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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Euer „Wir“ ist ohne mich!
Datum: 22. April 2025 um 10:31 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Redaktion
Eigentlich könnte es mir mit meinen fast 57 Jahren egal sein, ob es wieder eine Wehrpflicht gibt – sie war ja eh nur ausgesetzt und niemals abgeschafft. Schaut man sich im medial-politischen Komplex allerdings genauer um, darf es einem aber nicht egal sein. Jedem, der auch nur ein Mindestmaß an Medienkompetenz besitzt, sollte auffallen, dass die Bürger von ebendiesem medial-politischen Komplex – so, wie er das schon bei der Coronapandemie sehr erfolgreich tat – auf einen neuen Kurs gebracht werden sollen. Von Torsten Küllig.
Diesmal heißt der neue Kurs nicht „Lasst Euch impfen“, der aktuelle Kurs lautet „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“[1]. Diese unglaubliche Forderung propagierte Boris Pistorius am 29. Oktober 2023 erstmalig in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.
Es wird mir immer unbegreiflich bleiben, wieso die SPD-Basis es einem SPD-Verteidigungsminister durchgehen lässt, dies auch noch am 5. Juni 2024 öffentlich im Bundestag zu wiederholen. Zumal Pistorius Oberbürgermeister von Osnabrück war – neben Münster die Stadt des Westfälischen Friedens.
Diese politische „Kriegsertüchtigung“ wird generalstabsmäßig leid(t)medial unterstützt. Als aktuell besonders abschreckendes Beispiel sei an die Caren-Miosga-Sendung mit dem Titel „Müssen wir uns für Krieg rüsten, um Frieden zu sichern?“ vom 6. April 2025 erinnert[2]. Dort befragte die Moderatorin ausgerechnet Joschka Fischer, den Außenminister der Grünen Partei, der nachweislich den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr[3] mitzuverantworten hatte, zum Thema Krieg und Frieden.
Sie befragt Fischer aber nicht danach, dass die NATO im Kosovo ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates als selbsternannte und eigenmächtige Interventionsmacht handelte und der Sicherheitsrat die NATO-Intervention niemals abgesegnet hatte[4].
Nein, Caren Miosga fragt diesen wegen Kurzsichtigkeit ausgemusterten grünen Bellizisten danach, wie wir den gegenwärtig (noch) gesellschaftlich akzeptierten Pazifismus „schneller überschreiben“ können:
„Das liegt nicht in unserer DNA oder lag lange nicht in unserer DNA. Da lag Pazifismus. Wie können wir diesen Code schneller überschreiben?”
Aber dabei bleibt es nicht, die ARD gefällt sich auch noch darin, diese „Umcodierung“ bei Minderjährigen zu dokumentieren – das ist nicht nur widerlich, sondern verstößt ganz nebenbei auch noch gegen den Programmauftrag im Rundfunkstaatsvertrag.
Man sieht also: Es ist das medial-politische „Gefecht der verbundenen Waffen“. Die Politik geht voran und wird darin medial wohlwollend begleitet.
An dieser Stelle sei an den ersten Satz der Präambel des Grundgesetzes erinnert. Dieser enthält das sogenannte „Friedensgebot“ und lautet:
„Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“
Kommen wir zurück zu Pistorius:
Spräche der Minister von wehrhaft, abwehr- oder verteidigungsbereit, ich glaube, kein vernünftiger Bürger hätte sich in Anbetracht der desolaten, aber dennoch milliardenteuren Bundeswehr daran gestört – aber nein, Pistorius sprach bewusst von „kriegstüchtig“. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Mütter und Väter des Grundgesetzes, die mit gutem Grund dieses „Friedensgebot“ in die Präambel verfasst hatten. Achtet auf die Worte, denn aus ihnen werden Taten!
Heißt das, wir werden 2029 konsequenterweise dann auch ein Kriegsministerium mit einem Kriegsminister haben?
Natürlich wundert es einen dann auch nicht, wenn der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, in das gleiche Horn bläst. Innere Führung[5], also die „Unternehmensphilosophie der Bundeswehr“, die sich am Leitbild des mitdenkenden und verantwortungsvoll handelnden Staatsbürgers in Uniform orientiert und dem Minister eigentlich ein klares „So nicht!“ entgegenhalten müsste – Fehlanzeige!
Vielmehr gibt der General sogar noch eine klare Definition heraus, was unter „Kriegstüchtigkeit“ zu verstehen ist:
„Kriegstüchtigkeit bedeute sehr viel mehr als Verteidigungsfähigkeit. Neben der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft geht es auch um den nötigen Mentalitätswechsel, dem wir uns unterziehen müssen. Es brauche eine Gedankenwende, sowohl in der Gesellschaft als auch und vor allem in der Bundeswehr.“[6]
Da ist wieder einmal das viel bemühte „Wir“. Ein „Wir“, was die Gesellschaft kriegstüchtig machen möchte, ist aber ein „Wir“ ohne mich!
Und obwohl ich, entgegen den vielen ungedienten „Kriegstüchtigkeitsjüngern“, Wehrdienst – bei mir hieß es noch Ehrendienst – geleistet habe, habe ich mit 56 noch einen Kriegsdienstverweigerungsantrag gestellt und kann nur jedem dringend und ungeachtet seines Alters empfehlen, dies gleichzutun.
An der kürzlich durch das abgewählte Parlament beschlossenen Grundgesetzänderung hinsichtlich der Abschaffung der Schuldenbremse müsste jedem klar geworden sein, dass im Spannungs- oder Verteidigungsfall das nach Artikel 12a Grundgesetz garantierte Recht der Kriegsdienstverweigerung denklogisch als Erstes fallen wird.
Zeigt der Politik und Medien klare Kante: Euer „Wir“ ist ohne mich.
Titelbild: Shutterstock / Penofoto
[«1] bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw23-de-regierungsbefragung-1002264, Video ab Minute 3:00
[«2] ardmediathek.de/video/caren-miosga/muessen-wir-uns-fuer-krieg-ruesten-um-frieden-zu-sichern/das-erste/Y3JpZDov…
[«3] bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw42-kalenderblatt-kriegseinsatz-970602
[«4] zaoerv.de/68_2008/68_2008_3_b_779_802.pdf
[«5] bmvg.de/de/themen/verteidigung/innere-fuehrung
[«6] spiegel.de/politik/deutschland/carsten-breuer-general-inspekteur-der-bundeswehr-in-fuenf-jahren-muessen-wir-kriegstuechtig-sein-a-be252f67-1039-43c7-bd92-518e1be958d2
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