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Titel: „Wenn Banker in die Schule kommen“. Das Projekt „Handelsblatt“ in der Schule.

Datum: 14. Juni 2006 um 15:03 Uhr
Rubrik: Bildung, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft
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Das öffentliche Bildungswesen leidet an chronischer Unterfinanzierung. In diese Lücke stoßen von Unternehmen finanzierte Meinungsmache-Institute. Mit wohlklingenden Namen und unter dem Deckmantel scheinbar öffentlicher Institutionen nehmen sie Einfluss auf die Lerninhalte in Schulen. Zuweilen wird dabei unverhohlen neoliberale Propaganda betrieben und Werbung für Privatunternehmen gemacht. Der öffentliche Bildungsauftrag wird dabei unterlaufen. Einer unserer Leser hat uns dazu einen Beitrag zur Verfügung gestellt.

Zu den einflussreichen, gleichwohl in der Öffentlichkeit kaum bekannten Organisationen, die schon an Schulen neoliberale Vorfeldpropaganda betreiben, gehört das „Institut für Ökonomische Bildung“ (IÖB). Es wird unter anderem von Unternehmen finanziert und ist ein so genanntes „An-Institut“ der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. Leiter ist der Wirtschaftsdidaktiker Prof. Dr. Dr. hc. Hans Kaminski.

In Publikationen, die an Lehrer verteilt werden, wird die Organisation als Einrichtung der Carl von Ossietzky-Universität vorgestellt.

Das IÖB arbeitet eng mit der privat gesponserten Organisation „WiGy e.V.“ (Wirtschaft & Gymnasium) sowie mit dem Projekt „Handelsblatt in der Schule“ zusammen. WiGy entstand 1993 laut Eigendarstellung „aus dem Zusammenschluss von engagierten Lehrkräften, Unternehmen der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer und dem IÖB“. Die vom WiGy angestoßene Diskussion und deren Ergebnisse um die Rolle der Ökonomie als Teil der Allgemeinbildung würden sich unter anderem in veränderten Lehrplänen zahlreicher Bundesländer wiederfinden. Nach eigenen Angaben wurden etwa die Bände „Wirtschaftsordnung“ und „Globalisierung“ deutschlandweit von mehr als 8000 Lehrern bestellt.

Der Inhalt dieser Wirtschaftsfachbücher lässt keinen Zweifel an der wirtschaftsliberalen Ausrichtung und der Vermischung der IÖB-Arbeit mit wirtschaftlichen Aktivitäten des Handelsblatt-Verlags. So wurde der Band „Wirtschaftsordnung“ einerseits von Prof. Kaminski und seinen Mitarbeitern verfasst, andererseits begrüßt schon im Vorwort Andreas Arntzen, Geschäftsführer der Handelsblatt GmbH, die „geehrten Damen und Herren, liebe Lehrerinnen und Lehrer.“ Auf der nachfolgenden Seite findet man Bestellcoupons für das Handelsblatt „als Klassensatz für mich und meine Schüler“.

Beim „Handelsblatt-Verlag“ handelt es sich bekanntlich nicht um eine dem Gemeinwohl verpflichtete Stiftung, sondern um ein privates Wirtschaftsunternehmen, das auf Rendite zielt und das wenig geeignet ist, Schülerinnen und Schülern die Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung zu vermitteln.

Dass dieses Unternehmen so offen an Schulen für sein Produkt werben darf, ist schon eine sehr große Merkwürdigkeit. Vielleicht werden demnächst Coca Cola und McDonalds ebenfalls an den Schulen Wirtschafts- oder Ernährungsinformationen vertreiben und dabei ebenfalls Werbung für ihre Produkte machen dürfen.

Die Vermischung von Bildungsauftrag und kommerziellen Interessen ist das eine. Das andere ist die einseitige Vermittlung von unternehmerfreundlichen Bildungsinhalten an öffentlichen Schulen.

Die von Prof. Kaminski verfasste und vom „Handelsblatt in der Schule“ unterstützte Unterrichtseinheit „Wirtschaftsordnung“ selbst ist kaum geeignet, den Schülerinnen und Schüler ein objektives und umfassendes Bild über Wirtschaftssysteme und Alternativen zu vermitteln. Vielmehr wird hier ein einseitig wirtschaftsliberales Weltbild unterrichtet.

So werden als Ökonomen in eigenen Kapiteln ausschließlich die Begründer und Anhänger der wirtschaftsliberalen „Freiburger Schule“, Walter Eucken und Alfred Müller-Armack, vorgestellt. Das „ordnungspolitische Leitbild“ lautet: „Die Marktwirtschaft ist sozial“. Schon in der nächsten Kapitelüberschrift fehlt nicht der Schlachtruf der Neoliberalen: „Freiheit auf dem Markt ist der Prüfstein für sozialen Fortschritt“. Die scheinbare Frage „Eine Neue soziale Marktwirtschaft?“ beantwortet sich so von selbst.

Das „Handelsblatt“ selbst ist mit seinen bildungspolitischen Aktivitäten sehr zufrieden. Treffend erhielt ein Artikel über „das Zusammenspiel von Schule, Universität und Wirtschaft“ vom 28. Mai 2006 die Überschrift: „Wenn Banker in die Schule kommen.“

Im Artikel erfährt man schließlich: „Dass Ökonomie und Bildung nicht trocken und sperrig daherkommen müssen, wird an diesem Schulvormittag klar. Das Projekt „Handelsblatt macht Schule“ ist mit dem Unterrichtsband „Finanzielle Allgemeinbildung“, der von der Deutschen Bank finanziell unterstützt wird, schon in die dritte Runde gegangen. 24700 Schüler haben bislang teilgenommen.“

Siehe dazu auch das Projekt der „Landesarbeitgemeinschaft Schule-Wirtschaft Hessen“.


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