job, der einen Verdienst von maximal 400 Euro im Monat erlaubt. „Da das Angebot an ganztägiger Kinderbetreuung in Deutschland noch nicht ausreicht, ist eine Erwerbstätigkeit in größerem Umfang oft nicht möglich“, so die IAB-Forscher.
Quelle: IAB
Anmerkung WL: Ein Beitrag der Forschungsabteilung der Bundesagentur für Arbeit der belegt, wozu Hartz IV dient, nämlich Menschen unterhalb ihres fachlichen Könnens dazu noch in belastende Arbeitsbedingungen zu zwingen.
- Ausbildung: Viele Azubis ohne Übernahmezusage
Im letzten Jahr der Ausbildung haben mehr als die Hälfte der Auszubildenden noch keine Übernahmezusage. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung der DGB-Jugend unter Auszubildenden in sechs Bundesländern. Danach gaben nur 43 Prozent der Befragten an, dass sie bereits eine sichere Perspektive im Betrieb über die Ausbildungszeit hinaus haben.
Trotz einer insgesamt guten Arbeitsmarktlage in Deutschland können viele Auszubildende von einer späteren Festanstellung in ihren Betrieben nur träumen. Nur 17 Prozent der Lehrlinge im letzten Ausbildungsjahr haben eine Zusage für eine unbefristete Anstellung, ergab eine Umfrage der DGB Jugend unter Auszubildenden in sechs großen Flächenländern.
Quelle: DGB
- Meldegesetz – Berlin meldet Chaos
Das dürfte einmalig in der deutschen Parlamentsgeschichte sein: Die Bundesregierung hat am Montag dazu aufgefordert, ein von der eigenen Koalition im Parlament durchgedrücktes Gesetz im Bundesrat wieder zu kippen. Dafür gibt es gute Chancen: Nicht nur Datenschützer, sondern auch Unions- und SPD-regierte Bundesländer lehnen die Regelung entrüstet ab…
Schwarz-gelb hofft nun darauf, dass der Koalitionsentwurf vom Bundesrat gestoppt wird, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag die Kehrtwende umschrieb. Selbst CSU-Chef Horst Seehofer will im Bundesrat als bayerischer Ministerpräsident gegen das neue Gesetz stimmen. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) geht davon aus, daß »jetzt der Vermittlungsausschuss einberufen wird, und dass sich hier noch eine Änderung ergibt.« Kurios mutet die Stellungnahme der FDP-Fraktion an: »Wir laden die CDU/CSU-Fraktion herzlich ein, schnellstmöglich zu einer Einwilligungslösung im Melderecht zu kommen«, erklärte ausgerechnet die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Piltz, die den Aufruhr erst verursacht hat.
Quelle: junge Welt
Anmerkung WL: Leserinnen und Leser fragten uns, wie den das Parlament, in dem nur ein gutes Dutzend Abgeordnete anwesend sind beschlussfähig sein könne. Jeder Kaninchenzüchterverein (nichts gegen Kaninchenzüchter) müsse doch vor einer Mitgliederversammlung die Beschlussfähigkeit feststellen.
Der Bundestag mag zwar im Laufe des Tages beschlussfähig gewesen sein, aber zum Fußballspiel sind halt die Abgeordneten zum Fernseher geeilt und es gab wohl eine gegenseitige Absprache, dass weder eine Fraktion noch 5 % der Mitglieder des Parlaments die Beschlussfähigkeit bezweifelt werden sollte. Das Parlamentspräsidium hat offenbar keine Möglichkeit von sich aus die Beschlussfähigkeit feststellen zu lassen.
Müsste der Bundestag immer beschlussfähig besetzt sein, so gäbe es wohl zahllose Gesetze nicht oder die Abstimmung darüber hätte vertagt werden müssen.
Es wäre höchste Zeit die Geschäftsordnung des Bundestages zu reformieren.
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages:
§ 45 Feststellung der Beschlußfähigkeit, Folgen der Beschlußunfähigkeit
(1) Der Bundestag ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
(2) Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlußfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht oder wird die Beschlußfähigkeit vom Sitzungsvorstand im Einvernehmen mit den Fraktionen bezweifelt, so ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen nach §51, im Laufe einer Kernzeit-Debatte im Verfahren nach §52 festzustellen. Der Präsident kann die Abstimmung auf kurze Zeit aussetzen.
(3) Nach Feststellung der Beschlußunfähigkeit hebt der Präsident die Sitzung sofort auf. §20 Abs. 5 findet Anwendung. Ein Verlangen auf namentliche Abstimmung bleibt dabei in Kraft. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen bei der Feststellung der Beschlußfähigkeit mit.
(4) Unabhängig von dem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3 kann der Präsident bei Kernzeit-Debatten im Einvernehmen mit den Fraktionen die Sitzung unterbrechen, wenn der Sitzungsvorstand bezweifelt, daß 25 vom Hundert der Mitglieder des Bundestages anwesend sind. Die Feststellung der Anwesenheit erfolgt im Verfahren nach §52.
- Das Recht des deutschen Arztes auf Korruption
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 22. Juni die Strafbarkeit von Bestechung und Bestechlichkeit bei niedergelassenen Ärzten nach den heute gültigen Gesetzen verneint. Zugleich hat er den Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass dies die Folge einer Gesetzeslücke ist, weil die Strafandrohung bei Korruption nur für Amtsträger in Behörden und Kliniken gelte, nicht aber für Ärzte, die ihr Geld bei den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) verdienen. Dies sei aber von der Politik durch eine Gesetzesänderung heilbar…
Eine gemeinsame Untersuchung der Antikorruptionsorganisation Transparency International und des GKV- Spitzenverbandes belegt, dass die ärztliche Selbstverwaltung unfähig, untätig oder unwillig ist, ihre Mitglieder korrekt über die berufsständischen Verbote der Vorteilsnahme zu informieren. Zwischen 14 und 35 Prozent der niedergelassenen Ärzte, 24 Prozent der Kliniken und 46 Prozent nichtärztlicher Leistungsanbieter halten Kickbacks für eine gängige Praxis im Verkehr mit ärztlichen oder nichtärztlichen Leistungserbringern. Diese Realität kann die ärztliche Selbstverwaltung nur verleugnen, weil sie keine effektiven Strukturen zur Kontrolle und Überwachung der berufsständischen Normen aufgebaut hat…
Die Regierungsparteien reagierten auf das Urteil der BGH nur mit Wohlgefallen und Beifall für die Straffreiheit der Korruption von Ärzten, Waren- und Leistungsanbietern. Sie reagierten aber nicht mit Aktivitäten für die vom BGH angeregten gesetzlichen Maßnahmen…
Die Kosten für die bestechenden Zuwendungen werden auf die Preise aufgeschlagen, die die Versicherten zu zahlen haben. Das Europäische Netzwerk gegen Betrug und Korruption im Gesundheitswesen EHFCN errechnete im Jahre 2010 für Deutschland bei Gesundheitsausgaben von 287 Milliarden Euro Kosten von mehr als 19 Milliarden Euro, die durch korruptive Praktiken verursacht werden.
Quelle: Das Blättchen
- BKA und Bundespolizei löschen massenhaft Ermittlungsdaten
Angeblich war fehlerhafte Software dafür verantwortlich, dass Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung des BKA monatelang gelöscht wurden – sie sind für immer verloren. Die Ermittlungen zur rechten Terrorgruppe NSU seien aber nicht betroffen, beteuert die Behörde.
Quelle: FTD Mobil
Zur Erinnerung:
Hans Leyendecker: Dunkle Gründerjahre des BKA Braune Wurzeln
Ende der fünfziger Jahre bestand die Führungsetage des Bundeskriminalamtes (BKA) aus 47 Beamten. Nur zwei von ihnen hatten keine braune Weste. Viele waren bei der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) gewesen, bei Einsatzgruppen oder der Geheimen Feldpolizei, die vor allem in Weißrussland schwere Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung begangen hatte. 33 der Beamten hatten als ehemalige SS-Führer gedient…
Mit großer Mehrheit war 1951 vom Bundestag der Artikel 131 des Grundgesetzes verabschiedet worden. Darin wurde die Wiedereinstellung von Beamten geregelt, die “aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen” entlassen worden waren – wegen ihrer NS-Vergangenheit. “Wir sollten jetzt mit der Nazi-Riecherei Schluss machen” erklärte ein Jahr später der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer. Das war der Startschuss zu einer Art Resozialisierung der NS-Kriminalbeamten.
Quelle: SZ
- Jakob Augstein: Bundespräsident Gauck – Der Einmischer
Der Bundespräsident – nie war er so wertvoll wie heute. Als es schlimm stand um das Schloss Bellevue, gab es die Idee, das Amt abzuschaffen. Weil sich Wulff, der Schnäppchenjäger, dort festgesetzt hatte. Die Leute fragten: Wofür brauchen wir eigentlich einen Präsidenten? Joachim Gauck hat nach hundert Tagen im Amt diese Frage beantwortet: Der Präsident ist das Korrektiv in der Krise. Kein Kanzler hatte das je nötiger als Angela Merkel. Und kein Präsident war je dafür geeigneter als Gauck. Die Kanzlerin wusste schon, warum sie diesen Präsidenten nicht wollte.
Wer Joachim Gauck kennenlernen möchte, muss sich das ZDF-Interview ansehen, das Bettina Schausten mit ihm geführt hat…
Aber Joachim Gauck ist einer, der macht klar: Die Schwelle des Bellevue setzt Merkels Macht eine Grenze.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung WL: Man fragt sich, ob Augstein und ich dasselbe Interview gesehen haben.
Vgl. meinen Kommentar „Hofberichterstattung im Sommerloch – Der Bundespräsident als der „ständige Vertreter der Politik gegenüber der Bevölkerung“
Aber vielleicht schauen Sie die Sendung selbst an und entscheiden selbst, wer von uns beiden richtiger liegt.
Augstein schreibt: „dieser Bundespräsident würde am liebsten selbst Politik machen“.
Gauck sagt, dass dem Bundespräsidenten politische Bewertungen nicht zustünden.
Augstein schreibt: „Der Präsident ist das Korrektiv in der Krise.“
Gauck korrigiert nicht sondern bestätigt den Kurs der Kanzlerin: sie habe „rote Linien nicht überschritten“ und dass „deutsche Interessen voll inhaltlich“ gewahrt.
Augstein schreibt: „Neulich hat Gauck die Unterschrift unter das ESM-Gesetz verzögert.“
Tatsache ist, dass ihn – und das ist ungewöhnlich im Umgang der obersten Verfassungsorgane – das oberste Gericht öffentlich darum gebeten hat, mit der Unterzeichnung des Gesetzes zu warten. (Das konnte man auch im Spiegel lesen)
Augstein hält es für eine „Abmahnung“, das Gauck sagte Merkel habe „nun die Verpflichtung, sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet“.
Meine Interpretation ist, Gauck selbst hat doch verkündet, er wolle es sich zur Hauptaufgabe machen, „Politik und Bürger einander wieder näher zu bringen“ und jetzt schiebt er diese Aufgabe ausschließlich der Kanzlerin zu. Er wolle nur noch helfen. Er begreife sich als „ständiger Vertreter der ausübenden Politik gegenüber der Bevölkerung“. Woran macht Augstein Gauck als „Korrektiv in der Krise“ fest?
Augstein schreibt: „Die Kanzlerin wusste schon, warum sie diesen Präsidenten nicht wollte.“
Gauck sagt: „Ich könnte nicht, was sie kann und was sie gerade leistet“. Im Vergleich mit anderen Führungskräften in der Welt und in Europa wachse der Respekt ihr gegenüber.
Augstein mag nun in einem weiteren offenen Brief die NachDenkSeiten ein weiteres Mal heruntermachen und vielleicht auch mich persönlich verunglimpfen. Aber zum Glück können sich ja unsere Leserinnen und Leser ihr eigenes Urteil bilden, wenn Sie das Interview anschauen und unser beider Kommentierung miteinander vergleichen.
Hören Sie dazu auch den Zornesausbruch von Bazon Brock im DLF [Audio – mp3].
- Bürgerliche Großmachtphantasien – Die Wiederkehr der deutschen Frage
Die Zeitschrift Merkur ist eine derjenigen, in denen ein eher konservativer Teil des deutschen Bürgertums – oder was sich dafür hält – mit sich selber und für sich denkt. Ihr Untertitel lautet: „Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken“, nicht aber „Denken für ein deutsches Europa“. Gleichwohl eröffnete der Jahrgang 2012 mit einem Text unter der Überschrift: „Hegemon wider Willen. Zur Stellung Deutschlands in der Europäischen Union“…
Der Autor, Christoph Schönberger, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Konstanz, ist Jahrgang 1966… „Nichts von den mühsam-kunstvollen Konstruktionen, die Westeuropa nach 1945 entwickelt und der wiedervereinigte Kontinent nach 1989 bestätigt und vertieft hat, erscheint in der europäischen Staatsschuldenkrise noch selbstverständlich. Diese grundlegende Verunsicherung trifft die Bundesrepublik besonders, war doch der erstaunliche Wiederaufstieg Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Eingliederung in ein verdichtet integriertes europäisches Staatengefüge untrennbar verknüpft. Zugleich zeigt sich jetzt deutlicher denn je, wie sehr die Bundesrepublik zur Hegemonialmacht Europas geworden ist. Sie muss führen…“
Quelle: Das Blättchen
- Exzellenz an der Uni Bielefeld
Der Stadtentwicklungsausschuss der Stadt Bielefeld hat am Dienstagabend (3. Juli) endgültig das Namenskonzept für den neuen Hochschulcampus beschlossen. Mit einer Änderung stimmten die Politiker der Benennung und Umbenennung der Straßen, Plätze und Wege auf dem Campusgelände zu. Die nördliche Universitätsstraße, die von der Voltmannstraße am Heizkraftwerk entlang bis zum Zehlendorfer Damm in “Erfahrung” umbenannt werden sollte, behält im Einmündungsbereich von der Voltmannstraße bis zu den Parkhäusern, also bis zu neuen Querstraße „Spannungsbogen“, den Namen Universitätsstraße. Die Politiker begründeten ihre Entscheidung mit der besseren Orientierung für die Autofahrer.”
Damit erhält der Forschungsbau Interaktive Intelligente Systeme (FBIIS), dessen Haupteingang auf den Platzbereich Inspiration führt, die Adresse “Inspiration 1”. Ein neue Adresse erhalten durch die teilweise Umbenennung der Morgenbreede in „Konsequenz“ beispielsweise die Verhaltensforschung und die beiden Kindertagesstätten des Studentenwerks Bielefeld (UNI-Kita, Kita am Voltmannshof). Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung liegt demnächst an der “Methoden”.
Der Beigeordnete Gregor Moss wies in der Entscheidungsvorlage für die Politiker noch einmal auf die Bedeutung des Namenskonzeptes hin: „Mit der wissenschaftsbezogenen Benennung der Straßen, Wege und Plätze erhält dieses Bildungsquartier eine besondere, ganz eigene Identität. Der Hochschulstandort Bielefeld erlangt dadurch nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal unter den Hochschulstandorten in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch im internationalen Vergleich.
Quelle: Universität Bielefeld uni.aktuell
Anmerkung unseres Lesers R.V.: Nach dem Scheitern von Neuanträgen im diesjährigen Exzellenzwettbewerb führt die Uni Bielefeld den Exellenzwettberwerb mit anderen Mitteln weiter: die Straßen an der und um die Universität bekommen “innovative” neue Namen: “Der Hochschulstandort Bielefeld erlangt dadurch nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal unter den Hochschulstandorten in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch im internationalen Vergleich.”
Das Vorhaben steht in einer gewissen Tradition PR-sprachlicher Niveaulosigkeiten bestimmt nicht nur an dieser Universität, denen wir beispielsweise schon die Umbenennung der Hausmeisterei in “Facility Management” verdanken. Nur zur Sicherheit: ja, diejenigen MitarbeiterInnen der Uni Bielefeld, die sich nicht mit solchem Quatsch beschäftigen, geben sich redliche Mühe, gute Wissenschaft zu betreiben.
Der auf den Webseiten der Uni eingestellte Text ist aber ein gelungenes Beispiel für Realsatire.
- Syrien ist anders
…Um ein Ende des Blutvergießens in Syrien zu erreichen, an dem nunmehr nicht nur die Regierungstruppen, sondern auch die Einheiten der sogenannten Freien Syrischen Armee sowie verschiedene islamistische und andere Milizen beteiligt sind, trafen sich Ende Juni in Genf die fünf Ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates sowie verschiedene nahöstliche Staatenvertreter, darunter aus Katar, Saudi-Arabien und der Türkei (die sogenannte Syrien-Aktionsgruppe), mit dem früheren UNO-Generalsekretär, Kofi Annan. Es wurde erneut bekräftigt, eine friedliche Lösung des Konflikts im Sinne des Annan-Friedensplanes erreichen zu wollen, an der von syrischer Seite die verschiedenen Gruppen der Opposition und die Assad-Regierung beteiligt sein sollten. Damit ist weder der Syrische Nationalrat mit Alleinvertretungsrecht ausgestattet, noch Assad ausgeschlossen.
Folgerichtig lehnte die syrische Opposition diesen Plan ab, mit Assad will sie nichts mehr zu tun haben, und darin wird sie vom Westen bestärkt. Was aber die Opposition will und wie sie vertreten wird, ist äußerst strittig. Eine unter Schirmherrschaft der Arabischen Liga veranstaltete Konferenz in Kairo endete in der Nacht zum 4. Juli in einem Handgemenge vor den Kameras des katarischen Senders al-Dschasira. Derweil hat der französische Präsident, François Hollande, zu einem neuerlichen Treffen der Freunde Syriens eingeladen, das wiederum der russische Außenminister für völlig unnötig hält, weil es gelte, die Vereinbarungen von Genf umzusetzen.
Der syrische Konflikt bleibt in einem Zwischenstadium. Die syrische Regierung ist weiter militärisch handlungsfähig, was nicht zuletzt der Abschuss des türkischen Flugzeuges am 22. Juni gezeigt hatte, das in den syrischen Luftraum eingedrungen war. Der Bürgerkrieg im Innern setzt sich fort. Das bleibt so, solange der Westen und die arabischen Golfmonarchien einerseits und Russland andererseits ihre Waffenlieferungen fortsetzen. Eine einheitliche Oppositionsvertretung, auf die sich eine Anerkennungspolitik berufen könnte, ist nicht in Sicht. Damit gibt es aber auch keinen Vorwand für eine militärische Intervention. Zum Annan-Plan gibt es keine friedenschaffende Alternative.
Quelle: Das Blättchen
- Dicke Luft in Peking. Ein Erfahrungsbericht
In Chinas Hauptstadt bekommt man Smogwerte direkt aufs Handy – bei 120 beginnt der Alarm. Eines Tages zeigte das Display unserer Autorin: „500, Beyond Index“. Natürlich hatte ich gehört, dass Peking ein Smog-Problem hat, dass es viele Autos und nicht so hohe Umweltstandards gibt wie in Europa. Aber vom Ausmaß des Problems hatte ich keine Ahnung. Ich war nicht darauf vorbereitet, in einer Stadt zu leben, in der die Luft gefährlich ist, in der man Angst hat, zu atmen. In der Eltern ihren Kindern auf dem Weg zur Schule zwei Schutzmasken übereinander aufsetzen, in der Hoffnung, dass doppelt besser hält. In der Flüge gestrichen werden, weil der Smog zu dicht ist. In der Freunde die Wohnung nur zum Arbeiten oder Einkaufen verlassen, um das Gemisch aus Schwefel, Kohlenmonoxid, Stickoxiden und Feinstaub möglichst zu meiden. Und einem raten, um Himmels Willen nicht zu lüften: Frischluft ist giftig. Der Smog kommt überall hin. In den U-Bahnstationen hängt klebriger Nebel, in der Wohnung klebt dreckiger Staub. Die Luftverschmutzung in Peking ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation mit die schlimmste der Welt. Die Feinstaubkonzentration liegt 15 Mal höher, als in Europa überhaupt zugelassen. Feinstaubpartikel, ausgestoßen von Fahrzeugen, Kohleöfen und Industrieanlagen, dringen in Lunge und Blutkreislauf ein, sie verursachen Krebs, Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen. Lungenkrebs ist inzwischen der größte Killer unter den Krebsarten in ganz China. Laut Greenpeace sterben jedes Jahr mehr als 650 000 Menschen an Krankheiten, die durch die Luftverschmutzung verursacht werden. In der Bevölkerung ist deshalb in den letzten Jahren die Empörung über die getricksten Messungen der chinesischen Umweltbehörde immer größer geworden. In Internetforen brach sie sich Bahn, bis sich die Regierung letztlich gezwungen sah, ihre Informationspolitik zu verbessern. Nach einer ungewöhnlich langen Periode des giftigen Nebels – um die Jahreswende war die Luft in Peking so stark verschmutzt, dass mehrere hundert Flüge gestrichen und die Stadtautobahnen gesperrt werden mussten – hat der Staatsrat eine neue Vorschrift zur Luftmessung erlassen. Endlich sollen bei den offiziellen Messungen auch Feinstaub und Ozon berücksichtigt werden.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: Im Grunde vermittelt dieser Erfahrungsbericht zwei Botschaften: Solange China in seinen Städten solch elende Zustände billigt, ist von China keine Zustimmung zu globalen Regelungen zu erwarten. Genauso wenig ist zu erwarten, dass China seinen und den ausländischen Unternehmen teure Umweltauflagen zumutet und damit auf die Kostenvorteile der Externalisierung von Umweltkosten verzichtet.
Campact-Unterschriftenkampagne: Schwarz-Gelb macht Ihre Daten zur Ware
ärgern Sie sich öfter über unerwünschte Werbung im Briefkasten? Fragen Sie sich dann auch, woher die Werber Ihre Adresse haben? Künftig könnte es darauf eine einfache Antwort geben: von Ihrer örtlichen Meldebehörde!
Still und leise, im Schatten von Eurorettung und Europameisterschaft, hat Schwarz-Gelb im Bundestag eine Neuregelung des Meldewesens beschlossen, die den Datenschutz faktisch aufhebt. Meldebehörden sollen Adressdaten an Werbetreibende und Adresshändler verkaufen dürfen – ohne dass Sie das verhindern können.
Doch noch ist das Gesetz für die Werbewirtschaft zum Glück nicht in Kraft: Erst müssen die Länder im Bundesrat mehrheitlich zustimmen. Bislang haben sie sich dazu noch nicht eindeutig positioniert. Mit einem Online-Appell fordern wir die Ministerpräsident/innen auf, die Regelung im Bundesrat zu Fall zu bringen.
Quelle: Campact
- Zu guter Letzt: Unversöhnliche Standpunkte
Quelle: Stuttmann Karikaturen