Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Uniper-Reprivatisierung – so setzt man die Energiewende garantiert in den Sand
Datum: 27. Februar 2025 um 13:20 Uhr
Rubrik: Energiewende, Privatisierung, Ressourcen, Verbraucherschutz
Verantwortlich: Jens Berger
Krisen bietet häufig Chancen, die es ohne sie nie gegeben hätte. Das gilt auch für die Gaskrise des Jahres 2022 und die durch sie erzwungene Verstaatlichung des Energiekonzerns Uniper. Uniper ist als größter Gashändler und Betreiber von Gaskraftwerken der wohl strategisch wichtigste Akteur der Energiewende. Ob wir in den kommenden Jahren Gas- und Strompreise bekommen werden, die Haushalte und Industrie be- oder entlasten, liegt zu großen Teilen in der Hand dieses Konzerns. Wenn es einen Energiekonzern gibt, der systemrelevant ist, dann ist dies Uniper. Spätestens bis Ende 2028 muss der Bund seine Aktienmehrheit bei Uniper wieder aufgeben. Es steht jedoch nirgends geschrieben, dass er den Konzern privatisieren muss. Tut er es doch, wovon derzeit leider auszugehen ist, wird das Land die Schattenseiten der Energiewende zu spüren bekommen. Wenn Union und SPD es mit ihren wirtschaftspolitischen Versprechen ernst meinen, muss die Zukunft Unipers Gegenstand der Koalitionsverhandlungen werden. Von Jens Berger.
Der Konzern Uniper steht im Guten wie im Schlechten für die jüngere deutsche Wirtschaftsgeschichte. Um die Jahrtausendwende herum fusionierten die Mischkonzerne VEBA und VIAG – beide waren übrigens früher in der alten BRD Staatskonzerne – samt ihrer ehemaligen Töchter PreussenElektra und Bayernwerk zur E.ON AG, einem Energiegiganten, der – so die damals hochtrabenden Pläne – ein internationaler Player werden sollte. Das funktionierte jedoch nur sehr eingeschränkt. Auf dem heimischen Markt sorgte die EU dafür, dass die marktbeherrschenden Strukturen von E.ON entflochten wurden, international engagierte man sich vor allem auf dem russischen Markt. Das war betriebswirtschaftlich durchaus sinnvoll, hatte man nun die Gasversorgung Deutschlands von der Pumpe über den Transport bis zur Verteilung doch in einer Hand. Mit den geopolitischen Spannungen des letzten Jahrzehnts war dieses Geschäftsmodell jedoch zu einem Problem geworden und die konventionelle Energieerzeugung galt spätestens mit der ausgerufenen Energiewende auch als Problemfall.
E.ON folgte den Trends und spaltete 2016 seine konventionelle Stromerzeugung und den Energiehandel, also vor allem den Import von Erdgas aus Russland, in die neu gegründete Tochter Uniper ab und brachte dessen Aktien an die Börse. Es dauerte nicht lange, bis die Uniper-Aktie ein Spielfeld für Spekulanten und Hedgefonds wurde und nicht einmal zwei Jahre nach Börsengang geriet Uniper so unter die Kontrolle des finnischen Energieriesens Fortum, der pikanterweise im Mehrheitsbesitz des finnischen Staates ist. Spätestens an dieser Stelle wären die ersten Fragen angebracht: Warum hat der finnische Staat die unternehmerische Entscheidungsgewalt über die deutsche bzw. deutsch-russische Gasversorgung? Warum hat der deutsche Staat es überhaupt zugelassen, derart strategisch und industriepolitisch wichtige Aufgaben aus der Hand zu geben? Warum floss in diesen Jahren die Hälfte der Gewinne aus dem deutschen Gas- und Stromgeschäft, die Uniper erzielen konnte, an Finnland?
Doch diese Fragen lösten sich 2022 ohnehin in Luft auf. Das Geschäftsmodell von Großimporteuren wie Uniper war es bis dahin – vereinfacht gesagt –, sehr große Volumina Erdgas über langlaufende Verträge z.B. mit der Gazprom einzukaufen und dieses Gas mit Gewinn über Terminkontrakte an deutsche Stadtwerke und Großkunden aus der Industrie zu verkaufen. Als 2022 nach der russischen Invasion der Ukraine und den damit begründeten Sanktionen gegen Russland die Gaslieferungen eingestellt wurden, kollabierte dieses Geschäftsmodell. Das Gas, das Uniper bereits für die kommenden Monate und Jahre an die Stadtwerke verkauft hatte, musste man nun am Spotmarkt einkaufen und machte dabei bis zu zehn Millionen Euro Verlust – pro Tag! Es dauerte nicht lange, bis ein acht Milliarden Euro schweres Gesellschafterdarlehen von Fortum aufgebraucht war und Uniper kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Um einen Zusammenbruch der Gasversorgung zu verhindern und die Stadtwerke vor Pleiten zu retten, sah sich die Bundesregierung nun gezwungen, die Aktien von Fortum zu übernehmen, Uniper also voll zu verstaatlichen, und dem Unternehmen neue Kreditlinien auf Steuerzahlerkosten zur Verfügung zu stellen – je nach Quelle waren es wohl rund 26 Milliarden Euro.
An dieser Stelle lohnt sich ein zweiter Blick auf die Geldflüsse. Uniper belieferte 2022 weiterhin die Stadtwerke zum „Vorkriegspreis“, kaufte das Gas aber – gedeckt durch Steuergelder – zum wesentlich teureren Marktpreis ein. Die horrenden Gewinne der Lieferanten flossen nun nach Norwegen und in die USA. Dieses Geld kam zu einem Teil von Haushalten und Industrie über die „Gasumlage“ und zu einem Teil aus Steuergeldern, die Uniper als Darlehen überwiesen wurden. Deutschland ächzte unter hohen Energiepreisen, in Norwegen und den USA knallten die Sektkorken.
Die Beschaffungspreise für Gas auf dem Spotmarkt sind heute immer noch rund doppelt so hoch wie vor dem Ukrainekrieg, aber dafür sind die alten Terminkontrakte auch größtenteils ausgelaufen und Stadtwerke sowie Großkunden aus der Industrie zahlen deutlich höhere Preise an Uniper. Das Unternehmen macht wieder ordentliche Gewinne, mit denen es derzeit so langsam seine Darlehen von der Bundesregierung abbezahlt. In diesem Quartal will Uniper dem Finanzministerium 2,6 Milliarden Euro zurückzahlen. Das ist erfreulich, aber wenn wir uns noch einmal die Geldflüsse anschauen, im Grunde auch nur „rechte Tasche, linke Tasche“. Haushalte und Industrie zahlen „zu viel“, Uniper verteilt die Gewinne daraus an den Bund um, der damit jetzt die Defizite ausgleicht, die 2022 bereits vorwiegend nach Norwegen und in die USA abgeflossen sind. „There is no such thing as a free lunch“, wie Ökonomen es ausdrücken würden.
Bis Uniper alle Kredite des Bundes zurückgezahlt hat, wird es noch Jahre dauern. Dann wird das Unternehmen aber nicht mehr im alleinigen Besitz des Bundes sein. Dass die Bundesregierung 2022 den Konzern überhaupt verstaatlichen und ihm Kreditlinien einräumen konnte, war von der EU-Kommission an die Auflage gebunden, den Bundesanteil an Uniper bis spätestens Ende 2028 auf 25 Prozent zu reduzieren. Wie dies geschieht, ist offen. Medienberichten zufolge präferiert die noch amtierende Bundesregierung den stückweisen Verkauf ihrer Aktienpakete, es ist jedoch auch ein Komplettverkauf an einzelne Investoren im Gespräch – zu den Interessenten gehören demnach der kanadische Vermögensverwalter Brookfield und der norwegische Energiekonzern Equinor. Vor allem Letzteres wäre jedoch eine Katastrophe, ist Equinor doch der größte Gaslieferant für Deutschland und könnte als Besitzer von Uniper so nicht nur den Gaspreis, sondern indirekt auch den Strompreis (dazu später) kontrollieren und manipulieren. Auch hier lohnt wieder ein Blick auf die Geldflüsse: Equinor würde das Gas im norwegischen Schelf fördern und an seine Tochter Uniper verkaufen, die es mit sattem Aufschlag dann an die Stadtwerke und die deutschen Industriekunden weiterverkauft. Die Verbraucher zahlen, Equinor diktiert den Preis und die Gewinne fließen nach Norwegen. Das wäre ein Offenbarungseid für die deutsche Energie- und Industriepolitik.
Als wäre dies alles noch nicht problematisch genug, kommt im Falle Uniper ein eminent wichtiger Zusatzpunkt hinzu. Deutschland befindet sich in der Energiewende und deren Strategie ist es – vereinfacht gesagt –, die Energieerzeugung weg von fossiler Energie und hin zu regenerativer Energie zu transformieren. Jedes Jahr fallen Kapazitäten aus Kohlekraftwerken weg und werden durch Kapazitäten aus Wind- und Solarstrom ersetzt. Nun weht aber nicht immer der Wind und auch die Sonne scheint nicht immer. Das wissen freilich auch die Architekten der Energiewende. Ihr Plan ist es, massive Überkapazitäten von Gaskraftwerken ans Netz zu bringen, die jedoch nur dann Strom erzeugen und einspeisen, wenn die vorhandenen regenerativen Stromerzeugungskapazitäten nicht ausreichen oder der Preis am Strommarkt zu hoch ist. Die Idee ist gut, keine Frage. Würden wir noch preiswertes russisches Erdgas beziehen, wäre sie sogar sehr gut.
In Zeiten hoher und volatiler Erdgaspreise verträgt sie sich aber überhaupt nicht mit den Gewinnerzielungsabsichten der Gaslieferanten und der Betreiber der Gaskraftwerke. Beide wollen – und das ist ja nicht verwerflich, sondern ökonomisch sogar geboten – möglichst viel zu möglichst hohen Preisen verkaufen. Damit besteht hier ein direkter Interessenkonflikt, wollen Haushalte und Industriekunden doch vor allem niedrige Preise, die nur dann verwirklicht werden können, wenn möglichst wenig Strom aus Gaskraftwerken eingespeist wird.
Und was hat das mit Uniper zu tun? Ganz einfach, Uniper ist bereits heute einer der wichtigsten Betreiber von Gaskraftwerken und wird beim forcierten Ausbau der Kapazitäten in den nächsten Jahren ebenfalls eine dominante Rolle spielen. Uniper hätte also im worst case nicht nur die vertikale Integration der Gasversorgung von der Förderung bis zum Großhandel, sondern auch noch die Stromerzeugung aus Gas als marktbeherrschender Akteur in seiner Kontrolle und könnte auch hier die Preise setzen; dies ist im konkreten Fall um so problematischer, da Uniper ja auch noch Strom aus Kohle und sogar Strom aus regenerativen Energien erzeugt und über den „Merit Order“ mit den Gaskraftwerken sogar den Preis für Strom aus Kohle und regenerativen Energien manipulieren könnte.
Uniper mag nicht der größte Konzern Deutschlands sein, aber durch seine starke Position im Markt hat Uniper die Macht, Preise zu setzen. Der Gas- und der Strompreis sind aber nicht irgendwelche Preise, sondern Parameter, die für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands elementar sind. Uniper darf daher nicht privatwirtschaftlichen Renditeinteressen freigegeben werden, sondern muss in ein Konzept eingebunden werden, bei dem die Interessen des Unternehmens mit den Interessen der Allgemeinheit in Einklang gebracht werden. Und das ist möglich, auch wenn der Bund von der EU-Kommission gezwungen wird, seinen Anteil zurückfahren.
Ein Vorbild könnte dabei die Privatisierung des Wasserversorgers Harzwasserwerke sein. Dieses Unternehmen wurde privatisiert, weil der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder Geld für die Ausrichtung der Expo 2000 in Hannover brauchte. Schröder brachte das landeseigene Versorgungsunternehmen jedoch nicht an die Börse oder verkaufte es an einen Multi, sondern er verkaufte es an die Kunden – Kommunen, Stadtwerke und kommunale Wasserverbände –, die seitdem die Gesellschafter der Harzwasserwerke sind. Warum verkauft der Bund Uniper nicht an die Stadtwerke, Kommunen und Industriekonzerne, die Uniper beliefert? Der Interessenkonflikt wäre damit gelöst. Die Kunden von Uniper haben – wie die Allgemeinheit – ein Interesse an niedrigen Preisen und einer sicheren Versorgung. Und selbst wenn Gewinne anfallen sollten, so fließen die nicht nach Norwegen oder an Finanzkonzerne jenseits des Atlantiks, sondern an die deutschen Akteure, die durch zu hohe Preise diese Gewinne finanziert haben. Problem gelöst.
Ja, es könnte so einfach sein. Das Einzige, was fehlt, ist der politische Wille für eine Problemlösung im Interesse der Allgemeinheit. Mit der unfreiwilligen Verstaatlichung wurde der Bundesregierung wie durch glückliches Schicksal die Chance in die Hand gegeben, zumindest einige der Parameter, die die Energiewende mit dem Fortbestand des Industriestandortes in Einklang bringen können, zu ändern und Fehler der Vergangenheit auszugleichen … ergreifen muss die Regierung diese Chance jedoch selbst. Wenn sie dies nicht tut und Uniper ohne Not den Renditeinteressen ausländischer Akteure feilbietet, sollte sie jedoch auch schweigen, wenn es um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands geht. Wir dürfen gespannt sein, ob Union und SPD das Problem erkennen und es mit ihren wirtschaftspolitischen Forderungen aus dem Wahlkampf ernst meinen. Sonderlich wahrscheinlich ist dies leider nicht.
Titelbild: T Kongkanjana/shutterstock.com
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=129425