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Titel: Lügen und Blankoschecks

Datum: 6. März 2025 um 10:04 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Bundesregierung, Finanzpolitik, Schulden - Sparen
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Die ersten Sondierungsergebnisse zwischen Union und SPD liegen nun vor. Gerade einmal 10 Tage nach der Wahl bricht der designierte Kanzler Merz sein Wahlversprechen, die Schuldenbremse nicht anzutasten. Die ist – in ihrer alten Form – nun Geschichte. Was eigentlich ein Grund zur Freude wäre, ist bei genauerer Betrachtung ein Desaster. Für Rüstungsausgaben werden künftige Regierungen einen Blankoscheck bekommen, volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen werden indes in ein „Sondervermögen“ verschoben. Die SPD sieht dies auch noch als großen Erfolg und fällt damit auf einen Taschenspielertrick der Union herein. Auch wenn sich die 500 Mrd. Euro, die für Investitionen in die Infrastruktur in einem Schattenhaushalt zur Verfügung gestellt werden sollen, nach viel anhören, könnte dies de facto sogar auf eine Kürzung der Investitionen hinauslaufen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Dass die Schuldenbremse eine politische Bankrotterklärung darstellt, konnten Sie bei den NachDenkSeiten schon immer lesen. Eigentlich müssten wir dann doch froh sein, dass dieses Instrument nun 14 Jahre nach seiner Einführung zumindest gelockert wird. Das Gegenteil ist der Fall. Was die künftigen Großkoalitionäre planen, ist ein sehr selektives Außerkraftsetzen der Neuverschuldungsregeln ausschließlich für Rüstungsausgaben. Hier soll nicht nur die künftige Regierung, sondern auch alle kommenden Regierungen die Prokura bekommen, sich so hoch neuverschulden zu können, wie es ihnen beliebt. Sämtliche Rüstungsausgaben über einem Prozent des BIPs (aktuell wären dies 45 Mrd. Euro) sollen künftig von der Neuverschuldung, die durch die Schuldenbremse reglementiert wird, ausgenommen werden.

Was das heißt, wird schnell deutlich, wenn man sich die kursierenden Zahlen anschaut. In der Union heißt es, gegen Ende der kommenden Legislaturperiode müsse der Rüstungsetat bei „130 oder gar 150 Mrd. Euro“ liegen. Zieht man die 45 Mrd. Euro ab, die zum regulären „Schuldenbremsenhaushalt“ zählen, bleiben rund 100 Mrd. Euro übrig, die außerhalb der Neuverschuldungsregeln auf Pump finanziert werden können. Das sind rund 20 Prozent des aktuellen Bundeshaushalts. Wir erinnern uns – wegen einer Finanzierungslücke von „lumpigen“ 15 Mrd. Euro ließ die FDP die Ampel-Koalition krachen. Nun sind 100 Mrd. Euro kein Problem. Aber klar, es geht ja um Waffen, da drücken auch die fiskalpolitischen Taliban gerne mal ein Auge zu.

Makroökonomisch betrachtet ist dies der helle Wahnsinn. Deutschland befindet sich in einer wirtschaftlichen Dauerkrise und es würde durchaus Sinn machen, die Neuverschuldungskriterien für Investitionen auszuhebeln. Doch was macht man? Man hebelt die Kriterien für Konsumausgaben aus. Halt, halt, werden nun SPD und Grüne sagen – Teil des Pakets ist schließlich ein neu geschaffenes Sondervermögen in Höhe von sagenhaften 500 Mrd. Euro, das ja gerade eben für Investitionen in die Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird. Ja, aber dieses Paket soll laut Sondierungspapier ohnehin „nur“ 400 Mrd. Euro für den Bundeshaushalt enthalten und für zehn Jahre gelten. Was bleibt, sind 40 Mrd. Euro pro Jahr.

Im aktuellen Bundeshaushalt sind jedoch ohnehin 70,5 Mrd. Euro für „Investitionen“ enthalten. Nun steht im Sondierungspapier nichts davon, dass das neue Sondervermögen zusätzlich zu den Investitionen aus dem normalen Haushalt gebildet werden soll. Aus der Schaffung dieses Sondervermögens kann man also alles und jedes folgern. Es könnte sein, dass mehr investiert wird. Es könnte sein, dass die Investitionen gleichhoch bleiben und nur von dem regulären Haushalt in den Schattenhaushalt des Sondervermögens verschoben werden. Es könnte sogar sein, dass die Investitionen gekürzt werden. Alles ist möglich.

Allen voran die SPD feiert sich für diesen „Deal“ bereits selbst, forderte sie doch im Wahlkampf mehr Investitionen. Dabei sind die Genossen auf einen Taschenspielertrick der Union hereingefallen. Was ist denn, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist? Dann muss man sich erneut mit der Union zusammensetzen und die Union ist es, die dann die Bedingungen für ein weiteres Sondervermögen diktiert. Ein Erfolg wäre es, nicht die Rüstungsausgaben, sondern die Investitionen pauschal von der Schuldenbremse auszunehmen, und wenn es denn einen politischen Willen zur Hochrüstung gibt – das scheint ja leider so zu sein -, dann hätte die SPD zumindest diesen Teil nicht über einen Blankoscheck, sondern über ein klar definiertes Sondervermögen aus dem laufenden Haushalt „outsourcen“ sollen. Was man in den Sondierungsgesprächen gemacht hat, war das exakte Gegenteil.

Um sich die Folgen dieser gigantischen Eselei einmal vor Augen zu halten, muss man nur in die Zukunft blicken. Das Sondervermögen Infrastruktur wird, wenn es denn so kommt, wahrscheinlich in Form von Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren aufgelegt. Für künftige Haushaltsplanungen müsste man dann 16 Mrd. Euro pro Jahr zur Tilgung dieser Schulden einplanen. On top kommen noch 14 Mrd. Euro, die aus den bereits bestehenden Sondervermögen (Bundeswehr, Corona, Energiepreiszuschüsse) resultieren. Wenn die nächste Legislaturperiode zu Ende ist, werden also jedes Jahr rund 30 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt nur zur Tilgung dieser Sondervermögen fällig. Zählt man die Mehrausgaben für Rüstung (s.o.) hinzu, kommt man auf 130 Mrd. Euro – das ist rund ein Viertel des gesamten Bundeshaushalts! Und das Jahr für Jahr! Da man die Steuern nicht erhöhen will, ist dies ohne Kürzungen in nahezu allen Bereichen kaum darstellbar.

Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche sind somit alles andere als ein Erfolg. Man lockert die Schuldenbremse nur, um noch mehr Geld für Rüstung zu verpulvern, und stellt eine vollkommen belanglose gigantische Zahl für Investitionen in den Raum, verschiebt damit die eigentlichen fiskalischen Probleme nur an die kommenden Regierungen. Dabei liegen die Alternativen auf der Hand: Weniger Geld für Waffen, mehr Investitionen und eine solide Gegenfinanzierung über eine höhere Besteuerung sehr hoher Einkommen und Vermögen. Aber davon spricht niemand. Warum wohl?

Titelbild: Screenshot ZDF


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