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Titel: Medien und der Ukraine-Krieg: Vom Schrecken bereinigte Bilder im Sinne der Politik

Datum: 5. März 2025 um 10:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache
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Vom Schrecken und vom Grauen an der Front bereinigt – so erscheint der Krieg in der Ukraine viel zu oft in den Medien. Nach drei Jahren des Kampfes wird von Hunderttausenden von toten, verstümmelten und traumatisierten Soldaten auf beiden Seiten der Front ausgegangen. Das Kriegsgrauen wird aber in der Berichterstattung kaum sichtbar. Warum ist das so? Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wer die Berichterstattung weiter Teile der Medien hierzulande verfolgt, wird feststellen: Ihre Beiträge zeigen nahezu nie den Krieg. Was sie zeigen, sind politisch bereinigte Bilder, die das Grauen unsichtbar machen. Die Beiträge zum Ukraine-Krieg lassen den Krieg als Gebilde erscheinen, das Journalisten aus abstrakten Begriffen zusammensetzen. „Angriff”, „Gegenangriff”, „verteidigt”, “Nachschub an Soldaten”, „Kämpfe gehen weiter“, „Panzer, die zum Einsatz kommen“ – und so geht es hoch und runter im Blätterwald. Gewiss: Jeder, der nachdenkt, weiß auch ohne drastische Bilder, dass sich hinter diesen Begriffen das schiere Grauen verbirgt. Allerdings lässt sich dieses Wissen auch leicht ignorieren, wenn man vom heimischen Sofa aus zur Rede aufschwingt, warum ein Land weiterkämpfen soll. Hinzu kommt: Wer möchte schon beim Abendessen vor der Tagesschau mit Bildern, die tatsächlich den Horror des Krieges zeigen, belästigt werden? Was Soldaten an der Front wirklich durchleiden, das wollen viele weder sehen noch sich vorstellen.

Ein Grund dafür, dass Medien grausame Bilder nicht zeigen, ist nachvollziehbar. Ein Journalismus, der sich gegenüber berufsethischen Standards und gesetzlichen Vorgaben verpflichtet sieht, kennt die Grenzen des Zeigbaren. Bei der Veröffentlichung von Bildern, die Leid, Zerstörung und den Horror des Krieges zeigen wollen, sind Grenzen gesetzt. Das ist vernünftig und richtig, denn es geht hierbei unter anderem auch um die Würde der Opfer.

Allerdings ist es sehr schwer, das Grauen zu zeigen, ohne das Grauen zu zeigen. Sprache kann beschreiben, sie kann sehr plastisch sein in der Darstellung des Grauens. An die Wirkung der Bilder wird sie trotzdem kaum herankommen. Wenn ein Krieg in Europa abläuft, der uns doch, nach Aussagen von Politik und Medien, „alle“ betrifft, wäre dann nicht eine ungeschönte Dokumentation des Grauens angebracht? Was wäre, wenn jene Bilder, die wirklich die Brutalität des Krieges zeigen würden, für die breite Öffentlichkeit zu sehen wären?

Diese Frage geht tief, denn sie berührt die zu Recht bestehenden Grenzen innerhalb der Presseberichterstattung und kollidiert mit einer weiteren elementaren Frage, nämlich: Würde der gezeigte Horror vielleicht dazu führen, dass sowohl in den kriegführenden Ländern als auch in den Unterstützerstaaten die Bereitschaft, den Krieg möglichst schnell zu beenden, ansteigt?

Der Eindruck entsteht, dass dieses Ausblenden einer Gruppe sehr gelegen kommt: nämlich der Fraktion der Kriegstreiber. Wer möchte, dass ein Krieg geführt wird, dass sich junge Männer freiwillig für den Kampf an der Front melden, der hat ein Interesse daran, dass die Realität des Krieges gefiltert und in kleinen, verdaulichen Happen der Öffentlichkeit serviert wird. Kein kriegführendes Land und kein Land, dass eine Kriegspartei mit Waffen unterstützt, will zeigen, welche furchtbaren Schäden am Menschen durch die gelieferten Waffen angerichtet werden.

Zwar gibt es bisweilen Bilder, die auch das Grauen des Krieges sichtbar machen, aber dann geht es meistens um ein einseitiges propagandistisches Zeigen, das dazu dienen soll, auf die Brutalität des „Feindes“ hinzuweisen und die Bevölkerung hinter die veranschlagte Kriegspolitik zu bringen.

Gezeigt werden darf im Sinne der Propaganda, der Manipulation und des Feindbildaufbaus nur, wie unmenschlich der „böse Gegner“ bei seinen Angriffen vorgeht. Und selbst da tariert die Propaganda genau aus: Die Barbarei des Feindes sichtbar machen? Ja, aber nur so, dass der feine Grad zwischen geschürter Wut und dem Kippen der Wut in Angst eingehalten wird. Schließlich sollen die Männer des Landes nicht noch auf die Idee kommen, dass es besser ist, sich vom Schrecken der Front fernzuhalten.

Auch wenn es hier und da tatsächlich kritische Berichte geben sollte, die versuchen, das Monströse des Krieges in der Ukraine nicht propagandistisch, sondern journalistisch vertretbar sichtbar zu machen – gut. Nur: In Anbetracht der Menge an Beiträgen, die verschleiern, die camouflieren, die ausblenden und unsichtbar machen, sind Berichte dieser Art nahezu bedeutungslos. Sie können sogar ganz im Sinne der verlogenen Kriegspolitik dazu dienen, bei entsprechenden Vorwürfen als Alibiberichte aus der Schublade gezogen zu werden, um zu versuchen, die Anschuldigungen einer einseitigen Berichterstattung zu entkräften.

Bei Lichte betrachtet: Medien schaffen es hierzulande nicht einmal, die längst unzähligen Rekrutierungsvideos auf den Straßen der Ukraine der deutschen Öffentlichkeit in der Breite sichtbar zu machen. Längst machen sogar Mitglieder der US-Regierung auf Zwangsrekrutierungen in der Ukraine auf offener Straße aufmerksam. In Deutschland präsentieren Medien allenfalls ein paar emotional bereinigte Artikel, die das Vorgehen der ukrainischen Behörden thematisieren.

An dieser Stelle drängt sich eine weitere Frage auf: Wie sieht es mit der politischen Motivation im Journalismus aus, wenn es darum geht, den Kriegsschrecken zu glätten und Videos von Zwangsrekrutierungen nicht zu zeigen? Wer als Journalist auf diese Weise die vorherrschende Politik stützen will, betreibt Verrat an seinem Beruf – denn er dient damit nicht der Berichterstattung, sondern der Manipulation und Propaganda.

Titelbild: cunaplus/shutterstock.com


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