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Titel: „Diktatfrieden“ als dauerhafte Lösung des Ukraine-Konflikts
Datum: 28. April 2025 um 10:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Friedenspolitik, Militäreinsätze/Kriege
Verantwortlich: Redaktion
Die USA und Russland verhandeln weiter über eine Lösung des Ukraine-Konflikts. Laut russischem Außenminister sind nur noch Detailfragen zu klären. In Deutschland spricht man in diesem Zusammenhang von „Diktatfrieden“. Dabei kommen aus Westeuropa keine Vorschläge, die eine dauerhafte Beilegung des Konflikts ermöglichen würden. Dort setzt man im Gegenteil auf seine Verlängerung und ignoriert die Willensbekundungen der Menschen im Osten des Landes und auf der Krim. Sie wollen nicht zur Ukraine gehören. Von Gert-Ewen Ungar.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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US-Sondergesandter Steve Witkoff hat in der vergangenen Woche ein weiteres Mal Russland besucht und sich direkt mit Russlands Präsident Wladimir Putin zum Gespräch getroffen. Das Gespräch dauerte laut russischen Medien rund drei Stunden. Es ging dabei um die Regulierung des Ukraine-Konflikts, aber auch um generelle geopolitische Fragen. Ein Ergebnis ist, dass Russland zu direkten Gesprächen mit der Ukraine bereit ist. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte bereits im Vorfeld, man habe sich weitgehend angenähert. Es seien nur noch Details zu klären.
US-Präsident Trump hat in diesem Zusammenhang zur Krim-Frage Stellung genommen. Die Krim wird russisch bleiben, sagte er. Mit dieser Aussage löste er ein Erdbeben in deutschen Medien und deutscher Politik aus. Man ist empört. Es ist erneut von Diktatfrieden die Rede.
In Deutschland wird die Floskel vom „Diktatfrieden“ benutzt, um auszudrücken, dass eine Rücksichtnahme auf russische Interessen nicht hinnehmbar ist.
Es dürfe zudem keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Ukraine getroffen werden. Exemplarisch für viele andere ähnliche Äußerungen sei hier auf Katrin Göring-Eckardt verwiesen. Die grüne Abgeordnete und ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages sieht im „Deal“ Trumps mit Russland die „Unterwerfung der Ukraine“.
Ein Deal mit Russland? Ohne die Ukraine? Was für ein Deal soll das sein? Unterwerfung der Ukraine ist kein Weg zum Frieden, darum geht es den Trumpisten offenbar auch gar nicht. Ihnen geht ausschließlich um den eigenen Vorteil: Beim Frieden, bei seltenen Erden, bei Sicherheit. pic.twitter.com/KjUJPd25hw
— Katrin Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) April 24, 2025
Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht absurd. Nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 lebte das Land über mehrere Jahrzehnte unter einem „Diktatfrieden“ sehr gut, obwohl es aufgeteilt in zwei Staaten, besetzt und unter Aufsicht gestellt war. Dennoch waren beide deutsche Staaten wirtschaftlich erfolgreich, wenn auch in unterschiedlichem Maß. Der Wiederaufbau nach dem Krieg und die Integration in die jeweiligen transnationalen Strukturen gelang. Vor allem aber gelang es, eine Zeit dauerhaften Friedens in Europa zu installieren. Die rigorose Ablehnung eines „Diktatfriedens“ seitens deutscher Politiker ist angesichts der eigenen Geschichte unverständlich.
Auch die Formel, keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Ukraine, ist bizarr angesichts des historischen Ablaufs des Konflikts. Sowohl die Krim als auch der Donbass haben sich bereits entschieden. In Referenden haben sie zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht Teil der Ukraine sein wollen. Diese Entscheidung der Ukraine und der vom Konflikt unmittelbar betroffenen Bevölkerung wird von denjenigen, die fordern, die Ukraine müsste in Verhandlungen mit einbezogen werden, konsequent ignoriert. Die Bevölkerung auf der Krim und im Donbass hat nach Auffassung von Göring-Eckardt und Co. keinen Anspruch darauf, dass ihre vitalen Interessen berücksichtigt werden.
Der US-Vorschlag berücksichtigt sie. Der jetzt vorliegende Vorschlag der USA einer Aufteilung der Ukraine setzt den Willen der Menschen in der Ostukraine und auf der Krim um. Dass dies von den Westeuropäern und Politikern wie Göring-Eckardt abgelehnt wird, bedeutet, dass es ihnen eben nicht um dauerhaften Frieden geht. Mit der Teilung der Ukraine wäre eine der Ursachen des Konflikts gelöst. Dass dies von deutscher Politik vehement zurückgewiesen wird, weist daher in eine andere Richtung. Westeuropa geht es nicht um Frieden, sondern um die Ausdehnung des machtpolitischen Einflussgebiets. Russland soll sich beugen, das Wohl der Ukraine wird westlichen Machtinteressen untergeordnet.
Das macht auch die Geschichte des Konflikts deutlich. Der Weg zum Erhalt der territorialen Integrität der Ukraine war Minsk 2. Der nach dem Putsch im Jahr 2014 im Osten des Landes ausgebrochene Bürgerkrieg sollte durch die Föderalisierung der Ukraine befriedet werden. Die Ukraine hat die Umsetzung der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung zunächst hinausgezögert und ihr schließlich eine Absage erteilt. Unterstützung erhielt sie dabei unter anderem von Deutschland. Die Sabotage von Minsk 2 stellte einen zentralen Schritt der Eskalation dar. Nach der Absage an die Umsetzung und der Zunahme des Artillerie-Beschusses von Donezk und Lugansk durch die Streitkräfte der Ukraine im Januar 2022 folgte die Anerkennung der Donezker und Lugansker Volksrepubliken durch Russland und die Zusage, sie militärisch zu unterstützen. Der damalige US-Präsident Joe Biden hat für den Beschuss von Donezk und Lugansk übrigens grünes Licht gegeben. Deshalb konnte er den Einmarsch Russlands vorhersagen.
Diese Eskalation hätte vermieden werden können, wenn man es hätte vermeiden wollen. Aber der Westen und Deutschland wollten es eben nicht. Deutschland hat zwar dieses Mal nicht zuerst geschossen, aber im Verbund mit seinen Partnern alles dafür getan, dass geschossen wird. Inzwischen setzt deutsche Politik auf die Verlängerung des Konflikts. Deutschland unternimmt nun alles dafür, dass auch noch möglichst lange geschossen wird. Propagandistisch wird dies verkleidet als Deutschlands Einsatz für einen „gerechten Frieden“. Das ist natürlich von einem menschenverachtenden Zynismus, denn „gerecht“ ist an den deutschen Vorstellungen nichts.
Inzwischen gibt es auch einen Gegenvorschlag der ukrainischen Seite, der von den Westeuropäern unterstützt wird. Er entstand demnach bei den Verhandlungen in London, an denen neben der Ukraine, Frankreich und Großbritannien auch Deutschland beteiligt war. Faktisch ist der Vorschlag allerdings mit Selenskyjs sogenanntem Friedensplan identisch und stellt daher keinen echten diplomatischen Fortschritt dar. Die Forderungen sind lediglich etwas umformuliert.
Ein NATO-Beitritt ist zwar nicht explizit vorgesehen. Dafür sollen Truppen von NATO-Ländern als „Friedenstruppen“ und als Sicherheitsgarantie in die Ukraine entsandt werden. Zudem sollen die USA für die Sicherheit der Ukraine garantieren. Gegenüber der Ukraine soll eine Beistandspflicht analog zum Artikel 5 des NATO-Vertrags gelten. Damit wäre die Ukraine, obwohl formal nicht in der NATO, de facto Teil des Bündnisses. Obergrenzen für Soldaten und militärisches Gerät soll es nicht geben, auch keine Neutralitätspflicht.
Der Vorschlag hat schon deshalb keine Aussichten auf Umsetzung, weil er an den Ursachen des Konfliktes festhält und sie sogar zementieren möchte. Die Frage der Zugehörigkeit des Donbass und der Krim soll erneut aufgeschoben werden. Es droht die Rückkehr endloser Verhandlungsrunden in einer neuen Variante des „Normandie-Formats“, wie es sie nach Abschluss von Minsk 2 gab. Da diese nur dazu dienten, der Ukraine Zeit zur Aufrüstung zu verschaffen, wie die damalige deutsche Verhandlungsführerin Angela Merkel zugab, wird sich Russland darauf nicht einlassen.
Der aktuelle Vorschlag der Westeuropäer und der Ukraine stellt aber noch aus einem anderen Grund kein ernsthaftes Gesprächsangebot dar. Er nimmt die prekäre militärische und wirtschaftliche Situation der Ukraine nicht zur Kenntnis. Er nimmt auch nicht zur Kenntnis, dass die Westeuropäer nicht über die Mittel verfügen, um die Waffenlieferungen der USA zu ersetzen. Die westeuropäische Rüstungsindustrie ist weit davon entfernt, Artilleriemunition und Drohnen in dem Umfang produzieren zu können, die den Bedarf der Ukraine decken, wenn der Krieg mit der jetzigen Intensität weitergeführt werden soll. Die EU und Großbritannien täuschen hier Fähigkeiten vor, die sie nicht besitzen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ukraine als auch die Westeuropäer ihrer Strategie treu bleiben, keinen Beitrag zur Lösung des Konfliktes zu leisten. Sie setzen weiter auf Krieg. Es ist daher notwendig, Westeuropa weiterhin aus den Verhandlungen zu halten.
Ein „Diktatfrieden“, wie er sich als Ergebnis der Verhandlungen zwischen den USA und Russland andeutet, ist für die Ukraine die beste Lösung. Denn er eliminiert die Ursache des Konflikts dauerhaft. Eine Allianz der Ukraine mit den Westeuropäern bedeutet dagegen ihre vollständige Zerstörung als Staat.
Titelbild: Melnikov Dmitriy/shutterstock.com
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