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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 11. Juni 2012 um 9:16 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (KR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. In der Geiselhaft der Finanzmärkte
  2. Eurokrise
  3. Paul Krugman – Wolkenkuckucksheim
  4. Wider die Wachstumsbremse
  5. Finanzielle Auswirkungen im Vergleich: Merkels “Wachstumspaket”, Finanztransaktionssteuer & Fiskalpakt
  6. Wohnen im Kühlschrank
  7. Wisconsin: Geld schlägt Gewerkschaften
  8. Wenn die Polizei mal Pause macht
  9. VW kann Porsche ohne Steuerzahlung schlucken
  10. Ökobilanz: Puma springt zu kurz
  11. Schröder macht die Käßmann
  12. Der weiße Mann und der Teppich
  13. WDR 3: Monika Piel bleibt ignorant
  14. Lohndumping: Leiharbeit bei der “Nordwest-Zeitung”
  15. Vertrauen Sie mir – ich weiß, wovon ich spreche! Wie viele Experten vertragen die Medien – wie viele Experten verträgt die Wissenschaft?
  16. Endstation Fortschritt?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. In der Geiselhaft der Finanzmärkte
    Für Europa ist das beste Wachstumsprogramm ein Sparmoratorium und die Ablehnung des Fiskalpaktes. Nur mehr Investitionen schaffen Jobs.
    Sparen ist out. In Paris, Athen und Amsterdam jagen die Wähler ihre Sparkommissare zum Teufel. Angela Merkels Zwangsdiät findet keine Anhänger mehr. Die Brüsseler Kürzungspolitik ist gescheitert. Von Athen bis Madrid schrumpft die Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit steigt. Mehr als 25 Millionen Menschen haben in Europa keine Arbeit. Unter dem Spardiktat verarmen große Teile der Bevölkerung. Der Jugend wird die Zukunft geraubt. Trotz drakonischer Ausgabenkürzungen werden die Sparziele nicht erreicht. Wer in der Krise kürzt, erntet nur noch mehr Schulden. Ein „weiter so“ stürzt den Euro ins Grab.
    Jetzt erkennen selbst hart gesottene Verfechter des Sparens, dass der Schrumpfkurs nicht zum Ziel führt. Deswegen lautet Merkels neue Zauberformel: „Sparen und Wachsen“. Die Berliner Zauberformel kann nicht wirken, da das Spardiktat jegliches Wachstum im Keim erstickt. Im Euroland kürzen die Kassenwarte bis 2013 rund 600 Milliarden Euro. Dadurch schrumpft das Sozialprodukt des gemeinsamen Währungsraums um ganze sieben Prozent, davon über zwei Prozent allein im laufenden Jahr. In Griechenland zerstört die Kürzungspolitik ein Viertel des Sozialprodukts. In Spanien und Portugal kostet das Spardiktat ein Siebtel der Wirtschaftsleistung. Kurzum: Ohne einen Stopp der Kürzungspolitik kommt die europäische Wirtschaft nicht mehr auf die Beine. Selbst ein großes europäisches Konjunktur- und Wachstumsprogramm könnte den ökonomischen Schaden des Spardiktats nur noch begrenzen. Das beste Wachstumsprogramm für Europa ist folglich ein sofortiges Spar-Moratorium und eine Ablehnung des Europäischen Fiskalpaktes.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  2. Eurokrise
    1. Spanien schlüpft unter den Rettungsschirm
      […] Anders als die anderen Länder soll der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone aber kein strenges Sparprogramm im Gegenzug für die Hilfen abverlangt werden. […]
      Die Regierung in Madrid wird bis zu 100 Milliarden Euro von den Eurozone-Staaten erhalten, entschieden die Finanzminister der Währungsunion bei einer Telefonkonferenz am Samstagabend. Die Geldmenge werde ausreichen, um alle Zweifel an der Stabilität der spanischen Banken auszuräumen, zeigte sich Finanzminister Luis de Guindos überzeugt. Die Euro-Partner hatten Spanien seit Wochen gedrängt, Hilfe anzunehmen.
      Dem Beschluss zur Rettung der Banken war eine mehrstündige Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister vorausgegangen, die von mehreren Personen als hitzig beschrieben wurde.
      Quelle: derStandard.at
    2. EU-Spitzen wollen jede Neuverschuldung überprüfen
      Die Chefs der europäischen Institutionen wollen mit einem umfassenden Reformplan den Euro retten. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker und Mario Draghi, der Chef der europäischen Zentralbank, arbeiteten an einer echten Fiskalunion, in der die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht mehr selbstständig neue Schulden machen dürften, berichtete das Magazin “Spiegel” vorab am Samstag. Frei verfügen sollen die Regierungen demnach nur noch über Finanzmittel, die durch eigene Einnahmen gedeckt sind.
      Quelle: derStandard.at

      Anmerkung JB: Es war zu befürchten, dass sich die EU-Spitzen unter einer Fiskalunion nichts anderes als eine abermalige Erweiterung des Fiskalpakts vorstellen.

    3. George Soros – Die Eurokrise und der Fluch der Hegemonie
      Deutschland muss der Verantwortung gerecht werden, um die endgültige Spaltung der EU in Schuldner- und Gläubigerländer zu verhindern
      Die Mitgliedsländer der Eurozone haben ihr Recht, Geld zu drucken, an die Europäische Zentralbank abgetreten, und inzwischen liegt auf der Hand, dass dies die Hauptursache für die Eurokrise ist. Weder die Mitgliedsländer noch die EU-Behörden waren sich im Klaren darüber, was diese Abtretung wirklich nach sich ziehen würde.
      Quelle: derStandard.at
    4. Europa in der Krise – Die langsame Entdeckung der Nachfrage
      Mit dem neuen französischen Präsidenten, François Hollande, werden am kommenden EU-Gipfel erstmals all jene einen prominenten Vertreter haben, die eine Abkehr von Brüssels rigider Sparpolitik fordern. Ihre Forderung nach weiteren Schulden, um die Nachfrage anzukurbeln, greift jedoch zu kurz. Die bisherige Sparpolitik hat versagt. Doch liegt die Alternative wirklich in weiteren Schulden, wie die KeynesianerInnen suggerieren? Ginge es nur darum, die Wirtschaft kurzfristig wieder in Gang zu bringen, ja. Doch liegt das Problem in der langfristigen Nachfrage. Und um die zu sichern, sind zusätzliche Schulden kein Weg. Genau das war die Strategie der letzten Jahrzehnte, die in die Finanzkrise mündete – und nun zunehmend die Demokratie durch das Diktat der GläubigerInnen ersetzt. Doch es gibt einen dritten Weg: Er besteht darin, den Reichtum besser zu verteilen. Damit würde die Nachfrage langfristig gestützt, ohne zusätzliche Schulden anzuhäufen. Einen solchen Weg wählte Europa nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Wirtschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft.
      Quelle: WOZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: NDS-Leser werden wissen, dass Albrecht Müller bezweifelt, dass ungerechte Einkommensverteilung eine Geldschwemme verursacht habe, die wiederum verantwortlich sei für die Aufblähung der Finanzmärkte und die jetzige Krise. Es versteht sich, dass Albrecht Müller keineswegs die “miserable Verteilung der Einkommen und Vermögen” bestreitet. Yves Wegelin betont in obigem Artikel den Zusammenhang zwischen der Ungleichheit und der Finanzkrise – eine gute Gelegenheit den Text von Albrecht Müller zu lesen wie auch Gegenpositionen, z.B. Engelbert Stockhammer (Londoner Kingston University): “Die Rolle der zunehmenden Polarisierung als strukturelle Ursache der Finanz- und Wirtschaftskrise.” [PDF – 745 KB]
      Wegelin verweist auf das “psychologisches Gesetz” von Keynes, das besagt, “dass bei steigendem Einkommen der Konsum einer Person nicht proportional wächst: Je mehr wir besitzen, desto grösser ist der Anteil, den wir sparen. Falls nun in einer Gesellschaft die Ungleichheit zwischen Einkommen und Vermögen zunimmt, sinkt entsprechend der Konsum: Unten fehlt das Geld, oben wird es gespart. Resultat: Während die Ersparnisse, die investiert werden wollen, steigen, schwinden gleichzeitig die Investitionsmöglichkeiten, weil die Konsumnachfrage fehlt.” Den Rahmen, in dem die zunehmenden Ungleichverteilung stattfindet, bietet nach Wegelin die äußerst zählebige, unangetastete, quicklebendige neoliberale Idee des freien Arbeitsmarkts: “die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Schwächung der Gewerkschaften, die Senkung der Löhne und Kürzung der Renten. Jene Strukturreformen also, an denen heute kaum jemand zweifelt.”

    5. Auswege aus der Krise: Europa neu erfinden!
      Seit 2008 leidet vor allem die westliche Welt nun unter der Wirtschafts- und Finanzkrise. Politiker, Experten und Medien reden im Zusammenhang mit dieser chamäleonartigen Krise seit zwei Jahren aber fast nur noch von einer “Staatsschuldenkrise”. Diese meist politisch motivierte Rhetorik hat mit der Realität allerdings wenig zu tun. Denn die Schuldenprobleme insbesondere einiger Euro-Länder sind das Resultat der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise und nicht deren Ursache. Diese Kausalität wird in der politischen Diskussion zu oft verkehrt, was zwangsweise zu falschen Politikansätzen führt. (…)
      Die Krisenpolitik der von Angela Merkel angeführten europäischen Staats- und Regierungschefs kann wie folgt beschrieben werden: ohne Gesamtkonzept. Sie reagiert lediglich auf die von den Akteuren auf den nach wie vor weitgehend unkontrollierten Finanzmärkten hervorgerufenen Situationen. Die Politik wird getrieben, anstatt selbst das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und eine Agenda zu setzen. (…) Hierbei sind zwei bisher unerfüllte Voraussetzungen von größter Wichtigkeit: Erstens, die zwangsweise anfallenden wirtschaftlichen und sozialen Kosten müssen gerecht verteilt werden. Bisher werden die Krisenkosten hauptsächlich von der Mittelschicht und den unteren Einkommen getragen. Zweitens: die Reformprozesse sind nur zu bewältigen, wenn Europa zu wirtschaftlichem Wachstum zurückkehrt. Die europäische Austeritätspolitik ist ein wirtschaftliches und soziales Desaster, das die Krisenländer in eine Abwärtsspirale geführt und deren Staatsschuldenprobleme, wie vorherzusehen war, weiter verschärft hat. In der Euro-Zone sind auch eine Reihe von Strukturreformen notwendig. Doch in diesem Bereich gilt es genau zu unterscheiden, was eine sinnvolle Anpassung auf neue wirtschaftliche Realitäten ist und was – wie so oft – lediglich ein durch wirtschaftliche Notwendigkeit getarnter Angriff auf soziale Errungenschaften. Wie neuere Forschungen zeigen, sind die sich seit Jahrzehnten ausweitenden wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten ein wichtiger Entstehungsfaktor der Wirtschafts- und Finanzkrise. Ein zukunftsfähiges Europa muss dem Rechnung tragen und gezielt entgegenwirken.
      Quelle: ZEIT online

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: Der massive Anstieg der Staatsschuldenquoten (Staatsverschuldung in Prozent vom BIP) innerhalb der EU seit dem Jahre 2007 ist nicht auf die europäischen Krisenstaaten beschränkt, sondern auch in Deutschland zu verzeichnen (Staatsschuldenquote 2007: ca. 65%, 2011: ca. 80%). Der Anstieg der deutschen Staatsschuldenquote um ca. 15 Prozentpunkte resultiert im Wesentlichen aus der Finanzkrise und den den damit im Zusammenhang stehenden “Bankenrettungspaketen” und Wachstumspaketen.

  3. Paul Krugman – Wolkenkuckucksheim
    Martin Wolf reports on a letter he has received from the Director General of the German Finance Ministry; taken in context with the speech just given in Riga by Germany’s man at the ECB, what we get is a terrifying picture. Basically, it seems that even as the euro approaches a critical juncture, senior German officials are living in Wolkenkuckucksheim — cloud-cuckoo land.
    Now, I know the phrase normally refers to a state of naive optimism, not normally something one attributes to German officials. But a broader interpretation would be that of believing, despite all the evidence, that the world is the way you want it to be, and acting on that false belief. […]
    As for Mr. Asmussen, I’ve already written about the extraordinary illogic of saying that a partial recovery from a Depression-level slump — one that has not, by the way, been accompanied by a large improvement in competitiveness — vindicates austerity.
    This is scary stuff. If top officials in Germany are this disconnected from reality at this late date, what chance does Europe have?
    Quelle: New York Times
  4. Wider die Wachstumsbremse
    Schulden sind aber nicht per se schlecht: Sie haben eine wichtige wirtschaftliche Funktion. Deshalb wäre es ein Segen für Europa, wenn der Fiskalpakt scheitert […]
    So verhindert der Fiskalpakt eine Lösung der Eurokrise. Solange die Überschussländer – insbesondere Deutschland – nicht mehr ausgeben dürfen, bleiben die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Währungsunion bestehen.
    Natürlich könnten die Schatzmeister ihre Staatsfinanzen auch über höhere Steuern sanieren. So begründeten einige Politiker ihre Zustimmung zu den nationalen Schuldenbremsen. Richtig ist aber auch, dass höhere Steuern öffentliche Schulden nicht vollständig ersetzen können. Zudem ist es naiv zu glauben, dass unter den gegenwärtigen politischen Machtverhältnissen der Fiskalpakt zum Hebel für künftige Steuererhöhungen wird. In Europa läuft die Haushaltskonsolidierung zu 80 Prozent über die Ausgabenseite.
    Von Rom bis Madrid rollt jetzt unter dem Deckmantel der Sparpolitik ein Generalangriff auf Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitslose. Staatsdiener werden entlassen, Löhne, Arbeitslosengeld und Renten gekürzt, öffentliches Eigentum wird verramscht. Das Arbeitsrecht und die Tarifautonomie kommen unter die Räder. Der Schuldenknüppel trifft die Opfer der Krise. Der Europäische Fiskalpakt wird diesen Trend verschärfen. Er institutionalisiert den Abbau des Sozialstaates.
    Quelle: Der Freitag
  5. Finanzielle Auswirkungen im Vergleich: Merkels “Wachstumspaket”, Finanztransaktionssteuer & Fiskalpakt
    In Sachen Fiskalpakt und Eurokrise hat sich in der vergangenen Woche jede Menge getan. Zunächst hatten SPD, Grüne und das Gros der Medien berichtet, Kanzlerin Merkel (CDU) habe sich auf die Opposition zubewegt: Erstens habe sie das von dieser gewünschte “Wachstumspaket” geschnürt, zweitens habe sie der Einführung einer Finanztransaktionssteuer zugestimmt. Merkel sei “umgefallen”, SPD und Grüne hätten sich durchgesetzt. Betrachtet man allerdings die finanziellen Auswirkungen des Merkelschen “Wachstumspakets”, der Finanztransaktionssteuer sowie des Fiskalpakts, so zeigt sich: Die wachstumsfeindlichen Kürzungen, die mit dem Fiskalpakt einhergehen werden, werden durch die von der Opposition angeblich durchgesetzten Maßnahmen nicht einmal annähernd ausgeglichen. Weder “Wachstumspaket” noch Finanztransaktionssteuer können ein nennenswerter Grund sein, dem Fiskalpakt zuzustimmen.
    Quelle: annotazioni.de
  6. Wohnen im Kühlschrank
    Im Londoner Stadtteil Newham müssen Menschen in Gartenhäusern, Garagen, Schuppen, Hütten oder sonstigen Anbauten leben, weil sie eine andere Bleibe nicht bezahlen können.
    Quelle: Der Freitag
  7. Wisconsin: Geld schlägt Gewerkschaften
    Scott Walker, der Gouverneur von Wisconsin, der die Mitbestimmung abgeschafft, die Gewerkschaften verdrängt, das Tragen von Schusswaffen erleichtert, die Umweltgesetze ausgehöhlt und die Familienplanungszentren ausgehungert hat, ist im Amt bestätigt worden. Sein Sieg über den demokratischen Herausforderer Tom Barrett macht ihn zum neuen Helden der RepublikanerInnen. In Wisconsin ist aber noch mehr geschehen. “Big Money” hat hier gegen soziale Bewegung gesiegt. Nie zuvor ist so viel Geld in einen Wahlkampf in den Bundesstaat geflossen – aus der Mineralölindustrie, der Kasinobranche, von der Republikanischen Partei. Walker hat bewiesen, dass es in den USA möglich ist, Wahlen mit Gewerkschafts-Bashing zu gewinnen. Als Nächstes wird er versuchen, die Gewerkschaften in Wisconsin restlos zu entmachten. Und RepublikanerInnen quer durch die USA werden ihm nacheifern.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Eurokrise hin oder her, auch anderswo wird Geschichte geschrieben. Wenn in den USA die Gewerkschaften fallen, und daran sind auch europäische Unternehmen in den USA tätig interessiert, wird dies Folgen für Europa haben. Wenn in China oder Bangladesch Arbeiterrechte mit Füssen getreten werden, wird das häufig damit abgetan, dass dies halt die Bedingungen aufstrebender Volkswirtschaften seien. Mit der Entwicklung in den USA im Rücken erhält auch das gewerkschaftsfeindliche Kapital hierzulande Aufwind. Es sind z.B. diejenigen, die auf Verbesserungen bei der Zeitarbeit mit Werkverträgen reagieren – und das sind nicht wenige. Im September letzten Jahres fand eine Tagung statt unter dem Motto: “Alternativen zur regulierten Zeitarbeit”. Auf der Gästeliste das Who-is-Who der deutschen Wirtschaft: Siemens, BASF, die Deutsche Bahn, Porsche, BMW, Robert Bosch und die Metro AG, ebenso die Vertreter der Leiharbeitsunternehmen Randstad und Manpower und die Anwälte von Großkanzleien wie der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft.
    Sie werden die Entwicklung und die Strategien in den USA mit großem Interesse beobachten. Siehe auch den Spiegel-Artikel: US-Gewerkschaften: Vom Aussterben bedroht.

  8. Wenn die Polizei mal Pause macht
    Private Sicherheitsfirmen boomen. Wer an sie gerät, muss sich auf unliebsame Erlebnisse gefasst machen
    […] Wie weit reicht der Arm der privaten Sicherheitsfirmen? Wer schützt die Subjekte vor den Objektschützern? Und sind sie gar ein Sammelbecken für Waffennarren und Rechtsextreme?
    Umsatzvolumen von Group4S, Securitas und der rund 200 anderen privaten Sicherheitsfirmen in Österreich stieg allein zwischen 2004 und 2009 von 212 Millionen auf 347 Millionen Euro (aktuellere Zahlen gibt es nicht). Wo starke Gewerkschaften gute Rahmenverträge ausgehandelt hatten, versuchen nun immer öfter staats- und gemeindenahe Unternehmen auf private Billiganbieter auszuweichen. In Graz planten die Verkehrsbetriebe gar, das Lenken von öffentlichen Bussen an einen Sicherheitsdienst auszulagern. Erst als Betriebsrat Horst Schachner polternd von »Lebensgefahr« für die Fahrgäste sprach, wurde der Plan verworfen. Securitas-Mitarbeiter sind heute trotzdem in den Bussen unterwegs, wenn auch nur als Fahrscheinkontrollore. »Am Anfang habe ich mich auch dagegen gewehrt«, sagt Schachner, »aber das habe ich aufgegeben. Securitas ist einfach viel billiger.«
    Quelle: ZEIT
  9. VW kann Porsche ohne Steuerzahlung schlucken
    Die Autohersteller Volkswagen und Porsche müssen für ihren Zusammenschluss voraussichtlich keinen Cent an den Fiskus zahlen. Grund ist ein juristischer Kunstgriff – gegen den die Finanzbehörden offenbar machtlos sind.
    Quelle: FTD
  10. Ökobilanz: Puma springt zu kurz
    Die Ökobilanz des Sportartikelherstellers kann sich sehen lassen, die Sozialbilanz ist jedoch mangelhaft. Der Vorwurf: Das Unternehmen zahlt seinen Zulieferern nur Hungerlöhne. Die britische Beratungsfirma Eiris hat Puma vor Adidas auf Platz 1 der “globalen Nachhaltigkeitsführer” gesetzt. Solche Ansagen lassen aufhorchen – besonders vor medialen Großereignissen wie der Fußball-EM oder dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro Ende Juni. Im Test auf Glaubwürdigkeit kommt Puma erst mal gut weg. Schwieriger als das Umweltthema ist für Puma und viele andere transnationale Konzerne aber die soziale Frage. Hier bekommen sie immer wieder Vorwürfe zu hören, die sie oft nicht ausräumen können. Wie hält es Puma mit der sozialen Gerechtigkeit? Wie geht es den Arbeiterinnen und Arbeitern, die in hunderten Zulieferfabriken in aller Welt für Puma nähen und kleben – unter anderem in China, Vietnam, Bangladesch und El Salvador? Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero (CIR) formuliert harte Vorwürfe: “Puma lässt zu Hungerlöhnen produzieren. In der Regel reicht das Geld nicht, um die Grundbedürfnisse der Arbeiterfamilien zu erfüllen.”
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die Umweltbewegungen scheinen in der Tat auf Resonanz bei relevanten Bevölkerungsgruppen gestoßen zu sein, so dass Ökobilanzen in das Marketing etlicher Produkte Eingang gefunden haben. Allerdings fragt man sich schon, warum sich all die Ökozertifikate, Umweltengel so rasant verbreiten, aber ähnliches bezüglich der Arbeitsbedingungen der Produzenten nicht möglich ist. Gewiss ist es das gute Recht von Ökoparteien ihren Einsatz für ökologische Nachhaltigkeit zu vermarkten, nur was tun, wenn die Wählerklientel, die Bioprodukte präferiert, die Arbeitsbedingungen, Löhne und Lebensrisiken der Produzenten im Ausland bzw. der Niedriglöhner hierzulande, die diese Produkte oft verkaufen, wenig interessiert – vor allem wenn Verbesserungen bzw. Absicherungen auf diesem Gebiet auch noch kosten. So zumindest die Vermutung der Grünen. Die Grünen haben sich zumindest, was das Inland betrifft entschieden, wie ein Arbeitspapier zeigt, das die taz ausgegraben hat: Soziales, das eben Geld kostet, wird für den Fall einer Regierungsbeteiligung herunter gebrochen. Die “Projektgruppe Prioritäten 2013” legt nahe, die Energiewende und Bildung zum zentralen Thema des Bundestagswahlkampfes zu machen. Von einer substanziellen Hartz-IV-Erhöhung, der Kindergrundsicherung oder dem Thema Mindestrente oder gar von einem ein verstärkter Einsatz Deutschlands zugunsten der Arbeitsbedingungen in Entwicklungs-und Schwellenländern hat sich die Gruppe um Jürgen Trittin und Renate Künast leise verabschiedet, siehe dieser Hinweis der NDS.

  11. Schröder macht die Käßmann
    Im elften Jahr des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan distanziert sich Exbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vom Krieg am Hindukusch. “Es ist nichts gut in Afghanistan”, sagt Schröder in einem autorisierten Interview, das er für eine am Samstag erscheinende Biografie über den früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, gegeben hat. Der Exkanzler, der 2001 im Namen der rot-grünen Bundesregierung den Entschluss zum Einsatz gefällt hatte, bezieht sich auf eine umstrittene Aussage der kurzzeitigen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann. Sie hatte zum Jahreswechsel 2009/2010 in einer Predigt gesagt, nichts sei gut in Afghanistan – und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Schröder sagt nun in dem Buch: “Dieser Satz von Frau Käßmann ist so banal wie richtig.” Mit Blick auf Afghanistan sagt er, er habe nie daran geglaubt, “dass man dort eine Westminster-Demokratie wird errichten können”. Jedoch: “Was aber verteidigt worden ist oder wo sich Veränderungen ergeben haben, waren Dinge, die man nicht kleinreden darf: Ob Frauen mehr Rechte haben in einem Land oder nicht, ist ganz wichtig. Das sollte auch Frau Käßmann ganz wichtig sein.”
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Mein Gott wie peinlich! Jetzt, wo alle abhauen, schließt sich Schröder an. Dabei hat er uns doch mit seiner “bedingungslosen Solidarität” dieses Desaster eingebrockt. Und trotz seiner neuen Erkenntnis, schafft er es nicht, dieses Desaster unumschränkt einzuräumen. Da wäre dann doch noch der Gewinn an Frauenrechten. Thomas Krapf, der als Rechtsexperte bei der EU-Polizeimission in Afghanistan tätig war, sieht das etwas anders:

    “Dank Enduring Freedom erlebte jene Minderheit privilegierter Frauen im ersten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends ein Intermezzo, in dem sie vor den schlimmsten Auswüchsen institutionalisierter Frauenverfolgung verschont blieb. Dagegen ist die Lage von über 70 Prozent der Frauen so unerträglich wie eh und je. … Nach dem bevorstehenden Exodus der internationalen Gemeinschaft ist die Wehrlosigkeit gegen strukturelle Verfolgung und Sadismus vorprogrammiert.”

    Der Einsatz für mehr Frauenrechte in Afghanistan war sowieso nie sehr glaubwürdig, wenn man bedenkt wie wenig uns Diskriminierung und Drangsalierung von Frauen in vielen Kulturen dieses Erdballs kümmert, geschweige denn Politik und Wirtschaft. – Siehe das intensive Wegsehen des Westens beim Geschäftspartner Saudi-Arabien.

  12. Der weiße Mann und der Teppich
    Gute Regierungsführung, das ist ein zentraler Begriff moderner Entwicklungshilfe. Es geht darum, dass Politiker nach klaren politischen und ethischen Standards arbeiten; sauber, transparent, ohne Günstlingswirtschaft und Korruption. Deutschlands Mann für die Durchsetzung dieser Prinzipien in der Welt ist Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wie das heute fein und politisch korrekt heißt. Schade nur, dass dieser FDP-Mann so wenig korrekt handelt und auch die Standards guter Regierungsführung aus den Broschüren seines Ministeriums für sich eher nicht geltenlässt. Seit Amtsantritt verfolgen ihn Vorwürfe der Patronage, weil er immer wieder Leute aus der FDP-Nomenklatura auf wichtige Posten in seinem Ministerium befördert hat. Und nun die Teppich-Affäre. Den Skandal machen nicht die paar hundert Euro aus, die er an Steuern, Zoll und Transportkosten womöglich einsparen wollte. Der Skandal ist die Geisteshaltung, die sich da offenbart. Der weiße Mann kauft im Entwicklungsland günstig fein geknüpfte Teppichware und lässt sie sich von den Dienstboten nach Hause schaffen. Es ist diese Schnäppchen-Herrscher-Mentalität mit kolonialistischem Nebenton, die einen so abstößt. Aber wer weiß: Über einen nicht ordentlich liegenden Teppich kann man stürzen. Über einen nicht ordentlich behandelten womöglich auch.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung MB: Nur mal interessehalber – eine kleine Übersicht, was Bundeswehrsoldaten aus dem Ausland mitbringen dürfen.

  13. WDR 3: Monika Piel bleibt ignorant
    Trotz vieler tausend Unterschriften und öffentlicher Proteste von Journalisten, Schriftstellern und engagierten Hörern: WDR-Intendantin Monika Piel will keine Mitbestimmung von Seiten der Betroffenen. Die „Initiative Radioretter“ zieht enttäuscht Bilanz, gibt aber nicht auf.
    Quelle: Carta
  14. Lohndumping: Leiharbeit bei der “Nordwest-Zeitung”
    Stellen Sie sich vor, Sie machen den gleichen Job wie Ihr Kollege. Sie schreiben, zum Beispiel als Journalist, genauso viele Artikel, graben genauso viele Stories aus und liefern genau so viele Bilder. Doch dann, wenn es ums Geld geht, kriegen Sie viel weniger. Frustrierend, aber bei der “Nordwest-Zeitung” in Oldenburg ist das Alltag. Die Verlagsspitze macht seit Jahren Druck. Viele bangen um ihre Jobs. Wollten deshalb nur ungern öffentlich darüber reden. Doch ein paar Mutige packen gegenüber ZAPP jetzt au, einige wollen dabei aber nicht offen gezeigt werden.
    Quelle: NDR

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Die Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG ist eine Tochtergesellschaft der Nordwest Medien GmbH & Co. KG. Die verkaufte Auflage der in Oldenburg erscheinenden “Nordwest-Zeitung” betrug im 1. Quartal 2012 tagesdurchschnittlich 119.337 Exemplare. Kann man sich ernsthaft darüber wundern, daß Medienkonzerne angesichts der auch im Zeitungsgewerbe grassierenden Verlotterung der Arbeitsplatzqualität nahezu ausnahmslos zu den eifrigsten Propagandisten der neoliberalen “Strukturreformen” zählen? Die dem Anspruch “unabhängiger” und “überparteilicher” Medien Hohn sprechende Interessengeleitetheit der Medien wirft permanent die Frage auf, ob die derzeitige Struktur des Mediensektors dem Anspruch der demokratischen Wächterrolle der Medien als “Vierte Gewalt” überhaupt gerecht werden kann.

  15. Vertrauen Sie mir – ich weiß, wovon ich spreche! Wie viele Experten vertragen die Medien – wie viele Experten verträgt die Wissenschaft?
    Tag für Tag greifen Zeitungen, Fernsehsender und das Radio auf den Sachverstand von Experten zurück. Dabei gibt es selbsternannte Experten – und solche, die wirklich Sachverstand haben. Doch wo endet die Expertise und wo beginnt der Expertismus?
    Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Einleitungstext)
    Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (Audio-Podcast)
  16. Endstation Fortschritt?
    Bedeutet Fortschritt zwangsläufig Verbesserung? Kann der menschliche Verstand die schnellen technologischen Veränderungen der letzten Jahrhunderte überhaupt erfassen? Ist weiteres kontinuierliches Wachstum anzustreben? Oder lauten die Schlagworte für die nächsten Jahrzehnte nicht eher sparen, reduzieren, den Konsum einschränken? Dazu äußern sich in dem Dokumentarfilm von Mathieu Roy und Harold Crooks Wissenschaftler, Philosophen, politische Aktivisten, ehemalige Finanzmanager und international anerkannte Forscher.
    Quelle: arte


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