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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 25. April 2012 um 8:48 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Autos kaufen eben keine Autos. Und wenn in Südeuropa aufgrund des Spardiktats der Troika Stellen abgebaut, Löhne gesenkt werden und eine wirtschaftliche Rezession eintritt, dann ist es mit den Exporterfolgen der deutschen Wirtschaft eben schnell vorbei. Die Kurzarbeit bei Ford ist ein erstes Alarmsignal für die mit dem eindimensionalen Sparkurs eingeleitete Spirale nach unten, nicht nur für die importierenden Länder sondern nachfolgend vor allem auch für die deutsche Exportwirtschaft.
Anmerkung WL: Die Regierungen stürzten, egal ob sie sozialdemokratisch, konservativ, liberal oder rechtspopulistisch waren. Sie stürzten alle, weil sie das europäische Spardiktat umsetzten. Eigentlich sind die Regierungswechsel Volksabstimmungen gegen den vor allem von Merkel diktierten europäischen Austeritätskurs. Das Schlimme ist, auch jede neue Regierung wird – zumal wenn der Fiskalpakt in Kraft treten sollte – diesem Diktat unterliegen. Dieses Bäumchen-Wechsle-Dich Spiel, ohne dass sich etwas ändert, ist eine Bedrohung der Demokratien in Europa und der Humus auf dem die Populisten mit ihren einfachen Lösungen gedeihen, mit der Hetze gegen Minderheiten in der Gesellschaft (vor allem den Migranten) und mit chauvinistischen Parolen nach außen gegen die europäischen Nachbarn (vor allem gegen die Deutschen). Wir bewegen uns munter auf eine europäische Stimmungslage wie in der Zeit vor 1914, also vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges hin. Und das alles, weil sich die herrschende europäische Politik weigert, die Ursachen der Krise zu bekämpfen und einen alternativen wirtschaftspolitischen Kurs einzuschlagen.
Dazu passt:
Und dennoch fordert die deutsche Wirtschaft:
Anmerkung J.A.: Driftmann hat Recht. U. a. kann sich Deutschland die hohen Entwicklungssubventionen für Automobilfirmen, die unbezahlbaren Unternehmenssteuergeschenke, den Verzicht auf eine Vermögensteuer, die krassen Lohnsubventionen und die verrückte Dumpinglohnpolitik sparen.
Woher aber der Vertreter einer Gruppe, die fast keinen Beitrag zum Steueraufkommen leistet (Anteil der Unternehmenssteuern am Gesamtsteueraufkommen: ca. 8%), das Recht nimmt, den Haushalt zu diktieren, ist schwer verständlich. Wo sind die Forderungen der Lobby der Mehrwertsteuerzahler, die mehr als ein Drittel der Steuerlast tragen?
Anmerkung WL: Das Krisenland kann den Aufschwung schaffen, meint Kommissionspräsident Barroso. Doch dafür müsse weiter gekürzt werden. Die Frage ist, wo der Aufschwung herkommen soll, wenn weiter gekürzt wird.
Anmerkung WL: Die Ergebnisse der Treuhand kennen wir ja: Betriebe werden zum Schleuderpreis verkauft und dann womöglich abgewickelt. Die Frage ist, wer zahlt anschließend den Solidaritätszuschlag an die Griechen.
Anmerkung Orlando Pascheit: In der Tat ist es zu bedauern, dass die Ideengeschichte ökonomischen Denkens an den Hochschulen so vernachlässigt wird. Vielleicht würde die Beschäftigung damit etwas mehr Bescheidenheit in die ökonomischen Debatten bringen. Denn es würde sich sehr schnell herausstellen, dass in der Vergangenheit nicht nur viele Fragen bereits gestellt wurden, aber auch Leitlinien für Antworten vorgegeben wurden – und heute vergessen sind. Vielleicht würde sich auch manch einer zu Herzen nehmen, dass in der Vergangenheit die Zahl der Veröffentlichungen kaum mit der Originalität ökonomischen Denkens korreliert. Aber die aktuelle Mechanik von Aufstiegsprozessen junger Wissenschaftler wird wohl weiterhin eine Flut von Veröffentlichungen hervorbringen. Nur sollte hier nicht jede poplige Korrelation als neue Theorie verkauft werden. Erstaunlich, dass auch renommierte Ökonomen geradezu einer Veröffentlichungsobsession unterliegen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Bruno S. Frey, dessen Renommee durch Eigenplagiate und mangelnde Literaturrecherche so gelitten hat, dass ihn die Universität Zürich zwangsweise in den Ruhestand schicken musste.
Der Ökonom, der im Handelsblatt-Ranking VWL beim Lebenswerk auf Platz eins liegt, hat sich zunächst für die Neue Politische Ökonomie (Übertragung ökonomischen Verhaltens auf die Politik) interessiert und sich in Europa vor allem für die sogenannte Verhaltensökonomik eingesetzt, welche sich vom Bild des rationalen Nutzenmaximierers (homo oeconomicus) absetzt und Psychologie und Soziologie heranzieht, um das Verhalten von Personen zu erklären. Frey betont die intrinsische Motivation von Handeln, das Tun um seiner selbst willen, im Gegensatz zur extrinsischen Motivation, welche von persönliche Vorteil bzw. der Vermeidung von Nachteilen geprägt ist. Auch an Frey lässt sich aufzeigen, dass er nicht allein steht, sondern auf einer langen Tradition der Motivationsforschung fußt, von Brentano (1908) über Maslow (1954) bis McClelland (1984). Generell gilt dies auch für die Verhaltensökonomik allgemein.
Bereits der Urvater der Ökonomie Adam Smith verweist in seiner “Theorie der ethischen Gefühle” 1759 darauf, dass das Handeln von Menschen nicht einfach vom Nutzen, sondern ebenso von Mitgefühl und Sympathie geleitet wird. Allerdings nicht in dieser schlichten Form, sondern als Voraussetzung dafür, sich moralisch zu verhalten oder sich zumindest nach außen so zu geben, da die Menschen einander nach der Befolgung moralischen Regeln bewerten würden. Wenn ein Ökonom jemals dem von Amartya Sen geforderten ganzheitlichen Blick entsprochen hat, so Adam Smith. Der aktuelle Veröffentlichungszwang befördert leider allzu sehr Nebenaspekte. Dies betrifft auch die in Mode gekommene und auch von Frey hoch gehaltenen Forschung zur Ökonomie des Glücks. Dass höherer Wohlstand Menschen auf Dauer nicht macht glücklicher, hat sich schon längst sprichwörtlich niedergeschlagen: Geld allein macht nicht glücklich. “Freundschaften, Familie und andere soziale Beziehungen sind viel wichtiger”, betont Frey. Was soll das? Abgesehen davon, dass bereits Richard Easterlin (1974) feststellte, dass uns zusätzliche materielle Güter nur kurze Zeit Freude bereiten und wir deshalb mit steigendem Wohlstand auf Dauer nicht glücklicher werden, die Hauptfrage für einen Ökonomen ist doch eine ganz andere: Wie befreien wir Menschen bzw. ganze Völker aus materieller Armut, der Hauptquelle von Unglück?
Anmerkung Orlando Pascheit: Ein lesenswerter Artikel, der noch einmal die Bedingungen verdeutlicht, unter denen sich China zur globalen Werkbank entwickeln konnte: Eine moderne Form des Frühkapitalismus. Siehe auch den Bericht zu Foxconn auf den NachDenkSeiten.
Apple und sein taiwanesische Zulieferer Wintek stehen hier stellvertretend für viele andere Unternehmen, wie auch die Protagonistin dieser Geschichte, die Wanderarbeiterin Dang Xianglan unterstreicht: “Eine ganz zufällige Wahl, im Grunde sind ja alle Fabriken gleich.” Ob am Ende der Produktionsstraße, an der sie ihre Handgriffe verrichtet, Schuhe, Mikrowellengeräte oder iPhones herauskommen, spielt für sie keine Rolle. Ohne Zweifel hat China einen einzigartigen Aufholprozess gegenüber den westlichen Industrieländern realisiert, wie es in der jüngsten Vergangenheit nur Japan, Südkorea oder Taiwan gelang. Diese Länder vertrauten dabei keineswegs den reinen Marktkräften, sondern setzten auf den intervenierenden Entwicklungsstaat. In China hat bis heute die allmächtige Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) unter Einsatz aller Mittel, auch protektionistischer Methoden, eine global wettbewerbsfähige Produktion zu gewährleisten. Dies gelingt nicht zuletzt auch über das Lohnniveau, was für ein Entwicklungsland durchaus legitim ist, nur inzwischen setzt China mit seinen unverändert niedrigen Standards bei Lohn, Arbeitsbedingungen und Umwelt sowie gescheit subventionierender Industriepolitik (siehe Solarzellen) nicht nur unsere Produktion sondern unsere Standards unter Druck – ganz zu schweigen von der zunehmenden Polarisierung im Lande selbst. Bezeichnenderweise können selbst viele Entwicklungsländer, z.B. die Textilproduktion in Afrika, nicht mehr mithalten. Das Absurde daran ist, in welchem Ausmaß das westliche Kapital davon profitiert.
Apple realisiert in zunehmendem Maße die Kritik im eigenen Land, indem der Konzern z.B. “aufklärende” Filme zu den Produktionsbedingungen in China erlaubt (siehe Link oben). Noch mehr Sorge bereitet Apple, dass sich die US-Bürger allmählich fragen, warum das reichste Unternehmen der Welt in China produziert und nicht in den USA. Apple hat deshalb eine Studie veranlasst, die Apple die Schaffung von einer halben Million Jobs in den USA bescheinigt. Leider haben deutsche Medien, wie der Spiegel oder auch die FTD im Gegensatz zur NYT diese Botschaft recht unkritisch übernommen. Es lohnt sich, sich die Website von Apple näher anzuschauen.
Da steht zunächst einmal die wunderbare Zahl von 514.000 US-Jobs. Doch halt, kleingedruckt steht zwar “created”, aber eben auch “supported by Apple” – also mit Hilfe von Apple. Die Studie ist ein Versuch zu zeigen, dass Apples Beitrag für den amerikanischen Arbeitsmarkt weit über den 47.000 Arbeitnehmern liegt, welche direkt bei Apple beschäftigt sind – wobei selbst die Mehrheit dieser Arbeitsplätze in den Apple Stores, um genau zu sein 27.350, gewerkschaftlich nicht organisiert sind und zum Niedriglohnsektor gehören. Der Rest wird über einen “Beschäftigungsmultiplikator” errechnet, den das Bureau of Economic Analysis der Bundesregierung entwickelt hat. So wird versucht zu errechnen, wie viel zusätzliche Beschäftigung generiert wird, um die Vorprodukte von Apple zu entwickeln, zu produzieren und zu verteilen (Transport). Nur, wie präzise ist solch ein Multiplikator? Als das Congressional Budget Office den fiskalischen Impuls der Bundesregierung von 2009 errechnen wollte, kamen Schätzungen zwischen 1,4 Millionen und 8,4 Millionen Jobs heraus. David Autor vom MIT meint gar, dass die behauptete direkte und indirekte Schaffung von Beschäftigung “disreputable” (anrüchig) sei, da die meisten Arbeiter, welche Apple sich als Verdienst anrechne, sonst an anderer Stelle eingesetzt würden. Peter Cappelli, Managementprofessor bei der Wharton School (University of Pennsylvania), meint, dass Apple wie jedes andere große Unternehmen eine große gesamtwirtschaftliche Bedeutung habe, aber “wenn sie sagen, ‘falls es Apple nicht gäbe, hätten diese Leute keinen Job’, ist das nicht wahr“.
Der obige Artikel fällt gegen Ende etwas ab. Es wird behauptet, die anspruchsvolle chinesische Jugend würde die Löhne bald auf Westniveau treiben. Von kommenden Lohnsteigerungen wird bereits seit 20 Jahren gesprochen. Sie sind in Vergleich zur japanischen oder koreanischen Entwicklung recht kärglich ausgefallen und zuletzt für die Chinesen selbst der Inflation zum Opfer gefallen. Foxconn z.B. plant zusammen mit der chinesischen Regierung die Verlagerung von stärker automatisierter Produktion in das Hinterland, wo die Löhne noch mit Vietnam oder Bangladesch konkurrieren können. Dass die Kunden von Apple bei jedem Preis mitgehen würden, auch wenn das iPad2 zum in den USA zum landesüblichen Lohn hergestellt würde, und immer noch Produkte “made in china” kaufen würde, ist ein abstruser Gedanke. Gerade dann könnte Apple ja auch in den USA produzieren. Da sei aber die Konkurrenz bevor.
Anmerkung Orlando Pascheit: Ökonomisch scheint für Israel daraus kein Problem zu erwachsen. Ist doch die Gaszufuhr seit 6 Monaten wegen regelmäßiger Anschläge auf die Leitung gestoppt.
Dazu:
Anmerkung Orlando Pascheit: Bevor wir in die übliche Empörungsrhetorik verfallen, sollten wir kurz innehalten. Mauern sind unschön, aber Israel hat die Anschläge auf die Bürger seines Landes stoppen können. Eine andere Frage ist, ob eine klügere israelische Politik nicht dieses übergroße arabische Feindbild Israel und damit so manche Mauer hätte verhindern können. Im Übrigen gibt es Mauern und Grenzzäune zu Hauf in der Welt: USA/Mexiko, Türkei/Griechenland, Indien/Myanmar und natürlich auch im Kleinen. Z.B. in Kairo, auch wenn Demonstranten in Kairo eine hinter dem Tahrirplatz errichtete Mauer niedergerissen haben, weitere sechs bestehen immer noch. Selbst die EU, die neueste Initiative geht von Deutschland und Frankreich aus, arbeitet daran, das Schengen-Abkommen zu revidieren. In Notfällen sollen für einen Zeitraum von bis zu dreißig Tagen Grenzkontrollen erlaubt sein. Diese Notfälle richten sich vor allem gegen Griechenland und Italien, wenn sie die EU-Außengrenzen gegen illegale Einwanderer nicht im Sinne der Nordstaaten ausreichend sichern können. Europa demonstriert in der Flüchtlingsfrage nationalen Egoismus und appelliert an die niedrigen Instinkte der Wähler.
Quelle: Harm Bengen
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