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Titel: Der Frieden ist der große Wahlverlierer

Datum: 24. Februar 2025 um 9:08 Uhr
Rubrik: Wahlen
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Deutschland hat gewählt und das Ergebnis kann nur als ernüchternd bezeichnet werden. Der kommende Kanzler dürfte Friedrich Merz heißen und mit der SPD als geschwächtem Juniorpartner die nächste Regierung bilden. Dort ist die Ära Scholz nun vorbei und es ist zu befürchten, dass der Falke Boris Pistorius der neue starke Mann der Sozialdemokraten wird. Das BSW hat den Einzug in den Bundestag denkbar knapp verfehlt. Die wohl einzige Stimme gegen Krieg und Aufrüstung ist nun die Linkspartei, die als großer Gewinner der Wahl nun zwar vor Kraft kaum gehen kann, ihre friedenspolitischen Positionen jedoch im Rahmen der Neuausrichtung bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen hat. Dem Land stehen harte Zeiten bevor. Von Jens Berger.

4,972 Prozent – am Ende fehlten nur 13.434 Stimmen für das BSW, um bei seiner ersten Teilnahme an Bundestagswahlen ins Parlament einzuziehen. Glaubt man den Nachwahlbefragungen von infratest dimap, war das Thema „Friedenssicherung“, bei dem das BSW ein Alleinstellungsmerkmal hat, nur für 13 Prozent der Wähler das wichtigste Thema bei der Wahlentscheidung. Bei den am Ende entscheidenderen Themen „Innere Sicherheit“ und „Zuwanderung“ konnte vor allem die AfD abräumen und bei der „Sozialen Sicherheit“ punktete die Linkspartei, die sich zudem vor allem bei den jüngeren Wählerschichten in den letzten Wochen als glaubhafte Alternative zu AfD und CDU positionieren konnte. Merz’ inszenierter „Tabubruch“ stellte somit die Weichen für den Wahlabend, rückte er doch in der entscheidenden Wahlkampfphase Themen in den Mittelpunkt, bei denen das BSW nicht zu den relevanten Akteuren gehört.

Ob die Fokussierung auf das Thema Migration der Union genutzt oder geschadet hat, bleibt offen. Festzuhalten ist, dass CDU und CSU mit nur 28,5 Prozent ihr historisch zweitschlechtestes Ergebnis erzielten und damit auch recht deutlich hinter die Umfrageergebnisse zurückfielen, die sie vor dem „Ampelbruch“ erzielen konnten. Dennoch wird die Union in der künftig wahrscheinlichen Regierungskoalition mit der SPD die klar stärkere Kraft sein. Die SPD hat mit 16,4 Prozent nämlich ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt und insbesondere „Noch-Kanzler“ Olaf Scholz dürfte in der kommenden Regierung keine nennenswerte Rolle mehr spielen. Fraktionschef Mützenich, der in der Vergangenheit stets ein Korrektiv bei außen- und sicherheitspolitischen Vorstößen der Falken innerhalb der Ampel war, will nicht erneut antreten. Bereits gestern Abend wurde klar, dass die Medien sich nun Boris Pistorius als neuen starken Mann in der SPD wünschen und es ist leider recht wahrscheinlich, dass die Partei diesem Wunsch folgen wird. Scholz hat bereits angekündigt, dass er die Partei nicht in die Koalitionsverhandlungen führen wird.

Merz-CDU und Pistorius-SPD … (nicht nur) für den Frieden ist das ganz sicher keine wünschenswerte Konstellation; da hilft es wenig, dass „dank“ des Nichteinzugs von BSW und FDP die Grünen nun für eine mehrheitsfähige Koalition nicht gebraucht werden. Der Absturz der Grünen auf 11,6 Prozent ist neben dem Ausscheiden der FDP dann auch das einzige positive Ergebnis der Wahlen. Robert Habeck hatte den gesamten Wahlkampf auf seine Person zugeschnitten und damit keinen Erfolg gehabt. Gestern Abend wirkte er arg angefasst, es wäre zu wünschen, dass auch er – wie zuvor Christian Lindner – nun die personellen Konsequenzen zieht.

Die Gewinner der Wahlen sind AfD und Linkspartei. Gerade bei diesen beiden Parteien zeigt sich jedoch auch die fortlaufende Spaltung des Landes. Die AfD hat zwar bundesweit stark abgeschnitten, ihr Abschneiden in den östlichen Bundesländern war jedoch überragend. In allen ostdeutschen Bundesländern ist die AfD nun die stärkste Kraft – in Brandenburg mit 32,5 Prozent der Zweitstimmen und in den übrigen ostdeutschen Ländern mit mehr als 37 Prozent. Auch bundesweit war die AfD bei den Arbeitern und Arbeitslosen die stärkste Partei und konnte bei Wählern, die ihre wirtschaftliche Situation als schlecht einstufen, 38 Prozent (+19 Prozentpunkte gegenüber den letzten Wahlen) der Stimmen holen. Dies ist ein krasser Kontrast zum Wahlprogramm der AfD, in dem eine Politik umrissen wird, von der vor allem Wohlhabende und Reiche profitieren.

Eine weitere Spaltung des Landes zeigt der Erfolg der Linkspartei. Sie konnte vor allem bei jungen Wählern Stimmen holen. Bei den unter 25-Jährigen war sie mit 25 Prozent (+17 Prozentpunkte gegenüber den letzten Wahlen) sogar die stärkste Partei. Die Linkspartei räumte vor allem in großen Städten ab, in Berlin war sie gestern mit 19,9 Prozent der Zweitstimmen noch vor der CDU die stärkste Partei. Auf dem Land und bei älteren Wählern schnitt die Linke jedoch deutlich schlechter ab. Hier war es vor allem die CDU, die mit 43 Prozent bei den über 70-Jährigen ein Traumergebnis holen konnte.

Es ist noch zu früh für ausführlichere Analysen. Mit ein wenig Phantasie kann man jedoch bereits erkennen, dass sich mittel- bis langfristig der Aufwärtstrend der AfD fortsetzen wird. Merz wird mit seinen migrationspolitischen Vorstößen an den Gerichten und der EU scheitern und der AfD dieses Feld überlassen müssen. Noch größer werden jedoch aller Voraussicht nach die Auswirkungen der kommenden Hochrüstungs- und Ukrainepolitik. Merz-CDU und Pistorius-SPD werden hier wohl einen Durchmarsch starten und man kann davon ausgehen, dass sie zur Gegenfinanzierung in zahlreichen Bereichen Einsparungen vornehmen werden und in der Steuerpolitik ihre Wahlkampfversprechen nicht einlösen werden. Gesamtwirtschaftlich dürfte sich die Rezession fortsetzen und ohne das BSW auf den Oppositionsbänken wird die AfD als größte Oppositionspartei davon profitieren. Wie lange die kommende Koalition und wie lange die Brandmauer hält, ist ungewiss. Dass 2025 die letzte große Wahl mit Brandmauer war, ist keinesfalls auszuschließen.

Titelbild: Screenshot Tagesschau.de


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