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Titel: Neuauszählung der Bundestagswahl: BSW geht in die Offensive

Datum: 12. März 2025 um 11:46 Uhr
Rubrik: BSW, Wahlen
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Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) fordert wegen zahlreicher Indizien für Unregelmäßigkeiten bei der Bundestagswahl eine Neuauszählung der Stimmen und hat das Bundesverfassungsgericht angerufen. Eine Überprüfung müsse laut BSW noch vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses der Wahl erfolgen. Der Schritt ist richtig und die Forderungen sind begründet. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) lässt das Ergebnis der Bundestagswahl rechtlich überprüfen, wie die „Tagesschau“ berichtet. Eine BSW-Sprecherin bestätigte demnach einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, laut dem die Partei das Bundesverfassungsgericht angerufen hat.

Sahra Wagenknecht sprach von „einigen Tausend BSW-Stimmen“, die offenbar fälschlicherweise anderen Parteien zugeordnet oder als ungültig bewertet worden seien. „Der Respekt vor den Wählern gebietet es, mögliche Fehler genau zu prüfen und zu korrigieren“, so Wagenknecht. Das funktioniere nur, „wenn vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses eine bundesweite Neuauszählung erfolgt“. Schon jetzt hätten „relativ viele Fehler“ aufgrund von Hinweisen der Partei korrigiert werden müssen, sagte Wagenknecht, die sich auch auf X dazu geäußert hat. Ihre Sprecherin ergänzte, nach Berechnungen der Partei gebe es „eine realistische Chance, dass wir bei einer bundesweiten Neuauszählung die Fünf-Prozent-Hürde überschreiten“.

Das amtliche Endergebnis soll bereits am kommenden Freitag vom Bundeswahlausschuss festgestellt werden. Danach könne dagegen Einspruch erhoben und nötigenfalls geklagt werden, so die „Tagesschau“. Der Staatsrechtler Christoph Degenhart, einer der Rechtsvertreter des BSW, erklärte jedoch:

Der äußerst knappe Wahlausgang zu Lasten des BSW macht eine umfassende Überprüfung des Wahlvorgangs noch vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses erforderlich. Andernfalls drohen Rechtsverluste, eine Schwächung demokratischer Legitimation und die Missachtung des Wählerwillens.“

Nordrhein-Westfalen: 1.295 zusätzliche BSW-Stimmen

Zu mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten bei der Bundestagswahl haben sich weitere Stimmen aus der Partei geäußert. Der WDR berichtet etwa von zahlreichen zusätzlichen Stimmen in Nordrhein-Westfalen. Der BSW-Politiker Andrej Hunko hat zur Situation in dem Bundesland auf X geschrieben:

Komme gerade vom #Landeswahlausschuss in Düsseldorf. Alleine in NRW sind die #BSW-Stimmen um 1.295 oder 0.012 Prozent nach oben korrigiert worden. Das entspricht umgerechnet knapp der Hälfte der fehlenden Stimmen. Diese Korrektur beinhaltet aber nur die auffälligsten Unregelmäßigkeiten, ohne größere Neuauszählungen. Nach meinem Verständnis ist eine vollständige Neuauszählung zwingend.“

Der EU-Abgeordnete des BSW Fabio De Masi hat auf X mitgeteilt:

Zwischenstand zu ‚verlorenen Stimmen‘: In diesen Tagen werden die korrigierten Ergebnisse der Landeswahlausschüsse verkündet. Nach jetzigen Sachstand werden zumindest ein paar tausend Stimmen für das BSW hinzu kommen. ABER: Dies macht nur einen Bruchteil der Fehlerquellen aus (…). Für die folgenden Bundesländer sind mir aktuell in der Summe etwa 3000 Stimmen bekannt, die dem BSW zusätzlich zugesprochen werden: NRW, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Brandenburg, Berlin, Bremen. Ich vermute wir würden uns also bei der Verkündung des endgültigen Wahlergebnisses (ohne Neuauszählung) durch die noch fehlenden Bundesländer mindestens irgendwo im Bereich zwischen 3 000 und 4000 zusätzlichen Stimmen bewegen, die korrigiert werden. (…) Da sich aber die unerkannten Fehlerquellen (siehe Neuauszählung Berlin) wie gültige Ungültige und Zählfehler bei 90 000 Wahllokalen schnell aufsummieren können, ist bei einem so knappen Wahlergebnis unbedingt eine Nachzählung erforderlich, um 100 Prozent sicher zu sein, dass die Sitzverteilung im Bundestag korrekt ist. (…) Warum das so ist und warum wir uns für juristisches Neuland bei einer einstweiligen Anordnung zur Wahl vor dem BVerfG entschieden haben, ist hier gut erklärt.

Weitere Infos zur Bundestagswahl hatte De Masi bereits hier oder hier oder hier auf X veröffentlicht. Die NachDenkSeiten sind auf das Thema Wahlanfechtung etwa im Artikel „Verhinderte Wahlteilnahme von Auslandsdeutschen, das Desinteresse der Bundesregierung und weitere Unregelmäßigkeiten“ eingegangen.

Aggressive Reaktionen sind vorprogrammiert

Aggressive Kommentare unter anderem vonseiten der Gruppe der Kriegstreiber in Deutschland sind nun vorprogrammiert – ich denke, davon sollte sich das BSW bezüglich des gerechtfertigten Vorgehens der Überprüfung der Wahl nicht irritieren lassen, wie ich kürzlich im Artikel „Das BSW sollte die Bundestagswahl überprüfen lassen“ geschrieben hatte. Dort heißt es auch, dass angesichts der vielen Indizien zu Unregelmäßigkeiten sowie der Knappheit des Ergebnisses für das BSW und der darum bestehenden „Mandatsrelevanz“ eine Überprüfung bestimmter Bereiche nicht nur gerechtfertigt wäre, sondern geradezu geboten sei, um das Vertrauen in Wahlvorgänge nicht massiv zu beschädigen. Auch darum begrüße ich das jetzige Vorgehen des BSW.

Zu den Vorgängen in Thüringen und zu den dortigen aktuell nochmals aufscheinenden Konflikten ist zu sagen: Auf Landesebene wurden von dortigen BSW-Akteuren taktische Fehler gemacht – aber darum sollte man nicht der Partei auf Bundesebene die Gefolgschaft aufkündigen, zu wichtig sind diese Stimmen im Bundestag.

Sollte nun das Bundesverfassungsgericht der Position des BSW folgen, hätte das auch unter Umständen Auswirkungen auf den Termin der Konstituierung des neuen Bundestages, der sich z.B. durch eine Neuauszählung verschieben könnte. Und wenn das BSW als Folge einer Neuauszählung doch noch in den Bundestag kommen sollte, hätte das Folgen für die dortigen Mehrheitsverhältnisse, etwa hätte Schwarz-Rot dann keine Mehrheit mehr.

Das BSW wird im Bundestag dringend gebraucht. Eine Forderung nach Neuauszählung wegen erheblicher und zahlreicher Indizien der Unregelmäßigkeit gepaart mit einem historisch knappen Ergebnis ist keineswegs „undemokratisch“: Im Gegenteil, das Vorgehen kann dafür sorgen, dass sich nicht noch mehr Menschen enttäuscht vom parlamentarischen Betrieb abwenden.

Titelbild: penofoto / Shutterstock


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