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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: „Kriegstüchtigkeit“ im deutschen Sportunterricht – die taz als Steigbügelhalter der Militarisierung
Datum: 28. Januar 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
Verantwortlich: Redaktion
13-Jährige mit dem Sturmgewehr: Im EU-Mitgliedsland Polen steht Schießtraining auf dem Stundenplan – unter dieser Überschrift haben sich die NachDenkSeiten im Dezember mit der Entwicklung in Polen auseinandergesetzt. Nun greift der Wahnsinn auch in Deutschland über. Die taz veröffentlichte einen Artikel unter der Überschrift: „Sportunterricht für den Ernstfall Kinder zum Krieg erziehen“. Das Blatt gibt damit die Position des Historikers Michael Krüger wieder – von Grundsatzkritik keine Spur. Und somit ebnet das Blatt den Weg zu einer Politik mit, die ins Verderben führen wird. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Vielleicht sollte heutzutage jeder Kommentar mit den Worten begonnen werden: Im Übrigen trifft Medien schwere Schuld. Denn sie trifft schwere Schuld, und man kann es gar nicht oft genug sagen.
Aber der Reihe nach: Die taz hat vergangene Woche einen Artikel veröffentlicht, worin sie die Position des Sporthistorikers Michal Krüger wiedergibt. Krüger vernahm die Aussage von Verteidigungsminister Boris Pistorius: „Wir müssen kriegstüchtig werden – wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen“ und dachte sie weiter. Was bedeutet die Aussage des SPD-Politikers?
Nun, für manche bedeutet sie den Grundstein zur Etablierung einer Kriegspolitik – zum schweren Nachteil von Land und Gesellschaft. Krüger dachte aber in eine gänzlich andere Richtung. Er fragte sich, was diese politische Neuausrichtung für den Sportunterricht bedeuten sollte. Krüger schilderte seine Sicht in der Publikation sportunterricht, dem offiziellen Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes (DSLV). Der emeritierte Professor lässt die Leserschaft wissen, dass die Würde des Menschen „erkämpft und verteidigt werden muss“. Die Demokratie brauche deshalb Bürger, „die sowohl seelisch als auch körperlich in der Lage sind, dies zu tun“. Und Krüger weiter:
„Die charakterliche und physische Erziehung durch Bewegung, Spiel und Sport ist in diesem Sinn auch Teil der Erziehung zur ‚Kriegstüchtigkeit‘ in einem freiheitlichen Gemeinwesen.“
Das ist Krügers Position – eine Position, die in ihrer „analytischen“ Beschränktheit nur schwer zu ertragen ist. In der Sinnwelt des Krüger‘schen Beitrags werden nicht etwa – was dringend angebracht wäre – grundlegend die Realitätsbrüche, die Halbwahrheiten und propagandistischen Elemente, die in dem politischen Großvorhaben „Kriegstüchtigkeit“ angelegt sind, hinterfragt. Nein, vielmehr baut der Beitrag kurzerhand auf die „Realitätsebene“ einer Politik auf, die das ganze Land in Teufels Küche bringen, oder genauer: vielleicht in den Krieg führen wird. Wenn Krüger im Hinblick auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung von „erkämpfen“ und „verteidigen“ spricht, schwingt die eklatant falsche politische Einordnung des Konfliktes zwischen Russland und der NATO mit. Wie soll man es Krüger sagen? Zum X-ten Male: Im Hinblick auf eine von kalten Kriegern der NATO herbeihalluzinierte äußere Bedrohung durch Russland gibt es nichts, wogegen unsere Demokratie „kämpfen“ muss. Und allein schon deshalb ist jede Fokussierung auf einen Sportunterricht, der, in einem gewissen Sinne, angeblich auch „Teil der Erziehung zur Kriegstüchtigkeit in einem freiheitlichen Gemeinwesen“ sei, fern der Realität. Doch davon einmal abgesehen: Es ist ja nicht nur die desolate politische Analyse, die erschreckend ist. Es ist die Art und Weise, wie hier über einen furchtbaren zivilisatorischen Rückschritt und eine drohende, unvorstellbare menschliche Tragödie gesprochen wird, nämlich: mit einer Eiseskälte.
Wenn es so weit wäre – was es nicht ist –, dass Kinder und Jugendliche in der Schule hinterrücks im Sport zur Kriegstüchtigkeit erzogen werden müssten, um später gegen einen äußeren Feind in einem Krieg kämpfen zu können, dann hätte die Politik und die gesamte Gesellschaft versagt. Wenn es etwas gibt, was mittlerweile aus Kriegen gelernt worden sein sollte, ist es: Kriege fallen nicht vom Himmel. Sie sind das Ergebnis schwerer politischer Fehlentscheidungen, diplomatischer Schiffbrüche, aber auch geo- und tiefenpolitischer Interessen der dreckigsten Art. Und konkret auf den Konflikt mit Russland bezogen: Wenn die NATO die sicherheitspolitischen Interessen Russlands achtet, dann wird sich die Lage sehr schnell entspannen. Außerdem: Ein Krieg zwischen der NATO und Russland würde mit ziemlicher Sicherheit in einem Atomkrieg enden. Und dann nutzt auch keine Jugend mehr etwas, die im Sport zur „Kriegstüchtigkeit“ erzogen wurde.
Doch selbst bei einem konventionellen Krieg: Wie furchtbar, wie grausam war das, was die deutsche Jugend allein im Ersten Weltkrieg durchleben musste. Körperlich gestählt, im Handgranatenweitwurf geübt, fand sie sich kurze Zeit später mit herausgerissenen Därmen auf dem „Feld der Ehre“ wieder.
Dass sich ein emeritierter Professor der Sportwissenschaft hinsetzt und öffentlich den Sportunterricht an deutschen Schulen mit dem verlogenen politischen Vorhaben Kriegstüchtigkeit verbindet, ist das eine. Dass aber eine Zeitung wie die taz diese Positionen ohne scharfe Grundsatzkritik, die mehr als angebracht wäre, wiedergibt, ist das andere.
Durch Beiträge dieser Art, die das Ungeheuerliche nüchtern skizzieren, während sonst bis zum Exzess bei irrelevanten Nichtigkeiten skandalisiert wird, werden Medien zum Steigbügelhalter der militärischen „Zeitenwende“. Wo dringend der allgemeine intellektuelle Dilettantismus in Sachen NATO-Russland-Konflikt dekonstruiert und diesem entgegengetreten werden müsste, reichen sie auch noch den Zement für die fragilen Grundsteine der Konfrontationspolitik. Dort, wo lautstarker journalistischer Widerspruch angebracht wäre, wo das Monströse angeprangert werden müsste, wollen die sich an ihrer eigenen Ideologie berauschenden Medien lieber schweigen Durch ihr Unterlassen von Kritik tragen viele Journalisten eine Mitschuld an der Etablierung einer Politik, die ins Verderben führen wird.
Titelbild: Screenshot taz.de
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=127906