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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 19. April 2012 um 8:37 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung RS: Da spricht derselbe Gerhard Schröder, der einst in Davos stolz von sich gegeben hat, dass er den größten Niedriglohnsektor Europas geschaffen hat. Das sind nur Krokodilstränen.
Anmerkung Jürgen Karl: Obwohl man es eigentlich wissen sollte ist man doch immer wieder sprachlos, wenn man sieht, dass die Riester-Rente offensichtlich nur eingeführt wurde um den Banken und Versicherungsgesellschaften die Taschen zu füllen.
Recht nett auch der Kontrast von Walter Riesters protziger Wohnung zu den Behausungen der Menschen, deren Rente zum Leben nicht reicht.
Anmerkung unseres Leser J.H.: Das Argument, den Ärzten werde endlich auf die Finger geschaut, verdeckt die eigentlichen schwerwiegenden Folgen für die Patienten, insbesondere wenn die elektronische Patientenakte Wirklichkeit wird. Zunächst werden noch die Appetizer gereicht: Notfalldatensatz, Missbrauchsverhütung durch Foto auf der Karte oder unnötige Doppeluntersuchungen. Man muss allerdings nach dem cui bono eines solchen Milliardenprojektes fragen. Da kommen die Patienten ganz am Ende.
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Hier [PDF – 34 KB]
Faktoren aus der Philosophie, den Sozial- oder Verhaltenswissenschaften werden zu wenig Ernsthaft berücksichtigt. Die Bandbreite der Wirtschaftswissenschaften ist zu eng und damit die Möglichkeit von Erkenntnisgewinn zu gering.
Quelle: bild.de
Anmerkung WL: Straubhaar wandelt sich immer mehr vom Saulus zum Paulus.
Anmerkung Orlando Pascheit: So sinnvoll es erscheint, eine Philosophin nach dem Wesen der Freiheit zu befragen, so traurig ist das Ergebnis. Wie kann die Philosophin die Geschichte des Begriffs Freiheit so leichtfertig ignorieren zu Gunsten einer banalen Parteinahme für einen aktuellen Politiker. Sie wirft der Kritik am Freiheitsbegriff des Bundespräsidenten vor, die Vorordnungs- und Nachordnungs Verhältnisse von Freiheit und Gerechtigkeit zu ignorieren, ja auf den Kopf zu stellen. Von einem konstruierten Bild eines totalitären Systems aus, das Gerechtigkeit ermöglicht, möchte uns Birgit Recki mitteilen, dass Gerechtigkeit nichts sei, wenn es keine Freiheit gäbe. Dreimal dürfen Sie raten, welches System denn gemeint sein könnte. Es ist das System, dem die heutigen Gauckkritiker anhingen, welche sind: “Die Linken, die bis heute immer noch nicht gesagt haben, wo die SED-Millionen eigentlich verblieben sind.” Das ist infam und vor allem billig, aber zurück zu den Vorordnungs- und Nachordnungsverhältnissen. Von Solon über Kant bis Rawls ist Gerechtigkeit das Prinzip der Sicherung von Freiheit. Bei Solon ist derjenige frei, der auf der Erde der Polis (antiker griechischer Stadtstaat) lebt. In der Polis wird Willkür und Gewalt durch das Gesetz in seine Schranken gewiesen. Freiheit besteht in der Gleichheit vor dem Gesetz, das unumschränkt herrscht. Bei Kant wird dem einzelnen nur soweit Freiheit zugestanden, wie dies im Rahmen einer allgemeinen gesetzlichen Regelung möglich ist. Nur vor dem Hintergrund des Willens zur gesetzlichen Allgemeinheit, welche eine vernünftige Gleichheit impliziert, ist es möglich sein Glück zu suchen bzw. sich selbst ein Gesetz zu sein. Rawls rückt ein Gerechtigkeitsprinzip in den Vordergrund, wonach jedermann ein gleiches Recht auf ein größtmögliches System von Grundfreiheiten zuzugestehen sei. Auch hier gewährt erst das Gerechtigkeit die Realisierung von Freiheit, auf dass dieses für alle gelte. Natürlich ist eine bestehende Rechtsordnung niemals ganz so, wie sie sein sollte. Weswegen sich Rawls damit begnügt, dass innerhalb der faktisch bestehenden sozialen und ökonomischen Ungleichheiten ein Prinzip gelte, dass den am wenigsten begünstigten Personen immer noch den größtmöglichen Vorteil bringen sollte. Aber vielleicht ist es angemessener, heutigen „Liberalen“ die Schrift, „On Liberty“, von John Stuart Mill als Pflichtlektüre an das Herz zu legen. Dieser Klassiker des Liberalismus muss heute oft nur dafür herhalten, den Staat als paternalistisch abzutun. Natürlich betont Mill, die „Grenzen der Gewalt, die füglich die Gesellschaft über den einzelnen ausüben sollte.“ Freilich er sagt auch: „Ein gewisser Zwang aber ist immer nötig, um die stärkeren Persönlichkeiten daran zu hindern, die Rechte der Schwächeren einzuschränken… Um zum Heile anderer die strengen Regeln der Gerechtigkeit einzuhalten, entwickelt der Mensch die Gefühle und die Gaben, die das Wohl anderer bezwecken.“ Tatsächlich räumt Mill dem Staat sehr viel mehr Aufgaben und Befugnisse zur Einflussnahme auf die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Individuen ein, als dies die heutigen „Liberalen“ akzeptieren.
Um von diesen allzu verknappten, sehr allgemeine Hinweisen zu einem konkreten Punkt zu kommen, kann man auf Aristoteles zurückgreifen, der in seiner die Nikomachischen Ethik schreibt:
“Als unfreiwillig gilt also, was unter Zwang und aufgrund von Unwissenheit geschieht. Dementsprechend darf als freiwillig das gelten, dessen bewegendes Prinzip in dem Handelnden selbst liegt, wobei er ein volles Wissen von den einzelnen Umständen der Handlung hat.”
Im konkreten Leben beinhaltet die Forderung nach einem vollen Wissen von den einzelnen Umständen der Handlung eine wesentliche Beschränkung der freien Entscheidung. Denn wer hat die Chance, konkret die Zeit, die Freiheit die einzelnen Aspekte seines Handelns zu bedenken – außer vielleicht ein Aristoteles als freier Bürger in einer Sklavenhaltergesellschaft oder offensichtlich Recki, die das Privileg genießt “von den Alltagsverpflichtungen des Hochschullehrers befreit” zu sein? Rossana Rossanda bringt es auf den Punkt: “Wie kann man es ertragen, dass die meisten Menschen auf der Erde nicht einmal die Chance haben, darüber nachzudenken, wer sie sind und was sie werden wollen, weil das ganze Abenteuer des Lebens von Anfang an ruiniert ist?” Recki sollte weniger von der kompletten Gleichverteilung aller vorhandenen Güter in einer Diktatur faseln, sondern sich Gedanken darüber machen, wie die Voraussetzungen zu schaffen sind, “dass das Individuum sich selbst bestimmen kann”. Schade, dass es für Recki nur dazu reichte, sich an “marxistische Bildung heranzustasten”. Sie hätte sich sonst vielleicht davon inspirieren lassen, dass das “Reich der Notwendigkeit”, die kapitalistische Produktionsweise, darüber entscheidet, wie viel freie Zeit die Individuen besitzen, welche materiellen Mittel im “Reich der Freiheit” zur Verfügung stehen und welche Möglichkeiten freier Selbstbestätigung zur Vervollkommnung der Menschen als Selbstzweck bestehen. Vor diesem Hintergrund forderte Marx ganz konkret eine Verkürzung des Arbeitstages, welche im Verlauf des 20. Jahrhunderts realisiert wurde. In der heutigen Zeit nimmt die Gewaltandrohung der Mächtigen eine ganz andere Form an als zu Zeiten Solons. Es ist die zunehmende Dominanz des kapitalistischen Verwertungssystems über unsere Lebenssysteme, die die Chance von Kindern und Jugendlichen bis hin zu den Erwachsenen einschränkt, sich selbst zu bestimmen – angefangen bei der Komprimierung von Lern-und Bildungsinhalten in ein immer enger werdendes Zeitfenster bis hin zur Ausdehnung der Arbeitszeit in den letzten zehn Jahren, von den Verhältnissen in Entwicklungsländern ganz zu schweigen. – Nein Frau Recki oder auch Herr Gauck, die Frage ist nicht, wie der Einzelne Freiheit in Verantwortung realisiert, sondern inwiefern die heutige Form des Kapitalismus den Menschen daran hindert, bei sich zu sein.
Anmerkung Orlando Pascheit: Ein wenig untergegangen ist, dass mit der Neuregelung die Befugnis des Bundestagspräsidenten festgeschrieben worden wäre, “Abweichlern” ein Rederecht einzuräumen. Jetzt werden weiterhin nur Parlamentarier im Plenum das Wort erhalten, die von den Fraktionen dazu bestimmt wurden.
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