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Titel: Mar-a-Lago-Accord – Trumps unausgegorener ökonomischer Masterplan
Datum: 23. April 2025 um 14:11 Uhr
Rubrik: Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Finanzen und Währung, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Jens Berger
Der US-Dollar ist massiv überbewertet und dies sei der maßgebliche Grund für die heutigen ökonomischen Probleme der USA. Dies ist die Kernthese eines Strategiepapiers des US-Ökonomen Stephen Miran. Miran schlägt vor, durch Zölle und dem mehr oder weniger unfreiwilligen Abschied von der Weltreservewährung US-Dollar die Wettbewerbsfähigkeit der USA zu erhöhen. Andere Volkswirtschaften sollen dafür ihre Forderungen an die USA in langfristige Schuldpapiere umschulden. Wer dies nicht tut oder den imperialen Wünschen der USA in anderen Punkten nicht entspricht, wird durch Zölle bestraft. Besiegelt werden soll diese neue Weltwirtschafts- und -währungsordnung durch ein Abkommen, benannt nach Trumps Wohnsitz Mar-a-Lago. Ein Plan voller Widersprüche, gekennzeichnet von Größenwahn. Das alles wäre eigentlich kaum eine Notiz wert, wäre Stephen Miran nicht Trumps oberster Wirtschaftsberater und würde Mirans Strategiepapier nicht als „Trumps ökonomischer Masterplan“ gelten. Von Jens Berger.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist der US-Dollar zur Weltreservewährung geworden. Das 1944 ratifizierte Bretton-Woods-System sah vor, dass die US-Notenbank den US-Dollar durch ihre Goldreserve deckt und andere Währungen im Rahmen von Wechselkursbandbreiten an die Ankerwährung US-Dollar gekoppelt waren. Vor allem für die USA brachte dies den Vorteil, dass es nun eine weltweite Nachfrage nach ihren Schuldverschreibungen gab, aus denen sich die Dollarreserven maßgeblich zusammensetzten, die andere Staaten nun vorhalten mussten. Andererseits waren die USA in diesem System jedoch auch gezwungen, Leistungsbilanzdefizite zu erzielen, und die Funktion einer Reservewährung führte – damals in Kombination mit einem unflexiblen Wechselkurssystem – dazu, dass der US-Dollar permanent überbewertet war. Ökonomen sprechen hierbei von einem Triffin-Dilemma. 1973 brach das Bretton-Woods-System zusammen und fortan wurden die Wechselkurse der großen westlichen Währungen maßgeblich frei durch Angebot und Nachfrage bestimmt.
Doch auch in einem System der freien Wechselkurse gibt es den Effekt, dass Leitwährungen dazu neigen, überbewertet zu sein. Die Währungsreserven anderer Staaten stellen schließlich eine zusätzliche Nachfrage dar, die nicht durch reale Handelsströme gedeckt ist. Dies wurde jedoch bislang von den meisten Ökonomen eher als Vorteil gesehen. Eine starke Währung führt schließlich dazu, dass sich Importe verbilligen, man sich also mehr leisten kann. Bezogen auf die USA und China führte dies beispielsweise dazu, dass die Amerikaner chinesische Produkte bezogen, China im Gegenzug dazu die Schuldverschreibungen der USA aufbaute. Dies forcierte jedoch auch die Deindustrialisierung der USA. Der starke US-Dollar machte Importe preiswerter und verteuerte US-Exporte auf dem Weltmarkt. Deutschland erlebte spätestens seit der Einführung des Euros übrigens einen umgekehrten Effekt. So gesehen ist die These, dass die Stärke des US-Dollars für die US-Volkswirtschaft auch ein Problem ist, als solche nicht ganz abwegig und auch der Verweis auf die Funktion als Leitwährung, die implizit mit einer Aufwertung der Währung einhergeht, ist nicht per se falsch.
Doch wie wertet man seine eigene Währung ab? Diese Frage ist sowohl politisch als auch ökonomisch alles andere als profan; vor allem dann, wenn man gleichzeitig die eigene Volkswirtschaft wie Trump re-industrialisieren will. Wenn man Angebot und Nachfrage betrachtet, müsste der Weg, die eigene Währung abzuwerten, dahin gehen, mehr Güter zu importieren und weniger Güter zu exportieren. Doch Trumps Politik verfolgt ja das genaue Gegenteil. Dieser Zielkonflikt ist dann auch auf der ökonomischen Ebene der große Widerspruch in Mirans Strategiepapier. Aber der Reihe nach. Was schlägt Miran eigentlich konkret vor?
Die Abwertung des US-Dollars ist für Miran das Kernelement seiner Strategie. Und hier geht es nicht „nur“ um die Re-Industrialisierung aus ökonomischen Gründen, sondern auch um politische Fragen. Die USA sollen schließlich, so Miran, die Weltmacht Nummer Eins bleiben; ein Staat, der deindustrialisiert ist und nicht einmal die Waffensysteme, die er benötigt, um seine Macht weltweit zu projizieren, selbst herstellen kann, sei jedoch dem Abstieg geweiht. So weit, so logisch. Weniger logisch ist dann jedoch Mirans Strategie, dies ausgerechnet dadurch zu erreichen, den US-Dollar als weltweite Reservewährung zu schwächen.
Dazu lohnt ein Blick auf die aktuelle Situation. Der zweitgrößte Einzelgläubiger der USA (hinter der eigenen Notenbank FED) ist die japanische Notenbank Bank of Japan, die rund 1.250 Milliarden US-Dollar in Form von amerikanischen Staatsanleihen als Währungsreserve hält. Würde die Bank of Japan einen Teil dieser Papiere nun verkaufen, würde in der Tat der Dollar gegenüber dem Yen an Wert verlieren, aber dafür würde das zusätzliche Angebot an Staatsanleihen den Zins auf diese Anleihen erhöhen. Dieser Effekt könnte nur dadurch minimiert werden, wenn die US-Notenbank diese Anleihen kaufen würde. Dies wäre freilich ökonomisch möglich – und grundsätzlich auch sinnvoll -, jedoch hat die FED kein Mandat für eine direkte Staatsfinanzierung und wenn man sich Äußerungen der FED-Verantwortlichen anschaut, besteht daran auch wenig Interesse. Private US-Investoren wären als Käufer eine Option, jedoch wären dann die Zinseffekte (s.o.) vorhanden. Dies weiß auch Miran und seine Lösung für dieses Dilemma birgt den nächsten Zielkonflikt.
Miran sieht im Bestand der US-Staatsanleihen bei ausländischen Akteuren offenbar gar nicht das eigentliche Problem, sondern in den Zinszahlungen und dem Umstand, dass die bestehenden Anleihen nach ihrem Ablauf erneuert werden müssen. Dies stelle eine permanente Nachfrage nach dem US-Dollar dar, die maßgeblich für dessen Überbewertung ist. Seine Lösung für dieses Problem ist es nun, die bestehenden Staatsanleihen mit Laufzeiten von zwei bis dreißig Jahren und jährlichen Zinszahlungen in sehr langlaufende Anleihen – die Rede ist von Century-Bonds, also Anleihen, die ganze 100 Jahre Laufzeit haben – mit sehr geringer oder gar keiner jährlichen Verzinsung umzuwandeln, bei denen die eigentliche Zinszahlung erst am Ende der Laufzeit anfällt; sogenannte Nullkupon-Anleihen. Wer würde sich aber freiwillig eine Anleihe der USA kaufen, bei der die Rückzahlung erst in 100 Jahren stattfinden soll? Auch Miran weiß, dass wohl keine Notenbank dieser Welt dies freiwillig tun würde. Aus diesem Grund schlägt er Zwangsmaßnahmen vor. Doch dazu später mehr.
Zunächst sei noch angemerkt, dass Mirans Strategieplan an dieser Stelle eine weitere Lücke aufweist. Stand März sind die USA mit insgesamt 8.817 Milliarden US-Dollar bei ausländischen Großgläubigern, also in der Regel nationalen Notenbanken, verschuldet. Insgesamt sind jedoch US-Staatsanleihen im Wert von 28.600 Milliarden US-Dollar im Umlauf. Selbst wenn es den USA gelingen sollte, alle Notenbanken der Welt davon zu „überzeugen“, ihre Dollar-Reserven in Century-Bonds ohne Kupon umzuwandeln, beträfe dies also nicht einmal ein Drittel aller Anleihen. Der Rest der Anleihen wird vor allem von Banken, Fonds und Versicherungen gehalten. Wie würden die reagieren, wenn die USA eine erkennbare Politik verfolgen, deren Ziel eine Abwertung des Dollars ist? Ganz einfach – sie würden höhere Zinsen verlangen. Was die USA mittelfristig bei den „Großgläubigern“ durch dieses Manöver sparen würden, müssten sie also bei den übrigen Gläubigern mehr bezahlen. Gewonnen wäre unter dem Strich nichts.
Wie könnte man die Bank of Japan oder die EZB davon überzeugen, freiwillig ihre zurzeit gehaltenen Staatsanleihen in Century-Bonds ohne Kupon umzuwandeln oder – besser noch aus Sicht Mirans – die Summe ihrer Dollarreserven zu reduzieren? Streng genommen: Gar nicht, zumindest nicht ohne Zwang. Und genau hier setzt Miran an. Neben politischen Drohkulissen (z.B. Aufkündigung von Verteidigungsversprechen) nennt er in seinem Strategiepapier vor allem Strafzölle als empfohlenes Mittel der Wahl. Die Logik dahinter ist simpel: Wenn beispielsweise Japan oder die EU ihre Forderungen an die USA nicht freiwillig umwandeln, müssen sie halt über Strafzölle dazu gezwungen werden. Nun sind aber die meisten Notenbanken – vor allem die EZB – politisch unabhängig und selbst wenn die Politik vor den US-Drohungen bzw. US-Zöllen einknickt, ist es ungewiss, ob die Notenbanken dementsprechend handeln.
Gerade bei der Frage der Zölle zeigt sich jedoch auch die unglaublich intellektuelle Schwäche des Strategiepapiers. Denn hier verbirgt sich ein derart massiver Zielkonflikt, dass man sich fragt, ob dieser „Masterplan“ überhaupt ernst gemeint ist. Miran ist ein Freund von Zöllen und sieht sie neben der genannten Abkehr der Funktion des US-Dollars als Reservewährung als das wichtigste Instrument zur Schwächung des Dollars. Seine Logik: Wenn die USA z.B. 10 Prozent Zölle auf EU-Importe nehmen und der Dollar gegenüber dem Euro um 10 Prozent an Wert gewinnt (sic!), sei dies unter dem Strich für US-Importeure und damit den Endkunden preisneutral und damit die Quadratur des Kreises: US-Produkte werden wettbewerbsfähiger und gleichzeitig gäbe es keinen Inflationseffekt, da ein stärkerer (sic!) Dollar die Mehrkosten für die Zölle ja kompensieren würde. Die Kosten für die Zölle würden so die anderen Volkswirtschaften tragen – nicht direkt, sondern indirekt in Form von Kaufkraftverlusten.
Sie haben richtig gelesen. Wie von Geisterhand wird bei den Zöllen nun davon ausgegangen, dass der Dollar nicht an Wert verliert, sondern an Wert gewinnt. Das ist jedoch ökonomisch widersinnig und kontraintuitiv. Seit Trumps Einführung von Strafzöllen hat beispielsweise der Euro gegenüber dem Dollar ganze 10 Prozent an Wert gewonnen. Das ist zwar grundsätzlich im Sinne Mirans Ziel einer Schwächung des Dollars, führt jedoch auch zweifelsohne dazu, dass Importe in die USA sich für US-Kunden verteuern. Die USA zahlen also doppelt – erst einmal in Form von nominell höheren Preisen durch die Zölle und dann noch einmal in Form von Kaufkraftverlust durch die Abwertung ihrer Währung. Das ist die bittere Wahrheit, die hinter dieser Strategie steckt, die als Masterplan gehandelt wird. Man kann nicht beides haben. Entweder man gewinnt an internationaler Kaufkraft und verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Oder man steigert seine Wettbewerbsfähigkeit und verliert dafür an internationaler Kaufkraft.
Die hier genannten Punkte sind ausnahmslos Rechnungen, die die USA ohne den Wirt gemacht haben. Doch der soll nun ja mittels Zöllen zu seinem „Glück“ gezwungen werden. Doch nicht nur das. Das Weltwirtschaftssystem, das der Mar-a-Lago-Accord umreißt, sieht Zölle auch als Druckmittel für eine ganze Reihe von politischen Fragen vor. In seinem Strategiepapier nennt Stephen Miran folgende Punkte:
Die Punkte 1 und 3 waren bereits bei Trumps reziproken Zöllen die offizielle Begründung der Zollsätze. Andere Punkte spielten in seinen Äußerungen ebenfalls eine Rolle und man kann derzeit nur vermuten, dass es bei den parallel stattfindenden bilateralen Verhandlungen mit – so die US-Regierung – 160 Ländern zu künftigen Handelsabkommen um genau diese Punkte gehen wird. Man kann es auch Erpressung oder Imperialismus in Reinkultur nennen. Die USA drücken der Welt ihre Regeln auf.
Wie realistisch ist es, dass es zum Mar-a-Lago-Accord kommen wird?
Warum spricht Miran überhaupt vom „Mar-a-Lago-Accord“? Dabei dürfte er sich auf eine gewollte Parallele zum Plaza-Accord beziehen. Nach dem Ende von Bretton Woods liefen die Wechselkurse nämlich nicht so, wie es sich die USA erwünscht hatten. Die USA verschuldeten sich stärker als andere westliche Industriestaaten und in Kombination mit der Funktion des US-Dollars als Reservewährung und vergleichsweise hohen Zinsen kam es zu einer Aufwertung des Dollars, die ihrerseits das ohnehin bereits bestehende Handelsbilanzdefizit der USA vergrößerten. Die USA baten ihre Verbündeten in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Japan, ihre Währungen gegenüber dem Dollar aufzuwerten. Dieses Abkommen wurde 1985 nach dem Plaza-Hotel in New York benannt, in dem man die Verhandlungen dazu führte. Der Plaza-Accord hatte durchaus Erfolg, der Dollar wertete in den nächsten Jahren um ganze 50 Prozent gegenüber der D-Mark und dem Yen ab. Das Handelsbilanzdefizit verringerte sich, aber insbesondere in Japan führte die Aufwertung des Yen auch zu einer Preisblase am Immobilienmarkt, deren Platzen später eine anhaltende Rezession auslöste.
1985 waren die Weltwirtschaft und das Weltwährungssystem jedoch auch noch sehr westlich geprägt und die USA konnten die Regeln maßgeblich bestimmen. Heute, vierzig Jahre später, befinden wir uns auch ökonomisch in einer multipolaren Welt. Es ist unwahrscheinlich, dass ökonomische Großmächte wie China sich von den USA erpressen lassen, im Rahmen eines Mar-a-Lago-Accords ihren Teil dazu beizutragen, den lt. USA zu harten US-Dollar abzuwerten. Im Gegenteil. Bereits beim letzten Handelskrieg zwischen China und den USA, den ebenfalls Donald Trump im Jahr 2018 angezettelt hat, ging es beiden Parteien vor allem darum, ihre eigene Währung abzuwerten.
Statt eines „Accords“, also eines Abkommens, dürfte es jedoch aus verschiedenen anderen Gründen tatsächlich mittel- bis langfristig zu einer Abwertung des Dollars kommen. Dazu zählt die Zollpolitik, aber auch der geringere Anteil der USA am Weltmarkt. Reservewährungen sind ja zweierlei – zum einen die naheliegende Option, Währungsüberschüsse zu verwalten, ohne die eigene Währung aufzuwerten und damit seine Wettbewerbsfähigkeit zu verringern. Und sie stellen zum anderen auch ein strategisches Reservoir dar, um bei starken Währungsschwankungen den Wechselkurs der eigenen Währung zu steuern. Wenn der Außenhandel in US-Dollar jedoch an Bedeutung verliert, sinkt auch die Bedeutung einer strategischen Dollarreserve, um die eigene Währung gegen Schwankungen gegenüber dem Dollar zu schützen. Noch wichtiger für den Bedeutungsverlust von Dollarreserven dürfte aber das schwindende politische Vertrauen in die USA sein. Wer offen mit dem Gedanken spielt, internationale Abkommen aufzukündigen, die halbe Welt sanktionieren will, selbst neue Regeln diktieren will, ist nicht gerade ein seriöser Schuldner. Der Abzug aus dem Dollar wird also ohnehin kommen.
Ob die USA sich darüber freuen können, weil sie nun so wettbewerbsfähig sind, dass sie wieder selbst Industriegüter und Konsumprodukte herstellen können, oder ob sie sich darüber Sorgen machen sollten, dass dies auch heißt, dass sie sich künftig viele Importgüter nicht mehr leisten können, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt.
Empfehlenswert zum Thema ist der Podcast von Christian Rieck zum Thema: Trumps neue Weltwirtschaftsordnung: Der Mar-a-Lago-Accord erklärt.
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