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Titel: Demos gegen Rechts: Wenn eine „Haltung“ absurd wird
Datum: 10. Februar 2025 um 15:02 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Rechte Gefahr, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Tobias Riegel
Hunderttausende waren am Wochenende wieder auf den Straßen – aber man kann „gegen Rechts“ nicht wirkungsvoll demonstrieren. Wäre ein Eintreten gegen rechtsextreme Tendenzen tatsächlich das Ziel, dann hätte man schon vor Jahren die Politik unter anderem bei den Themen Soziale Frage, Steuern, Corona-Aufarbeitung, Migration, Energiepolitik, Verteuerung des Alltags, Eskalation gegen Russland, Zensur/Kulturkampf/Cancel Culture, Aufrüstung und so weiter ändern müssen. Um von den politischen Gründen für den Rechtsruck abzulenken, wird jetzt ein umso schrilleres „Engagement“ auf den Straßen entfacht. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Am Wochenende sind bundesweit erneut mehrere Hunderttausend Menschen „gegen rechts“ und „für Demokratie” auf die Straße gegangen, wie Medien berichten. Allein in München versammelten sich am Samstag nach Polizeiangaben mehr als 250.000 Menschen auf der Theresienwiese. Es gab zahlreiche weitere Demonstrationen in weiteren Städten.
„Haltung zeigen“
Ich möchte nicht zu pauschal urteilen – bei den Demos an diesem Wochenende waren sicherlich auch zahlreiche Bürger, auf die meine hier folgende Kritik nicht zutrifft. Aber von (möglicherweise zahlreichen) Ausnahmen abgesehen: Die Demonstrationen und die dort verbreiteten Botschaften, die von den Organisatoren, den Teilnehmern und von weiten Teilen der Politik und der etablierten Medien als wichtige politische Standortbestimmung und als mutiger Akt, „Haltung zu zeigen“, dargestellt werden – sie erscheinen von außerhalb dieser Blasen betrachtet doch befremdlich.
Es könnte z.B. bereits als Anmaßung empfunden werden, wenn sich ein kleiner, aber lauter Teil der Bürger als die einzig berechtigten Vertreter „der Demokratie“ darstellen und sie dabei tatkräftig von Regierungspolitikern und großen Medien unterstützt werden. Demos im Sinne von Regierungspolitikern, angefacht von etablierten Medien – das soll „Protest“ sein? Und was ist das eigentlich für ein Demokratieverständnis, das das Verbot von konkurrierenden Parteien fordert und sich dazu berechtigt fühlt, deren Wahlkampf zu behindern und ihre Wähler zu beschimpfen?
Außerdem: Man kann „gegen Rechts“ nicht wirkungsvoll demonstrieren! Wäre ein wirksames Eintreten gegen rechtsextreme Tendenzen tatsächlich das Ziel, dann hätte man schon vor Jahren die Politik unter anderem bei den Themen Soziale Frage, Corona-Aufarbeitung, Steuerpolitik, Migration, Energiepolitik, Verteuerung des Alltags, Eskalation gegen Russland, Kulturkampf/Meinungsfreiheit/Cancel Culture, Aufrüstung und so weiter ändern müssen. Indem das verweigert wurde, wurden den Rechten zahlreiche Themen als Steilvorlagen auf dem Silbertablett serviert.
Vor diesen Entwicklungen und dem daraus (absolut voraussehbar) folgenden Aufstieg der AfD hatten die NachDenkSeiten und viele andere Beobachter schon lange gebetsmühlenartig gewarnt. Doch diese Warnungen wurden ignoriert – darum trifft die Verantwortung für den aufhaltsamen Aufstieg der Rechten unter anderem auch sich selber als (pseudo-)links wahrnemende, aber tatsächlich rechte Politik fördernde Akteure in Medien, Politik und „Zivilgesellschaft“. Doch um von dieser Verantwortung abzulenken, wird von denen jetzt, da das Kind im Brunnen liegt, ein umso schrilleres „Engagement“ auf den Straßen und in sozialen Netzwerken entfacht.
Das könnte man als eine befremdliche Form der öffentlichen Therapie abtun – aber durch die Kombination aus politischer Ignoranz gegenüber vielen Nöten von Bürgern einerseits und der heuchlerischen Selbstüberhöhung der eigenen „Haltung“ andererseits werden doch wieder (absolut voraussehbar) nur die Rechten gestärkt: Die Folgen davon muss dann aber die gesamte Gesellschaft tragen.
Was ist mit den Fluchtursachen?
Wer Kriege durch Waffenlieferungen verlängert oder durch Untätigkeit oder freundliche Kommentierung im Vorfeld möglich macht, ist mitverantwortlich für die daraus erwartungsgemäß entstehenden Probleme durch Fluchtbewegungen, auch für Wohnungs- und Ärztemangel und so weiter – denn diese Folgen wurden billigend in Kauf genommen, als etwa US-gestützte Kriege moralisch verteidigt wurden, wie im Artikel Grüne und Migration: Wer Waffenruhen sabotiert, sollte von „humanitärer“ Flüchtlingspolitik schweigen und im Artikel Die Flüchtlingskrisen wurden (voraussehbar!) von Kriegstreibern ausgelöst beschrieben wird. Zwar flüchten die Ukrainer nun vor der russischen Armee, aber auch dieser Konflikt hätte im Vorfeld verhindert, zumindest aber längst beendet werden können. Ohne die in den vergangen Jahren praktizierte Verweigerung einer Russland einschließenden Sicherheitsarchitektur gäbe es heute in Deutschland vermutlich keine ukrainischen Flüchtlinge.
Wichtig ist beim „Kampf gegen Rechts“ auch die forcierte Begriffsverwirrung: Die Grünen stehen nicht für linke Politik wie im Artikel Phrasenwörterbuch – Heute: „linksgrün“ beschrieben wird, außerdem ist „Pseudolinks nicht Linksliberal“. Zu betonen ist auch: Die aktuell praktizierte Asylpolitik war und ist nicht per se „links“ (Stichworte unter vielen anderen: die Soziale Frage hierzulande, der „Brain Drain“ in den Herkunftsländern). Man kann zwar bestimmte harte Ausprägungen der Kritik an der deutschen Migrationspolitik als rechtsextrem und teils als rassistisch charakterisieren. Man sollte aber anerkennen, dass es teils auch vernünftige Kritik an der aktuell praktizierten Asylpolitik gibt und nicht jeder als extremistisch verdammt werden sollte, der hier Änderungen vorschlägt.
Am Wochenende hatten übrigens auch die sogenannten Omas Gegen Rechts zu Demonstrationen aufgerufen, wie Medien berichten. Wie selektiv und damit prinzipienlos eine Einstellung „gegen Rechts“ ist, die harte ukrainische Neonazis duldet, aber Regierungskritiker hierzulande sehr schnell in eine extremistische Ecke stellen will, wurde etwa im Artikel „Omas gegen Rechts“, übernehmen Sie: Ukrainische Nazi-Brigade kommt nach Deutschland beschrieben.
Man sollte die Teilnehmer der Demos von diesem Wochenende wie eingangs bereits gesagt nicht allesamt über einen Kamm scheren – aber ich denke, man tut vielen von ihnen nicht unrecht, wenn man sie im (pseudo-)links-grünen Milieu verortet. Wie diese Bürger ihre dauernde Betonung der Menschenwürde mit den eigenen Forderungen nach Kriegsverlängerung in der Ukraine oder mit der eigenen Politik der Aufrüstung und den voraussehbar daraus erwachsenden sozialen Folgen unter einen Hut bringen, bleibt ein Rätsel. Dass sich (mutmaßlich) die große Mehrheit der Demonstranten „gegen Rechts“ und für „die Demokratie“ vom Wochenende (beispielsweise) an den undemokratischen und rechtsextremen Wurzeln vieler ukrainischer Akteure nicht stört, lässt die eigenen Parolen teils leer und nach Schönwetter-Engagement klingen.
Extrem freundliche Berichterstattung
Die Demos vom Wochenende erinnern in ihrer Dynamik an die „Demonstrationen gegen Rechts“ von vor einigen Monaten, die auch durch einen fragwürdigen Bericht des Netzwerks „Correktiv“ und in der Folge durch viele Journalisten und Politiker angefacht worden waren.
So wie damals kann auch die an diesem Wochenende erlebte Kraft der Straße nur durch eine extrem freundliche Berichterstattung in Massenmedien und durch Schützenhilfe von Regierungspolitikern und vonseiten der „Zivilgesellschaft“ entwickelt werden. An diesem Wochenende hatte sich sogar die „Münchner Verkehrsgesellschaft“ zu Verbündeten der Demos „gegen Rechts“ erklärt, wie es in einer Pressemitteilung heißt:
„Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und die Stadtwerke München (SWM) unterstützen die Kundgebung ‚Demokratie braucht DICH!‘ als wichtiges Signal für Vielfalt, Menschenwürde und Toleranz und hoffen auf große Resonanz, am Samstag, 8. Februar, um 14 Uhr auf der Theresienwiese. Damit alle gut an ihr Ziel kommen, stehen zusätzliche U-Bahnzüge bereit, die die Linien U4 und U5 bei Bedarf auf einen 3-Minuten-Takt verdichten.“
Man vergleiche diesen zuvorkommenden medialen und politischen Umgang mit dem Hass und der Hetze, die Friedensdemos oder den damaligen Grundrechte-Demos gegen die Corona-Politik entgegenschlug.
Titelbild: Jacob Lund / shutterstock.com
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