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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 5. Juni 2012 um 9:09 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Konjunktur
  2. Jens Berger – »Deutschland hat gewaltiges Aufholpotential«
  3. Eurokrise
  4. Zerreißprobe für das globale Währungssystem
  5. Grafik: Entwicklung der Tarifbindung von 1996 bis 2011
  6. Nachschlag für Zeitarbeiter
  7. DHL und Telekom als Union-Buster im Ausland
  8. Bloß nicht Kita statt Hartz IV!
  9. Kostenlose Ressource Ehrenamt – Arbeit für 0,00 Euro
  10. Allianz zieht ärmere Kunden über den Tisch
  11. Deutsche sollen privat für Pflege vorsorgen
  12. Vattenfall-Klage gegen Atomausstieg in Washington eingereicht
  13. Netzentwicklungsplan soll zentralistische Strukturen konservieren
  14. Die unrühmliche Rolle Deutschlands in den Bemühungen um mehr Transparenz im Rohstoffsektor
  15. Verfassungsgericht verhandelt über Wahlrecht
  16. Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer: Eliten sind Teil des Problems
  17. Joachim Gauck – Nur Reformierte gehören zu Deutschland
  18. Bundesregierung verteidigt U-Boot-Deal mit Israel
  19. Bundesparteitag der Linkspartei
  20. Arno Klönne: Spezialdemokraten
  21. Rechtsextremistische Tendenzen entzweien Burschenschaften
  22. „Große Mehrheit der Iren für Fiskalpakt“?
  23. TV-Tipp: Neues aus der Anstalt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Konjunktur
    1. Die Sorge um die Weltkonjunktur wächst
      Nicht nur der Euro verliert derzeit an Wert. Schlechte Wirtschaftsdaten aus vielen Ländern sorgen für große Unsicherheit an den Finanzmärkten. Vor dem globalen Schwächeanfall bleiben nur wenige verschont.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung WL: Diese Meldung liefert für NachDenkSeiten Leser/innen eigentlich nichts Neues. Interessant ist nur, dass sich inzwischen auch in der wirtschaftsliberalen FAZ die Sorge um die Konjunktur breit macht. Man vermisst allerdings die Frage nach den Ursachen für die schlechten Wirtschaftsdaten. Es wird nicht einmal angedeutet, dass diese viel mit der nach wie vor unbewältigten Finanzkrise und vor allem auch mit der vor allem in Europa durch Deutschland massiv vorangetriebenen Austeritätspolitik zu tun hat.

    2. Deutsche Industrie beschleunigt Abwärtstrend
      Der Abwärtstrend der deutschen Industrie hat sich einer Unternehmensumfrage zufolge im Mai beschleunigt. Die Geschäfte gingen so stark zurück wie seit knapp drei Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex fiel um einen Zähler auf 45,2 Punkte, teilte das Markit-Institut am Freitag mit. Damit entfernte sich das Barometer weiter von der 50-Punkte-Marke, ab der Wachstum signalisiert wird. Die Zahlen bestätigen im Wesentlichen erste Schätzungen.
      Die Chancen für eine rasche Trendwende stehen eher schlecht. “Mit der Abkühlung der Weltkonjunktur ging auch das Neugeschäft zurück, insbesondere von den Exportmärkten”, sagte Markit-Ökonom Tim Moore. Die Aufträge fielen so stark wie seit einem halben Jahr nicht mehr. Das Volumen sinkt den elften Monat in Folge. Die Unternehmen führten das auf die gedämpfte Nachfrage aus dem europäischen Ausland und sinkende Bestellungen aus Asien zurück.
      Quelle: FTD
    3. Krise am Automarkt erreicht Deutschland
      Bislang konnte sich Deutschland inmitten der Absatzkrise am europäischen Automarkt noch relativ gut behaupten. Doch auch hierzulange gehen die Verkäufe zurück. Hersteller hoffen auf den US-Markt. […]
      Die Absatzkrise in Westeuropa hat nun also auch Deutschland erreicht. “Die Kunden werden mit den Nachrichten aus Südeuropa vorsichtiger und denken länger über einen Autokauf nach”, sagte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut an der Uni Duisburg-Essen.
      Quelle: FTD

      Anmerkung JB: Dudenhöfer könnte auch bei der GfK anfangen. Welcher potentielle Neuwagenkäufer denkt denn bitte bei der Kaufentscheidung über „Nachrichten aus Südeuropa“ nach? Den Menschen fehlt schlicht und einfach das Geld, sich einen Neuwagen zu kaufen. Richtig dramatisch wird es jedoch erst dann, wenn die deutschen Unternehmen die Krise zu spüren bekommen und „sparen“ müssen – fast 60% der Neuzulassungen sind Dienstwagen !

  2. Jens Berger – »Deutschland hat gewaltiges Aufholpotential«
    Bruttolöhne sind viel zu niedrig – im Vergleich zu anderen Ländern in zehn Jahren 18 Prozent verloren. Ein Gespräch mit Jens Berger
    jw: Sie haben mit Ihrem Buch Deutschland einem »Stresstest« unterzogen. Was sind die wichtigsten Ergebnisse, die Sie recherchiert haben?
    Jens Berger: Begriffe wie Chancengleichheit, Allgemeinwohl und Solidarität sind zu hohlen Phrasen verkommen, die abseits von Sonntagsreden kaum mehr Bedeutung haben. Das gesellschaftliche Klima in unserem Land hat sich abgekühlt, man hat sich offenbar damit abgefunden, daß sich die Politik von ihrem Souverän, dem Wähler, entfremdet hat. Diese Entwicklung hängt untrennbar mit dem Schlagwort »Neoliberalismus« zusammen. Das eigentliche Problem sitzt jedoch tiefer – die politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die sich gegen diese Entwicklung wehren, werden mehr und mehr an den Rand gedrängt und marginalisiert. Das fängt bei der Parteiendemokratie an, reicht über die vermeintliche vierte Gewalt, den Journalismus, bis hin zu den sogenannten zivilgesellschaftlichen Kräften. Die werden mehr und mehr von den Lobbyinteressen einer zahlenmäßig kleinen Oberschicht übermannt.
    Quelle: Junge Welt
  3. Eurokrise
    1. Joschka Fischer – Europa steht in Flammen
      Deutschland ist einsam und isoliert. Wider alle historische Erfahrung hält Kanzlerin Merkel dogmatisch an einer Sparpolitik fest, die Europa an den Abgrund geführt hat. Wenn der Euro und mit ihm der zweitgrößte Wirtschaftsraum der Welt zerfällt, dann wird das eine Krise auslösen, wie sie die heute lebenden Generationen noch nicht erlebt haben. […]
      Europa, angeführt von Deutschland, löscht lieber weiter mit Kerosin statt mit Wasser, und der Brand wird so mit der von Merkel erzwungenen Austeritätspolitik beschleunigt. Genau deshalb hat sich die Finanzkrise in der Euro-Zone innerhalb von drei Jahren zu einer wirklichen Existenzkrise ausgewachsen.
      Und man mache sich keine Illusionen. Europa steht heute am Abgrund und wird in eben diesen in den kommenden Monaten hineinfallen, wenn jetzt nicht Deutschland und Frankreich gemeinsam das Steuer herumreißen und den Mut zu einer Fiskalunion und politischen Union der Euro-Gruppe aufbringen. Denn wenn der Euro zerfällt, wird auch die EU mit ihrem gemeinsamen Markt zerfallen – global der zweitgrößte Wirtschaftsraum – und eine Weltwirtschaftskrise auslösen, wie sie die heute lebenden Generationen noch nicht erlebt haben. Anmerkung
      Und Deutschland muss sich entscheiden für eine Fiskalunion, und das heißt, dass Deutschland schlussendlich das finanzielle Überleben der Euro-Zone mit seiner Wirtschaftsmacht und seinem Vermögen wird garantieren müssen: uneingeschränkter Kauf der Staatsanleihen der Krisenländer durch die EZB, Europäisierung der nationalen Schulden mittels Euro-Bonds, Wachstumsprogramme, um eine Depression in der Euro-Zone zu verhindern und Wachstum zu generieren. […]
      Jenseits der Krisenrettung und der notwendigen Wachstumsimpulse gibt es für die Europäer eine dritte Herausforderung: die unabweisbaren Strukturreformen, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas massiv zu verstärken. Politische Union, Fiskalunion, Wachstum und Strukturreformen, diese vier Säulen müssen Europas Antwort auf seine Krise tragen.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung JB: Auch wenn Joschka Fischer mit blumiger Sprache und griffigen Vergleichen hart mit Merkel ins Gericht geht, so wirft sein Aufsatz mehr Fragen auf, als er beantwortet. Wie stellt sich Fischer eine „Fiskalunion“ vor – dieser Begriff ist ohne Präzisierung lediglich eine Hülle, in die man so ziemlich jeden Inhalt verpacken kann. Auch die Begriffe „Politische Union“ und „Wachstum“ unterscheiden da kaum. Die Alarmglocken sollten jedoch schrillen, wenn Fischer von „Strukturreformen“ spricht, mit denen die „Wettbewerbsfähigkeit massiv verstärkt“ werden soll. Damit meint er nichts anderes als eine Agenda 2010 für Europa. Diese Agenda ließe sich übrigens auch ohne inhaltliche Verbiegungen in die Worthülsen „Fiskalunion“, „Politische Union“ und „Wachstum“ zwängen. Fischer bleibt somit sich selbst und der katastrophalen Agenda-Politik treu. Lediglich die Sprache unterscheidet ihn von anderen Predigern des Neoliberalismus.

      dazu: Joschka Fischers ultimativer Beinahe-Nazi-Vergleich
      Joschka Fischer ist ein Meister der Provokation. Neuestes Beispiel: seine Kritik am Euro-Kurs der Kanzlerin. Dabei holt der Ex-Außenminister gegen Angela Merkel die ganz große Keule raus. (…) In einem Meinungsartikel, den verschiedene europäische Medien veröffentlicht haben, stellt er die Bundeskanzlerin Angela Merkel in eine Reihe mit Adolf Hitler und Kaiser Wilhelm II. – aber nur ein bisschen. Denn weder der Kaiser noch der Diktator werden in dem Artikel namentlich genannt. Fischers Vorwurf lautet: Merkel ist Schuld daran, dass aus der Finanzkrise in der Eurozone eine “Existenzkrise” Europas geworden ist, sie riskiere die Zerstörung Europas. Merkel lösche den Brand nicht mit Wasser, sondern mit dem hochexplosiven Kerosin – gemeint ist die anderen Ländern aufgezwungene Sparpolitik. Und dann kommt es (…): “Im 20. Jahrhundert hat Deutschland zweimal mit Krieg bis hin zu Verbrechen und Völkermord sich selbst und die europäische Ordnung zerstört, um den Kontinent zu unterjochen.” Gemeint sind die beiden Weltkriege. Und weiter: “Es wäre eine Tragödie und Ironie zugleich, wenn jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, das wiedervereinigte Deutschland, diesmal friedlich und mit den besten Absichten, die europäische Ordnung ein drittes Mal zu Grunde richten würde.”
      Quelle: FTD

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: Man muß nicht zum “Nazi-Knüppel” greifen, um die neoliberale Europapolitik Merkels zu kritisieren. Allerdings ist Altbundeskanzler Helmut Schmidt zuzustimmen, der bereits im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der schwarz-gelben Europapolitik “wilhelminische Großspurigkeit” kritisiert hatte. Zudem läßt die schwarz-gelbe Europapolitik, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie zahlreiche europäische Staaten immer tiefer in die ökonomische und soziale Krise hineinstößt, den Verdacht aufkeimen, Bundesregierung und maßgebliche Kreise innnerhalb der deutschen “Eliten” möchten auf dem Rücken der Bevölkerungen zahlreicher europäischer Staaten eine deutsche Vormachtstellung in Europa durchsetzen. Die im Zuge dieser Politik in Europa ausgerollten neoliberalen “Strukturreformen” gingen wegen ihrer Rückstrahlung nach Deutschland letzlich auch zu Lasten der deutschen Arbeitnehmer und Rentner.
      Joschka Fischer wäre außerdem gut beraten, mit dem ausgestreckten Zeigefinger nicht nur in Richtung schwarz-gelbe Bundesregierung zu zeigen, sondern die erhebliche Mitverantwortung der rot-grünen Bundesregierung für die heutigen ökonomischen Ungleichgewichte in Europa einzuräumen (insbesondere die auch von der damaligen schwarz-gelben Opposition freundlich abgenickte “Agenda 2010” und das maßgeblich darauf basierende deutsche Lohndumping).

      Ergänzende Anmerkung Orlando Pascheit: Fischer erweist mit seiner „Jugoslawienrhetorik“ der Diskussion um den rechten Weg aus der Krise einen Bärendienst. Frau Merkel ist kein kriegstreibendes Monster. Man muss der Regierung Merkel zugestehen können, dass sie der Interessen Deutschlands und dann die Interessen Europas im Auge hat – in dieser Reihenfolge – um aufzuzeigen, das ihr Weg (und der Troika) folgenschwere Fehler nach sich zieht – aber doch gewiss nicht den Untergang des Abendlandes. – Fischer argumentiert überhaupt sehr windig, wie kann er den britischen Premier zu Kronzeugen einer Fiskalunion ((gemeinsames Budget, Steuerpolitik, gemeinsame Garantie für die Staatsschulden). Von Thatcher bis heute lehnen die Briten eine Vertiefung der europäischen Integration als Albtraum (nightmare) ab.

    2. 6,6 Milliarden Hilfe für Portugals Banken
      Nach Spanien muss auch das hoch verschuldete Nachbarland Portugal seinen größten Banken mit Milliarden unter die Arme greifen. Um die von den europäischen Banken-Aufsehern geforderte Stärkung des Kernkapitals bis zum 30. Juni erfüllen zu können, müssen drei der vier größten Finanzinstitute staatliche Hilfen in Höhe von insgesamt 6,6 Milliarden Euro in Anspruch nehmen. Die Mittel dafür sollen aus dem von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) gewährten 78-Milliarden-Hilfspaket kommen.
      Quelle: derStandard.at
    3. Griechen müssen Arztkosten Staat vorstrecken
      Die schwere Finanzkrise in Griechenland führt zu dramatischen Entwicklungen im Gesundheitswesen des Landes. Seit Tagen beliefern die Großhändler von Medikamenten und medizinischem Material die wichtigsten Krankenhäuser nur noch gegen Barzahlung. Auch Hunderttausende Versicherte der größten Krankenkasse EOPYY müssen ihre Medikamente bar bei den Apothekern bezahlen und sich anschließend mit der Quittung an die Krankenkasse wenden. Auch viele Krankenkassenärzte untersuchen seit Wochen Patienten nur noch gegen Barzahlung.
      Quelle: derStandard.at
    4. Chicken Game der EU mit dem Griechenland um Euro-Austritt
      Ja, es ist auffällig, wie intensiv in den letzten Tagen über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone spekuliert wird. Überall spricht man sich dafür aus, einen Plan-B für den Austritt Griechenlands aus der Eurozone vorzubereiten. Es wird so getan, als ob ein Austritt eines Landes aus der Eurozone ganz einfach sei und man die damit verbundenen Aktivitäten und Risiken irgendwie managen könnte. Mag sein, ich rate hier allerdings zur Skepsis, denn ein Blick auf die Gesetze zur Einführung des Euro mag ein Gefühl davon zu vermitteln, wie kompliziert ein Austritt technisch und rechtlich ist. Das Schadensersatzrisiko könnte schnell einen dreistelligen Milliardenbetrag erreichen. Daneben hat Griechenland durch die bisher erhaltenen Mittel eine stärkere Verhandlungsposition, als dies derzeit vielen recht ist. Mich hat gewundert, dass trotz des Geredes über den Austritt, die Vorhersagemärkte bei Intrade einen Austritt in diesem Jahr derzeit “nur” mit einer Wahrscheinlichkeit von gestern 40% erwarten. In einem Kommentardialog mit Eric Bronse im Beitrag “Vorhersagemärkte sehen weiter steigende Wahrscheinlichkeit für Austritt eines Landes aus dem Euro” äußerte ich die Vermutung, man könne die aktuellen Aktivitäten auch so interpretieren, dass man eine glaubhafte Drohung gegenüber Griechenland aufbauen will, um Griechenland doch noch auf Kurs zu bringen. Gelänge dies, dann wäre ein Austritt wieder unwahrscheinlicher.
      Quelle: Blick Log

      Anmerkung Orlando Pascheit: Der Haken an der Argumentation ist nur: Gerade wenn es gelänge, Griechenland auf Kurs zu bringen, würde die Austrittswahrscheinlichkeit steigen. Gerade die Beibehaltung der nochmals verschärften der Austeritätspolitik führt Griechenland weiter in die Depression. Es sind ja schon lange nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen wie Paul Krugman, die den derzeitigen Austeritätskurs für kontraproduktiv halten. So stellt der Chefvolkswirt von Goldman Sachs, Jan Hatzius in einem Interview fest: “Beim Tempo der Konsolidierung ist man in einigen Krisenländern zu weit gegangen. … Konsolidierung ist immer eine Frage des richtigen Tempos. Unsere Untersuchungen zeigen: Wenn ein Land das Haushaltsdefizit um mehr als zwei Prozent pro Jahr abbaut – also zum Beispiel von vier auf unter zwei Prozent – ist das kontraproduktiv. Das Wachstum bricht so stark ein, dass das Haushaltsloch am Ende größer ist.”

    5. «Grexit» keine unmittelbare Gefahr für den Euro
      Der Austritt aus der Währungsunion ist gesetzlich nicht geregelt, entsprechend unklar ist auch, was im Euro-System passieren würde, sollte eines der 17 Mitglieder ausscheiden. Hätten die bestehenden Forderungen noch Gültigkeit? Würden die Verbindlichkeiten vom scheidenden Mitglied noch zurückbezahlt? Obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen unsicher sind, ist aus heutiger Sicht schon klar, dass die direkten Kosten eines Austritts Griechenlands selbst im Worst Case, in dem die ausstehenden Schulden gegenüber dem Euro-System nicht mehr beglichen würden, gut zu verkraften wären.
      Quelle: NZZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist zunächst verwirrend, dass die NZZ am nächsten Tag uns die Botschaft übermittelt: Der «Grexit» als Weg voller Heulen und Zähneklappern. Der Widerspruch löst sich einfach auf. Im obigen Artikel steht der Austritt Griechenlands ganz für sich, während der folgende Artikel die isolierte Position aufgibt und sich mit den Ansteckungs-Wirkungen beschäftigt. Dadurch wird aber auch deutlich, wie verworren die Diskussion ist und wie ratlos die Diskutanten sind: Zeitebenen werden verwechselt, Makro- mit Mikroebenen vermischt, mal wird neoklassisch, mal keynesianisch argumentiert, einmal sind die Finanzmärkte verantwortlich ein anderes Mal die Regierungen, schuldig sind die Deutschen, dann wieder die Südländer usw.  

      Siehe dagegen hier: Der «Grexit» als Weg voller Heulen und Zähneklappern
      Vorherrschende Meinung ist, dass ein geordneter Austritt rechtlich und technisch grosse Herausforderungen stellen würde. Viele Ökonomen gehen auch davon aus, dass ein solcher Schritt für Griechenland kurzfristig katastrophale Folgen hätte, selbst wenn manche nicht ausschliessen, dass es dem Land langfristig ausserhalb der Euro-Zone besser gehen könne. Doch hier soll es um die Folgen einer solchen Entwicklung für die übrigen Euro-Staaten gehen. Denn die eigentliche Gefahr liegt in den schwer einzuschätzenden, aber potenziell dramatischen Ansteckungseffekten. Ständen die Währungsunion und alle verbleibenden 16 Mitglieder als grundsolide Felsen in der Brandung, könnte das Ausscheiden der Griechen vielleicht zum reinigenden Gewitter werden. Doch das tun sie nicht. Vielmehr hängen Irland und Portugal bereits am Hilfs-Tropf, wobei sie ab 2013 zur Finanzierung über die Märkte zurückkehren sollten. Italien und Spanien finanzieren sich noch am Markt, doch sind ihre Zinskosten in jüngster Zeit wieder in die Höhe geschossen; die Bankenkrise in Spanien sorgt für tiefe Sorgen in Brüssel, und Zypern ist eng mit Griechenland verflochten. …
      Quelle: NZZ

    6. Pandemie statt Paneuropa
      „Die Folgen eines Austritts der Griechen aus dem Euro liegen irgendwo zwischen einer Katastrophe und dem Weltuntergang,“ sagte kürzlich der Chef des Internationalen Bankenverbands (IIF), Charles Dallara. Selten hat ein so hochrangiger Vertreter der Finanzbranche so freimütig und sarkastisch eingestanden, dass er keine Ahnung hat, was in einem solchen Fall passieren könnte. Beruhigend ist das nicht, vor allem, wenn man bedenkt, dass Politiker und Fachleute in den etablierten Industrieländern nun schon länger als zwei Jahre daran arbeiten, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Natürlich hat Dallaras Äußerung sogleich Widerspruch in Form von Beschwichtigungsformeln gefunden, etwa vom Präsidenten des deutschen Bankenverbandes, Andreas Schmitz . Der meint, ein Austritt Griechenlands aus dem Euro sei an den Märkten weitgehend eingepreist, und von den deutschen Finanzhäusern verkraftbar. Ich meine, es wäre für uns alle das Beste, wenn wir den Test, wer von den beiden nun richtig liegt, vermeiden könnten, denn der würde eher zu einer europäischen Pandemie als zu einem Paneuropa führen. Damit will ich sagen, dass wir uns alle Mühe – einschließlich der Griechen – geben sollten, Griechenland in der Euro-Zone zu halten. Dafür gibt es überzeugende Gründe: …
      Quelle: Handelsblatt
    7. European Crisis Bolsters Illegal Sales of Body Parts
      […] With Europe roiled by financial upheaval, experts say that the black market for human organs — traditionally based in China, India, Brazil and the Philippines — is expanding to crisis-hit Western countries like Greece, Spain, Italy, and poor Balkan nations like Serbia. Vulnerable, desperately poor people are seeking to sell their kidneys, lungs, bone marrow or corneas, abetted by the Internet, unscrupulous organ traffickers and a global shortage of organs for transplantation.
      In heavily indebted Greece, a 46-year-old businessman from Piraeus recently said that the only way to save his family from ending up on the streets was to sell a kidney for €100,000, or $123,000. He told the Greek media that he had even hired a private investigator to help him find a buyer.
      Elsewhere in Spain, Italy and Russia, dozens of advertisements by people peddling everything from kidneys to hair, sperm and breast milk have turned up on the Internet, with asking prices for lungs as high as €250,000.
      Quelle: New York Times
  4. Zerreißprobe für das globale Währungssystem
    Das niedrige, immer neue historische Tiefpunkte erreichende Niveau der Kapitalmarktzinsen der wichtigsten Währungen scheint Normalität geworden zu sein. Zu dieser neuen Normalität gehört auch, dass die Zinskurven sehr flach sind: Zehnjährige Bundesanleihen rentieren unter 1,1%, gleich lang laufende US-Treasuries liegen unter 1,3%, britische Gilts begnügen sich mit 1,5%, und Schweizer Staatspapiere verzeichnen eine rekordtiefe Verzinsung von unter 0,5%. Ein ganz anderes Bild zeigen bekanntlich die von der Finanzkrise gegenwärtig am heftigsten geschüttelten Euro-Länder. Wieso sind Käufer dieser Anleihen bereit, für das von ihnen dem deutschen Staat bereitgestellte Geld auf eine Verzinsung zu verzichten bzw. für dieses «Privileg» sogar zu zahlen? Es gibt diverse Antworten. So kann der tiefe/negative Zins als Folge der Kapitalflucht aus peripheren Euro-Ländern in die Kernzone interpretiert werden. Anleger haben vor allem das Ziel der Kapitalerhaltung im Auge. Das tiefe Niveau im Euro und in anderen Währungen widerspiegelt die massiven Interventionen der Zentralbanken. Die Zinsentwicklung kann auch eine Warnung vor einer bevorstehenden Deflation sein. Der Marktkommentator John Mauldin hat eine andere Sicht. Die tiefen und negativen Zinsen deutscher Anleihen seien ein Signal, dass der Markt zunehmend ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone erwarte. Deutsche Anleihen seien für Großanleger eine Call-Option auf diesen Kollaps bzw. ein Hedging-Instrument zum Schutz ihrer Portefeuilles.
    Die tiefen Renditen und flachen Zinskurven sind nicht unproblematisch. Leigh Skene von Lombard Street Research betont, dass die Zinskurven verzerrt seien und keine vernünftigen Schlüsse in Bezug auf zukünftige finanzielle und wirtschaftliche Entwicklungen zuliessen. Tiefstzinsen verstärkten die Gefahr von unproduktiven Fehlinvestitionen, von Fehlallokation von Kapital. Gleichzeitig erleichterten die geringen Finanzierungskosten umfassende Spekulationen in Realwerte. Die tiefen Zinsen und die wegen steigender Staatsverschuldung sinkende Qualität von bisher als sicher geltenden Staatsanleihen stellten für das globale Währungssystem eine potenzielle Zerreißprobe dar, unterstreicht Bill Gross vom Großinvestor Pimco. Je tiefer die Renditen von Staatsanleihen fielen und je schlechter gleichzeitig die Kreditwürdigkeit von Staaten werde, desto grösser werde die Gefahr, dass sich Anleger von den rund 200 Bio. $ ausmachenden Finanzaktiva des globalen monetären Systems abwenden. Schon jetzt seien die Risiken zu hoch und die Renditen zu tief.
    Quelle: NZZ
  5. Grafik: Entwicklung der Tarifbindung von 1996 bis 2011

    Quelle: IAB [PDF – 523 KB]

  6. Nachschlag für Zeitarbeiter
    ZeitarbeitnehmerInnen, die nach den Tarifen der Christlichen Gewerkschaften bezahlt wurden, können heute rückwirkend einklagen, dass sie die Differenz zum Lohn der Stammbelegschaft im entleihenden Unternehmen bekommen. Betroffen sind nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bis zu 3.000 Zeitarbeitsfirmen mit mehr als 100.000 Beschäftigten. Doch die Zahl der tatsächlich klagenden ZeitarbeitnehmerInnen ist erstaunlich gering. In Berlin klagen nur 55 Arbeitnehmer auf eine Nachzahlung, berichtet Frauenhoffer. “Die Arbeitnehmer fordern häufig ihre Löhne nicht nach, weil es die Firma gar nicht mehr gibt. Oder weil sie noch beim selben Arbeitgeber beschäftigt sind und Angst um ihren Arbeitsplatz haben”, erklärt Ingo Nürnberger, Sozialexperte beim DGB. Es sei oft schwer, im Nachhinein zu ermitteln, welcher Lohn damals der Stammbelegschaft in einer vergleichbaren Tätigkeit in einem entleihenden Unternehmen gezahlt wurde, schildert Frauenhoffer.
    Größere Sorge bereiten den Zeitarbeitsunternehmen die Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung. Bis Ende April wurden von der Rentenversicherung 1.250 der 3.000 betroffenen Zeitarbeitsfirmen überprüft. Sie mussten insgesamt 47 Millionen Euro nachzahlen. Das war jedoch weit weniger als zuvor von den Zeitarbeitgebern befürchtet. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte die Nachzahlungsforderungen auf eine Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro geschätzt. Möglicherweise habe sich herausgestellt, dass die Zeitarbeitsfirmen trotz teilweiser Anwendung des CGZP-Tarifs übertariflich gezahlt hätten, so Wehran. Möglicherweise hätten sich auch die Vergleichslöhne der Stammbelegschaften, im Nachhinein betrachtet, auch nicht als so hoch erwiesen.
    Quelle. taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein leichtes Unbehagen beschleicht einen bei dieser Meldung. Sollten die Gewerkschaften, um auf die skandalösen CGZP-Tarife aufmerksam zu machen, die Nachzahlungsforderungen so hoch angesetzt haben oder haben sie sich einfach verrechnet? Beides wäre ungut und erweist der Sache einen Bärendienst. Es ging ja nicht nur um die Tarife an sich, sondern vor allem um die Funktion, um die Signalwirkung für alle Tarife. Gerade, wer sich kritisch mit diversen Problemen in Deutschland und Europa auseinandersetzt, sollte sein Zahlenwerk, das diese belegen sollen, mehrfach überprüfen und Übertreibungen meiden.

  7. DHL und Telekom als Union-Buster im Ausland
    Die Konzerne Deutsche Post DHL und Telekom geraten international in die Kritik von Gewerkschaftern. Auch Siemens und ThyssenKrupp auffällig.
    Gleich zwei interessante Webseiten machen neuerdings auf Union-Busting-Methoden von deutschen Großkonzernen im Ausland aufmerksam – also die systematische Bekämpfung von gewerkschaftlicher Interessensvertretung mit Hilfe professioneller Akteure. Interessant und neu ist hierbei die Tendenz zur länderübergreifenden Kampagnenführung von Gewerkschaften und die Methode, Aktionärsversammlungen als Forum für Arbeitnehmerinteressen zu nutzen.
    Quelle: Arbeitsunrecht
  8. Bloß nicht Kita statt Hartz IV!
    Langzeitarbeitslose als Kita-Betreuer – die Idee von Ministerin von der Leyen ist blanker Unsinn. Kleinkinder brauchen gut ausgebildete und entsprechend bezahlte Fachkräfte und keine Lückenbüßer. […]
    Doch wie viele Lösungen, die auf den ersten Blick so bestechend einfach scheinen, ist auch diese aus dem Hause von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen blanker Unsinn.
    Die Betreuung von Kleinkindern ist kein Hilfsjob, den jeder ausüben kann und darf, der gerade nichts anderes zu tun hat.
    Eine Ausbildung zur Erzieherin dauert mindestens drei Jahre, davon zwei Jahre theoretische Ausbildung und ein Anerkennungsjahr. Normalerweise werden ein mittlerer Schulabschluss sowie praktische Erfahrung vor Beginn der Ausbildung vorausgesetzt. Sollen die neuen Betreuer auch nur halbwegs vernünftig ausgebildet sein, werden sie also frühestens 2015 in die Kitas kommen. Sie wären keine Hilfe, wenn im August 2013 der neue Rechtsanspruch auf Kita-Plätze für unter Dreijährige greift.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung unseres Lesers H.: Als Sozialarbeiter/-pädagoge (B.A.) kann ich nur von einem starken Stück und einer Schnappsidee sprechen. Die Intention ist mehr als durchschaubar. Nicht arbeitslose Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen, sondern den angeblichen Fachkräftemangel spätestens im Jahr 2013 “auf zu fangen”, durch billige Arbeitskräfte mit dem Repressalieninstrumentarium der Agenturen im Rücken. Über die prekären Beschäftigungsverhältnisse der Sozialen Arbeit in Deutschland natürlich kein Ton, kein Geld, keine Wertschätzung. Mit Arbeitslosen kann man es ja machen und der entwerteten Sozialen Arbeit genau so.
    Das hatte man doch schon mal im Pflegebereich vor und diesen desolaten Zustand werden wir noch in anderen Bereichen bekommen.

  9. Kostenlose Ressource Ehrenamt – Arbeit für 0,00 Euro
    Die Trennung zwischen männlichen „Ehrenamts-Beamten“ und weiblicher Wohlfahrtspflege zieht sich durch die Geschichte – bis heute. Ein Besuch bei der Historikerin Gisela Notz. […]
    Am liebsten würde man die Gratisarbeit von möglichst vielen Ehrenamtlichen abschöpfen. Aber nicht nur die der Schulabgänger, Arbeitslosen und Hausfrauen. Man hofft auch auf die fitten Alten, die Lese-Omas usw. Da habe ich mich gestern mit frauenbewegten Frauen fast ’geprügelt‘. Ungefähr die Hälfte der Frauen hier im Beginenhof war mal Lehrerin, und ungefähr die Hälfte dieser Lehrerinnen liest in der Schule vor. Sehr nett. Ist doch toll, dass sie das machen! Wenn sie es nicht machen würden, würde es niemand machen. Damit wäre auch keinem geholfen. Nur: Es wird nicht darüber nachgedacht, dass man damit jemandem im Prinzip die Arbeit wegnimmt. Früher war diese Arbeit nämlich bezahlt, es gab auch bezahlte Nachhilfen usw. Und offenbar fragen sie auch viel zu wenig, wie das zustande kommt, dass so viele Kinder derartig viele Defizite haben. Das machen sie offenbar alles nicht.
    Auch in Bezug auf die Suppenküchen und Berliner Tafeln habe ich das gesagt. Die Ehrenamtlichen sind nicht gewillt, sich darüber Gedanken zu machen, wie das alles wohl kommt. Die Antwort gibt’s bei Brecht: ’Und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.‘ Sie brauchen die Armen, damit sie sich toll fühlen, noch was Nützliches tun können in ihrem Leben. Sie reichen den Armen die Armensuppe, die Spenden von abgelaufenen Lebensmitteln und fühlen sich gut. Es ist wie zu Beginn der Industrialisierung. Das Schlimme daran ist: Die Armen bleiben arm, und das Prinzip der Wohlhabenden wird gefördert. Die Armen bleiben die Bittsteller. Man kann ihnen sogar den Suppenhahn zudrehen.
    Quelle: taz
  10. Allianz zieht ärmere Kunden über den Tisch
    Ältere, ärmere und kinderreiche Kunden der Allianz, die einen Riester-Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen haben, werden nur eingeschränkt an Überschüssen beteiligt. Das hat unsere gemeinsam mit dem Bund der Versicherten durchgeführte Analyse von kleingedruckten Vertragsinformationen und vom Geschäftsbericht des Versicherungskonzerns ans Licht gebracht.
    Quelle: Vebraucherzentrale Hamburg
  11. Deutsche sollen privat für Pflege vorsorgen
    Die schwarz-gelbe Koalition will Zusatzversicherungen finanziell unterstützen, die Pläne sollen bereits am kommenden Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden. Und zwar gemeinsam mit dem umstrittenen Betreuungsgeld. Dissens zwischen den Koalitionären herrscht bei den Themen Frauenquote und Mindestlohn.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung: Zum Thema Pflege-Riester/Bahr hatten die NachDenkSeiten bereits früher Stellung bezogen – Pflege-Riester – die Politik knickt einmal mehr vor den Lobbyinteressen ein Nach dem Flop der Riester-Rente nun auch noch der „Pflege-Bahr“.

  12. Vattenfall-Klage gegen Atomausstieg in Washington eingereicht – NGOs fordern Transparenz und Umdenken bei Investitionsverträgen
    Der Energiekonzern Vattenfall hat jetzt vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington seine Klage gegen den deutschen Atomausstieg eingereicht. Hierzu erklärte Peter Fuchs, Investitionspolitik-Experte vom Verein PowerShift in Berlin:
    „Ohne Rücksicht auf das deutsche und europäische Rechtssystem klagt Vattenfall erneut in einem internationalen Schiedsverfahren gegen die Umwelt- und Energiepolitik Deutschlands. Der Konzern will mit Hilfe dieser Klage und seiner hochbezahlten Anwälte die Kosten des Abschaltens der AKWs Krümmel und Brunsbüttel auf die Steuerzahler abwälzen, also sozialisieren. Dies kann den Bundeshaushalt mit über 1 Milliarde Euro zusätzlich belasten.
    Der eigentliche Skandal liegt aber woanders: Die deutsche Bundesregierung und die Mitglieder des Deutschen Bundestags sind es, die internationalen Konzernen durch ihre Investitionsabkommen überhaupt erst solche Extra-Klagerechte außerhalb unseres eigenen Rechtssystems geben. Gegenwärtig tobt innerhalb der Europäischen Union ein Streit um die zukünftige Ausgestaltung solcher Investor-Staat-Schiedsverfahren in internationalen Abkommen. Und die Bundesregierung ist es, die nichts, aber auch gar nichts aus dem Vattenfall-Fall und ähnlichen Konzernklagen lernen will. Sie spricht sich weiter entschieden für Geheimnistuerei, für weitreichende Rechte beim Eigentumsschutz (ohne jedwede Pflichten) und für Extra-Klagemöglichkeiten transnationaler Konzerne aus.
    Quelle: PowerShift
  13. Netzentwicklungsplan soll zentralistische Strukturen konservieren
    Die deutsche Bundesregierung, die Bundesnetzagentur und die Übertragungsnetzbetreiber suggerieren den deutschen Bürgern, dass der Bau von 4.000 km neuen Stromtrassen eine unausweichliche Notwendigkeit sei, ohne die die Energiewende nicht zu realisieren ist. Doch dem ist nicht so.
    Was als unvermeidbar dargestellt wird, ist in Wirklichkeit eine ganz bewusste Entscheidung, genau diejenigen Versorgungs- und Machtstrukturen zu bewahren und sogar auszubauen, die durch den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren zurückgedrängt worden sind.
    Quelle: Eurosolar
  14. Die unrühmliche Rolle Deutschlands in den Bemühungen um mehr Transparenz im Rohstoffsektor
    Steuervermeidung und Korruption sind weltweite Probleme, die in vielen Ländern des Südens zu Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung und Gewalt beitragen. Immer wieder sind daran auch transnational agierende Unternehmen beteiligt.
    Lückenhafte Berichtspflichten für Konzerne machen diese Praxis erst möglich. Denn bisher müssen sie in der Regel lediglich Bilanzen für das Gesamtunternehmen vorlegen und ihre Zahlen nach Geschäftsfeldern aufschlüsseln. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, ihre Zahlen disaggregiert nach Ländern oder Projekten zu publizieren. Dies macht es für Finanzbehörden und Öffentlichkeit unmöglich nachzuvollziehen, in welchem Land in welcher Höhe Umsätze getätigt, Steuern gezahlt und Gewinne erwirtschaftet werden.
    In den Bilanzen der Unternehmen die Finanzflüsse nach Ländern und Projekten aufzugliedern, ist ein notwendiger und relativ einfacher Weg, um Steuervermeidung und Unterschlagung entgegenzuwirken. Auf europäischer Ebene hat die Kommission der EU im Oktober 2011 Vorschläge für die Einführung länder- und projektbezogener Offenlegungspflichten für die extraktive und in Primärwäldern aktive Industrie vorgelegt. Seitdem gibt es heftige Kontroversen im EU-Parlament und Ministerrat, die letztendlich über die endgültige Form der Richtlinie entscheiden werden.
    Quelle: blog steuergerechtigkeit
  15. Verfassungsgericht verhandelt über Wahlrecht
    Das neue Wahlrecht hat zwar Fehler des alten repariert, aber dabei durch neue ersetzt. Es gewährleistet die Gleichheit der Wahl so wenig wie das alte, verstößt also gegen Artikel 38 des Grundgesetzes. Es proklamiert zwar, dass alle Parteien vor dem Gesetz gleich sind; aber es rechnet das Wahlergebnis so in Mandate um, dass große Parteien gleicher sind. Es begünstigt klar diejenige Partei, die bei der Wahl die stärkste ist und gibt ihr zusätzliche Mandate…
    Es kann heute passieren, dass eine Partei mit 30 Prozent der Zweitstimmen fast alle Direktmandate abräumt – und damit Überhangmandate en masse erhält. Direktmandate kann man gegenwärtig, bei fünf Fraktionen im Bundestag, mit 21 Prozent der Stimmen erringen…
    Das Wahlrecht hat diese Legitimität nicht, weil es im Kern ungerecht ist. Es schüttelt die Stimmen so seltsam und so lange, bis die einen schwerer wiegen als die anderen. So gerät die parlamentarische Demokratie in Turbulenzen. Wenn es nicht anders geht, muss das Verfassungsgericht für Beruhigung sorgen. Es muss, im Namen des Volkes, das Wahlvolk ins Recht setzen.
    Quelle: SZ
  16. Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer: Eliten sind Teil des Problems
    (Die Finanzkrise) hat den Druck im gesellschaftlichen Gefüge verstärkt. Zugleich sind die Auswirkungen nicht sofort sichtbar, weil es sich um schleichende Prozesse handelt wie die Ökonomisierung des Sozialen, die Demokratie-Entleerung und auch eine spezifische Orientierungslosigkeit, wohin sich die Gesellschaft entwickelt…
    Es greift in der Tat eine Entmoralisierung um sich. Das Prinzip der Gleichwertigkeit aller Menschen wird aufgekündigt. Das heißt man wertet andere Menschen ab, insbesondere schwache Gruppen, um sich selbst aufzuwerten…Und die Maxime “Rette sich, wer kann” gewinnt an Bedeutung.
    Übrigens ist das ein wesentlicher Grund dafür, dass es insgesamt bislang kaum zu nennenswerten kollektiven Protesten gekommen ist. In einer so individualisierten Gesellschaft entsteht dafür kein Bewusstsein mehr.
    Und gegen Ansätze wie die Occupy-Bewegung ist die Staatsmacht, speziell in den USA, mit einer martialischen Kontrolldrohung vorgegangen, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Ich konnte das in New York selbst beobachten. Das ist die praktizierte staatliche Verlängerung des autoritären Kapitalismus.
    Und das Signal gerade an junge Leute ist klar: “Bewegt euch ja nicht! Sonst kriegt ihr richtig Ärger.”
    Quelle: FR
  17. Joachim Gauck – Nur Reformierte gehören zu Deutschland
    Joachim Gauck führt einen Eiertanz um den Islam in Deutschland auf: Er habe keine Reformation erlebt. Muslimische Verbände bleiben gelassen, Grünen-Chef Cem Özdemir widerspricht. “Wenn der Bundespräsident erklärt, dass Muslime, die hier leben, zu Deutschland gehören, dann gehört natürlich auch ihr Islam zu Deutschland”, sagte Özdemir den Ruhr Nachrichten. Gaucks Differenzierung zwischen Islam und gläubigen Muslimen könne er deshalb nicht nachvollziehen. In einem Zeit-Interview, das vor seiner Abreise geführt worden war und am Donnerstag erschienen ist, hatte sich Gauck dem berühmtesten Satz seines Amtsvorgängers, der Islam gehöre zu Deutschland, nicht anschließen wollen. Zwar begrüßte er dessen “Intention”: Wulff habe die Bürger aufgefordert, sich der Wirklichkeit zu öffnen. Und die sehe so aus, “dass in diesem Lande viele Muslime leben”. Er könne aber auch diejenigen verstehen, die fragten: “Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation?”, sagte Gauck. Er sei “hoch gespannt auf den theologischen Diskurs innerhalb eines europäischen Islam”.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ärgerlich genug, dass Joachim Gauck uns mit einem wenig differenzierten Freiheitsbegriff plagen genug, jetzt muss er auch noch eine der wenigen zukunftsweisenden Aussagen seines Amtsvorgängers relativieren. Gerade wenn er dessen Intentionen respektieren würde, hätte er seine “Klappe” halten müssen. So hat er der Reaktion Tür und Tor aufgemacht, siehe die Kommentare in diversen Zeitungen.
    Es ist geradezu lächerlich, wenn er am Islam die Reformation vermisst, dann gehört Katholizismus auch nicht nach Deutschland. Und milde formuliert: Die Geschichtskenntnisse des Präsidenten sind miserabel, sonst würde er um den fruchtbaren Einfluss der muslimisch-maurischen Kultur auf das Abendland kennen. Die heutigen Vorbehalte gegenüber dem Islam richten sich eigentlich gegen die Muslime und nicht gegen den Islam, den wir in seiner Pluralität und Bandbreite sowohl in Geschichte und Gegenwart nicht kennen, indem wir unerfreuliche und hässliche Phänomene in der heutigen Realität der Muslime auf deren Gesamtheit übertragen. Wer aus der bloßen Zugehörigkeit zum Islam einen Anklagepunkt macht, und dem trat Wulff entgegen, schürt Ressentiments gegen Muslime. Mehr Zurückhaltung, Herr Gauck! – Wer sich mit Reformbereitschaft und Aufklärung im Islam beschäftigen möchte, braucht sich nur mit Leben und Werk von Muhammad Abduh oder Ali Abd ar-Raziq zu beschäftigen. Sie stehen für die Rückkehr zu den demokratischen Werten der Urgemeinschaft von Medina und für eine rationale Textauslegung des Koran und wendeten sich entschieden gegen jede politisch-weltliche Macht für die Geistlichen.

  18. Bundesregierung verteidigt U-Boot-Deal mit Israel
    Es ist eine heikle Angelegenheit: Israelische U-Boote aus deutscher Produktion werden dem “Spiegel” zufolge mit Atomraketen bewaffnet. Regierungssprecher Seibert rechtfertigte das Geschäft, die Opposition verlangt Aufklärung. Grünen-Fraktionschef Trittin erinnert die Regierung an ihre Lieferbedingungen…
    “Die Bundesregierung steht mit der Lieferung von U-Booten an Israel in der Kontinuität ihrer Vorgängerregierungen”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntag Spiegel-Online. “Die Lieferung erfolgt ohne Bewaffnung; an Spekulationen über die spätere Bewaffnung beteiligt sich die Bundesregierung nicht.”…
    Dagegen verlangte der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich, die Bundesregierung müsse jetzt endlich darüber Auskunft geben, ob Informationen zutreffen, wonach die von Deutschland gelieferten U-Boote auch mit Trägersystemen ausgerüstet werden können, die atomare Sprengköpfe tragen. “Bisher wurden die Lieferungen unter anderem damit gerechtfertigt, dass die U-Boote konventionelle Abschreckungssysteme sind”, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
    Kritik kommt auch von den Grünen. Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der Welt, es sei “verwunderlich”, dass die Bundesregierung ihre eigenen Bedingungen “nicht ernst nimmt”. Die Bundesregierung habe die Lieferung des letzten von insgesamt drei U-Booten der Dolphin-Klasse davon abhängig gemacht, “dass die israelische Siedlungspolitik geändert, der Bau eines Klärwerks in Gaza ermöglicht und die Rückzahlung palästinensischen Geldes an die Palästinenser-Behörde endlich vollzogen wird”, sagte Trittin. Israel habe jedoch nur die dritte Bedingung erfüllt.
    Ranghohe Beamte gingen schon lange von Atomwaffen auf den Schiffen aus
    Ehemalige hochrangige Beamte aus dem Bundesverteidigungsministerium wie der frühere Staatssekretär Lothar Rühl oder der einstige Chef des Planungsstabs, Hans Rühle, sagten laut Spiegel , sie seien schon immer davon ausgegangen, dass Israel auf den Schiffen Atomwaffen stationieren werde. Aus Akten des Auswärtigen Amts gehe zudem hervor, dass die Bundesregierung seit dem Jahr 1961 über die Praxis informiert sei.
    Quelle: SZ

    dazu: »So etwas rutscht nicht einfach durch«
    Berlin muß von Anfang an gewußt haben, daß Israel deutsche U-Boote atomar bestücken will. Gespräch mit Jan van Aken
    Quelle: Junge Welt

  19. Bundesparteitag der Linkspartei
    1. Was machbar ist
      Nach dem Parteitag ist vor der eigentlichen Arbeit: Der neuen Führung der Linken wird man keine Schonfrist zubilligen, niemand wird 100 Tage warten. Das klingt vielleicht ein bisschen ungerecht, ist aber den Umständen angemessen. Die Wahlen in Niedersachsen und im Bund 2013, die strategische und programmatische Aktualisierung, der organisatorische Rekonstruktionsbedarf, die kulturellen und emotionalen Risse in der Partei – all das erlaubt keinen Aufschub, keine Einarbeitungszeit, kein Warmlaufen. Katja Kipping hat in der Leipziger Volkszeitung bereits eine Tour der neuen Doppelspitze durch alle Bundesländer angekündigt und will dabei vor allem der Basis zuhören. Zudem soll es im Netz ein Blog für Mitglieder und Sympathisanten geben, in dem Vorschläge und Kritik diskutiert werden können. Als „Schlüssel zum Erfolg“ sieht Kipping „eine Kultur der Offenheit und ein Gestus: Fragend schreiten wir voran“. Auch der neue Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn spricht in der Mitteldeutschen Zeitung von einer Vertrauenskrise, die sich dadurch lösen lasse, dass die Linken „viel mehr als in der Vergangenheit miteinander reden und bereit sind, voneinander zu lernen“.
      Quelle: Lafontaines Linke
    2. SPD umwirbt Linke-Reformer – “Bartsch wäre herzlich willkommen”
      Die Pragmatiker in der Linkspartei haben den Machtkampf verloren, aber ihr Frontmann Dietmar Bartsch könnte woanders Karriere machen: Die SPD buhlt offen um den Linken-Fraktionsvize – nach den konservativen “Seeheimern” halten nun auch linke Sozialdemokraten Bartsch die Türe auf.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung JB: Dieses Störmanöver ist so herrlich durchschaubar. Und auch der SPIEGEL kann es nicht lassen und versucht den innerparteilichen Streit am köcheln zu halten – als hätte die Seele der „West-Linken“ die SPIEGEL-Redaktion je interessiert. Auch dieses Störmanöver ist herrlich durchschaubar. Die Linke sollte derartige Sticheleien der SPD und des SPIEGELs selbstbewusst ignorieren.

      dazu auch: Die Unvereinigten
      Die neue Führungsmannschaft ist gewählt, aber auf dem Parteitag der Linken gab es vor allem Verlierer: Die entzweiten Flügel stritten unerbittlich. Der nächste Konflikt droht bereits – wenn es um die Spitzenkandidaturen für die Bundestagswahl geht.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung JK: Und weiter geht’s! Die Redaktion des Spiegel scheint nur noch Schaum vor dem Mund zu haben. Es ist nur erstaunlich, dass die selbe Masche, die bei den Grünen schon Erfolg hatte, die Konstruktion eines unversöhnlichen Gegensatzes zwischen angeblichen Realos und Fundis, bei der Linken wieder genauso funktioniert.
      Was die letzten Tage aber über Lafontaine auf SPON zu lesen war geht inzwischen über ein vertretbares Maß hinaus. Lafontaine wird nur noch als brüllend, aggressiv, brutal charakterisiert. Und das nächste Ziel scheint schon ausgewählt: Sarah Wagenknecht.

    3. Die Linke rückt nach links
      Die Linke hat auf ihrem Göttinger Parteitag am Wochenende einen kräftigen Linksruck hingelegt. Die Reformer um Fraktionsvize Dietmar Bartsch, vornehmlich aus den Ost-Landesverbänden, haben ziemlich klar und auf nahezu ganzer Linie gegen fundamental Linke, vornehmlich aus dem Westen, verloren. Personell, aber auch politisch, taktisch und strategisch. Kurios: Lafontaine hat in Göttingen gewonnen, obwohl er gar nicht zur Wahl antrat. Aber er hat nun an fast allen wichtigen Schaltstellen der Partei willige Gefährten. Er ist nun erst recht die graue Eminenz der Linken. Dafür nahm er auch den Bruch mit dem anderen Protagonisten der Linken Gregor Gysi in Kauf. Die Übernahme der Links-Partei geschah auch nicht als Putsch, sondern als unfreundliche Übernahme, als Überrumpelung. Die linke ostdeutsche Volkspartei mit den heterogenen westdeutschen Anhängsel-Verbänden wird künftig ideell von Saarbrücken aus geführt. Die Lafontaine-Anhänger beherrschen die Linken-Zentrale im Berliner Karl-Liebknecht-Haus. Allerdings kann zu viel Sieg auch bitter für die Sieger werden. Die tiefe Krise der Linkspartei hat sich mit dem kräftigen Linksruck weiter verschärft. (…) Und die linken Reformer aus Ost und West müssen sich nun fragen lassen, ob sie nicht viel zu blauäugig mit den unfreundlichen, aber machtbewussten Genossen aus alten Bundesländern umgegangen sind.
      Quelle: Mittelbayerische

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: Man mag diese propagandistischen Versatzstücke gar nicht weiter kommentieren. Es kommen einem die Tränen wegen des “unfreundlichen” Umgangs der “machtbewußten Fundamentalisten” mit den “blauäugigen Reformern”. Hier werden – wie in vielen anderen Medienberichten auch – Dietmar Bartsch und sein Umfeld faktenverzerrend als verfolgte Unschuld präsentiert und alle Verantwortung für die parteiinternen Machtkämpfe innerhalb der Linkspartei auf die Vertreter des angeblich “fundamentalistischen” Flügels um Oskar Lafontaine abgeladen. Auch der angebliche “Linksruck” ist an den Haaren herbeigezogen und hat einzig und allein die Funktion, der Linkspartei, die ganz selbstverständlich als Marionette vom “fundamentalistischen” Lafontaine von Saarbrücken aus dirigiert wird, in der öffentlichen Wahrnehmung das Image des “Kinderschrecks” zu verpassen. Der weit überwiegende Teil unserer Mainstreammedien sollte sich einmal selbstkritisch die Frage stellen, ob die eigentlichen “Fundamentalisten” nicht in ihren eigenen Chefetagen residieren.

  20. Arno Klönne: Spezialdemokraten
    Die SPD in ihrer jetzigen Form hat sich strukturell von ihrer Geschichte verabschiedet. Gefühle und Bedürfnisse der auf abhängige Arbeit angewiesenen Menschen, der Masse von Nicht-Privilegierten, kommen in dieser Partei nicht mehr zum Ausdruck. An ihrer Basis spielt sich nicht mehr viel ab, Ausnahmen wie im Ruhrgebiet bestätigen diese Regel. Der SPD als Volkspartei fehlt in der eigenen Organisation das Volk.
    Die Willensbildung der SPD erfolgt heute im Zusammenspiel von Profizirkeln, Politikflüsterern aus den einflussreichen Medien und Leuten aus der Werbebranche. Wenn die Partei Wählerinnen und Wähler aus sozial bedrängten Schichten zeitweise zurückgewinnt, so ist das vorwiegend ein Marketingeffekt – Hannelore Kraft als Mutter der kleinen Leute und so weiter. Die Sozialdemokratie wird dadurch nicht zu einer Partei des Prekariats…
    Eine Bundesregierung unter sozialdemokratischer Regie konnte die Öffnung für mehr spekulative Finanzoperationen, die Privatisierung öffentlichen Eigentums, die steuerliche Begünstigung des Reichtums und den Übergang zum Niedriglohn weitaus eleganter arrangieren als es CDU/CSU und FDP regierend hätten besorgen können. In der Opposition wäre die SPD in Versuchung gekommen, gegen jenen politischen Kurs zu opponieren, den sie selbst in der Regierung einschlug.
    Quelle: Telepolis
  21. Rechtsextremistische Tendenzen entzweien Burschenschaften
    NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer ein Landesverräter? Ja, meint ein Vorstandsmitglied des Dachverbands Deutsche Burschenschaft. An dieser Äußerung hat sich unter den Burschenschaftern ein Streit um nationalsozialistisches Gedankengut entzündet. Die Flügel bekriegen sich, dem Dachverband steht die Spaltung bevor.
    Quelle: SZ
  22. „Große Mehrheit der Iren für Fiskalpakt“?
    Irland sagt “Yes” zum Fiskalpakt
    Die Iren haben sich deutlich für die Teilnahme am Fiskalpakt entschieden. Europa bleibt damit eine Blamage beim einzigen Volksentscheid zu der Frage erspart.
    „Der positive Ausgang des irischen Referendums zum Fiskalvertrag ist eine gute Nachricht für Irland und für Europa, sagte die Kanzlerin. Wegen der mit dem Fiskalpakt verbundenen Härten für die Bevölkerung verdiene das irische Volk besondere Anerkennung.

    Anmerkung WL: 60,3 Prozent derjenigen, die ihre Stimme abgeben haben, stimmten mit Ja, 39,7 Prozent mit Nein. 50,60 Prozent beteiligten sich an dem Referendum, d.h. weniger als ein Drittel der Wahlberechtigten Iren stimmten für den Fiskalpakt.
    Und was die Freude unserer Kanzlerin trüben sollte: „Enorme Anti-Merkel-Stimmung“ in Irland.
    Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer zum Rückgang von Wahlbeteiligungen im oben zitierten Interview in der FR: Darin liegt ein Verlust an Vertrauen in die demokratischen Institutionen, sie ist Ausdruck des Gefühls, von der Politik nicht wahrgenommen zu werden.

  23. TV-Tipp: Neues aus der Anstalt
    Unmittelbar vor Beginn der Fußball-EM sind Urban Priol und Erwin Pelzig in meisterlich-satirischer Verfassung. Gewohnt sicher spielen sich die beiden Spitzen-Kabarettisten die Bälle zu und beobachten, wer sich ins politische Abseits stellt. Hier wird jeder taktische Spielzug der Parteienvertreter genau analysiert.
    Komplettiert wird das Team der Anstalt diesmal durch Luise Kinseher, Helge Schneider und Andreas Rebers.
    ZDF – Dienstag 05.06.2012, 22:15 – 23:00 Uhr
    Quelle: ZDF


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