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Titel: Mordsgeschäft – Für Rheinmetall läuft es gerade richtig bombig
Datum: 14. März 2025 um 11:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Ökonomie, Finanzpolitik, Wichtige Wirtschaftsdaten
Verantwortlich: Redaktion
Rollen Köpfe, rollt der Rubel. Die Düsseldorfer Waffenschmiede liefert Rekordprofite in Serie ab. Allein die „Zeitenwende 2.0“ könnte in den nächsten fünf Jahren Aufträge im Umfang von 400 Milliarden Euro bescheren. Dabei betätigt sich der Konzern nicht nur als Dienstleister für Deutschland und Europa. Selbst der böse Russe ballert mutmaßlich mit Munition, an deren Produktion die Bosse mitverdienen. Schwamm drüber. Von Ralf Wurzbacher.
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Konflikte, Krisen, Kriege. Und der Oberprofiteur ist: Rheinmetall! Für den führenden deutschen Rüstungskonzern kann in der Ukraine, in Russland, Gaza, Jemen und überall sonst in der Welt, wo sich Völker gegenseitig die Köpfe einschlagen, gar nicht genug gestorben werden. Mit jedem Toten und Verstümmelten mehr laufen die Kassen voller im Düsseldorfer Hauptquartier. Friedenszeiten bedeuten Flaute. Spritzt aber reichlich Blut, sprudeln die Profite – ein Mordsgeschäft.
Die Zahlen zur Perversion gab es am Mittwoch. Mit einem „Allzeitrekord“, dem vierten in Folge, hat das Unternehmen das Jahr 2024 abgeschlossen. Der Umsatz kratzt an der Marke von zehn Milliarden Euro. Das waren fast 2,6 Milliarden Euro oder 36 Prozent mehr als 2023. Der Ertrag vor Steuern türmt sich auf knapp 1,5 Milliarden Euro, ein Plus von 61 Prozent oder 560 Millionen Euro. Mit einem Mehrerlös von 50 Prozent im Militärsektor sei man „auf dem Weg vom europäischen Systemhaus zum globalen Champion“, tönte Vorstandschef Armin Papperger.
Deutschland sagt Danke
Seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine lässt es Rheinmetall richtig krachen. An der Börse fackelt die Waffenschmiede ein Kursfeuerwerk ohne Ende ab. Anfang 2022 dümpelte die Aktie noch bei unter 90 Euro, am Freitag notiert sie bei knapp 1.350 Euro. Allein nach Vorlage der Bilanzen legte das Papier seit Mittwochmorgen um über 190 Punkte zu. Die Anleger – darunter BlackRock, UBS, Morgan Stanley und Goldman Sachs – sind bester Laune und greifen den „verdienten“ Lohn ab. Man werde die Dividende je Aktie von 5,70 Euro auf 8,10 Euro anheben, verkündete der Konzernboss.
Quelle: Boerse.de
Auch um Papperger, mit einem Jahressalär von zuletzt unter fünf Millionen Euro ein recht „bescheidener“ Vertreter seiner Zunft, wird es finanziell demnächst sicher besser bestellt sein. Sein Posten ist schließlich von staatstragender Wichtigkeit. „Wir sind uns der Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes und für die Verteidigungsfähigkeit Europas bewusst“, proklamierte er. Man stelle sich den „Herausforderungen der Zeitenwende 2.0“, wie er die neue geopolitische Lage nach dem Machtwechsel in Washington nennt. „Wir sind darauf gut vorbereitet. In den vergangenen zwei Jahren haben wir fast acht Milliarden Euro investiert, um neue Werke aufzubauen, Zukäufe zu tätigen und Lieferketten abzusichern.“ Deutschland sagt Danke.
Schöpferische Zerstörung
Wobei es Dinge gibt, die nicht so ins gefällige Bild vom nationalen und europäischen Dienstleister passen. Zum Beispiel förderten vor einem Jahr ARD-Recherchen zutage, dass Rheinmetall in Mulino ein hochmodernes Gefechtsübungszentrum aufbauen wollte, nebst acht weiteren Ausbildungsanlagen auf russischem Boden. Nach der Annexion der Krim revidierte die Bundesregierung die fragliche Exportgenehmigung. Daraufhin strengte der Konzern eine Schadensersatzklage von 130 Millionen Euro gegen die BRD an, die in den ersten Instanzen scheiterte und heute lediglich ruhen soll. Der Standort in Mulino wurde trotzdem fertiggestellt, durch den örtlichen Rheinmetall-Partner Oboronservice AG, „ohne die fehlenden Bauteile aus Deutschland, aber wohl mit erheblichem Know-how von dort“, wie die ARD festhielt. Maliziös titelte das Schweizer Portal Infosperber zu den Vorgängen: „Wie Rheinmetall den Ukraine-Überfall mit vorbereitete“.
Wenn‘s ums Geld geht, kann es mit Gut und Böse schon mal durcheinandergehen. Aber bei Rheinmetall hält die Verwirrung offenbar bis heute, noch drei Jahre nach der russischen Invasion an. Im Dezember berichtete Investigative Europe von Parallelgeschäften, die die deutschen Exportbestimmungen unterlaufen. Dabei geht es um die Errichtung von Munitionswerken im Ausland im Rahmen einer „Internationalisierungsstrategie“, mit welcher der deutsche Rüstungsfabrikant hinterm Berg hält. In besagtem Beitrag ist von einem „diskreten Exportgeschäft“ die Rede, bei dem bestimmte Rheinmetall-Geschäftspartner im Dunkeln blieben. Zitat: „Zu den bekannten Kunden zählen Staaten, die in massive Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind und Russland mit Munition beliefern.“ Ach was! Der Russe ballert also mit durch freundliche Unterstützung von Rheinmetall entwickelten Granaten auf ukrainische Soldaten, die mithin sogar in Rheinmetall-Panzern auf den Tod warten. So etwas läuft dann wohl unter schöpferischer Zerstörung – oder als Beitrag zur Herstellung von „Gleichgewicht des Schreckens“.
Geliebte Bombe
Die besten Kriege für Rheinmetall sind schließlich die, die nie enden. Jedenfalls sieht man es in Düsseldorf gerne, wenn Dinge kaputt gehen, gerne auch eine Weltordnung. „Eine Epoche der Aufrüstung in Europa hat begonnen, die uns allen viel abverlangen wird“, beschied Papperger. Sie bringe „für die kommenden Jahre aber auch Wachstumsperspektiven, wie wir sie noch nie erlebt haben“. Gewinnbringend wirken dabei gewiss Einlassungen wie die von Jens Spahn (CDU), der am Dienstag im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) Bescheid wusste: „Wir können uns verteidigen lernen oder alle Russisch lernen.“ Noch besser für die Kriegslobby wäre, die Menschen in Deutschland lernten endlich in Anlehnung an Stanley Kubrick, die Bombe zu lieben. Dann rollte der Rubel noch doller, nebst den Köpfen auf dem Schlachtfeld.
Für Rheinmetall sind das schöne Aussichten, im Managersprech laufen sie unter „Backlog“. Der Posten umfasst Auftragsbestand, Rahmenverträge sowie allgemeine Geschäftserwartungen und belief sich am 31. Dezember auf 55 Milliarden Euro, ein Zuwachs um 44 Prozent gegenüber 2023. Dennoch geben sich die Konzernlenker noch vorsichtig mit ihren Wachstumsprognosen. Fest kalkulieren sie im Segment Kriegsgerät für 2025 mit 35 bis 40 Prozent höheren Erlösen. Der Ausblick berücksichtige jedoch noch nicht „die Verbesserung des Marktpotentials, die sich (…) aufgrund der geopolitischen Entwicklungen in den zurückliegenden Wochen voraussichtlich ergeben wird“.
Reibach im Anmarsch
Soll heißen: Die kalte oder mithin heiße Konfrontation mit Russland ist noch gar nicht eingepreist. Bei einem künftigen Militärhaushalt der Sorte „übergeschnappt“ ist fraglos noch viel Luft nach oben. Papperger hat drei Szenarien durchgerechnet, je nachdem, ob die deutschen „Verteidigungsausgaben“ bald 2,5, drei oder 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) umfassen werden. Im „ungünstigsten“ sprängen demnach in den kommenden fünf Jahren 300 Milliarden Euro an Auftragseingängen und Rahmenverträgen heraus, im „besten“ Fall 400 Milliarden Euro.
Wie reibungslos sich dieser Tage zu „Verteidigungszwecken“ investieren lässt, wird am Beispiel des neuen Rheinmetall-Werks in Unterlüß in Niedersachsen ersichtlich. 2024 erfolgte der Spatenstich und schon in fünf Wochen soll die Produktion starten mit dem Ziel, jährlich rund 200.000 Artilleriegeschosse zu fertigen. Und die sonst überbordende Bürokratie? Einfach ausgemerzt. „Es wurden alle Einspruchsrechte weggenommen in dem Bereich. Das ist wirklich eine Erfolgsstory. Deutschland kann auch schnell“, gab die FAZ Papperger wieder (hinter Bezahlschranke).
Zum größten Glück fehlte nur noch, den ganzen Reibach als selbstlosen Akt verkaufen zu können. Zwecks allgemeiner „Kriegsertüchtigung“ stehen die Rheinmetaller auf alle Fälle Gewehr bei Fuß. Was die wenigsten wissen: Der Konzern unterhält eine zivile Sparte namens Power Systems und betätigt sich dabei im Wesentlichen als Zulieferer der Autoindustrie. Bisher umfasste der Bereich rund 20 Prozent des Gesamterlöses, wogegen das Gros von 80 Prozent auf den Verkauf von Panzern, Artillerie, Militärlastwagen, Flugabwehr, Drohnen und Munition entfällt. Vielleicht wird das Rüstungsbusiness schon in naher Zukunft zum alleinigen Standbein. Nicht nur zeige sich „das Geschäft mit den Automobilherstellern branchentypisch rückläufig“, wie es im Bilanzbericht heißt. Dazu machten am Mittwoch Meldungen die Runde, wonach die Macher damit liebäugelten, sich komplett von Power Systems zu trennen und die fraglichen Werke auf Waffenproduktion umzustellen.
Malochen fürs Vaterland
Als zwei mögliche Kandidaten gelten die Standorte Berlin und Neuss. Die Überlegungen gehen noch weiter. Demnach bringt sich Rheinmetall sogar als Retter des angeschlagenen Autobauers Volkswagen in Position. Wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) schrieb, habe Papperger im Speziellen das auf der VW-Streichliste befindliche Werk in Osnabrück als „gut geeignet“ zur Fertigung von Rüstungsgütern bezeichnet. „Wenn jetzt deutsche Steuergelder benutzt werden für die Sicherheit, müssen auch deutsche Arbeitsplätze geschaffen werden“, zitierte die FAZ den Firmenboss. Und prompt teilte auch VW-Chef Oliver Blume mit, „wir sind grundsätzlich für solche Themen auch offen“. Mit Blick auf Osnabrück und Dresden schaue man sehr genau, welche Notwendigkeiten es auch in der Rüstungsindustrie gebe.
Das hätte freilich etwas: Statt auf die Barrikaden zu gehen, basteln beinahe abgeschriebene VW-Malocher künftig zu Zehntausenden in nationaler Mission Todeswerkzeug zusammen, während die Gewerkschaften ein neues Jobwunder vom Kaliber Knall-Bumm-Bäng preisen. Schlimme Aussichten …
Titelbild: Torsten Pursche/shutterstock.com
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