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Titel: Putin will nicht verhandeln – Ein Faktencheck
Datum: 3. März 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Redaktion
Putin lehnt Diplomatie ab. Er versteht nur die Sprache der Stärke. Das ist die Behauptung, die regelmäßig vorgetragen wird, wenn in Deutschland die Forderung nach Diplomatie und Verhandlungen aufkommt. Ein Rückblick auf den Verlauf des Ukraine-Krieges zeigt jedoch, erfolgreiche diplomatische Initiativen gab es aus allen Teilen der Welt. Nur eben nicht aus Westeuropa und aus Deutschland. Dort setzt man auf die Verlängerung des Krieges und isoliert sich auf diese Weise selbst. Von Gert Ewen Ungar.
Mit dem offenen Disput zwischen US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten mit dem abgelaufenen Haltbarkeitsdatum, Wolodymyr Selenskyj, sind die Narrative des Westens zum Ukraine-Krieg in sich zusammengebrochen. Vor allem eins ist bei dem Schlagabtausch vor laufender Kamera deutlich geworden. Es ist nicht Putin, der sich dem Gespräch und der Diplomatie verweigert, es ist Selenskyj. Selenskyj will den Krieg fortsetzen.
Sein Ziel bleibt, aus einer Position der Stärke heraus mit Russland zu verhandeln, um „einen gerechten Frieden“ zu erzielen. Dafür braucht er Waffen, Soldaten und Geld. Die Waffen und das Geld sollen aus dem Ausland kommen, die Soldaten sammelt er inzwischen mit Gewalt auf der Straße ein. Geplant ist die weitere Herabsetzung des Alters, ab dem mobilisiert werden kann. Bereits mit 18 sollen Ukrainer zum Frontdienst einberufen werden können. Die Verluste an der Front können inzwischen nicht mehr durch Einberufungen ausgeglichen werden.
Unterstützung für diesen Kurs bekommt er von der EU und aus Deutschland. Die Formel „gerechter Frieden“ steht dabei für den Sieg der Ukraine über Russland. Deutschland will über Waffenlieferungen die Ukraine in die Lage versetzen, einen militärischen Sieg über Russland zu erzielen. Unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordert die „strategische Niederlage“ Russlands.
Damit die Menschen in der EU und in Deutschland bereit sind, den aggressiven Kurs ihrer Regierungen mitzutragen, wird behauptet, Russland habe vor, nach der Einnahme der Ukraine Länder der EU zu überfallen. Die Ablehnung von Diplomatie wird damit begründet, Putin sei zur Diplomatie nicht bereit. Er verstehe nur die Sprache der Stärke.
Faktisch ist das gelogen. Die EU und die deutschen Außenpolitiker wissen das auch. Es hat in den vergangenen drei Jahren unzählige diplomatische Initiativen gegeben, viele davon waren erfolgreich. An einige will ich nachfolgend erinnern. Ihnen gemeinsam ist, dass sie alle ohne Beteiligung deutscher und westeuropäischer Politiker stattfanden. Einige wurden sogar vom Westen sabotiert.
Eine der wichtigsten diplomatischen Initiativen startete unmittelbar nach Beginn der militärischen Spezialoperation in der weißrussischen Grenzregion zur Ukraine nahe der Stadt Gomel. Am 28. Februar, vier Tage nach Beginn der militärischen Spezialoperation, warteten russische Unterhändler dort auf ihre ukrainischen Verhandlungspartner. Die Verhandlungen wurden später in der Türkei fortgesetzt und führten zu einem unterschriftsreifen Abkommen, mit dem der Krieg bereits im Frühjahr 2022 hätte beendet werden können – wenn man gewollt hätte. Die Vereinbarung wurde vom Westen hintertrieben.
Als eine Geste des guten Willens forderte laut Aussagen von Putin Kanzler Scholz den Rückzug russischer Truppen aus der Gegend um Kiew. Nach russischer Auffassung war das eine Falle, denn drei Tage nach dem Rückzug machten die Bilder aus Butscha die Runde. In Russland ist man überzeugt, dass Butscha eine Inszenierung war, mit der ein Friedensschluss gezielt hintertrieben werden sollte. Dabei kam dem ehemaligen britischen Premier Boris Johnson wohl die Rolle zu, Selenskyj davon zu überzeugen, dass eine Fortsetzung des Krieges lohnend wäre.
Bisher steht es 2:2. Zwei nach westlicher Lesart „autoritär“ geführte Staaten, Weißrussland und die Türkei, setzen sich für Verhandlungen und die Suche nach einer Lösung ein, während sich mit Scholz und Johnson zwei Politiker der „freien westlichen Welt“ für Krieg stark machen und eine Verhandlungslösung gezielt hintertreiben.
Die Türkei ermöglichte dann auch den Getreidedeal, der den Transport ukrainischen Getreides durch das Schwarze Meer erlaubte. Vorausgegangen waren schwere Anklagen gegenüber Russland. Mit vielen anderen behauptete auch Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock, Russland würde Hunger als Waffe einsetzen. Zu den Verhandlungen hat sie selbstverständlich nichts beigetragen.
Als sich Russland aus dem Deal wieder zurückzog, setzten die Beschuldigungen in Richtung Russland natürlich sofort wieder ein. Russland wies nach, dass die Ukraine den Handelsweg für den Transport von Waffen und für Angriffe missbraucht. Auf eine Ermahnung der Ukraine durch Baerbock, das Abkommen nicht zu hintertreiben, wartete man vergebens.
Beschuldigt wurde Russland vom Westen auch, ukrainische Kinder entführt zu haben. Der Internationale Strafgerichtshof stellte in diesem Zusammenhang einen Haftbefehl gegen Russlands Präsident Putin und die russische Beauftrage für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, aus. Russland leugnet dabei gar nicht, Kinder nach Russland verbracht zu haben. Demnach wurden Kinder aus dem Kriegsgebiet evakuiert, da sie sich dort in Lebensgefahr befanden. Man tue alles dafür, die Kinder wieder mit ihren Eltern zu vereinen, sagte Lwowa-Belowa.
Unterstützung aus Deutschland bekommt sie bei der Umsetzung natürlich keine. Stattdessen gab es eine Art Überbietungswettbewerb hinsichtlich der Zahl der „von Russland entführten Kinder“. Tausende? Zehntausende? Soweit ich das überblicke, konnte den Wettbewerb die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, für sich entscheiden. Sie nennt sechsstellige Zahlen.
Bei den Rückführungen engagierte sich jedoch eine weitere Autokratie. Über Katar werden die Familienzusammenführungen abgewickelt. Katar ist übrigens das Land, das Deutschland während der dort ausgetragenen Fußballweltmeisterschaft mittels einer sogenannten „One-Love-Armbinde“ über Diversität, Vielfalt und die Rechte von LGBT-Personen belehren wollte. Es war die Ukraine, die sich geweigert hat, das Rückführungsprogramm zu unterstützen, schließlich aber doch überzeugt werden konnte. Deutschlands Beitrag: keiner.
Über arabische Staaten läuft auch der Austausch von Kriegsgefangenen. Dass Deutschland und die EU auch daran keinen Anteil haben, muss wohl inzwischen nicht mehr gesondert erwähnt werden. Deutschland und die EU unterstützen keine humanitären Initiativen.
Konkrete diplomatische Initiativen mit dem Ziel, den Krieg zu beenden, gab es bisher von afrikanischen Ländern unter der Führung von Südafrika. Es gab Pendeldiplomatie aus China und eine gemeinsame Initiative mit Brasilien. Deutsche oder westeuropäische Unterstützung – Fehlanzeige. Der einzige Politiker der EU, der sich auf den Weg zu diplomatischen Gesprächen mit Selenskyj, Putin, Xi und Trump gemacht hat, war der ebenfalls als Autokrat verschriene ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Er wurde dafür von der Mehrheit der EU-Staatschefs massiv kritisiert. Die EU-Kommission boykottierte sogar die ungarische Ratspräsidentschaft.
Ein erstes Treffen auf Ministerebene nach dem weitgehenden Abbruch der Kontakte unter Biden kam schließlich unter der Mithilfe von Saudi-Arabien zustande. Der russische Außenminister Sergej Lawrow traf im Februar seinen US-amerikanischen Amtskollegen Marco Rubio in Riad. Wenige Tage später setzten eine Delegation aus den USA sowie eine aus Russland ihre Gespräche zur Normalisierung der Beziehungen in der Türkei fort. Drei Jahre wurde nicht miteinander gesprochen, nun trat man wieder in einen Dialog – mit Unterstützung von Ländern, auf die Deutschland überheblich herabblickt. Deutschland und Brüssel lehnen die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Russland weiterhin ab.
Ich will es dabei belassen. Was deutlich geworden sein sollte, ist, wie absolut jenseits der Realität die Behauptung ist, Putin und Russland würden sich der Diplomatie verweigern.
Das Gegenteil ist der Fall. Es ist Westeuropa, das sich der Diplomatie verweigert und weiterhin auf einen militärischen Sieg der Ukraine setzt. Außenministerin Annalena Baerbock hat sich angesichts des Rausschmisses von Selenskyj aus dem Weißen Haus gerade zur weiteren Unterstützung der Ukraine bekannt. Wie realistisch ihre Aufrüstungspläne und die Finanzierung eines längst verlorenen Krieges über die Aufnahme von Schulden sind, will ich hier gar nicht thematisieren. Fakt ist, dass Westeuropa den Krieg weiterführen will und damit international isoliert ist.
Diplomatische Initiativen zur Lösung des Ukraine-Konflikts gab und gibt es aus allen Teilen der Welt, nur nicht aus Deutschland und aus Westeuropa. Russland hat gezeigt, dass es für Gespräche und Verhandlungen bereit ist. Die EU und Deutschland aber wollen einen langen Krieg. Sie wollen keinen Frieden, wenn das bedeutet, dass russische Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden. Ihr Ziel ist, Russland als Staat zu zerstören – strategische Niederlage. Historisch gingen diese Versuche immer gründlich schief. Dafür, dass es dieses Mal anders kommt, gibt es keine Anzeichen. Es ist daher abzusehen, dass Westeuropa für seinen Unwillen zum Frieden einen sehr hohen Preis zu bezahlen hat. Die Behauptung aber, mit Russland könne man nicht verhandeln, ist schlicht gelogen.
Titelbild: Screenshot CNN
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