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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 22. Juni 2012 um 16:41 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (MB/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Thomas Fricke – Entsendet Merkel nach Athen
  2. Fabian Fritzsche – Schluß mit dem Moralisieren
  3. Eilantrag in Karlsruhe – Linke will ESM und Fiskalpakt stoppen
  4. Griechenland
  5. Europas Millionäre gut geschützt
  6. Lagarde ruft EZB zum Kauf von Staatsanleihen auf
  7. Leserzuschrift zu unserem Hinweis #1 von heute morgen
  8. Sven Giegold: Steueroase Zypern beantragt EU Finanzhilfen – Unsere Gegenforderungen
  9. Großbritannien: Mathematik der Armut
  10. Ungarn – Brigade zur “Schöneren Zukunft”
  11. Nur die wenigsten Azubis werden unbefristet übernommen
  12. Bonanza für Miethaie
  13. Verdammt hoher Preis – Billigmode und die Selbstmordrate bei indischen Arbeiterinnen
  14. Europäischen Flüchtlingspolitik: Das verspielte Grundrecht
  15. Eine Ballade voller Ungereimtheiten

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Thomas Fricke – Entsendet Merkel nach Athen
    Die Kanzlerin pocht auf einen harten Sparkurs in den Ländern, in denen sie nicht gewählt werden muss. Es wäre für alle besser, wir würden sie gleich zum Regieren rüberschicken.
    Das Image sitzt: Unsere Kanzlerin ist die eiserne Lady, eine unbeugsame Kanzlerin des harten Sparens, der schmerzhaften Vorgaben und Reformen. Und das Tolle ist, dass sie wohl die Erste ist, die trotzdem beim Volk beliebt ist. Zumindest beim eigenen.
    Denn der harte Kurs, den Angela Merkel empfiehlt, wird ja nicht hier und von ihr, sondern anderswo und von anderen umgesetzt. Und die müssen sich dafür bei den eigenen und nicht bei Merkels Wählern verantworten. Hier könnte im Kern sogar das Drama dieser Tage liegen. Immerhin gibt es ja Erfahrungswerte, die vermuten lassen, dass unsere Kanzlerin selbst eine andere Politik machen würde – wenn es im eigenen Land nach zwei Jahren Krisenpolitik doppelt so viele Arbeitslose gäbe.
    Dann wäre es, um die Euro-Krisen-Spirale endlich zu stoppen, vielleicht das Beste, wir würden mal einen Ämtertausch machen und Merkel für ein Jahr nach Griechenland schicken. Versprochen, liebe Griechen, ihr dürft sie auch zurückgeben. Wahrscheinlich würde es euch danach aber besser gehen. Und uns auch. […]
    Wahrscheinlich dürfte Kanzlerin Merkelopoulos nach einem Ämtertausch in atemberaubendem Tempo alles daran setzen, das griechische Austeritätspaket aufzuschnüren, in Brüssel eine Streckung der Abbaupläne zu erwirken, die Rettungsschirme aufzustocken und vielleicht sogar eine Abwrackprämie für alte hellenische Hotels einzuführen. Was sie nach aller Erfahrung sogar durchbekäme, wenn man zum Maßstab nimmt, wie viele Typen sie bei uns schon, sagen wir, überzeugt hat. Die Frau ist darin ziemlich gut.
    Vielleicht wäre Frau Merkelopoulos nach ein paar Monaten in Athen auch ziemlich genervt von den Deutschen, die ständig jammern, wie viel sie als deutsche Steuerzahler an die Griechen zahlen. Zumindest, wenn sie beim griechischen Finanzminister mal nachfragt und dann feststellen muss, dass der deutsche Kollege bislang ja nur Kredite vergeben (und nichts verschenkt) hat, die er sich auch noch ordentlich verzinsen lässt. Weshalb der griechische Steuerzahler dreistellige Millionenbeträge nach Deutschland geschickt hat, nicht umgekehrt. Da würden Sie Frau Merkelopoulos aber mal kennenlernen.
    Quelle: FTD Wirtschaftswunder
  2. Fabian Fritzsche – Schluß mit dem Moralisieren
    Volkswirtschaftslehre und Moralphilosophie scheinen sehr eng miteinander verwoben zu sein. Adam Smith, der oft als Begründer der Ökonomik gilt, war von Haus aus Moralphilosoph ebenso wie viele andere klassische Ökonomen. Im Deutschen kommt die Nähe z.B. auch in der etymologischen Verwandtschaft von „Schulden“ und „Schuld“ zum Ausdruck. Obwohl die heutigen Volkswirte ihr Fach eher im Bereich der exakten Naturwissenschaften ansiedeln, hält diese Verbindung bis heute und offenbar nicht nur in der akademischen Lehre, sondern auch in der breiten Bevölkerung. Seit Beginn der Krise wird diese Verbindung wieder sehr deutlich: Der Begriff Schuldensünder führt bei einer Google-Suche zu 146.000Treffern. Ganze Volkswirtschaften werden also zu Sündern deklariert, die nun bestraft werden müssen bzw. denen aktuell die gerechte Strafe in Form von Rezession und Massenarbeitslosigkeit zuteilwird.
    Diese Vorstellung ist jedoch aus vielerlei Gründen abzulehnen. Der Begriff Schuld setzt mindestens ein aktives Handeln voraus, welches dann negative Konsequenzen für andere hatte und eigentlich müssen diese negativen Konsequenzen für andere zumindest fahrlässig in Kauf genommen werden. Doch die spanischen Jungendlichen, die nun zu 50% arbeitslos sind, haben weder Hypotheken aufgenommen noch zu hohe Löhne verlangt und erhalten. Die sind also nicht „schuld“, indem sie zumindest irgendwie an der Entstehung der Krise beteiligt waren. Aber auch spanische Häuslebauer haben sicherlich nicht boshaft zu viele Schulden gemacht, um damit jemandem zu schaden, sondern sind natürlich von der Tragfähigkeit der Hypothekenlast ausgegangen. Das gleiche kann auch von den spanischen Banken gesagt werden, die nun sicherlich lieber nicht auf einem Berg fauler Kredite sitzen würden. Bei den Häuslebauern sowie den Banken könnte man die Schuld möglicherweise in Gier (nach Wohneigentum und Zinsen) und schlicht Blauäugigkeit sehen und somit eine gewisse Fahrlässigkeit hinsichtlich der Konsequenzen für andere unterstellen. Dem Hypothekenschuldner wäre demnach durchaus bewusst gewesen, dass er den Kredit möglicherweise nicht bedienen kann und dem Banker, dass der Kredit möglicherweise ausfällt, aber dieses Risiko wurde akzeptiert. Doch selbst wenn man so eine moralische Schuld konstruieren möchte, ist eine Bestrafung für ein solches lediglich moralisches Vergehen nicht sinnvoll.
    Quelle: FTD WirtschaftsWunder
  3. Eilantrag in Karlsruhe – Linke will ESM und Fiskalpakt stoppen
    Die Linksfraktion im Bundestag will nach eigenem Bekunden die Ratifizierung des dauerhaften Euro-Rettungsschirmes ESM und des EU-Fiskalpaktes durch das Bundesverfassungsgericht stoppen lassen. Nach der geplanten Abstimmung in Bundestag und Bundesrat am 29. Juni solle ein Eilantrag in Karlsruhe gestellt werden, sagte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic. Der Fiskalpakt greife in das Budgetrecht des Parlamentes ein: “Die deutsche Politik darf nicht fremdbestimmt werden”, sagte Neskovic. Die Souveränität dürfe nicht delegiert werden.
    Die Gegner des Fiskalpakts argumentieren, die Verträge griffen massiv in die Budgethoheit des Parlamentes ein. Bundestags-Experten hatten darauf verwiesen, dass sich Deutschland mit dem Fiskalpakt für die Ewigkeit binde. Eine einseitige Kündigung sei nicht möglich.
    Auch die frühere SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, deren Verfassungsklage gegen den Fiskalpakt sich schon mehr als 12.000 Bürger angeschlossen haben, will das Gericht demnach um eine einstweilige Anordnung ersuchen.
    Zwischen den übrigen Oppositionsparteien und der Regierung zeichnet sich indes eine deutliche Annäherung ab. Beide Seiten seien einer “Einigung sehr nahe gekommen”, sagte CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle am Mittwochabend. Zwar gebe es in dem gemeinsam ausgearbeiteten Papier zum Fiskalpakt noch “einige offene Punkte”, er sei aber sehr zuversichtlich, dass diese am Donnerstag ausgeräumt werden könnten, sagte Barthle.
    Quelle: SZ

    Anmerkung: Wer sich der Verfassungsbeschwerde von „Mehr Demokratie“ anschließen möchte, siehe hier

  4. Griechenland
    1. Pest oder Cholera? Griechenland nach der Wahl
      Die Griechen haben am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit. Denn Griechenland braucht in der Schuldenkrise nichts so dringend wie eine stabile Regierung, und die hatte es nach der eigentlichen Wahl im Mai nicht gegeben. Jetzt könnte es anders kommen. Doch der Druck auf Griechenland bleibt in jedem Fall massiv. Die Griechen müssen sich entscheiden: Wollen sie ernsthaft und schmerzhaft sparen und den Euro behalten – oder zurück zur Drachme? Und wie gehen die Euro-Staaten damit um? Jetzt, wo auch Spanien ein Euro-Sorgenkind geworden ist?
      Quelle: WDR5 Funkhausgespräche
    2. Greece Gets Government, Germany Relieved
      […] There’s always a sense of let-down after an election: all those promises, all those fantasies and fears giving way overnight to hard reality. The Greek vote on Sunday came with more than its share of dramatic expectations. Athens was crawling with foreign hacks waiting for “drachmageddon,” if Syriza should win and scrap the bailout memorandum. The German Financial Times published a piece in Greek telling voters to “resist the demagoguery of Alexis Tsipras and Syriza” as if they were the Luftwaffe dropping leaflets on occupied Athens; Die Bild followed suit in a more demotic vein: “If you didn’t want our billions, it would be fine with us if you voted for any leftist or rightist clown you liked.” Meanwhile, Alexis Tsipras was promising a new dawn of dignity and hope, change and renewal, liberty for Europe’s peoples, free gifts with every purchase. And New Democracy’s Antonis Samaras—who has twisted 180 degrees with the political wind on the bailout agreement, and whose party is co-responsible for the state of Greece’s finances and up to its eyes in corruption—was playing the national savior, warning of disaster if the “drachma lobby” should triumph.
      Quelle: The Nation
  5. Europas Millionäre gut geschützt
    Jeder zweite Millionär auf diesem Globus kommt aus den USA, Deutschland und Japan. Der Club der Millionäre ist 2011 zwar nicht größer geworden. In den angelsächsischen Ländern, Australien oder Indien hat er sogar Mitglieder verloren. Aber er wird dem Global Wealth Report 2012 zufolge Multikulti: In China, Brasilien und Russland wächst die Zahl der Millionäre weiter – und in Deutschland. 2011 wuchs die deutsche Sektion um 27.300 auf 951.200 Millionäre, nur 38.100 weniger als in den vier BRIC-Staaten zusammen.
    Nun ist der Global Wealth Report von Capgemini kein Verteilungsbericht. Er dient der Anlageberatung. Die Höhe der Vermögen wird nach Weltregionen ausgewiesen. Motto: Wohin ist das Kapital, das scheue Reh, geflüchtet. Im letzten Jahr wurde nur im Mittleren Osten – dank steigender Ölpreise – Geld angehäuft, weltweit verloren die Millionäre 1,7 % ihres Vermögens.
    Erstaunlicherweise stand das kriselnde Europa neben der asiatisch-pazifischen Region mit gleichfalls 1,1 % Vermögensverlust noch gut da. Europas Millionärsclub ist dabei sogar um 1,1 % größer geworden. Wie das? Offensichtlich haben sich die Rettungseinsätze von Merkel & Co. hier gelohnt. Ein Großteil der Milliardenpakete landet ja nicht bei den Griechen, sondern bei den Banken und ihren Anlegern, den Millionären. Trotzdem hat die Krise der Eurozone die Anleger im letzten Jahr verunsichert. Jetzt stellen ihre Berater unangenehme Fragen: Wie gehen Austeritätspolitik und Wachstum zusammen? Viele Investoren blieben „an der Seitenlinie“ und warteten auf klare Signale, dass die Eurozone den politischen Willen hat, Lösungen für die Gesundung der Volkswirtschaften der Krisenländer zu erarbeiten. Ihr Problem: Selbst bisher sichere Geldanlagen wie die Staatsanleihen stabiler Länder werden nicht mehr als sicherer Hafen angesehen.
    Quelle: DGB klartext [PDF – 131 KB]
  6. Lagarde ruft EZB zum Kauf von Staatsanleihen auf
    Der Internationale Währungsfonds hat die Europäische Zentralbank zu einem aktiveren Eingreifen in die Euro-Schuldenkrise aufgefordert. Kurzfristig sei eine “kreative, innovative Geldpolitik” notwendig, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag nach Beratungen mit den Euro-Finanzministern in Luxemburg. Dazu gehöre nicht nur eine Zinssenkung, sondern auch der erneute Einsatz unkonventioneller Instrumente. Die Zentralbank könne beispielsweise ihr Anleihekaufprogramm wieder auflegen oder den Banken erneut massive Liquiditätsspritzen verabreichen.
    In seinem neuesten Bericht zur Lage in der Euro-Zone stellt der IWF einen langen Katalog an Empfehlungen auf. So plädiert er für eine Lockerung der Defizitkriterien: Auf kurze Sicht könne die Krise am besten bekämpft werden, wenn sich die Mitgliedsstaaten bei der Haushaltskonsolidierung Ziele für die konjunkturbereinigten Defizite setzten statt für das Gesamtdefizit.
    Quelle: FTD
  7. Leserzuschrift zu unserem Hinweis #1 von heute morgen
    unsere Leserin M.A. schreibt uns: So sehr Eure Anmerkung natürlich zutrifft, ist es für mich unerträglich, den Nationalbankchef Nowotny in einem so guten Licht dargestellt zu wissen. Er war im letzten Jahr einer der prominentesten und einflussreichsten Befürworter der Einführung der Schuldenbremse in Österreich und ein starker Befürworter der angeblichen „Spar“programme in Österreich und vor allem in den südlichen Ländern. Sein Einfluss auf Bundeskanzler Faymann und die sozialdemokratische Führungsspitze ist ob seiner Funktion sehr hoch. Wenn Herr Nowotny nun offensichtlich (in einer nicht-österreichischen Zeitung) seine Meinung wieder einmal geändert hat, ist das zwar löblich (oder heuchlerisch?), sollte ihn aber nicht von seiner Mitverantwortung für die desaströse Politik der österreichischen Regierung und leider auch der österreichischen Sozialdemokratie freiversprechen. Anbei ein paar Links zur Untermauerung der Positionierung des Nationalbankchefs:
    Nowotny sieht keine Alternative zum Sparen OeNB-Gouverneur Nowotny: Wichtig, im eigenen Haus Ordnung zu halten.
    Die Herabstufung ist für Nowotny aber auch eine Warnung. Nowotny erklärt, je mehr Schulden Österreich habe, desto abhängiger sei es von den Ratingagenturen. Deswegen solle Österreich seine Staatsschulden via Schuldenbremse begrenzen, einen anderen Weg gebe es nicht.
    Jetzt gelte es, das entsprechende Verfassungsgesetz möglichst rasch zu verabschieden, mahnte Nowotny alle Parteien zur Eile. Dies werde dazu beitragen, das Vertrauen der Finanzmärkte zu sichern und mittelfristig wieder fiskalische Flexibilität zu gewinnen. Weiters forderte er zusätzlich zur Schuldenbremse “strukturelle Reformen” ein, die zügig in Angriff genommen werden müssten, um den Staatshaushalt zu sanieren und das Wirtschaftswachstum zu stärken.
  8. Sven Giegold: Steueroase Zypern beantragt EU Finanzhilfen – Unsere Gegenforderungen
    Es ist durchgesickert, dass die Zypern Hilfe für seinen Bankensektor beantragen wird.
    Bevor diese gewährt wird, möchte ich die zypriotische Regierung dazu auffordern, gegen die Geldwäsche von vor allem russischem Schwarzgeld in Zypern vorzugehen und die Steueroase zu schließen. Letzteres bedeutet, dass der Körperschaftssteuersatz angehoben werden und das internationale Konzernsteuerrecht geändert werden muss.
    Folgende Maßnahmen machen Zypern als Steueroase so attraktiv:

    • Holdinggesellschaften sind steuerfrei, auch wenn die Voraussetzungen der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht gegeben sind. Die Richtlinie sieht vor, dass innerhalb der EU keine Dividendenbesteuerung an der Quelle, also in dem Land in dem die Dividenden ausgeschüttet werden, vorgenommen wird, sofern die Muttergesellschaft im anderen Land mindestens 10% der Anteile der Tochter hält. Außerdem muss die Gesellschaftsform der Tochter in der Richtlinie als akzeptiert gelistet sein.
    • Die Ausschüttungen der Holdings an Steuerausländer unterliegen keiner Besteuerung in Zypern. Das Land erhebt keine Quellensteuern auf Dividenden und das generell nicht (also weder im Doppelbesteuerungsabkommens- (DBA) noch im Nicht-DBA-Fall). Daher kann Zypern als Steuerausfalloase genutzt werden. Von dort ist es besonders einfach Gewinne aus der EU heraus zu verlagern.

    Im deutschen Fall kommt hinzu, dass das deutsche Außensteuerrecht (Hinzurechungsbesteuerung) trotz des geringen oder Null-Steuersatzes nicht greift. Zwar liegen die Bedingungen vor, aber das EU-Recht bricht das deutsche Außensteuerrecht. Somit kommt es nicht zur Anwendung. Das bedeutet, dass es möglich ist, in Deutschland erwirtschaftete Gewinne unversteuert über Zypern aus der EU zu verlagern und sie dadurch dem Zugriff durch den Fiskus entzieht. Das Ergebnis ist Steuervermeidung.
    Weiterhin kann man in Zypern sehr leicht Trusts (Stiftungen) und Gesellschaften gründen, die sehr intransparent sind, wobei die Trusts in Zypern selbst auch keinerlei Besteuerung unterliegen. Der Vorteil gegenüber einer Gesellschaft in einem Offshore-Staat ist, dass die zypriotische Limited (entspricht einer deutschen GmbH) in der EU voll anerkannt ist und man daher mit ihr auch Geschäfte in anderen EU-Staaten vornehmen kann.
    Quelle: Sven Giegold

  9. Großbritannien: Mathematik der Armut
    Seit drei Jahren lebt Großbritannien in einem Strudel aus Sparsamkeit, Lohnstopp, Gehaltskürzungen, Reduzierungen von Sozialzuschüssen und Renten. Anders als in vielen anderen Ländern haben die Briten diesen Sparkurs lange geduldig hingenommen. Doch die Wirtschaft stagniert in der Euro-Krise, die Not wächst und der Konsens bröckelt. „Immer mehr Menschen mit niedrigen Einkommen schaffen es nicht mehr bis zum Zahltag am Ende der Woche“, berichtet Chris Mould, Chef des Trussel Trust, der in England 170 sogenannte „Food Banks“ betreibt. Die Zahl von Armenküchen und Lebensmittelausgaben hat sich verdoppelt. Jede Woche gibt es irgendwo eine neue Organisation, meist von Freiwilligen, die überschüssige Nahrungsmittel von Supermärkten und Herstellern einsammeln und als Lebensmittelpakete an Bedürftige verteilen. Mould stellt auch fest, dass immer mehr Jugendliche kommen – seit die Regierung 2011 eine Erziehungsbeihilfe für über 16-Jährige gestrichen hat.
    Nun hat eine neue Debatte über Armut begonnen. Und darum, wie Armut gemessen und definiert wird und was sie in einer wachstumsschwachen Sparsamkeitsgesellschaft bedeutet, wie sie immer mehr zur Realität in ganz Europa wird. Der Grund für die Debatte ist nicht nur soziale Not, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die schwindenden Zukunftshoffnungen der Jugend – sondern eine mathematische Kuriosität. Obwohl immer mehr Menschen weniger Geld haben, ist die offizielle Armutsquote im letzten Jahr gesunken. Arm ist, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Da die Durchschnittseinkommen im letzten Jahr um 3,1 Prozent gesunken sind – der größte Rückgang in 30 Jahren – ist die Zahl der „relativ Armen“ kleiner geworden. Wenn alle ärmer werden, gibt es weniger Arme.
    Quelle 1: Tagesspiegel
    Quelle 2: Millions of working families one push from penury, Guardian research finds – The Guardian

    passend dazu: Pupil hunger: nearly half of teachers have taken food in for their pupils
    Here are the honest and sobering responses by teachers to the Guardian’s pupil hunger survey:
    Some 83 per cent of respondents said they see evidence of hunger in the mornings at their school and 55 per cent believe they have seen an increase in hunger over the past two years with a mere two per cent countering that idea, saying it had decreased.
    We asked for suggestions of what the underlying reasons for this increase in hunger – some 62 per cent cited general poverty while 59 per cent said it was down to the cost of living. Benefits cuts were pinpointed by some (41 per cent) while 58 per cent blamed family health or social skills.
    Nearly half of the teachers who answered the survey (49 per cent) said they had taken in food for their pupils and 78 per cent said the solution was to offer free school meals in the same way as the Free School Meals (FSM) scheme.
    Quelle: The Guardian

  10. Ungarn – Brigade zur “Schöneren Zukunft”
    Stiefvater Staat: Beschäftigungsprogramme in Ungarn degradieren Bürger zu Untertanen
    Die Beschäftigungspolitik der Orbán-Regierung spiegelt besonders eindrücklich ihr ständisches Gesellschaftsverständnis, ihr inhumanes Menschenbild sowie ihre fehlende Wirtschaftskompetenz. In keinem anderen Bereich hat diese Regierung bisher so gründlich versagt wie in diesem. Die Mittel für das Pseudowirtschaftsprogramm werden nun nochmals deutlich erhöht, die Zahl der “Beschäftigten” wird auf eine Viertelmillion erhöht, die Umsetzung bleibt Sache der Kommunen, was alles noch viel schlimmer macht. […]
    Wer die Közmunka, die “gemeinnützige” Arbeit verweigert oder das Programm unentschuldigt abbricht, verliert 3 Jahre den Anspruch auf jegliche staatliche Zahlung (Sozialhilfe im Monat um die 90 EUR). Oft ist der Betroffene jedoch vom Gutdünken seines Aufsehers und des Dorfnotars abhängig, was als “entschuldigt” gewertet wird und was nicht. Wer bis zu 40 Stunden in der Woche den Anordnungen folgt, darf mit einer Aufstockung seiner Sozialhilfe um rund 70 EUR pro Monat rechnen. Auch die Arbeit fern des Wohnortes, samt Übernachtung im Wohncontainer, muss der Delinquent gegebenenfalls in Kauf nehmen, Familie hin oder her. Dafür gibt es außer dem Fahrgeld keine zusätzlichen EntschädigungenVolkswirtschaftlich dient das Programm lediglich der Ruhigstellung der Unterschicht und der Schönung der Arbeitsmarktstatistik, deren leichte Verbesserung fast ausschließlich auf diesen sozio-ökonomischen Selbstbetrug zurückführbar ist. Die Közmunka hat zudem noch den erfreulichen Effekt, dass das Wahlvolk nickend am Straßenrand steht und sieht, dass die Regierung bei den “cigányok” endlich durchgreift. Nicht, dass es da nicht wirklich viel zu tun gäbe, aber diese Regierung macht nur einen neuen Deckel auf einen alten Topf, der Druck darunter steigt aber weiter.
    Quelle: Pester Lloyd
  11. Nur die wenigsten Azubis werden unbefristet übernommen
    Trotz der insgesamt guten Arbeitsmarktlage in Deutschland sind die Berufsperspektiven für viele junge Leute immer noch wenig ermutigend. Nach einem Bericht der „Saarbrücker Zeitung“ haben nur 17 Prozent der Lehrlinge im letzten Ausbildungsjahr eine Zusage für eine unbefristete Anstellung in ihren Betrieben. Das Blatt beruft sich dabei auf eine aktuelle Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unter jungen Auszubildenden in sechs großen Flächenländern. Demnach werden insgesamt 43 Prozent der Lehrlinge von ihren Ausbildungsbetrieben übernommen, zum Teil allerdings nur für bis zu sechs Monate. Für jeden vierten Lehrling steht bereits fest, dass er sich nach der Ausbildung einen anderen Arbeitgeber suchen muss. Weitere 32 Prozent haben noch keine Information darüber, wie es mit ihnen weiter geht.
    Quelle: Saarbrücker Zeitung
  12. Bonanza für Miethaie
    Wie Immobilieninvestoren in Berlin höhere Renditen als Bernard Madoff erzielen
    Berlin erlebt derzeit in einigen Bezirken drastische Mietsteigerungen von bis zu 20 Prozent pro Jahr. Das lässt sich den Statistiken einschlägiger Immobilienanbieter im Internet entnehmen. Im noch vor kurzen als Problemkiez gebrandmarkten Neukölln beispielweise ist die Durchschnittsmiete im Vergleich zum 1. Quartal 2011 um 16 Prozent gestiegen. Bei neuen Verträgen steigt die Kaltmiete oft schlagartig um 50 Prozent, nicht selten wird sie sogar verdoppelt. Ein vom Bündnis Mietenstopp in Umlauf gebrachtes Video zeigt einen Immobilienberater, der seinem Publikum erklärt, wie man die Miete einer Neuköllner Wohnung in kürzester Zeit von 450 auf 850 Euro steigern und damit eine Eigenkapitalrendite von 23 Prozent erwirtschaften kann. Das habe, so der Redner, nicht einmal der größte Finanzbetrüger der Geschichte, Bernie Madoff, bieten können.
    Der Berliner Wohnungsmarkt ist zu einem Eldorado für Renditejäger geworden, und der Senat aus SPD und CDU schaut untätig zu. Dabei hätte er die Möglichkeit einzugreifen. Würde der Senat einen Wohnungsnotstand erklären, dann dürften die Preise für Neuvermietungen die Oberwerte des Mietspiegels nicht überschreiten. Obwohl der Mietspiegel selbst stark ansteigt – nicht zuletzt weil er Mietverträge, die länger als 4 Jahre laufen, nicht berücksichtigt –, könnten damit doch einige der gegenwärtigen Exzesse eingedämmt werden. Doch der Senat verweist auf leerstehenden Wohnraum – in den Plattenbausiedlungen von Hohenschönhausen und Marzahn. Klaus Wowereit begrüßt die steigenden Mieten sogar. Im November erklärte er der Berliner Morgenpost: „Man muss sich entscheiden, ob man das niedrige Niveau halten oder die Stadt nach vorne bringen will.
    Quelle: Kontext
  13. Verdammt hoher Preis – Billigmode und die Selbstmordrate bei indischen Arbeiterinnen
    Mode soll billig sein – das wollen die Verbraucher, das verlangen die Modefirmen und deshalb lassen sich die Hersteller in den Billiglohnländern offenbar immer neue Methoden einfallen, um den Preis zu drücken. Dabei wird die Spirale der Ausbeutung von jungen Frauen, die in indischen Webereien, Spinnereien und Nähereien arbeiten, immer weiter gedreht. Ein Billiglohn-Rezept heißt „Sumangali“: Damit verkaufen Familien ihre oft minderjährigen Töchter für viele Jahre an eine Fabrik, wo sie wie Leibeigene gehalten werden. Für einige von ihnen ist ihr Leben so unerträglich, dass sie ihm selber ein Ende gesetzt haben. Es geht um Firmen, die auch deutsche Modehersteller beliefern. Dabei werben diese deutschen Firmen damit, nur mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die sich an ihre Leitlinien, die Codes of Conducts, halten und Ausbeutung wie etwa das Sumangali-Prinzip untersagen.
    Quelle: Monitor
  14. Europäischen Flüchtlingspolitik: Das verspielte Grundrecht
    Hier verspielt Europa nicht sein Geld. Hier verspielt es die fast noch wichtigere Währung, auf der die Einheit des Kontinents einst gründen sollte: den Anspruch auf Freiheit und gleiche Rechte für alle. Deutschland, wie gesagt, vorneweg. Dem Urteil, das die Regierung über demokratische Mindestanforderungen in der Finanzkrise belehren musste, folgte am Mittwoch die Verhandlung über das „Asylbewerberleistungsgesetz“. Es wird, wenn die Eindrücke aus der Verhandlung nicht trügen, wieder das höchste Gericht sein, das eine humanitäre Mindestanforderung verteidigt: dass auch Flüchtlinge das Recht besitzen, wenigstens mit minimaler Existenzsicherung ausgestattet zu werden statt mit einem seit 20 Jahren nicht erhöhten Taschengeld. Es wird ein Karlsruher Urteil sein, das klarmacht: Wer Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit zu Grundwerten erklärt wie Angela Merkel, der lügt, wenn er (oder sie) das Gegenteil praktiziert. Das tut Angela Merkel, in Deutschland und erst recht in Europa. Gestern berichteten die Agenturen nicht nur vom Karlsruher Asylverfahren. Sie berichteten auch davon, dass im Mittelmeer die Sommer-Saison des Flüchtlingssterbens läuft: Mindestens sieben Menschen wurden nach dem Untergang eines Bootes vor der italienischen Küste vermisst. Europa nimmt das Massensterben vor seinen Grenzen – im Jahre 2011 mehr als 1 500 Ertrunkene oder Verdurstete – achselzuckend zur Kenntnis, wenn überhaupt.
    Die „Flüchtlingsbekämpfung“, von der unsere Kanzlerin schon einmal in einem vielsagenden Lapsus sprach, wurde dabei immer mehr an die EU-Außengrenzen verlagert, ausgerechnet in die südlichen Krisenländer. Wer es bis an die Mittelmeerküste schafft, wird im Staat seiner Ankunft interniert. Ausgerechnet Griechenland hat seine Aufgaben hier vorbildlich erfüllt: Hunderttausende hausen dort unter oft menschenunwürdigen Bedingungen – das Geld ist bekanntlich knapp! – in Lagern. Den anderen Europäern gefällt das so gut, dass sie jetzt EU-weit die Inhaftierung erleichtern wollen. Spätestens seit Deutschland sein Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit einschränkte, hat keine Regierung und keine EU-Kommission versucht, den einzigen dauerhaft erfolgversprechenden Weg zu gehen. Die Alternative zur Abschottung liegt nicht in einer völligen Öffnung der Grenzen, wie gern unterstellt wird. Sie liegt einerseits in der Einhaltung der humanitären Mindeststandards in einem immer noch reichen Kontinent, der nur einen Bruchteil aller Flüchtlinge beherbergt. Sie liegt andererseits in der Bekämpfung der Fluchtursachen, an der es immer noch mangelt.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wir müssen uns eben darauf einstellen, dass Europa nicht wie das Modell -Land Kanada in Sachen Migration und Flüchtlingen von den meisten Krisenherden der Welt nur relativ schwer und kostspielig zu erreichen ist. In Sachen Integrationspolitik selbst können wir allerdings von Kanada lernen.

  15. Eine Ballade voller Ungereimtheiten
    Neue Spuren deuten auf die Verwicklung der Geheimdienste in rechten Terror.
    Quelle: Das Dossier


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