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- Unbeschreiblich weiblich
Harmonie und Frauenpower statt »Jungsschlägerei«? Medien vergeben Vorschußlorbeeren für junge Aspirantinnen auf Linke-Führung. Wagenknecht übt weiter Zurückhaltung
Die öffentliche »Performance« der jungen Bewerberinnen um das höchste Amt in der Linkspartei wirkt bislang geradezu harmoniesüchtig vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um die Kandidaturen von Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine. Während die üble Medienkampagne gegen letzteren nach dessen Rückzug noch nicht abgeflaut ist – es wird noch einmal kräftig nachgetreten –, werden die Frauen von der Presse mit Freundlichkeiten bedacht. Und in der Partei selbst werden die Stimmen lauter, die eine »weibliche Alternative« verlangen. Auch Parteivize Sahra Wagenknecht hat Dietmar Bartsch inzwischen aufgefordert, seine Kandidatur für den Spitzenposten zurückzuziehen. Denn mit ihm zusammen will – und kann – sie den Karren nicht aus dem Dreck ziehen. Festgefahren ist er da allemal, und wenn nicht Heilsbringerin, so ist die Bundestagsabgeordnete, Wirtschafts- und Finanzexpertin doch außer Lafontaine nahezu die einzige, der eine Mehrheit in der Partei zutraut, das Gefährt wieder flottzumachen.
Quelle: Junge Welt
Anmerkung JB: „Sage mir, wer dich lobt, und ich sage dir, worin dein Fehler besteht“ – Lenin. Derweil geht die Kampagne munter weiter. SPON veröffentlichte heute eine Eloge auf seinen Liebling Dietmar Bartsch, während Bodo Ramelow in der SZ Bartsch loben und Ernst beleidigen darf.
- Alterarmut – Status quo und Reformvorschläge
Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde brächte der gesetzlichen Rentenversicherung ein jährliches Plus von 2,8 Milliarden Euro ein.
Ein Mindestlohn von 8,50 € wäre im Verhältnis zu unserer westlichen Nachbarn keineswegs üppig, liegen doch die Mindestlöhne in allen unseren westlichen Nachbarländern höher (Niederlande: 8,74 €, Belgien: 8,58 €, Luxemburg: 10,16 €, Frankreich: 9,00 €).
Es gibt inzwischen mehrere Studien, die nachweisen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn nicht, wie von den Gegnern eines solchen Konzepts gerne behauptet, Arbeitsplätze vernichtet. So hat vor Kurzem eine Studie des Nürnberger Instituts für Arbeits- und Berufsforschung und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) ergeben, dass der 1997 eingeführte Mindestlohn im Bauhauptgewerbe nicht zu Beschäftigungsverlusten geführt hat.
Eine volle Belegung der Mini- und Midijobs mit Sozialversicherungsbeiträgen ergäbe ein Plus in der Rentenkasse von ca. 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Ein solcher Schritt würde außerdem zwischen den Arbeitgebern, die voll sozialversicherungspflichtige Arbeit in Mini- und Midijobs aufgespaltet haben und denjenigen Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voll sozialversicherungspflichtig beschäftigen, wieder Wettbewerbsgleichheit herstellen.
Nach der Studie der Prognos AG mit dem Titel „Fiskalische Effekte eines gesetzlichen Mindestlohns [PDF – 576 KB]“ aus dem Jahr 2011 würde ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 € pro Stunde der gesetzlichen Rentenversicherung Zusatzeinnahmen in Höhe von lediglich 1,397 Milliarden Euro einbringen. Da die Prognos AG bei ihren Berechnungen jedoch lediglich die Arbeitnehmerbeiträge einbezogen und die Arbeitgeberbeiträge (vermutlich versehentlich) nicht berücksichtigt hat (vgl. Tabelle 2 auf Seite 18 der Druckversion bzw. Seite 21 in der Internetversion), ist von rund doppelt so hohen Zusatzeinnahmen in Höhe von ca. 2,8 Milliarden Euro pro Jahr auszugehen. Die Arbeitgeberbeiträge wurden übrigens auch bei der Berechnung der Erhöhung der Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, der Pflegeversicherung und der Arbeitslosenversicherung vergessen. Die alleine durch Arbeitgeberbeiträge gespeiste Unfallversicherung (Sozialgesetzbuch VII) wurde gar nicht berücksichtigt.
Quelle 1: Diakonie Württemberg
Quelle 2: Der Vortrag [PDF – 482 KB]
Quelle 3: Der Vortrag [PPT – 2.8 MB]
Anmerkung JB: Sehr empfehlenswert!
- Eurokrise
- Thomas Fricke – Symptom Staatsschulden
Wenn die Kanzlerin mit ihrem Krisenmanagement auf immer größere Widerstände stößt, hat das im Kern einen einzigen Grund: Sie kämpft gegen die falsche Krise.
Europas Politiker haben bitterböse Schulden gemacht, Stabilitätspakte gebrochen und, ach, seit Jahrzehnten immer mehr ausgegeben. Jetzt kriegen sie, was sie verdient haben. Rums. Euro kaputt. So tönen frühere bayerische Ministerpräsidenten unwidersprochen bei Frau Illner. Oder eifrige Professoren für Finanzwissenschaften, zu deren Berufseignungsvoraussetzung nur nicht zu gehören scheint, ihre Theorien gelegentlich mit der Wirklichkeit abzugleichen.
So beliebt die Krisendiagnose hierzulande auch sein mag: Gut möglich, dass sie gar nicht stimmt. Die Staatsschulden sind in fast allen betroffenen Ländern erst nach Ausbruch der Finanzkrise drastisch gestiegen – nicht vorher. Was die gängige Erklärung deutscher Krisendeuter ziemlich absurd erscheinen lässt. Denn dann können die Staatsschulden logisch auch nicht Ursache gewesen sein.
Was hieße, dass auch unsere Kanzlerin seit zwei Jahren an Symptomen kuriert, statt tiefere Ursachen der (Finanz-)Krise zu beheben. Das kann Krankheiten verschlimmern – und auf die Deutschen jetzt zurückschlagen.
Quelle: FTD Wirtschaftswunder
- Europas verlorene Generation
Jugendzeit, unbeschwerte Zeit. Das war einmal. Für Millionen Jugendliche in Europa sieht die Gegenwart trist aus. Denn sie müssen die Folgen der Krise in Europa ausbaden. Eine Krise, die sie nicht verschuldet haben. Sie sind die ersten Leidtragenden von Massenentlassungen und Sparmaßnahmen. Hoffnung und Zuversicht sind Existenzangst und Perspektivlosigkeit gewichen. Hunderttausend junge Menschen gehen in Madrid, Athen und Rom auf die Straße, um gegen Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung zu protestieren. Die Ressentiments gegenüber Deutschland und Merkels rigider Sparpolitik nehmen europaweit zu. Daran kann der europäische Integrationsprozess scheitern.
Über 5,5 Millionen Jugendliche unter 25 Jah-ren sind in der Europäischen Union von Arbeitslosigkeit betroffen –ein Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit von über 40 % seit 2008. In den Krisenländern ist die Lage besonders desaströs. In Italien und Portugal ist jeder Dritte arbeitslos. Noch düsterer sieht es in Griechenland und Spanien aus. Dort ist mehr als die Hälfte der Jugendlichen ohne Beschäf-tigung (siehe Abbildung). Für eine der wohlhabendsten Regionen der Welt ist dies ein Armutszeugnis.
Arbeitslosigkeit ist mitnichten ausschließlich ein Problem von gering qualifizierten Jugend-lichen. Auch Hochschulabsolventen sind davon betroffen. Immer mehr junge AkademikerInnen suchen ihr Glück in den prosperierenden europäischen Wirtschaftszentren des Nordens. So verließen in den letzten Jahren allein 300.000 junge SpanierInnen ihr Land. Diese „Akademikerflucht“ verstärkt den ökonomischen Niedergang dieser Länder.
Quelle: DGB klartext [PDF – 102 KB]
- Hollande bringt das Fundament Europas ins Wanken
Frankreichs Präsident träumt vom Leben in der Hängematte aus deutschem Steuergeld. Die Kanzlerin darf bei den Euro-Bonds nicht einlenken. Auf dem Spiel steht nicht nur das Geld des Steuerzahlers.
Quelle: WELT
Anmerkung JB: Und ich dachte immer, Europas Fundament sei – je nach Weltanschauung – die Demokratie, die Menschenrechte, die christliche Tradition, die Aufklärung oder das Erbe der römisch-hellenistischen Kultur. Das nun die neoliberale Agenda und Merkels Austeritätsdogmatismus zum Fundament Europas erhoben wurde, ist wohl an mir vorbeigegangen. Auch ansonsten ist der Artikel von Florian Eder derart schräg, das man ihn schon beinahe für eine Persiflage halten könnte.
- Jens Berger: Warum Europa die Schulden vergessen muss
Was Anfang des Jahres noch als Schreckensszenario galt, wird langsam wahrscheinlich: der Ausschluss Griechenlands aus der EU und der Eurozone. Die Folge wäre eine politische und ökonomische Katastrophe. Welche Optionen stellen sich Europa?
Quelle: WOZ
- Griechenland kommt zum Erliegen
Angesichts der ungewissen Lage vereinbarte die sogenannte Euro-Arbeitsgruppe – der Zusammenschluss der Finanzstaatssekretäre aus den 17 Mitgliedsländern der Währungsunion -, dass jede Regierung einen Notfallplan erarbeitet, was bei einem Euro-Austritt der Griechen zu tun ist. Unter anderem sollen die einzelnen Staaten Vorkehrungen dafür treffen, dass ihre heimischen Banken nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
Denkbar sind auch vorbeugende Kontrollen des Kapitalverkehrs, die verhindern sollen, dass Bürger in anderen Ländern aus Angst vor einem Domino-Effekt alle Ersparnisse von ihren Konten abheben. Auch die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank, die Bundesbank und viele große Geschäftsbanken haben längst Krisenstäbe eingerichtet, die alle Szenarien durchspielen.
Quelle: SZ
- John Taylor: Bank Run Starting in Spain, Portugal and Italy
John Taylor, founder of the world’s largest currency hedge fund FX Concepts, spoke with Bloomberg Television’s Sara Eisen and Erik Schatzker this morning and said that the euro is poised to rebound ahead of Greek elections next month before resuming its decline against the dollar.
Taylor said, “We are way oversold in the euro…the euro will come up until the first of June or maybe the fourth. Then the reality of the Greek election will set in and we’ll start going down again. I don’t expect to see the euro get hammered in the next five or six days.”
Quelle 1: Bloomberg Television, Value Walk
Quelle 2: In Spain, Bank Transfers Reflect Broader Fears, New York Times
Quelle 3: Banken sorgen für „Bank Run“ vor; Raiffeisen International stockt Reserven auf, um für einen „Sturm auf die Bankschalter“ bei einem Griechenland-Exit „flüssig“ zu sein. Auch die Nationalbank fürchtet eine „massive Erschütterung“.
- Deutschland: detaillierte BIP-Daten zeigen das schiefe Wirtschaftsmodell
Gestern berichtete das Statistische Bundesamt (Destatis) in der 2. Schätzung die Daten zum BIP in Q1 2012 und auch die detaillierten Daten zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Zunächst wurde das vergleichsweise solide Wachstum des realen (preis-, saison- und kalenderbereinigten) Bruttoinlandsprodukts (BIP) von +0,5% zum Vorquartal bestätigt, zum Vorjahresquartal ging es unbereinigt noch um real +1,7% aufwärts. Die detaillierten Daten zeigen leider aufs Neue, dass viel Zeit vertan wurde und das schiefe und einseitig aufgestellte deutsche Wirtschaftsmodell nicht wirklich korrigiert wurde.
Die realen saison- und kalenderbereinigten Konsumausgaben der privaten Haushalte seit Q1 2000 bis Q1 2012 (2005=100) im Chart. In Q1 2012 stiegen die realen Konsumausgaben um +0,35% zum Vorquartal. Diese Daten dokumentieren eine Schwäche, denn seit dem Jahr 2000 bis Q1 2012 ist der reale private Konsum um “sagenhafte” +5,86% gestiegen. […]
Ganz klar, die Masse der Arbeitnehmer, als Summe aller Arbeitnehmerentgelte, partizipiert nicht adäquat an den Produktivitätsfortschritten und den permanenten Exporterfolgen Deutschlands, was ganz sicher Teil der deutschen wirtschaftspolitischen Strategie ist, die enorme Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft sichert und die Partner in der Eurozone an die Wand spielt!
Quelle: Querschuesse
- Anreizsysteme in der Medizin
Immer mehr Kliniken schrecken offenbar nicht davor zurück, Menschen unnötig zu behandeln oder gar zu operieren. Tendenz steigend. Seit sich die Krankenhäuser über Fallpauschalen finanzieren müssen, ist die Jagd auf möglichst viele Patienten offenbar eröffnet. Fast die Hälfte aller Chefärzte werden inzwischen in ihren Arbeitsverträgen sogar verpflichtet, jedes Jahr mehr Fälle zu generieren, um an ihr volles Gehalt zu kommen. Verdrängt der ökonomische Druck an vielen Kliniken die ärztliche Ethik? Immer mehr Ärzte haben Gewissenskonflikte
Quelle: WDR Monitor
dazu auch: Die Jagd nach Patienten? Wie an der Rhönklinik in Hildesheim Menschen womöglich krank therapiert wurden
An einer Klinik des privaten Rhön-Konzerns in Hildesheim wurde nach MONITOR-Recherchen möglicherweise eine Vielzahl von Patienten von einem dort praktizierenden Arzt fälschlicherweise mit radioaktivem Jod behandelt und geschädigt. Strahlenexperten der Ärztekammer Niedersachsen sprechen in ihrem Gutachten unter anderem von „bewusster Manipulation“ und von Laborwerten, wie sie „niemals zuvor beobachtet“ worden seien. An der Klinik wurden mindestens doppelt so viele dieser Behandlungen durchgeführt wie an vergleichbaren anderen Kliniken. Auch ein gutes Geschäft; denn für eine Behandlung bekommt die Klinik mindestens 2.200 Euro von der Krankenkasse.
Quelle: WDR Monitor
- Oppositionsparteien knüpfen Zustimmung zum Fiskalpakt an Bedingungen
dazu schriebt uns unser Leser H.W.: In den Tagesthemen ließ der Beginn des Berichtes ja noch hoffen, eröffnet wurde er mit einer Kritik am reinen Sparprogramm aus anderen europäischen Ländern. Dann ging es aber um die innenpolitische Auseinandersetzung. Was die “Annäherung” zwischen Regierung und Opposition bedeutet, fasst Ulrich Deppendorf in seinem Kommentar ab 4’10 zusammen, die Kernthesen lauten:
- Der Fiskalpakt muss kommen
- Hier in Deutschland hat man die wirtschaftliche Realität erfasst, Hollande muss ihr ins Auge sehen und auch noch überzeugt werden.
Dieses “There-is-no-alternative”, kombiniert mit der Stereotype “Deutschland steht für die wirtschaftliche Realität – Hollande muss das doch endlich begreifen” wurde uns von den tagesthemen ja mal wieder in äußerst schön kompakter Form schmackhaft gemacht. Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien, zum herrschenden Status Quo eine kritische Position einzunehmen, ist jedenfalls nicht zu erkennen. Es bleibt nur zu hoffen, dass Hollande das schon angedeutete Angebot, bei der SPD in Sachen Fiskalpakt Nachhilfeunterricht zu nehmen, nicht annimmt.
Quelle: ARD Tagesthemen
- James K. Galbraith: We Told You So
Like many Americans, I was doing everything I could to help elect Barack Obama. It wasn’t all that much—but as an economist in Texas, I had some authority on the thinking of former Senator Phil Gramm, John McCain’s chief economic adviser. I’d made the front page of the Washington Post describing Gramm as a “sorcerer’s apprentice of financial instability and disaster.” (Gramm, with a certain sense of humor, denied it.) For that, and for my experience drafting policy papers, I was in contact every few days with Obama’s economists.
Quelle: Naked Capitalism
- Die böse Bank
Zehn Jahre führte er das mächtigste Geldhaus der Republik – nun geht er. Unter Ackermann stieg die Deutsche Bank in die Weltliga auf. Doch ihr Ruf ist angekratzt, und viele Kunden klagen milliardenschwer wegen Betrugs.
So rächt sich jetzt, dass Ackermann in den zehn Jahren an der Bankspitze radikal auf den Ausbau des Investmentbankings nach angelsächsischem Vorbild setzte und dabei moralische Kriterien für das Geschäft auf der Strecke blieben. Sein engster Partner war der indischstämmige Investmentbanker Anshu Jain, der nun die Nachfolge antritt. Dabei war es gerade Jain, der das Geschäft mit jenen komplexen Wertpapieren leitete, wegen der nun eine Flut von Klagen gegen die Bank läuft. Mit welch fragwürdigen Geschäftspraktiken Jains Leute dabei arbeiteten und wie zigtausend US-Bürger sowie die deutschen Steuerzahler dafür bluten müssen, dokumentiert nun ein Film des WDR, der am Montagabend in der ARD gesendet wurde.
Quelle: Handelsblatt
- Das doppelte Spiel der Banken beim Facebook-Debüt
Als die Aktie von Facebook am Tag des Börsendebüts nach einem guten Start nach unten stürzte, versuchten Händler von Morgan Stanley verzweifelt, den Kurs zu stützen. Andere Manager von Konsortialbanken waren da weniger engagiert. Sie halfen Leerverkäufern bei ihren Wetten darauf, dass die neue Aktie auf Talfahrt gehen würde.
Quelle: wsj.de
Anmerkung JB: Herrje, was soll den eigentlich diese ganze Aufregung? Kleinanleger wurden beim Facebook-IPO abgezockt? Na, damit konnte ja auch wirklich niemand rechnen. Wer bei einem Börsengang Aktien zu einem derartigen Mondpreis zeichnet, ist kein Investor, sondern ein Spekulant. Und wer sich als Kleinanleger in das Haifischbecken der Spekulanten wagt, muss damit rechnen, dass er darin umkommt. So funktioniert das Finanzcasino, aber das scheint sich noch nicht weit genug herumgesprochen zu haben. Wahrscheinlich tauchen demnächst noch rührselige Geschichten von Familienvätern auf, die das Studiengeld für ihren Nachwuchs in Facebook-Aktien „investiert“ haben. Da hätten sie das Studiengeld auch bei einem Hütchenspieler am Hauptbahnhof „investieren“ können.
- Mehr Woorking Poor in Deutschland
Armut bei Erwerbstätigen und Arbeitslosen hat sich in Deutschland zwischen der Einführung der Hartz-Reformen und dem Jahr 2009 stärker ausgebreitet als in allen anderen EU-Ländern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung aus dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis der neuesten derzeit verfügbaren Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat.
Seit 2004 sind die Beschäftigtenzahlen in Deutschland kräftig gewachsen, die Arbeitslosigkeit hat deutlich abgenommen. Doch die positive Entwicklung hat eine Schattenseite, sagt WSI-Forscher Dr. Eric Seils: “Analysiert man die soziale Lage der Erwerbsbevölkerung, dann zeigt sich, dass die deutschen Beschäftigungserfolge mit einem hohen sozialen Preis verbunden waren.”
Der Sozialwissenschaftler hat die EU-weite Erhebung von Armutsdaten ausgewertet, die aktuell bis zum Einkommensjahr 2009 vorliegen. 2009 waren laut Eurostat in Deutschland 7,1 Prozent der Erwerbstätigen von Arbeitsarmut betroffen. Das heißt, ihnen standen weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens zur Verfügung – das ist die gängige wissenschaftliche Armutsgrenze. In Deutschland liegt diese Schwelle für einen Alleinstehenden bei 940 Euro im Monat.
Im Vergleich zu 2004 ist der Anteil der “Working Poor” um 2,2 Prozentpunkte gestiegen. Damit nahm die Arbeitsarmut in Deutschland, ebenso wie in Spanien, deutlich stärker zu als in allen anderen EU-Staaten. Im Durchschnitt der Gemeinschaft wuchs die Armutsquote unter Erwerbstätigen nach Eurostat nur um 0,2 Prozentpunkte. Der überdurchschnittliche Anstieg führte dazu, dass Deutschland mittlerweile bei der Arbeitsarmut im europäischen Mittelfeld liegt. Zuvor war das Problem in der Bundesrepublik vergleichsweise selten.
Noch weitaus drastischer stieg seit 2004 die Armutsquote unter Arbeitslosen – um 29 Prozentpunkte. Im EU-Durchschnitt waren es nur 5 Prozentpunkte. 2009 hatten 70 Prozent der Arbeitslosen in Deutschland nur ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze – 25 Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt der 27 EU-Staaten.
Parallel zur Ausbreitung der Arbeitsarmut in Deutschland nahm auch die atypische Beschäftigung kräftig zu, so Seils.
Quelle: Böckler Impuls 9/2012
Dazu: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen)
Im Dezember 2011 lebten in der Bundesrepublik Deutschland 4,427 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte…in sog. SGB II-Bedarfsgemeinschaften.
Dies waren 274.000 weniger als ein Jahr zuvor und 884.000 weniger als Ende 2006. Die wesentlichen Gründe für diesen Rückgang, ohne Wertung: mehr Erwerbstätige, weniger Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, gesetzliche Änderungen (u.a. Kinderzuschlag, Anrechnung von Elterngeld). Gleichzeitig dürfte die Zahl der erwerbsfähigen Frauen und Männer deutlich gestiegen sein, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, aber trotz Erwerbstätigkeit in finanziellen Verhältnissen leben, die, wenn überhaupt, nur geringfügig über dem Hartz IV-Niveau liegen.
Dies jedenfalls legen die Ergebnisse der vor einigen Tagen veröffentlichten DIW-Untersuchung des wachsenden Niedriglohnsektors nahe [PDF – 602 KB].
Der Anteil der Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren, …betrug im Dezember 2011 in der Bundesrepublik Deutschland 8,2 Prozent.
Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ) [PDF – 186 KB]
- Deutsche horten 4.750.000.000.000 Euro
Die Deutschen sind so reich wie nie. Rund 4.715.000.000.000 – vier Billionen siebenhundertfünfzehn Milliarden – Euro Geldvermögen haben die Deutschen im Jahr 2011 angehäuft. Diese Zahl hat die Bundesbank jetzt bekanntgegeben.
Quelle: SZ
Anmerkung WL: Solche Zahlen belegen nicht mehr und nicht weniger, als die zunehmende Kluft zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut. Viel interessanter wäre jedoch, die Angabe wie sich das Geldvermögen „der“ Deutschen verteilt. Doch darüber schweigt sich die Bundesbank natürlich aus.
- Die Macht der Sportschützen
Nur Glück und ein professioneller Polizeieinsatz verhinderten wohl in Memmingen den Amoklauf eines Schülers. Der Junge hatte offenbar Waffen seines Vaters an sich gebracht, eines Sportschützen. Doch obwohl der Missbrauch schwerer Waffen in Deutschland schon mehr Opfer gefordert hat als der Terror der RAF, scheuen sich Politiker, das Waffengesetz zu verschärfen.
Quelle: SZ
- Intelligente Aufrüstung an den Außengrenzen der EU
“Smart” sollen die europäischen Grenzen werden, intelligent: Mit einer 2 Milliarden Euro teuren technologischen Offensive will die EU in den nächsten Jahren ihre Außengrenzen aufrüsten. Kern des sogenannten Smart Border Package ist die lückenlose Erfassung sämtlicher Ein- und Ausreisen von Drittstaatlern in die EU. Rund 100 Millionen Menschen reisen jedes Jahr in die EU ein. Bisher müssen sie ihre biometrischen Daten abgeben, wenn sie ein Visum beantragen, Angehörige von Staaten, die von der Visapflicht befreit sind, werden nicht biometrisch erfasst. Das soll anders werden. “Die EU plant die größte Fingerabdruckdatei der Welt”, sagt die grüne EU-Abgeordnete Ska Keller. Die vernetzten Grenzposten sollen künftig jede Bewegung an den Außengrenzen dokumentieren. Offiziell sollen so “overstayes” identifiziert werden – also Personen, die länger in der EU bleiben, als erlaubt.
Quelle 1: taz
Quelle 2: boell
Anmerkung Orlando Pascheit: Diese Aufrüstung ist in etwa so intelligent wie die Sparprogrammatik der EU. Wenig Ursachenforschung, keine gezielten Maßnahmen und viel Propaganda.
- Nabucco – Ab jetzt schweigt der Gefangenenchor
[…] Nach dem berühmten Gefangenenchor aus der Verdi Oper „Nabucco“ erhielt das Projekt seinen Namen, doch jetzt steht de facto fest, dass die Befreiung aus russischer Haft misslungen ist. Nabucco hatte seit Jahren geschwächelt, einmal weil die Pipline sehr teuer ist, vor allem aber, weil nie ganz klar war, wie sie eigentlich gefüllt werden soll.
Quelle: taz
Anmerkung JB: Da ist „Europa“ wohl in die Sanktionsfalle getappt. Es steht schon seit langem fest, dass die Gazprom und die Chinesen die Erdgasreserven des Kaspischen Meers nicht via Nabucco nach Europa gehen lassen. Nabucco könnte aber gefüllt werden – mit den riesigen Erdgasvorkommen Irans. Aber mit Iran macht man ja keine Geschäfte – bei den „kaspischen“ Potentaten in Usbekistan, Aserbaidschan und Kasachstan (alle samt, waren als Nabucco-Lieferant fest eingeplant) schaut man hingegen lieber nicht so genau hin, wenn es um Demokratie und Menschenrechte geht. Putin und Gazprom-Chef Miller reiben sich bei jeder neuen Sanktionsrunde gegen Iran derweil freudig die Hände. So lange Europa sich von Washington zu unsinnigen Sanktionen überreden lässt, wird es sich auch nicht aus der „russischen Haft“ befreien können.
- Umschlagplatz und Handelszentrum für Drogen – Drogenalltag und Drogenpolitik in Afghanistan
Eine globale Allianz von mehr als 50 Staaten beendet 2014 ihren Kampf gegen al-Kaida und die religiösen Fanatiker der Taliban in Afghanistan. Doch der nächste Krieg im Land hat gerade begonnen. Der Krieg gegen die Drogen.
Quelle: Deutschlandradio (Text)
Quelle: Deutschlandradio [Audio – mp3]
- Grundrechte-Report 2012
- Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland.
Ein Schwerpunkt des aktuellen Berichts ist die Freiheit im Netz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Berichtet wird auch über viele andere Eingriffe in Grundrechte:
- Abschiebungen in syrische Foltergefängnisse
- Terrrorismusbekämpfungsgesetze
- Sitzblockaden und Versammlungsfreiheit
- Eingeschränktes Adoptionsrecht für Lebenspartner
Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, H. Fechner, R. Gössner, U. Engelfried und M. Küster.
Preis € 10,99; 234 Seiten; ISBN 978-3-596-19422-3
Fischer Taschenbuch Verlag; Juni 2012
Quelle 1: Grundrechtekomitee
Quelle 2: Gesundheit als Industrieprodukt? – Zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte [PDF – 111 KB]
- Die Radioretter: Brief an den Rundfunkrat des WDR
In diesen Tagen, auf der heutigen Sitzung des Programmausschusses und auf der Rundfunkratssitzung am 30.Mai, sollen Sie über die Veränderungen des Kulturprogramms WDR 3 entscheiden. Sie tun dies nach vielen Wochen öffentlicher Proteste und gut besuchter Veranstaltungen, nach Eingang eindringlicher Appelle – und auf Grundlage eingehender Analysen und Stellungnahmen, die wir Ihnen übermittelt und im Internet zur Diskussion gestellt haben. Widerlegt wurden unsere Analysen zu keinem Zeitpunkt. Jeder, der dies will, kann sich deshalb ein klares Bild von den Einschnitten machen, die von der WDR-Leitung im Kulturradio geplant sind.
Und niemand wird behaupten können, nicht gewusst zu haben, wofür er sich entschied, als es zur Abstimmung kam.
Auch wird sich niemand der Einsicht verweigern können, dass sich der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk über WDR 3 hinaus in einer Krise befindet.
Quelle: Die Radioretter [PDF – 70 KB]
- Von festen Arbeitsverträgen können die meisten Nachwuchsforscher nur träumen
Was in der ach so rauen freien Wirtschaft undenkbar wäre, ist in der Wissenschaft Standard: der Fristvertrag. Unglaubliche 84 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter sind befristet angestellt.
Quelle 1: Deutschlandradio (Text)
Quelle 2: Deutschlandradio [Audio – mp3]
- Die neue Elite
Lange galten Gesamtschulen als Relikte der 70er Jahre. Doch im neuen zweigliedrigen System erleben sie einen Boom. Doch für alle sind sie längst nicht mehr.
Gerade die einst als „Schulen für alle“ gegründeten Gesamtschulen werben heute verstärkt um leistungsstarke Schüler und setzen dabei auf Auswahlverfahren, die zuweilen stark an die Elitenrekrutierung in Gymnasien erinnern. Die Spielregeln sind je nach Bundesland verschieden…
Gerade für die Schüler, die die meiste Förderung bräuchten, wäre es so am schwierigsten, an die Schule ihrer Wahl zu gelangen, meint Sack. Allerdings, räumt er ein, befänden sich Schulen, an denen überwiegend leistungsschwächere Schüler lernten, in einem Dilemma: „Die Schüler dort sind insgesamt weniger erfolgreich.“
Und diesen Schulen droht das gleiche Schicksal wie vielen Hauptschulen: sie werden zu „Restschulen.“
Quelle: taz
- Buch zur Occupy-Bewegung – Ansichten eines aufgeschlossenen Anarchisten
In seinem neuen Buch “Inside Occupy” berichtet David Graeber, Vordenker der Occupy-Bewegung, vom brutalen Vorgehen der Polizei gegen die Proteste, prangert Medien und Politiker an und hofft, dass Occupy klassenübergreifend wirksam sein wird. Auch wenn die politischen Vorstellungen des Autors oft fantastisch sind – amüsant ist die Lektüre seines Buches allemal.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
- Zu guter Letzt: Hallo Herr Augstein
Unser Leser H.K. ließ uns folgenden Leserbrief zukommen, den er an den Freitag-Herausgeber Jakob Augstein geschickt hat:
Hallo Herr Augstein,
in der nächsten Ausgabe könnten Sie denselben Text wieder verwenden, sie bräuchten nur den Namen Oskar Lafontaine durch Jakob Augstein ersetzen, Sie könnten dann selbst beurteilen, welche Variante der Wirklichkeit näher kommt.
Ich will Ihnen gern diese Arbeit abnehmen und den Gutenberg machen.
Und der Zukunft zugewandt
Warum es gut ist, dass Jakob Augstein nicht mehr Verleger vom Freitag sein wird.
H.K. über das Ende eines Großjournalisten
Jakob Augstein hat bekannt gegeben, dass er nicht mehr Verleger vom Freitag sein will. Das ist gut. Es sieht aus wie ein Zusammenbruch. Aber es ist in Wahrheit ein Neuanfang. Und der war überfällig. In seiner Geschichte hat Jakob Augstein dem Freitag zwei große Dienste erwiesen: Er hat ihn neu gegründet und nun lässt er ihn los. Es hätte keinen Besseren gegeben, das Projekt einer neuen linken Kraft(Zeitung) in ganz Deutschland aufzunehmen als ihn. Und keinen Schlechteren, es zu vollenden. Ob der Freitag ohne Augstein eine Zukunft hat, ist unsicher. Aber es ist sicher, dass er mit ihm keine gehabt hätte.
Es geschieht ja nicht oft, dass Eitelkeit und Energie, Intelligenz und Geschick, Lust und Wille sich bei einem Journalisten so wirkungsvoll vereinen wie bei Jakob Augstein. Aber gerade die Großen halten sich gerne für noch größer, als sie sind. Augstein wollte den Freitag ganz zu einem Organ seiner politischen Persönlichkeit machen. Dafür aber sind Zeitungen nicht da. Und der Freitag vor allem darf dafür nicht da sein.
Den ganzen Text finden Sie hier [PDF – 53 KB].