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Titel: USAID-Schließung – wer organisiert künftig den Informationskrieg des Westens?

Datum: 12. Februar 2025 um 10:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Strategien der Meinungsmache
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Wer sich bereits ein wenig mit der hybriden Kriegsführung der USA beschäftigt hat, musste sich in der letzten Woche sicher verdutzt die Augen reiben. Die erste Behörde, die dem Rotstift der von US-Präsident Trump eingesetzten und von Milliardär Elon Musk geleiteten Abteilung für Regierungseffizienz (DOGE) zum Opfer gefallen ist, ist ausgerechnet die vermeintliche US-„Entwicklungshilfebehörde“ USAID. Deutsche Medien kritisierten sogleich, dass Trump und Musk die „Entwicklungshilfe demontierten“ – gerade so, als sei USAID eine Art großes „Brot für die Welt“. Doch das ist falsch. Natürlich betreibt USAID auch klassische Entwicklungshilfe. Die für die US-Regierung viel wichtigere Aufgabe von USAID ist jedoch die, US-Propaganda zu verbreiten und andere Staaten auf US-Linie zu bringen. Dies lässt sich insbesondere in der Ukraine beobachten, wo neun von zehn Medienunternehmen maßgeblich von USAID finanziert wurden. Nun hofft man dort, dass die EU die Lücke schließt, die Trump und Musk aufgerissen haben. Von Jens Berger.

Hand in Hand mit dem Geheimdienst

Eine der wohl größten Legenden des Journalismus ist es, frei und unabhängig zu sein. Schon in der Nachkriegszeit infiltrierte die CIA nahezu alle großen US-Medien, und die arbeiteten auch willfährig mit dem Geheimdienst zusammen, wie es der Watergate-Journalist Carl Bernstein bereits 1977 in einem damals aufsehenerregenden Artikel schilderte. Doch nicht nur US-Medien standen während des Kalten Kriegs unter dem Einfluss von US-Diensten, auch und gerade ausländische Medien waren stets im Visier der Schlapphüte. Das ist verständlich. Was wir denken und was wir für richtig oder falsch halten, ist oft das Produkt der Medienberichterstattung. Es gibt wohl kein besseres Instrument, ganze Völker in die gewünschte Richtung zu beeinflussen, als die gezielte Manipulation durch die Medien. Wobei Manipulation in diesem Kontext nicht zwingend heißen muss, dass hier Falschinformationen verbreitet werden. Auch das Auslassen von Informationen, die unerwünscht sind, und die einseitige Beeinflussung politischer Debatten sind eine Form der Manipulation. Schon Schopenhauer wusste: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will“. Der Kampf um die Deutungshoheit in den Köpfen ist das Schlachtfeld der hybriden Kriegsführung, und auf diesem Schlachtfeld haben die USA es über die Jahrzehnte zur Meisterschaft gebracht.

Die United States Agency for International Development (USAID) wurde 1961 von John F. Kennedy ins Leben gerufen. Ziel war es, die zuvor auf zahlreiche verschiedene Behörden verteilten Aufgaben der Entwicklungshilfe und Entwicklungszusammenarbeit besser zu koordinieren und auf eine Behörde zu konzentrierten. Um selbstlosen Altruismus ging es dabei freilich nie. Die Welt befand sich im Kalten Krieg, und in den USA hatte sich spätestens mit dem Vietnamkrieg die von Lyndon B. Johnson ausgegebene Parole durchgesetzt, man müsse einen Krieg um die Herzen und Köpfe der Menschen führen. Nur so könne die USA, dem damals in vielen Gegenden der Welt aufkeimenden Sozialismus und damit dem Einfluss der Sowjetunion etwas entgegenhalten. Neben der klassischen Entwicklungshilfe ging es dabei von Anfang an auch darum, Meinungen zu beeinflussen, politische Kräfte, die mit den USA paktieren, zu stärken und politische Kräfte, die den Interessen der USA zuwiderliefen, zu verteufeln. Dafür brauchte man verbündete Journalisten und Medien.

Seit 1953 gab es bereits die staatliche „United States Information Agency“, die über Jahrzehnte in enger Zusammenarbeit mit der CIA die berüchtigten US-Auslandssender wie RIAS oder Radio Free Europe betrieb. Mit der Gründung von USAID und der 1983 von Ronald Reagan gegründeten National Endowment for Democracy (NED) ging man jedoch mehr und mehr dazu über, die Propaganda subtiler zu gestalten, ausländische Journalisten selbst auszubilden und ausländische Medien, die im Sinne der USA agierten, zu finanzieren. Offiziell hieß das dann natürlich nicht mehr Propaganda, sondern Stärkung unabhängiger Medien, der Zivilgesellschaft und demokratischer Kräfte. Das hört sich ja auch besser an. Nur wie „unabhängig“ ist eigentlich ein Medium, das voll und ganz von einem fremden Staat finanziert wird?

Hier kam die USAID ins Spiel. Hätten die USA beispielsweise in Georgien oder der Ukraine in den 1990ern lokale Journalisten direkt von der CIA ausbilden lassen oder ganze Medien von der CIA finanzieren lassen, wäre dies allzu durchsichtig gewesen. Aber wer soll schon etwas sagen, wenn das Ganze zumindest formal über die Entwicklungshilfeschiene läuft und neben USAID auch noch verschiedene andere staatliche und private Organisationen, wie beispielsweise die NGOs von George Soros, an der Finanzierung beteiligt sind? Es ging ja in der Außendarstellung nicht um Regime Change oder Propaganda, sondern stets um zivilgesellschaftliches Engagement oder die Bekämpfung der Korruption – dass Letzteres freilich sehr gezielt gegen Gegner der US-Linie eingesetzt wurde und wird, versteht sich von selbst.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fiel der Kampf um die Herzen und Köpfe in Ländern Asiens, Afrikas oder Südamerikas, in denen die USA in Konkurrenz zur Sowjetunion stand, weg. Dafür geriet nun der „postsowjetische“ Raum in den Fokus von USAID. Milliarden an Dollar sollten in den nächsten Jahren allein in den Aufbau amerikafreundlicher Medien und die Ausbildung der dafür nötigen Journalisten investiert werden. Ein Report, der am Wochenende von WikiLeaks veröffentlicht wurde, lässt den Umfang dieser Aktivitäten erahnen. USAID hat demnach allein der Organisation „Internews Network“ ganze 473 Millionen US-Dollar zukommen lassen. Internews finanziert nach eigenen Angaben 4.291 Medienunternehmen und hat 9.000 Journalisten ausgebildet.

Internews ist im Geschäft der hybriden Kriegsführung kein Unbekannter. 2001 beschrieb die Washington Post die Organisation mit dem Worten: „Internews ist einer der erfolgreichsten Akteure des Wandels in der ehemaligen Sowjetunion.“ In den späten 1990ern hatte Internews, finanziert von USAID und in Zusammenarbeit mit den NGOs von George Soros, seine Aktivitäten vor allem auf Russland, die Ukraine, Georgien und Serbien konzentriert und hat in 30 Ländern Büros. In Georgien nahm die Organisation 1994 ihre Arbeit auf und half dabei unter anderem beim Aufbau des Fernsehsenders Rustavi-2, der durch seine Berichterstattung maßgeblich zur „Rosenrevolution“ von 2003 beigetragen hat.

Milliarden für Propaganda in der Ukraine

Noch massiver war jedoch die von USAID über Internews und andere finanzierte Propagandaarbeit in der Ukraine. Bis 2003 hatte allein Internews dort 220 Trainingsprogramme für Medienschaffende durchgeführt, bei denen über 2.800 Journalisten ausgebildet werden. Zahlreiche Onlinemedien wie beispielsweise Telekritika, die bei der „Orangenen Revolution“ 2004 eine maßgebliche Rolle spielen sollten, wurden direkt von Internews gegründet. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb später: „Viele Organisationen, die in der Ukraine aktiv waren, von der staatlichen USAID über die Parteiinstitute der Demokraten und Republikaner NDI und IRI werden direkt oder indirekt von amerikanischen Steuergeldern finanziert, die teils vom Weißen Haus und teils vom Kongress kommen.“

Nach der „Orangenen Revolution“ wurde es in der Ukraine oberflächlich erst einmal wieder ruhiger, doch nun hatten die USA ihren Hebel gefunden, um das Land in die „richtige“ Richtung zu steuern. Als die US-Staatsekretärin für Außenpolitik, Victoria Nuland, 2014 nonchalant nicht nur „Fuck the EU“ sagte, sondern auch eingestand, dass die USA fünf Milliarden US-Dollar in die „Entwicklung“ der Ukraine investiert hätten, war genau von dieser verdeckten Propagandaarbeit die Rede, die zu großen Teilen über die Agentur USAID finanziert und koordiniert wurden. Die Huffington Post berichtete damals darüber. So war USAID in dieser Zeit unter anderem auch der „größte Geldgeber“ für ukrainische Parteien und Gruppierungen, die bei den Protesten auf dem Maidan eine Rolle spielen sollten. Auf der USAID-Website wurden die Bemühungen des Programms seinerzeit wie folgt beschrieben: „Schulung von Parteiaktivisten und lokal gewählten Beamten zur Verbesserung der Kommunikation mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und Bürgern sowie die Entwicklung von NGO-geführten Kampagnen zu Fragen der Wahlen und des politischen Prozesses“. USAID finanzierte die NGOs und Parteien, die bei den Maidan-Protesten und dem späteren Putsch die Macht an sich rissen, und trieb mit seiner gelenkten Berichterstattung über direkt finanzierte ukrainische Medien die Menschen auf den Maidan.

Und so ging es weiter. Das „Medienprogramm“ von USAID für die Ukraine wurde 2018 auf 75 Millionen USD erhöht. 2019 wurde Wolodymyr Selenskyj zum Präsidenten gewählt. Im Wahlkampf versprach er, Gespräche mit den Separatisten im Donbass aufzunehmen, Frieden mit Russland zu schließen und das Minsker Friedensabkommen umzusetzen. Außerdem sprach sich Selenskyj für die Wahrung der Sprach- und Religionsrechte aus, um eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Was folgte, war eine massive Kampagne gegen ihn, die vor allem von ebenjenen Medien gefahren wurde, die von USAID und dem NED finanziert und indirekt gesteuert wurden. Selenskyj geriet unter Druck und änderte seinen Kurs. Es kam zur Eskalation des Krieges, und nun übernahmen die amerikanisch gesteuerten Medien ganz die Deutungshoheit.

Ein Artikel der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (selbst eine westliche Einflussgruppe, die sowohl von den USA und maßgeblich auch von der EU und Frankreich finanziert wird) nennt in einem Protestartikel, der sich über Trumps Schließung von USAID beschwert, konkrete Zahlen: Demnach sind heute neun von zehn ukrainischen Medien direkt von ausländischen Geldgebern abhängig, von denen USAID die Rolle des größten Geldgebers einnimmt.

USAID-Programme unterstützen unabhängige Medien in mehr als 30 Ländern, aber es ist schwierig, das volle Ausmaß des Schadens zu beurteilen, der den Medien weltweit zugefügt wird. Viele Organisationen zögern, darauf aufmerksam zu machen, weil sie befürchten, langfristige Finanzierungen zu riskieren oder politisch angegriffen zu werden. Laut einem USAID-Informationsblatt, das inzwischen offline genommen wurde, finanzierte die Behörde im Jahr 2023 die Ausbildung und Unterstützung von 6.200 Journalisten, half 707 nichtstaatlichen Nachrichtenagenturen und unterstützte 279 zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Mediensektor, die sich für die Stärkung unabhängiger Medien einsetzen. Das Budget für Auslandshilfe 2025 enthielt 268.376.000 Dollar, die vom Kongress zur Unterstützung „unabhängiger Medien und des freien Informationsflusses“ bereitgestellt wurden.
(Quelle: Reporter ohne Grenzen)

Wir der österreichische Standard heute berichtet, gibt es nun bei den ukrainischen Meinungsmachern größte Sorgen, dass ihnen mit dem Ende von USAID das Geld ausgeht. Die Chefin des ukrainischen Portals Slidstvo.Info wird vom Standard mit den Worten „Ungefähr 80 Prozent unseres Budgets war Geld der US-Regierung“ zitiert. Jetzt schaue man sich nach anderen Förderungen um und hofft offenbar darauf, dass die EU die Rolle der USA als Geldgeber übernimmt. Völlig unrealistisch ist dies nicht.

Wie geht es nun weiter?

Dass die erste Kürzung von Trump und Musk ausgerechnet USAID getroffen hat, war kein Zufall. Formal war USAID bis zu seiner Schließung eine unabhängige Behörde, die nicht direkt dem Einfluss des Weißen Hauses unterstand und finanziell gewisse Freiheiten genoss. So beschrieb ein Whistleblower einer der Hillary-Clinton-Mails, die von WikiLeaks veröffentlicht wurden, die Behörde als „Schmiergeldfonds des Außenministeriums“. Sicher, ein Großteil des Budgets von rund 40 Milliarden US-Dollar pro Jahr dürfte in der Tat in die klassische Entwicklungszusammenarbeit gehen – allein in die Ukraine flossen seit der russischen Invasion mehr als 22,9 Milliarden US-Dollar direkter Budgethilfe. Aber auch bei diesen Zahlungen fehlt jegliche Transparenz, und niemand weiß so genau, wie viel Geld davon am Ende auf irgendwelchen Schmiergeldkonten korrupter Politiker oder Beamter gelandet ist. Schaut man sich allein den „Sitz“ von Internews an, das von USAID mit einer halben Milliarde US-Dollar finanziert wurde, kann man sich nicht des Eindrucks verwehren, dass der Begriff „Compliance“ bei USAID unbekannt ist.

Sitz von Internews Networks

Aber es hat freilich auch noch ganz andere Gründe, warum USAID dem Rotstift zum Opfer fiel. USAID hat sich spätestens seit den frühen 2010ern zu dem Dienst entwickelt, der wie kein anderer amerikanische Interventionskriege vorbereitet und weltweit Regime Changes befeuert hat. Dafür steht auch die bisherige Direktorin, die ehemalige Journalistin und US-UN-Botschafterin Samantha Power, die als Vordenkerin der außen- und sicherheitspolitischen Doktrin der USA gilt, die sich unter wohlklingenden Namen wie „Responsibility to Protect“ aggressiv in die Politik anderer Länder einmischt und mit der die jüngeren Kriege der USA begründet wurden. Trump lehnt diese Doktrin ab und will die ursprünglichen Aufgaben von Schattengeheimdiensten wie USAID unter dem Dach des Außenministeriums zusammenfassen und die Behörde, über die er nur sehr indirekten Einfluss hat, schließen. Stellt sich die Frage, ob er beim genauso problematischen National Endowment for Democracy ähnlich vorgehen wird.

Aber auch Elon Musk hat durchaus Motive, hat sich die Arbeit von USAID doch in den letzten Jahren auch vermehrt auf Zensur und Diskurseinengung im eigenen Land ausgedehnt. Gerade Musks Netzwerk X war davon betroffen. Bereits in der Vergangenheit hatte Musk USAID zu seinem persönlichen Gegner auserkoren, sodass es überhaupt nicht überraschend ist, dass gerade diese Behörde als Erstes in sein Visier geriet.

Nun wird sich zeigen, ob und in welcher Form die klassische Entwicklungshilfe und Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich vom Außenministerium fortgeführt wird. Es ist kaum vorstellbar, dass die USA sich dieses Instrument der Einflussnahme und Ausbeutung nehmen lassen werden. Was die hybride Kriegsführung und die Propagandaarbeit angeht, wäre in der Tat zu wünschen, dass diese dem Rotstift zum Opfer fällt. Es wäre wohl zu naiv, wirklich daran zu glauben, aber das wird die Zukunft zeigen.

Titelbild: LanKS/shutterstock.com


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