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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages II
Datum: 11. Mai 2012 um 15:55 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung JB: Die Blockupy-Aktiontage finden vom 16. bis 19. Mai statt. Das Programm liest sich recht interessant. Vielleicht hat der eine oder andere Leser ja Lust, den Protest zu unterstützen.
So sollen am 17. Mai zentrale Plätze der Stadt besetzt werden, um Raum für Diskussion und inhaltlichen Austausch zu schaffen. Am 18. Mai soll der Geschäftsbetrieb der EZB und weiterer Banken und Konzerne in Frankfurt blockiert werden, um die tiefe Empörung über Krisenbearbeitung von Troika und der Regierung zum Ausdruck zu bringen. Am Samstag, 19. Mai, folgt eine große europäische Demonstration. Der Protest richtet sich gegen die europaweite Verarmungspolitik der Troika aus der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und den Internationalen Währungsfonds IWF.
Während der Aktionstage wird es ein vielfältiges Programm aus Konzerten, Workshops, Diskussionsrunden, Asambleas und vielen weiteren kreativen Aktionen geben.
Die 17 Veranstaltungen sind alle ordnungsgemäß angemeldete, die Stadtverwaltung hat nun alle verboten, heute noch erging eine Verbotsverfügung gegen eine Mahnwache von Ordensleuten für den Frieden und gegen eine Tanz-Demo “Rave against the Troika”.
Die Stadt Frankfurt will in der Finanzmetropole offensichtlich Friedhofsruhe, die Rechte der Bänker und Reichen sind wichtiger als die Rechte der Armen und Entrechteten. Ein solches totales Demonstrationsverbot ist in der Geschichte der BRD einzigartig. Dieses Verbot stellt eine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Demonstrationsrechts dar. Damit sollen die Proteste gegen eine Krisenpolitik, die tief in das Leben von Millionen von Menschen in Europa eingreift, komplett verhindert werden.
Es ist entscheidend, in einem ersten Schritt den Protest gegen das Demonstrationsverbot zu entwickeln, dazu könnt ihr hier eine Protestresolution online unterschreiben.
Einen aktuellen Infoticker dazu gibt es hier.
Dann möchte ich persönlich zur Teilnahme an den Protesten aufrufen. Es ist einfach nötig, den Reichen und Mächtigen die Stirn zu bieten, im „Herzen der Bestie“ gegen die europaweite Verarmungspolitik zu protestieren und klarzumachen, hier und jetzt ist Schluss! Hinzu kommt, dass nunmehr auch für das Demonstrationsrecht gestritten werden muss. Zudem ist davon auszugehen, das die Verbotsverfügungen gerichtlich keinen Bestand haben werden.
Alle Demokratinnen und Demokraten können über dieses rechtswidrige und undemokratische Vorgehen nur aufs Äußerste entsetzt sein und eine sofortige Rücknahme dieses Totalverbots fordern. Was auf dem Tahrir-Platz in Kairo, an der Puerta del Sol in Madrid oder im Central Park von New York möglich war, muss auch in Frankfurt am Main möglich sein!
Heute kam die Meldung rein, dass Musiker und Künstler wie Konstantin Wecker und andere dazu aufrufen: „Kommt massenhaft – wir lassen uns weder Konzerte, noch das Demonstrieren verbieten!“, dem ist nichts hinzuzufügen und daher auch mein Aufruf: auf nach Frankfurt!
Mehr dazu.
Quelle: Harald Thomé
Anmerkung JB: Westerwelles Sicht der Dinge ist schlicht antidemokratisch. In einer Diktatur mag die Unterschrift des Staatschefs ausreichen, um ein Gesetz zu verabschieden. In den europäischen Demokratien ist dazu immer noch wenigstens die Zustimmung des Parlaments notwendig. Das versteht man unter Gewaltenteilung. Die Exekutive, die Merkel und Westerwelle vertreten, darf keine Gesetze verabschieden. Dies ist die Aufgabe der Legislative. Vielleicht sollte Guido Westerwelle noch einmal die Schulbank drücken. So etwas lernt man eigentlich bereits dort.
Anmerkung Orlando Pascheit: Mein Gott, jetzt wissen wir also, dass auch die Regierung wusste, was einer breiten Öffentlichkeit durch die Medienberichterstattung bekannt war: Italien arbeitete mit Buchungstricks. Genauso, wie später die kreative Buchführung der Griechen bekannt war. Vor der politischen Kurskorrektur sprach sogar Finanzminister Waigel noch im Herbst 1995 im Bundestag davon, dass Italien und Belgien den Maastricht-Kriterien eventuell nicht standhalten könnten. Auch im Gutachten der Bundesbank stand zu lesen, dass Belgien und Italien der Gang in einen gemeinsamen Währungsraum zu früh komme. Der damalige Bundesbankchef Hans Tietmeyer führte aus:
“Wenn ein Land oder große Teile der Union nicht in der Lage sind, im Wettbewerb mitzugehen, dann in der Tat kann die Währungsunion für sie ein abschnürendes Korsett werden – abschnürend in der Weise, dass man die Geldpolitik als nationale Politik nicht mehr verfügbar hat und Wechselkursänderungen nicht mehr vornehmen kann; man ist auf Gedeih und Verderb in diese Währungsunion eingebunden. Dessen müssen sich alle Länder bewusst sein.” – Auch wenn das für die damalige Regierung kaum relevant war, auch der intelligenteste politische Kopf dieser Zeitenwende betätigte sich bereits 1991 als einsamer Rufer in der Wüste: Oskar Lafontaine richtete sich gegen die Maastricht-Währungsunion, „in der eine einheitliche Zentralbank die Geldpolitik steuert, während in den einzelnen Nationalstaaten eine unterschiedliche Tarif, Sozial und Fiskalpolitik gemacht wird.” Würde man den eingeschlagenen Weg weitergehen, führe das zu einer Instabilität der Währung und gewaltigen Transferleistungen in die schwächeren europäischen Mitgliedstaaten. – Tja, hätte man sich damals mehr Zeit gelassen und mehr Sorgfalt verwendet, kann man klagen, aber wir heute sind gezwungen mit dieser Währungsunion zu leben. Der Weg in einen Süd- und einen Nordeuro z.B. ist mit soviel Ungewissheiten gepflastert, dass einem bange wird. Obschon auch jetzt ein Auseinanderbrechen der Europäischen Währungsunion zu befürchten ist.
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Die Forderung des bayrischen Finanzministers Söder (CSU) nach einer Halbierung der Erbschaftsteuer ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten. In den vergangenen 15 Jahren wurde die Erbschaftsteuer in Deutschland bereits mehrmals abgesenkt. Söder möchte nun einen ruinösen Wettbewerb unter den Bundesländern anheizen, der in der Konsequenz dazu führen würde, die Erbschaftsteuer in Deutschland gegen null tendieren zu lassen. Die Einnahmebasis der Länder würde weiter geschwächt, Nutznießer wären einzig und allein die Erben großer Vermögen (die allermeisten Erbberechtigten sind wegen hoher Freibeträge von der Erbschaftsteuer ohnehin nicht betroffen).
Der Blick in die OECD-Statistik zu den Einnahmen der OECD-Staaten aus der Erbschafts- und Vermögenssteuer in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt zeigt, daß Deutschland bei diesen Steuern im OECD-Vergleich bereits heute die zweitniedrigsten Steuereinnahmen zu verzeichnen hat. Die deutschen Vermögensbesitzer und die deutschen Erben großer Vermögen (insbesondere Firmenvermögen) werden im internationalen Vergleich bereits heute extrem stark geschont.
Söders “Argument”, bei der Erbschaftsteuer handele es sich um eine “Doppelsteuer”, ist an Verlogenheit kaum noch zu überbieten. Denn auch bei den die Niedrig- und Durchschnittsverdiener überproportionl belastenden Verbrauchsteuern (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc.) handelt es sich um eine “Doppelsteuer”, die aus bereits versteuerten Löhnen und Gehältern zu entrichten ist. Wir werden wohl bis zum Sanktnimmerleinstag auf die Forderung Söders warten müssen, wegen der “Doppelsteuer” die von Schwarz-Rot vorgenommene Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent wieder rückgängig zu machen.
Auf der politischen Tagesordnung müßte statt einer weiteren Absenkung eine Erhöhung der Erbschaftsteuer stehen. Würden die Konservativen und Neoliberalen bei der Steuerpolitik ihre eigene Ideologie auch nur halbwegs ernst nehmen, dann müßten gerade sie für eine stärkere Besteuerung großer Erbschaften eintreten. Denn die neoliberale Parole “Leistung muß sich wieder lohnen” wird durch die weitgehende Steuerbefreiung bei der Vererbung von aus Sicht der Erbberechtigten “leistungslosem” Vermögen geradezu ad absurdum geführt. Der von Konservativen und Neoliberalen geleistete Widerstand gegen eine höhere Besteuerung großer Erbschaften und erst recht Söders Forderung nach einer Halbierung der Erbschaftsteuer zeigt, daß es diesen in Wirklichkeit nur um eine egoistische Reichtumsmehrung zu Gunsten der vermögenden “Eliten” geht.
Quelle: FTD Wirtschaftswunder
Anmerkung JB: Der Öko-Schickeria vom Prenzlauer Berg waren die Arbeitsbedingungen der emsigen Bienen, die ihnen ihr politisch korrektes Leben ermöglichen, doch eigentlich schon immer komplett egal. Für Leser, die das Thema interessiert, sei hier noch einmal wärmstens der nun schon fünf Jahre alte Artikel „Bionade-Biedermeier“ aus der ZEIT empfohlen – bis heute hat sich an den beschriebenen Umständen nichts geändert.
Anmerkung Orlando Pascheit: Die NachDenkSeiten haben heute Morgen auf den Artikel von John Goetz, Hans Leyendecker, Nicolas Richterund Tanjev Schultz hingewiesen: “Anatomie eines Staatsversagens: Warum es der Polizei nie gelang, die Terroristen zu finden“.
Leider ist er kostenpflichtig. Es ist einfach erschütternd zu lesen, wie die Spezialermittler der Landeskriminalämter und des BKA die Morde der Neonazi-Zelle über ein Jahrzehnt der kriminellen Unterwelt zuordneten. Fast gespenstisch mutet ein Treffen der Familie der deutschen Profiler bzw. der Ermittler der Abteilung ‘Operative Fallanalyse’ (OFA) im April 2007 an. Die Crème de la Crème der deutschen Ermittler kommt einfach nicht dazu, den naheliegenden Schluss zu ziehen: Die bisherige Analyse hat uns nicht weitergebracht, lasst uns nach einem neuen Muster suchen. – Allerdings tappen Politik und Medien wie auch die Öffentlichkeit in eine neue Falle. So wichtig der Untersuchungsausschuss im Bundestag oder interne Analysen der Landeskriminalämter und des BKA wie auch der Medien sind, die das Versagen der Ermittlungen zum Thema haben, sie führen am eigentlichen Thema vorbei: Wie entsteht “Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in der Bevölkerung” und wie gehen wir damit um? Wilhelm Heitmeyer, der mit einer Gruppe von Wissenschaftlern zu diesem Thema forscht, verweist auf die vielfach gehörte Meinung: “Wären nur die Kontrollen effizienter gewesen, hätten die dramatischen Probleme vermieden werden können.” Er spricht von der dabei von der Dominanz des Kontrollparadigmas in den Diskussionen und der “Vernachlässigung des gesellschaftlichen Entstehungs- und Radikalisierungsparadigmas” und verweist auf die Attraktivität des Kontrollparadigmas auch für das interessierte und informierte Publikum. “In den Diskussionen wird meist rasch auf die „fassbaren“ und benennbaren rechtsextremistischen Gruppen umgelenkt, es wird dann der verstärkte Einsatz von Polizei und Verfassungsschutz gefordert, während eine Debatte über die empirischen Ergebnisse von Bevölkerungsmentalitäten als Legitimations- und Resonanzboden meist verweigert wird.” Im Kontrollparadigma wird von dem “Kontinuum der Radikalisierung durch soziale Beeinflussungsprozesse mit politischem Inhalt wie vor allem der Ideologie der Ungleichwertigkeit” abgelenkt. Die NDS haben heute Morgen, wie leider viel zu oft, auf die verhängnisvolle Rolle gewisser Medien verweisen müssen.
Es wird viel vom Verbot der NPD geredet, aber dieses Verbot ist nicht die Antwort auf grundlegenden Ur-sachen, denen sich auch die NDS zu widmen versuchen: Die “rapide Verstärkung der sozialen Spaltung in dieser Gesellschaft, wie sie der jüngste OECD-Bericht und andere Veröffentlichungen offenbaren … Dabei ist völlig unstrittig, dass massive Ungleichheit Gesellschaften zersetzen kann. Kernnormen wie Gerechtigkeit, Solidarität und Fairness werden in unserer Untersuchung von großen Teilen der Bevölkerung nicht mehr als realisierbar angesehen. Das hat Folgen, denn die sozialstrukturelle Desintegration unterer sozialer Lagen hängt mit Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zusammen. Spiegelt man dies auf soziale Spaltung, so hätte die Politik dieser Entwicklung massiv entgegenzusteuern. Tut sie das nicht, ist sie am Entstehungs- und Radikalisierungsparadigma beteiligt.” Der Aufsatz von Heitmeyer stammt aus dem Themenheft “Rechtsextremismus” der Beilage der Zeitschrift das Parlament “Aus Politik und Zeitgeschichte“.
Auch im April ist ein Heft zur Ideologie der Ungleichwertigkeit erschienen.
Anmerkung JB: Markus Kompa weißt zurecht auf den Kampagnencharakter der „Urheberrechtsdiskussion“ hin. Leider geht dabei jedoch unter, dass die Piraten das Urheberrecht zwar nicht „abschaffen wollen“, ihre konkreten Vorschläge jedoch ebenfalls höchst fragwürdig sind.
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