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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 12. Juni 2012 um 9:01 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Halbe-halbe mit dem Staat
  2. Studie zu privaten Krankenversicherern – Die Legende von den billigen Kassen
  3. Heiner Flassbeck – Reden wir nicht mehr über Rettungsschirme!
  4. Eurokrise
  5. Oskar Lafontaine – «Ich bin ein strikter Gegner des Schuldensozialismus»
  6. Der Fiskalpakt oder die Dr. Eisenbart-Kur als Verfassungsauftrag?
  7. Joseph Stiglitz – Amerikas hoher Preis der Ungleichheit
  8. Wir leiden unter der Welt – was scheren uns da die Details?
  9. OECD hält Rente mit 67 für zu früh
  10. Bei Europas Versicherern bröckelt das Kapital
  11. Neue Erkenntnisse zu Getöteten von Hula
  12. Kurzsichtige SPD

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Halbe-halbe mit dem Staat
    Großverdiener sollen teilen: Ökonomen fordern höhere Steuern auf Einkommen, Vermögen und Erbschaften der extrem Reichen. Das soll die öffentlichen Haushalte sanieren. Internationale Ökonomen schlagen vor, die Steuern für reiche Bürger spürbar zu erhöhen.
    „In Deutschland sollte der Spitzensteuersatz in Richtung 49 Prozent steigen“, sagte Ökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Beim Kongress des Instituts über „Höhere Reichensteuern“ am Montag in Berlin nannte Bach auch eine Zahl für die zu erwartenden Mehreinnahmen: 15 Milliarden Euro pro Jahr stünden den deutschen Finanzministern dann zusätzlich zur Verfügung.
    Experten des DIW, aus Österreich, Großbritannien und anderen Ländern wollen gleich mehrere Steuerarten anheben: Die Abgabe auf sehr hohe Einkommen soll ebenso steigen wie die Belastung großer Vermögen, umfangreichen Grundbesitzes und millionenschwerer Erbschaften. Als reich definieren die Forscher Bürger, die pro Person das Zehnfache des jährlichen Durchschnitts einnehmen – also 350.000 Euro pro Jahr und mehr. […]
    Die Debatte über höhere Reichensteuern liegt international durchaus im Trend. So haben seit 2007 bereits mehrere Staaten ihre Spitzensteuersätze erhöht, darunter Frankreich, Luxemburg, Italien, Spanien und Großbritannien. Sie reagieren damit nicht nur auf die Finanz- und Schuldenkrise, sondern auch auf die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte. Seit den 1970er Jahren senkten die Regierungen vieler westlicher Industriestaaten die Belastung der wohlhabenden und reichen Bevölkerungsgruppen flächendeckend.
    Quelle: taz

    Anmerkung JB: Diese Diskussion ist sehr wichtig! Bemerkenswert ist jedoch, dass laut Google-News lediglich vier(!) Nachrichtenseiten über den DIW-Kongress berichtet haben. In der deutschen Öffentlichkeit und in den deutschen Medien findet die Debatte über eine höhere Besteuerung von Spitzeneinkommen und -vermögen schlichtweg nicht statt.

    dazu: Ist Rot-Grün zu feige?
    Rot-Grüne Politik würde an der Ungleichheit in Deutschland kaum etwas ändern, hat der Grüne Max Löffler ausgerechnet. Er fordert einen Spitzensteuersatz von 65 Prozent.
    Wenn ab 2013 Rot-Grün regiert, geht es im Land viel gerechter zu, weil Reiche mehr Lasten tragen müssen. Das versprechen jedenfalls Spitzenleute von SPD und Grünen. Beide Parteien wollen nach der Wahl den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen, sie propagieren den Mindestlohn und wollen die Kranken- in eine Bürgerversicherung umbauen.
    Doch bei genauerem Hinsehen tut all dies den Reichen kaum weh. Der Grüne Max Löffler gehört dem linken Flügel an und sitzt im Parteirat, einem wichtigen Führungsgremium der Grünen. Er hat die Ankündigungen von Rot-Grün analysiert. Und sagt: „Unsere Vorschläge bedienen nur das linke Bauchgefühl. Sie ändern aber in der Realität so gut wie nichts an der Verteilungssituation in Deutschland.“ In einer Analyse legt er den Gini-Koeffizienten an Lieblingsthemen der Linken an.
    Quelle: taz

  2. Studie zu privaten Krankenversicherern – Die Legende von den billigen Kassen
    Wer meint, ein Schnäppchen machen zu müssen, ist selbst schuld: Denn die private Krankenversicherung deckt häufig weniger Leistungen ab als gedacht. Doch einer Studie zufolge können oft selbst die teuren Privaten mit den gesetzlichen Kassen nicht mithalten.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Ein hochinteressanter Kommentar zu einem brisanten Thema. Die Chefs in den Glaspalästen der privaten Krankenversicherungen werden vermutlich nicht begeistert auf die Ergebnisse der Studie reagieren, wird hier doch das neoliberale Dogma “Privat ist immer besser als der Staat” deutlich in Frage gestellt. Allerdings darf bezweifelt werden, ob diese Studie auch zu einem Umdenken bei unseren Politikern führt.

  3. Heiner Flassbeck – Reden wir nicht mehr über Rettungsschirme!
    In diesen Tagen kann man in Euroland wieder beobachten, dass Politiker selbst in Zeiten höchster Gefahr die seltsame Neigung haben, scharf am eigentlichen Thema vorbeizureden. In der Debatte um den Euro ist das allerdings extrem gefährlich, weil der Patient, die europä­ische Währung, mittlerweile ein kritisches Stadium erreicht hat und dringend der richtigen Therapie bedarf, um wieder gesunden zu können.
    Redeten die Politiker aber vor dem Auftauchen des neuen französischen Präsidenten vor allem über Rettungsschirme und Sparmassnahmen, haben sie nun das Thema gewechselt und debattieren mit aller Heftigkeit die von François Hollande ins Spiel gebrachten Eurobonds und Wachstum. Sie tun das aber immer noch mit dem gleichen falschen Fokus wie vorher. Weil sich die Diagnose der Krankheit in den Augen der meisten EU-Politiker nicht geändert hat, führen sie mit tatkräftiger Unterstützung vieler Medien über Eurobonds und Wachstum eine ebenso sinnlose Diskussion wie bei den Rettungsschirmen und der Austerität vorher.
    Quelle: Tageswoche
  4. Eurokrise
    1. Stiglitz kritisiert Spanien-Hilfen als Voodoo-Ökonomie
      Europas Börsen reagieren mit Kurssprüngen auf die Hilfsgelder für Spaniens Bankensektor. Nur einer hat was zu meckern: Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Statt mit Milliarden um sich zu werfen, solle Europa endlich das zugrundeliegende Problem angehen. […]
      Der Ökonom kritisiert das europäische Hilfsprogramm für Spaniens Banken als “Voodoo-Ökonomie”. “Das System ist: Die spanische Regierung rettet die spanischen Banken, und die spanischen Banken retten die spanische Regierung”, sagte Stiglitz der Nachrichtenagentur Reuters. Das könne nicht funktionieren. Stattdessen müsse Europa die Schaffung eines gemeinsamen Bankensystems und einer Fiskalunion vorantreiben.
      “Man muss sich dem zugrundeliegenden Problem stellen, und das ist: das Wachstum zu fördern”, sagte der frühere Wirtschaftsberater des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, der als scharfer Kritiker von Sparprogrammen gilt. “Deutschland hält daran fest, dass die Stärkung durch Haushaltsdisziplin kommt, aber das ist ein komplett falsche Diagnose”, warnte Stiglitz. Der Preis, den Deutschland für einen Zerfall des Euro zahlen müsse, sei höher als der Preis für die Rettung der Gemeinschaftswährung. Das Interview mit Stiglitz wurde bereits am Freitag geführt.
      Quelle: FTD
    2. Estlands Präsident schimpft auf Twitter über Nobelpreisträger Krugman
      Mit einem Wutausbruch im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter hat der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves für Befremden gesorgt. Ilves hatte sich in Kommentaren über einen in der “New York Times” erschienenen Wirtschaftsartikel erregt, den der Nobelpreisträger Paul Krugman verfasst hatte. […]
      Die estnische Zeitung “Ohtuleht” argwöhnte in ihrer Freitagsausgabe, ob der Staatschef beim Verfassen der Nachrichten womöglich betrunken gewesen sei.
      Quelle: derStandard.at

      Anmerkung unseres Leseres J.O.: Hintergrund der Tiraden von Ilves ist ein kurzer Blog- Beitrag von Krugman unter dem Titel “Estonian Rhapsody“. Darin stellt Krugman in einer Grafik lediglich Estlands reale BIP Zahlen im Zeitverlauf dar und vergleicht diese Fakten mit der in Estland von Regierungsseite üblichen Aufschwungs-Rhetorik, die dort normalerweise mit einer massiven Propaganda für die von Regierungsseite betriebene drastische Sparpolitik einher geht. Offenbar sind die Nerven von Estland neoliberaler Regierung z. Z. ziemlich angespannt, anders ist die drastische Reaktion auf nur wenige kurze Sätze Krugmans kaum zu erklären. Ein deutscher Blogger, der seit Jahren kritisch aus Estland berichtet fasst das ganze mit den Worten “Fakten schlagen Ideologie” zusammen. Sein Blogpost zu dem Thema enthält auch die wörtlichen Äußerungen von Ilves gegenüber Krugman.
      Mich selbst erinnert dass ganze ein bischen an den wundervollen Rede “Unsere schönen neuen Kleider” von Ingo Schulze, über die in den “Nachdenkseiten” vor einiger Zeit berichtet wurde. Darin hatte Schulze Bezug auf Andersons Märchen vom nackten Kaiser und seinen neuen Kleidern genommen. Krugman zeigt mit seinem Blogbeitrag Estlands neoliberale Regierung nackt – und die reagiert drastisch und wütend.

    3. Paul Krugman – Another Bank Bailout
      Oh, wow — another bank bailout, this time in Spain. Who could have predicted that?
      The answer, of course, is everybody. In fact, the whole story is starting to feel like a comedy routine: yet again the economy slides, unemployment soars, banks get into trouble, governments rush to the rescue — but somehow it’s only the banks that get rescued, not the unemployed. […]
      Consider, for example, what Jörg Asmussen, the German representative on the European Central Bank’s executive board, just said in Latvia, which has become the poster child for supposedly successful austerity. (It used to be Ireland, but the Irish economy keeps refusing to recover). “The key difference between, say, Latvia and Greece,” Mr. Asmussen said, “lies in the degree of national ownership of the adjustment program — not only by national policy-makers but also by the population itself.”
      Call it the Darth Vader approach to economic policy; Mr. Asmussen is in effect telling the Greeks, “I find your lack of faith disturbing.”
      Oh, and that Latvian success consists of one year of pretty good growth following a Depression-level economic decline over the previous three years. True, 5.5 percent growth is a lot better than nothing. But it’s worth noting that America’s economy grew almost twice that fast — 10.9 percent! — in 1934, as it rebounded from the worst of the Great Depression. Yet the Depression was far from over.
      Put all of this together and you get a picture of a European policy elite always ready to spring into action to defend the banks, but otherwise completely unwilling to admit that its policies are failing the people the economy is supposed to serve.
      Quelle: New York Times
    4. Moral Hazard – eine deutsche Obsession
      […] Hier ist sie wieder, die Angst vor dem Moral Hazard, die ein Grundprinzip der deutschen Wirtschaftspolitik ist. Die Auflagen für Griechenland waren auch deshalb so streng und die Zinsen so hoch, weil die deutsche Bundesregierung Nachahmer fürchtete. Besonders putzig ist das Argument, wenn man bedenkt, dass ja nicht Spanien die Hände nach dem Rettungsschirm ausstreckte, sondern von den Europäern – auch den Deutschen – unter eben diesen Schirm gezwungen wurde. Genau wie vorher schon Portugal.
      Während sich die deutschen Medien also mit langfristigen Anreizwirkungen und Moralfragen beschäftigen, geht die internationale Presse der vielleicht nicht ganz unwichtigen Frage nach, ob das Hilfspaket in der Lage ist, die engen Bande zwischen Staaten und Banken zu kappen.
      Quelle: ZEIT Herdentrieb
    5. Griechisches Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps
      Die Lage in den griechischen Krankenhäusern wird wegen der Finanzkrise immer dramatischer. Die größte Klinik in der nördlichen Hafenstadt Thessaloniki führt seit Tagen keine kardiologischen Untersuchungen und Operationen mehr durch. Die Apothekerverbände wandten sich in einem Brief an den Chef der EU-Task-Force für Griechenland, den deutschen Finanzexperten Horst Reichenbach, und baten dringend um Hilfe. Das Land brauche mindestens 1,5 Milliarden Euro für Medikamente und medizinisches Material.
      Quelle: derStandard.at
    6. Spanien ist am Ende, Merkels Therapie gescheitert
      Nach zwei Jahren Krisentherapie steht die Eurozone vor dem Kollaps. Denn nun spitzt sich die Lage in Spanien und Italien zu – mit diesen beiden Ländern kommt der Rettungsfonds an seine finanziellen Grenzen. Nur ein Umbau des Fonds zur Bank kann noch helfen.
      Die Nerven liegen blank. Europa steuert unaufhaltsam auf eine politische, ökonomische und soziale Tragödie zu. Nach zwei Jahren Krisentherapie à la Merkozy steht die Eurozone vor dem Kollaps. Stürzt Spanien in den Abgrund, droht sich eine Lawine zu lösen, die über Italien die ganze Eurozone begraben könnte. Noch kann die Politik einlenken. Doch von Einsicht keine Spur.
      Zum Kern des Problems: Immer mehr Euroländer bekommen am Markt entweder kein Geld oder können sich nicht zu volkswirtschaftlich hinnehmbaren Zinssätzen refinanzieren. Die Zinslast drückt, zudem droht eine Rezession, die den Ländern die Basis für Steuereinnahmen entzieht. Zu Recht wächst das Misstrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik. Immer mehr Sparer lösen ihre Einlagen bei den angeschlagenen Banken auf und versuchen, ihr letztes Hab und Gut zu retten. Da keine Bank der Welt mit eigenem Geld, sondern mit den Ersparnissen ihrer Kunden arbeitet, droht ihnen deshalb die Pleite. Denn weder die Kredite ihrer Schuldner noch ihre Anlagen lassen sich schnell flüssig machen. Auf solche plötzlichen Krisen ist keine Bank der Welt vorbereitet. Das ist leider das Schicksal der spanischen und griechischen Banken. Es kann sich in Italien oder Portugal wiederholen. Darum muss schnell gehandelt werden.

      Quelle: DGB klartext

  5. Oskar Lafontaine – «Ich bin ein strikter Gegner des Schuldensozialismus»
    Der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende der Linken, Oskar Lafontaine, ist letzte Woche zum Swiss Economic Forum in die Schweiz gereist. Er sieht als probates Mittel gegen die Schuldenkrise die drastische Besteuerung von Vermögen und mehr Regulierung.
    Quelle: NZZ
  6. Der Fiskalpakt oder die Dr. Eisenbart-Kur als Verfassungsauftrag?
    Der geplante Fiskalpakt geht von einer falschen Ursachenanalyse und würde in seiner Krisenlösungstrategie im Endeffekt zu einem drastischen Abbau des Sozialstaates und zur Perpetuierung der strukturellen Krisenursachen führen.
    Entgegen den neoliberalen Erzählungen ist die Schuldenkrise vieler EU-Staaten im überwiegenden Fall nicht von einer unüberlegten mutwilligen Ausgabenerhöhungspolitik verursacht, sondern von den Einnahmeausfällen aus dem schweren Abschwung 2008/2009 als Folge der Finanzmarktkrise sowie von den notwendigen staatlichen Konjunkturprogrammen und den Maßnahmen zur Rettung des Geld- und Bankensystems.Die Schuldenquote am BIP der EU-Staaten kletterte seit 2008 von 66 auf über 85 %.Vor 2008 sanken in den EU-Krisenländern Irland, Spanien und Italien sowohl die Schulden- wie die Staatsquote. Hinzu kommen allerdings auch die negativen fiskalischen Konsequenzen aus dem strukturellen Steuersenkungswettlauf v.a. für Vermögens-,Einkommens- und Unternehmenssteuern besonders der letzten 15 Jahre.
    Quelle: Blog der DL21
  7. Joseph Stiglitz – Amerikas hoher Preis der Ungleichheit
    In den USA öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Das kann zu wirtschaftlicher Instabilität führen – und untergräbt die Werte und die Identität des Landes.
    […] Es gibt einen klaren Trend zur Konzentration von Einkommen und Vermögen an der Spitze der Gesellschaft bei gleichzeitiger Aushöhlung der Mitte und zunehmender Armut unten. […] Es wäre alles vielleicht nicht so schlimm, wenn an der sogenannten Trickle-down-Theorie – der Vorstellung, dass, wenn man die ganz oben reicher macht, alle profitieren – zumindest ein Quäntchen wahr wäre. Doch den meisten Amerikanern geht es heute schlechter als 1997; ihre (inflationsbereinigten) Realeinkommen sind niedriger. Alle Früchte des Wirtschaftswachstums gehen an die Reichen. Dies sollte niemanden überraschen, der mit den Ursachen der Ungleichheit vertraut ist. […] Natürlich spielen die Marktkräfte ebenfalls eine Rolle, aber Märkte werden durch die Politik gestaltet; und in Amerika mit seinem quasikorrupten System der Wahlkampffinanzierung und seinen fliegenden Wechseln zwischen Regierung und Industrie wird die Politik durch das Geld bestimmt. […]
    Amerika zahlt einen hohen Preis dafür, dass es sich weiter in die gegenteilige Richtung entwickelt. Ungleichheit führt zu weniger Wachstum und Effizienz. Der Mangel an Chancen hat zur Folge, dass sein wertvollster Vermögenswert – die Menschen – nicht optimal genutzt wird. Viele am unteren Ende und in der Mittelschicht schöpfen ihr Potenzial nicht aus, weil die Reichen, die kaum öffentlicher Dienstleistungen bedürfen, ihren politischen Einfluss nutzen, um die Steuern zu senken und die Staatsausgaben zurückzufahren. Die Folge sind zu geringe Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Technologie, was die Wachstumsmotoren hemmt.
    Quelle: FTD
  8. Wir leiden unter der Welt – was scheren uns da die Details?
    Unsere geschätzten Kollegen vom Handelsblatt respektive ihr sendungsbewußter Chefredakteur fanden das schöne Cover vom Economist offenbar nicht so nett – und legen heute die nächste Ausgabe aus der Reihe ”Wir verteidigen unsere lieben deutschen Politiker und Währungshüter” nach. Das spiegelt per se schon ein merkwürdiges Verständnis von kritischem Journalismus. Es verführt im aktuellen deutschen Ambiente – Leitmotiv: alles Welt will uns böses – aber auch zu ziemlichem Unfug.Da wird unser Bundesbankpräsident mittlerweile standardweise mit dem Adjektiv “standhaft” geführt – was ebenso vorauseilend wertend ist wie das ebenso mögliche Adjektiv “stur”. Da wird mal eben ein “Sparen wie Merkel” postuliert – obwohl unsere werte Kanzlerin in ihrer Amtszeit kein einziges großes Sparpaket gemacht hat, sondern im Gegenteil Konjunkturpakete, als Deutschland ebenfalls in der Rezession war. Und da wird mal schnell als “Wahrheit” deklariert, dass die Euro-Krisenländer “den Nachfrageeinbruch infolge der Finanzkrise 2008/09 noch mit keynesianischen Konjunkturprogrammen bekämpft” haben – was für ein groteskes Geplapper: von den Krisenländern hat kein einziges damals ein großes Konjunkturprogramm gemacht, das waren die Deutschen, siehe oben.
    Quelle: FTD Wirtschaftswunder
  9. OECD hält Rente mit 67 für zu früh
    Mit 67 in die Hängematte? Besser noch nicht, urteilt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das ist nicht der einzige unpopuläre Rat an die Regierungen der Industrieländer
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Auch die neoliberal ausgerichtete OECD beteiligt sich an der schrittweisen Zerstörung der gesetzlichen Altersvorsorge und stellt sich zudem in den Dienst der privaten Versicherungskonzerne: Private Zusatzversicherungen sollen nach Wunsch der OECD “obligatorisch” werden. Die NachDenkSeiten haben in den vergangenen Jahren in zahlreichen Beiträgen darauf hingewiesen, daß im Zusammenhang mit der sog. Demografiedebatte die Verteilungsthematik von neoliberaler Seite zu einer Demografiethematik (“Generationengerechtigkeit”) umdgedeutet wurde. Gerd Bosbach (Professor für Statistik, Mathematik und Empirik) schreibt in dem bereits im Jahre 2004 veröffentlichten Beitrag “Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik [PDF – 183 KB]“:

    “Soll mit dem „Hammer“ Demografie von einem ganz anderen Schauplatz gesellschaftlicher Auseinandersetzungen abgelenkt werden? Will man die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer von der Teilhabe am Produktivitätsfortschritt langfristig abkoppeln? Dann wären die Arbeitnehmer tatsächlich nicht so leicht in der Lage, die Versorgung der Jungen und Älteren zu übernehmen. Das hätte allerdings weniger mit den „unausweichlichen“ Folgen des Alterungsprozesses zu tun, sondern wäre eine bewußte, politische Entscheidung in Fragen der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums!”

    Die OECD verfügt auch hierzulande über eifrige Propagandisten zu Gunsten einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit. So fordert z.B. der Sachverständigenrat in dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Sondergutachten “Herausforderungen des demografischen Wandels” eine weitere Verlängerung der Lebensarbeitszeit in zwei Stufen auf 68 und 69 Jahre.

    Trotz der seit Jahren anhaltenden weltweiten Finanzmarktturbulenzen und dem weltweiten Zusammenbruch zahlreicher Pensionsfonds ist die OECD offenbar völlig lernresistent und fordert, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Abschluß privater Altersvorsorgeveträge zu zwingen. Dies zeigt, daß das von Neoliberalen so gerne im Munde geführte Gerede von der “Eigenverantwortung” hohles Geschwätz ist. Zum Begriff “Eigenverantwortung” heißt es bei Wikipedia: “Das Prinzip der Eigenverantwortung basiert auf dem liberalen Ideal eines mündigen, selbstbestimmten Menschen, wie er z. B. von John Stuart Mill als „aktiver Staatsbürger“ beschrieben wurde.” Es bleibt das Geheimnis der OECD und all jener Neoliberalen, die einen Zwang zum Abschluß von Altersvorsorgeverträgen bei den privatwirtschaftlichen Versicherungskonzernen fordern, wie dies mit den der “Eigenverantwortung” angeblich innewohnenden Prinzipien “Mündigkeit” und “Selbstbestimmung” vereinbar ist. Die eigentlichen Motive für diesen von Neoliberalen geforderten Versicherungszwang dürften sowohl die finanzielle Entlastung der Unternehmen von gesetzlichen “Lohnnebenkosten” (die Versicherungsprämien hätten die Arbeitnehmer alleine zu tragen) als auch die Profitsteigerungen bei den Versicherungskonzernen sein.

  10. Bei Europas Versicherern bröckelt das Kapital
    Die anhaltenden Niedrigzinsen beginnen nach Erkenntnissen der Regulierer an den Rücklagen von Europas Versicherern zu nagen. Der positive Trend der vergangenen Jahre habe sich zuletzt in sein Gegenteil verkehrt, und das schlage sich sowohl in den Eigenmittelquoten als auch in den Gewinnen und teilweise sogar in den Prämieneinnahmen nieder, schlug die Versicherungsaufsicht EIOPA am Montag in ihrem halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht Alarm. […]
    Die historisch niedrigen Zinsen auf sichere Anlagen machen der Frankfurter EU-Aufsicht Sorgen. “Obwohl der Sektor mit diesen Herausforderungen noch für geraume Zeit zurechtzukommen scheint, wird die EIOPA die Lage weiterhin genau beobachten”, heißt es in dem Bericht. Wenn die Regierungen in Europa daran scheiterten, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen und dies die Konjunktur stark belaste, litten darunter kleinere, nationale Versicherer.
    Quelle: derStandard.at

    Anmerkung JB: Die Argumentation der EIOPA hört sich reichlich schräg an. Die Niedrigzinsen der AAA-Staaten sind ja gerade eben nicht durch deren unsolide Haushalte entstanden, sondern – ganz im Gegenteil – durch ihre relative Solidität. Die Versicherer kämen übrigens sehr schnell eine bedrohliche Bredouille, wenn die Staate tatsächlich ihre Verschuldung radikal zurückfahren würden. Ohne Staatsschulden gibt es nämlich auch keine sicheren Anlagemöglichkeiten für die Kundengelder. Auf die Idee, die Altersvorsorge ihrer Kunden vom Kurs der Facebook-Aktie abhängig zu machen, kommen nämlich noch nicht einmal die marktfreundlichsten Vertreter der Branche.

  11. Neue Erkenntnisse zu Getöteten von Hula
    In Syrien sind bei einem abermaligen Massaker nahe Hama mindestens 55 Menschen getötet worden. UN-Beobachter, die den Tatort aufsuchen wollten, wurden beschossen. […]
    Das Massaker ähnelt auf den ersten Blick dem von Hula, bei dem am 25. Mai 108 Menschen getötet worden waren. Syrische Oppositionelle, die aus der Region kommen, konnten in den vergangenen Tagen aufgrund glaubwürdiger Zeugenaussagen den wahrscheinlichen Tathergang in Hula rekonstruieren. Ihr Ergebnis widerspricht den Behauptungen der Rebellen, die die regimenahen Milizen Schabiha der Tat beschuldigt hatten. Sie sollen unter dem Schutz der syrischen Armee gehandelt haben. Da zuletzt Oppositionelle, die den Einsatz von Gewalt ablehnen, ermordet oder zumindest bedroht worden sind, wollen die Oppositionellen ihre Namen nicht genannt sehen. […]
    Getötet worden seien nahezu ausschließlich Familien der alawitischen und schiitischen Minderheit Hulas, dessen Bevölkerung zu mehr als neunzig Prozent Sunniten sind. So wurden mehrere Dutzend Mitglieder einer Familie abgeschlachtet, die in den vergangenen Jahren vom sunnitischen zum schiitischen Islam übergetreten sei. Getötet wurden ferner Mitglieder der alawitischen Familie Shomaliya und die Familie eines sunnitischen Parlamentsabgeordneten, weil dieser als Kollaborateur galt. Unmittelbar nach dem Massaker hätten die Täter ihre Opfer gefilmt, sie als sunnitische Opfer ausgegeben und die Videos über Internet verbreitet.
    Quelle: FAZ
  12. Kurzsichtige SPD
    Die SPD ist die älteste, seit dem 19. Jahrhundert durchgehend existierende politische Partei in Deutschland – historisch bezieht sie sich auf den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, der durch Ferdinand Lassalle 1863 gegründet wurde, und die von August Bebel und Wilhelm Liebknecht 1869 begründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die sich 1875 in Gotha vereinigten. Ihr Konzept war, als breite Partei der Einheit der Arbeiterklasse auf dem Wege von Wahlen zum Parlament und mit der Unterstützung der Gewerkschaften und vielerlei Organisationen und Vereine der Arbeiter immer stärker zu werden, um schließlich die Regierung zu übernehmen, Politik im Interesse der Arbeiter zu machen und die Gesellschaft in Richtung Sozialismus zu verändern. Daran ist noch einmal zu erinnern, weil all die jüngsten Invektiven von SPD-Politikern gegen die Linkspartei erst historisch gesehen verständlich sind.
    Quelle: Das Blättchen


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