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Titel: Hurtado: Wieder ein Richter von rechtem Schrot und Korn

Datum: 26. Februar 2025 um 15:00 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Länderberichte, Lobbyismus und politische Korruption
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Aus Spanien gibt es eigentlich nichts wirklich Neues zu berichten. Die Regierung regiert weiter mit Dekreten, da für das laufende Jahr wegen fehlender Mehrheit immer noch kein Haushalt verabschiedet werden konnte, und Carles Puigdemont lebt weiter im Exil in Waterloo, da eine Amnestie für ihn nach wie vor durch das Oberste Gericht blockiert ist (wobei trotz weiter bestehenden Haftbefehls gegen ihn die Rechtspartei PP diskret, aber bisher ohne Erfolg bei ihm für die Beteiligung seiner Partei an einem Misstrauensvotum zum Sturz der Regierung von Pedro Sánchez wirbt). Von Eckart Leiser.

Aber inmitten dieses Stillstands treibt das Dauerthema, nämlich der Feldzug der rechten Justiz gegen die linke Regierung von Pedro Sánchez (nach Einschätzung prominenter spanischer Rechtswissenschaftler ein klarer Fall von „lawfare“), neue Blüten. Dabei tauchen immer mal wieder neue Feldherren auf. Vor einigen Jahren war es Manuel García Castellón, jetzt gibt es einen neuen Star, der täglich die Medien füllt: Ángel Luis Hurtado, Richter der Zweiten Strafkammer des Obersten Gerichtshofs. Im reifen Alter von 70 Jahren läuft er gerade zur Hochform auf, auch wenn er schon früher mal von sich reden machte.

So hatte er bereits 2017 als Richter am Nationalen Gerichtshof (Audiencia Nacional) ein Sondervotum abgegeben, als der Mega-Korruptionsskandal mit dem Namen „Gürtel“ verhandelt wurde. Damals ging es um eine mit Bestechungsgeldern gefüllte „Kasse B“ der Rechtspartei PP, an der sich nicht nur deren Führung bereicherte, sondern mit der sogar die Erweiterung der Parteizentrale finanziert wurde. Da auch der damalige Regierungschef Mariano Rajoy auf der Empfängerliste von Geldern auftauchte, hatte das Gericht dessen Vorladung beschlossen. Hurtado stimmte damals dagegen, weil er erstens den Ruf der Rechtsregierung gefährdet sah und zweitens keinen Anhaltspunkt für eine Bereicherung fand. Am Ende wurde die Rechtspartei trotzdem wegen Korruption und Bereicherung verurteilt und Mariano Rajoy und seine Regierung gestürzt.

Im Jahr 2020 ernannte die oberste spanische Justizbehörde CGPJ zu einem Zeitpunkt, als deren Amtszeit schon seit Jahren abgelaufen war und ihre Erneuerung von der Rechtspartei blockiert wurde, mit ihrer rechten Mehrheit Hurtado zum Richter am Obersten Gerichtshof. An diesem findet jetzt die Krönung seiner Richterkarriere statt: Alberto González Amador, Lebenspartner von Isabel Ayuso, gegenwärtiger „Shootingstar“ der Rechtspartei und Regierungschefin der Region Madrid, hat Probleme mit der Justiz. Wie die Finanzbehörde herausfand, hat er mit Hilfe gefälschter Dokumente über 350.000 Euro Steuern hinterzogen. Außerdem laufen Ermittlungen zu einer Scheinfirma mit Namen „Masterman S.L.“, erfunden zum Verdecken weiterer illegaler Geschäfte mit dem Unternehmen Quirón, ein Imperium von Privatkliniken in Spanien. Die hinterzogenen Gelder hatte Amador an der Vermittlung des Kaufs von überteuerten Corona-Schutzmasken verdient. Seine Straftaten reichen für eine längere Haftstrafe aus.

Die Berater von Isabel Ayuso, insbesondere ihre „rechte Hand“ Miguel Ángel Rodríguez – abgekürzt „MAR“ – setzten alles in Bewegung, insbesondere die rechten Medien, um Schaden von der politischen Karriere der „spanischen Marine Le Pen“ abzuwenden. So brachte „MAR“ über die Zeitung El Mundo, Flaggschiff der rechten Presse, die Falschmeldung in Umlauf, die Justiz hätte Herrn Amador einen „Deal“ angeboten, um sein Problem aus der Welt zu schaffen und ihn vor der Einlieferung in ein Gefängnis zu bewahren. In Wirklichkeit war es genau umgekehrt: Sein Anwalt bat die Justiz in einem Schreiben darum, seinen Mandanten, der seine Vergehen gestanden habe, mit einer symbolischen Haftstrafe davonkommen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft dementierte daraufhin in einer Presseerklärung die Falschmeldung und stellte die Dinge richtig. Bereits zuvor war das „Bekennerschreiben“ seines Anwalts in den Medien aufgetaucht.

Sofort kam eine perfekt choreographierte Entrüstungskampagne in Gang, in der das Öffentlichmachen von Daten eines vertraulichen Gerichtsverfahrens angeprangert wurde, und diese Kampagne hält an. Zielscheibe ist der vom Regierungschef Pedro Sánchez ausgewählte „fortschrittliche“ Generalstaatsanwalt Álvaro García Órtiz. Bis heute ohne jeden Beweis ermittelt seitdem der Richter Hurtado gegen den Generalstaatsanwalt wegen des Verbreitens vertraulicher Daten, die den Ruf des bekennenden Steuerhinterziehers Alberto González Amador beschädigt hätten – und das, obwohl auf der Grundlage der bisherigen Zeugenaussagen mindestens 60 Beamte Zugang zu dem „Bekennerschreiben“ des Anwalts hatten und dieses den Medien hätten zuspielen können. Ja, mehr noch: Ein Zeuge hat vor Hurtado ausgesagt, er kenne den für die Weiterleitung des „Bekennerschreibens“ verantwortlichen Beamten, sein Berufsgeheimnis als Journalist verbiete ihm aber, seinen Namen preiszugeben. Hurtado hält diese Aussage aber für irrelevant. Stattdessen ordnete er eine Bürodurchsuchung des Generalstaatsanwalts an sowie die Beschlagnahme seiner Akten, seines Handys und anderer Datenträger, „als handele es sich um das Ausheben des Verstecks eines Drogenbosses“ – wie eine Zeitung schrieb. Inzwischen hat Hurtado den Generalstaatsanwalt zur Vernehmung vorgeladen und ist offensichtlich entschlossen, ihn auf die Anklagebank zu setzen. Das Verfahren gegen den bekennenden Straftäter Amador steht dagegen seitdem still: Bis heute hat noch keinerlei Vernehmung stattgefunden.

Die rechten „Kloaken“ des Landes arbeiten seitdem mit Hochdruck an Verschwörungstheorien, in denen der Regierungschef Pedro Sánchez beschuldigt wird, die Strafverfolgung des Partners von Isabel Ayuso persönlich angeordnet zu haben, um damit seine „politische Rivalin“ zur Strecke zu bringen: Grund, seinen Rücktritt zu fordern. Man reibt sich die Augen.

Titelbild: esfera/shutterstock.com


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