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- “Fiskalpakt entmachtet Bundestag”
- Linke: Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalvertrag ablehnen
- Kapitaleinkommen wachsen weiter, Tarife bremsen reale Lohnverluste
- WSI-Arbeitskampfbilanz: Anstieg der Arbeitskämpfe im Jahr 2011 – doch weiterhin relativ wenige Ausfalltage
- Millionen Frauen droht die Altersarmut
- Arm trotz Arbeit: “Soziale Isolation lässt die Menschen zerbrechen”
- Michael Hartmann: Arm und Reich in Deutschland
- US-Arbeitsmarkt gibt Rätsel auf
- BAYER AG verschleiert Marketing-Ausgaben
- Rathauschef: Land soll Privatisierung zurücknehmen
- Griechenland: Die Mega-Privatisierung
- Pierre-Cyrille Hautcoeur, Griechische Lektionen
- Wolfgang Münchau – Die Euro-Krise wird in Spanien entschieden
- Wolfgang Münchau – Der ewige Juniorpartner
- Paul Krugman: US-Republikaner sind Feinde des Wissens
- Lehrknechte und Betteldozenten – Ausbeutung in der Bildungsrepublik Deutschland
- Afghanistans Frauen leiden wie unter den Taliban
- Bedrohte Landwirtschaft: Klimawandel bringt Süden Dürre und Missernten
- Bahn
- Zu guter Letzt
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- “Fiskalpakt entmachtet Bundestag”
Andreas Fisahn, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bielefeld, und Andreas Bovenschulte, Landesvorsitzender der SPD Bremen, analysieren in ihrem Diskussionspapier “Fiskalpakt entmachtet Bundestag” die verfassungsrechtlichen Probleme des Fiskalspakts.
Quelle: forum demokratische Linke Das Papier steht zum Download bereit.
- Linke: Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalvertrag ablehnen
Der Bundestag soll den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den Fiskalvertrag ablehnen. Dies fordert die Fraktion Die Linke in zwei Anträgen (17/9146, 17/9147), die am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten werden.
Deshalb soll die Bundesregierung die Ratifizierung des ESM-Vertrages nicht weiter verfolgen und auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten, deren Regierung den ESM-Vertrag unterzeichnet haben, dafür werben, dass ihre Parlamente den Vertrag nicht ratifizieren. Weiter soll sie sich für ein sofortiges Ende der „krisenverschärfenden Kürzungspolitik“ und für eine einmalige EU-weite Vermögensabgabe zur Krisenfinanzierung einsetzen sowie parallel dazu einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem in Deutschland die Vermögenssteuer als Millionärssteuer wieder eingeführt wird. Um die Inlandsnachfrage zu erhöhen und die Leistungsbilanzungleichheit abzubauen, soll die Regierung unverzüglich Gesetzentwürfe zu einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde vorlegen und sich dafür einsetzen, dass die Finanzmärkte streng reguliert werden.
Die Bundesregierung soll auch die Ratifizierung des „Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ (Fiskalvertrag) nicht weiter verfolgen, fordert die Linksfraktion in einem weiteren Antrag. Stattdessen soll sie die „wirklichen“ Krisenursachen bekämpfen und sich unter anderem dafür einsetzen, dass die öffentlichen Haushalte der Eurozone vom Diktat der Finanzmärkte befreit werden, in dem eine Bank für öffentliche Anleihen ohne Umweg über private Banken und ohne Zinsaufschlag den Staaten Kredit einräumt. Die Regierung soll sich zudem dafür einsetzen, dass bei überschuldeten Staaten ein ausreichender Schuldenschnitt erfolgt, lautet eine weitere Forderung der Linksfraktion.
Quelle: Deutscher Bundestag
- Kapitaleinkommen wachsen weiter, Tarife bremsen reale Lohnverluste
Real, also nach Abzug der Preissteigerung, sind die durchschnittlichen Bruttolöhne je Beschäftigtem in Deutschland zwischen dem Jahr 2000 und Ende 2011 um rund 2,9 Prozent zurückgegangen. Die vergangenen beiden Jahre, in denen die Reallöhne um ein und 1,1 Prozent stiegen, haben die erheblichen Verluste, die von 2004 bis 2009 aufgelaufen waren, nicht ausgleichen können. Stärker haben sich seit der Jahrtausendwende die tariflichen Löhne und Gehälter entwickelt. Sie lagen nach den Berechnungen des Tarifarchivs 2011 real um 6,1 Prozent höher als 2000. Reinhard Bispinck, der Leiter des Tarifarchivs: “Das zeigt, dass das Tarifsystem in der vergangenen Dekade mehr denn je das Rückgrat der Lohnentwicklung in Deutschland war.” Die Entwicklung der Tariflöhne habe verhindert, dass die Arbeitseinkommen insgesamt noch weiter hinter der Inflation zurückblieben. Allerdings nahm die Prägekraft des Tarifsystems im gleichen Zeitraum ab, vor allem, weil die Tarifbindung sank und Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten tarifliche Öffnungsklauseln nutzten.
Während sich die Arbeitseinkommen somit nur langsam stabilisieren, haben die Einkommen aus Vermögen und Unternehmensgewinnen seit der Jahrtausendwende stark zugelegt, zeigen die WSI-Daten: Zwischen 2000 und 2011 stiegen sie nominal um knapp 50 Prozent, trotz eines zwischenzeitlichen Einbruchs in der Wirtschaftskrise 2009. Die nominalen Arbeitnehmerentgelte wuchsen im gleichen Zeitraum dagegen nur um knapp 19 Prozent.
Quelle: Böckler Impuls [PDF – 263 KB]
- WSI-Arbeitskampfbilanz: Anstieg der Arbeitskämpfe im Jahr 2011 – doch weiterhin relativ wenige Ausfalltage
2011 sind die Zahlen der Streikenden und der durch Arbeitskämpfe ausgefallenen Arbeitstage gegenüber 2010 zwar deutlich angestiegen, sie blieben insgesamt aber auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Dies zeigt die Jahresbilanz zur Arbeitskampfentwicklung 2011, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt. Im vergangenen Jahr beteiligten sich 180.000 Beschäftigte an Streiks und Warnstreiks. 2010 waren es rund 120.000 Streikende. Die Anzahl der Streiktage summierte sich Ende 2011 auf 304.000 und liegt damit ebenfalls deutlich über der des Vorjahres (170.000). “Dieser Anstieg relativiert sich vor dem Hintergrund der ausgesprochen niedrigen Arbeitskampfzahlen des Jahres 2010. Insgesamt blieb das Arbeitskampfvolumen trotz einer Zunahme der Streiks vergleichsweise niedrig und lag deutlich unter dem der Jahre 2006 bis 2009”, sagt der WSI-Arbeitskampfexperte Dr. Heiner Dribbusch (siehe die Grafik im Böckler Impuls 6/2012; Link unten). Die Arbeitskampfbilanz des WSI ist eine Schätzung auf Basis von Statistiken der Gewerkschaften, Pressemeldungen und eigenen Recherchen.
Schwerpunkt Dienstleistungssektor: Auch im Jahr 2011 hat sich ein Trend fortgesetzt, den der Wissenschaftler schon länger beobachtet: Das Arbeitskampfgeschehen verlagert sich hin zu den Dienstleistungsbranchen. Rund 40 Prozent aller Streikenden waren 2011 an den Warnstreiks beteiligt, die zu Beginn des letzten Jahres die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst der Länder begleiteten. Allerdings standen in der Metall- und Elektroindustrie 2011 keine Entgeltverhandlungen an. In den klassischen Industriebranchen war lediglich die Tarifrunde der Stahlindustrie von größeren Warnstreiks begleitet.
Quelle: WSI [TIF – 441 KB]
Dazu:
Die Linke möchte Gewerkschaften im Arbeitskampf stärken
Die Fraktion Die Linke möchte den „Anti-Streik-Paragraphen“ abschaffen. In einem Antrag (17/9062) fordert sie die Bundesregierung auf, Paragraph 146 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) durch Paragraph 116 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung von 1969 zu ersetzen. Paragraph 146 SGB III regelt den Anspruch auf Arbeitslosengeld von Beschäftigten, die mittelbar von einem Arbeitskampf betroffen sind.
Die Linksfraktion kritisiert, dass durch die Gesetzesänderung 1987 das Kurzarbeitergeld für diese „kalt Ausgesperrten“ weggefallen sei. Damit sei den Arbeitgebern „neben der Aussperrung im Streikgebiet, der sogenannten heißen Aussperrung, ein weiteres Kampfmittel gegeben, um die Gewerkschaften in ihren Streikmöglichkeiten zu beschneiden“. Durch die vorgeschlagene Änderung werde die Gesetzesänderung rückgängig gemacht, „kalt Ausgesperrte“ würden wieder Kurzarbeitsgeld enthalten. Laut Antrag ist besonders die IG Metall vom Paragraphen 146 SGB III betroffen, da die von ihr organisierten Branchen stark wirtschaftlich verflochten seien.
Quelle: Deutscher Bundestag
- Millionen Frauen droht die Altersarmut
45 Jahre arbeiten für 140 Euro Rente: Millionen Frauen müssen befürchten, im Alter arm zu werden – obwohl sie arbeiten. Betroffen sind vor allem Minijobberinnen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung zu einer Anfrage der Linken hervor, die der “Süddeutschen Zeitung” vorliegt. Ohne andere Einkünfte werden die gering verdienenden Frauen im Alter auf staatliche Hilfe angewiesen sein.
Quelle: SZ
Anmerkung unseres Lesers H.H.: Eine geringe Rente muss nicht zwangsläufig in die Armut führen. Leider verschweigt der Bericht, wie die alleinstehenden Frauen im Alter zu einem Nettogesamteinkommen von monatlich 1.188,00 Euro kommen.
- Arm trotz Arbeit: “Soziale Isolation lässt die Menschen zerbrechen”
Sie verdingen sich für minimalen Lohn als Erntehelfer oder am Fließband: Leiharbeiter stehen in der Beschäftigungshierarchie ganz unten. Bestsellerautor Günter Wallraff beklagt im Interview die wachsende Zahl dieser Jobs. Am schlimmsten aber sei der Verlust der Solidarität untereinander.
Quelle: Spiegel-Online
- Michael Hartmann: Arm und Reich in Deutschland
Chronik eines Skandals. Von Michael Hartmann. SWR2 Aula vom 25.03.2012. Drohen uns in Deutschland gewaltsame Ausschreitungen wie vor kurzem in der Pariser Banlieue oder in London? Die Vorzeichen dafür sind gegeben, denn die Schere zwischen Arm und Reich weitet sich immer mehr – und das in einer Geschwindigkeit, wie sie einzigartig in Europa ist. Die Konsequenzen könnten dramatisch sein, warnt der Soziologe Michael Hartmann.
Quelle: SWR 2
- US-Arbeitsmarkt gibt Rätsel auf
Die Lage am amerikanischen Arbeitsmarkt hat sich verbessert. So ist die Arbeitslosigkeit seit August 2011 von 9,1% auf 8,3% im Februar 2012 zurückgegangen. Trotzdem beschreibt die US-Notenbank die Wirtschaftsaussichten weiterhin nur als «moderat». Fed-Chef Ben Bernanke hatte vergangene Woche denn auch erklärt, eine Lehre aus der Grossen Depression sei, die geldpolitische Unterstützung der Wirtschaft nicht zu früh zurückzunehmen. Bernankes Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass die Arbeitslosenquote 2011 deutlich zurückgegangen ist, obwohl die Wirtschaft nur mässig gewachsen ist. Dies passt aus seiner Sicht nicht zu «Okuns Gesetz», das vor 50 Jahren vom Ökonomen Arthur Okun formuliert wurde. Um die Quote um 1 Prozentpunkt zu senken, muss laut Okuns Gesetz das Bruttoinlandprodukt (BIP) um 2 Prozentpunkte rascher wachsen als normal. Wenn also das «normale Wachstum» wie in den USA bei 2% liegt, müsste die Wirtschaftsleistung um 4% zulegen, um die Arbeitslosigkeit um 1 Prozentpunkt zu verringern. Im vierten Quartal 2011 lag die Wirtschaftsleistung aber nur um 1,6% höher als vor Jahresfrist. Entsprechend hätte nach Okuns Gesetz die Arbeitslosenquote konstant bleiben oder sich sogar leicht erhöhen müssen. Sie fiel jedoch um 1,1 Prozentpunkte.
Bernanke interpretiert nun 2011 als Gegenbewegung zum «Ausreißer» von 2009. In dem Rezessionsjahr habe nämlich die Arbeitslosenquote deutlich stärker zugenommen, als es Okuns Gesetz nahelegen würde. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, so Bernankes Vermutung, hätten die Arbeitgeber aus Furcht vor einer weiteren Verschlechterung übermässig viele Leute entlassen. Mittlerweile seien die Arbeitgeber zu einer Neueinschätzung gelangt. Das schlimmste Szenario sei nicht eingetroffen, weshalb die Belegschaft an eine «normalere» Wirtschaftssituation angepasst worden sei. Dies bedeutet für Bernanke gleichzeitig, dass eine längerfristige Verbesserung am Arbeitsmarkt bei den gegenwärtig niedrigen Wachstumsraten nicht erwartet werden kann, sondern dass die Wirtschaft dafür deutlich an Schwung gewinnen muss. Da die jüngste Verbesserung somit temporärer Natur sein könnte, hält Bernanke an der sehr lockeren Politik fest.
Diese Folgerung ist jedoch umstritten. Der Fed-Präsident von St. Louis, James Bullard, hat kürzlich Distanz markiert. Seit Mitte der 1980er Jahre sei die Beziehung zwischen Arbeitslosigkeit und BIP-Wachstum in Abschwüngen jeweils sehr stark gewesen, während sich die Arbeitslosigkeit im Aufschwung nur langsam zurückgebildet habe, sagte Bullard. Aus seiner Perspektive braucht es kein außergewöhnlich starkes Wachstum, um die Arbeitslosigkeit weiter zu verringern, sondern es reicht, dass die Wirtschaft überhaupt wächst. Bullard verweist auch darauf, dass die Entwicklung der Arbeitslosigkeit nicht die einzige Überraschung gewesen sei. So liege die Inflation trotz einem nicht allzu starken Wachstum etwas über der Rate von 2%, mit der das Fed Preisstabilität verbindet. Es lässt aufhorchen, wenn der sonst gemäßigte Bullard die Gefahren der lockeren Geldpolitik in den Vordergrund rückt.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Jenseits der konkreten Analysen der beiden Herren, fällt die zivilisierte Form auf, mit der innerhalb der FED gestritten wird und so Raum lässt für Rationalität – während in Europa fast Glaubenskämpfe ausgetragen werden.
- BAYER AG verschleiert Marketing-Ausgaben
Fast neun Milliarden Euro gab der BAYER-Konzern im vergangenen Geschäftsjahr für Werbung und Vertrieb aus. Hierunter fällt der gesamte Graubereich des Pharma-Marketings: Medikamentenproben, Ärzte-Fortbildungen, Pharmareferenten, Lobbyverbände, etc. Für die Forschung hingegen wurden nur 2,9 Mrd. Euro aufgewendet.
Im Jahr 2011 gab die BAYER AG 8,96 Milliarden Euro für Vertrieb und Marketing aus. Obwohl die Summe ein Viertel des Umsatzes von BAYER verschlingt, verweigert der Konzern eine detaillierte Aufschlüsselung. Ganze acht Zeilen (!) des 265-seitigen Geschäftsberichts (siehe S. 198) widmen sich diesem Ausgabeposten.
Quelle: Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)
- Rathauschef: Land soll Privatisierung zurücknehmen
Der Magistrat der Stadt Marburg hat die Landesregierung aufgefordert, die seit Februar 2006 wirksame Privatisierung des Uni-Klinikums Gießen und Marburg rückgängig zu machen…
Das Land müsse den Erhalt des Klinikums für die Gesundheitsversorgung und die Universitätsmedizin absichern – wenn es nötig sei, auch durch eine Rückabwicklung. Der Magistrat schloss sich zudem der Resolution des Senats der Marburger Universität an. Dieser hatte sich kritisch zur Entwicklung bei dem Klinikum geäußert.
Quelle: FAZ
- Griechenland: Die Mega-Privatisierung
Häfen, Flughäfen, Bahnen, Autobahnen, dazu Lizenzen für Mobilfunk und Pferdewetten – die Privatisierung rollt an in Griechenland. Man erhofft sich Erlöse von 50 Milliarden Euro für die Staatskasse – und nachhaltige Wachstumsimpulse. Von «Totalausverkauf» und «Schlussliquidation» war die Rede, als die griechische Regierung unter dem Druck der Schuldenkrise im Sommer 2011 ein Privatisierungsprogramm über 50 Mrd. Euro ankündigte, das innert zweier Jahre bewältigt sein sollte. Da wollte man offensichtlich zu viel in zu kurzer Frist. Das Programm wurde inzwischen gekürzt: 15 bis 19 Millionen Euro soll die erste Privatisierungswelle bis 2015 einbringen – es werden unterschiedliche Zielgrößen genannt. Gegenwärtig sind erst sieben Privatisierungen wirklich im Gang.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Offensichtlich geht es nur noch darum, die Privatisierungsauflagen der Troika zu erfüllen. Eine Diskussion darüber, wie sinnvoll Infrastrukturprivatisierungen sind, kann und soll wohl nicht mehr stattfinden. Dabei zeigen diverse Beispiele wie fragwürdig Infrastrukturprivatisierungen sind. Die Privatisierung der Bahn in Großbritannien hat z.B. gezeigt, dass Investitionen in den Werterhalt den Profit soweit einschränkten, dass selbst Sicherheitsaspekte vernachlässigt wurden. Die Teilprivatisierung der Wasserwerke in Berlin hat zu den höchsten Wasserpreisen unter deutschen Großstädten geführt. Die Erneuerung eines Teilstücks der A1 zwischen Bremen und Hamburg im Rahmeneines ÖPP-Projekt ist unter technischen wie auch Sicherheitsaspekten bis jetzt ein Desaster. Ganz abgesehen davon, dass kein Mensch die zukünftigen Kosten (überlassene Mauteinnahmen) kennt. In Griechenland dürften die Privatisierungsprojekte in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation weit unter Preis verscherbelt werden. Und was meint Ökonom Spyros Travlos, der frühere Generalsekretär im Finanzministerium: Es komme weniger auf den Preis an als auf das Tempo. Wichtig sei, dass die Privatisierung endlich beginne. Wenn die ersten größeren Privatisierungen gut vonstatten gegangen seien, dürfte das Interesse der Investoren zunehmen, und der Staat könnte in den folgenden Verkaufsrunden bessere Preise erzielen. Und wo bleibt der volkswirtschaftliche Nutzen? Travlos erwähnt als gute Geschäftsmöglichkeiten die staatliche Lotterie, die Gasgesellschaft, verschiedene Landstücke auf Touristeninseln, die sich für Hotelkomplexe im Luxussegment eigneten.- Damit dürfte der Teil der Einnahmen im Lottogeschäft der gemeinnützigen Zwecken zufließt, nicht mehr fließen. Die Gasgesellschaft stünde jetzt unter dem Zwang, die Gewinne der Aktionäre zu maximieren. Und Hotels im Luxussegment, hinkt Griechenland nicht gerade im Massentourismus anderen Mittelmeeranrainern hinterher?
- Pierre-Cyrille Hautcoeur, Griechische Lektionen
Inhalte eines in der Pariser Tageszeitung Le Monde vom 27.3..2012 (Ökonomiebeilage S.1) erschienenen Artikels übertragen von Gerhard Kilper
Die Frage, ob Griechenland getäuscht und gelogen hat, ist eher sekundär. Von Bedeutung erscheint vielmehr, dass Griechenland in seiner jüngsten Geschichte nie einen im Sinne Max Webers (1864-1920) organisierten Staat mit entsprechender Staatsverwaltung hatte, welcher Frankreich und andere Länder zu einer effektiven Steuererhebung befähigte…
Der seit 30 Jahren in Europa und in den USA vorherrschende, anti-staatliche Mainstream-Diskurs führte zu einer allgemeinen Schwächung der Legitimität der Steuererhebung, denn im Namen vorgeblicher Überlegenheit des privaten Sektors wird die Existenz des Öffentlichen Dienstes selbst in Frage gestellt.
Letztendlich sind heute Verwaltungen nur noch mit Verspätung und nur wenn die politische Führung ausdrücklich zustimmt, bereit, sich für Reformen im Sinne eines modernen und international koordinierten Steuerrechts einzusetzen…
Ohne jeden erkennbaren politischen Willen zum Widerstand nimmt die Steuerflucht in den meisten Ländern heute zu, so dass man sich fragen muss, ob jetzt Griechenland hier Nachzügler … oder Vorreiter ist.
Quelle 1: Le Monde, „Leçons grecques“
Quelle 2: Übertragung ins Deutsche [doc – 22.3 KB]
- Wolfgang Münchau – Die Euro-Krise wird in Spanien entschieden
Griechenland? Vergesst Griechenland! Die wahren Probleme der Euro-Zone liegen in Spanien. Hier treibt der von Brüssel verordnete Sparkurs ein ganzes Land in die ökonomische Depression – auch die jüngste Rettungsschirm-Aufstockung wird dann nicht reichen.
Quelle: Spiegel-Online
- Wolfgang Münchau – Der ewige Juniorpartner
Die SPD tut derzeit alles, um in einer Großen Koalition unter Merkel zu enden. Sie sollte die französischen Genossen zum Vorbild nehmen – und auf totale Konfrontation setzen.
Der Kontrast zwischen den französischen Sozialisten und den deutschen Sozialdemokraten könnte größer nicht sein. Wenn er nicht in der allerletzten Minute einen Fehler macht, dann ist der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande auf dem besten Weg zum Élysée-Palast, dem Sitz des französischen Staatsoberhaupts. Und dort wird er mit sofortiger Wirkung den Konsens in der europäischen Rettungspolitik kippen. Wir reden hier nicht von ein paar kosmetischen Operationen. Die französischen Sozialisten haben grundsätzlich andere Vorstellungen davon, wie man die Krise bewältigen soll. Sie treten in frontale Opposition gegen den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und indirekt natürlich auch gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die deutschen Sozialdemokraten verheddern sich im Konsens. Wie im Saarland grenzen sie sich nicht von der Union ab, sondern von der Linkspartei. In dem Bundesland werden sie jetzt Juniorpartner wie bereits vor ein paar Jahren in Berlin. Ob Peer Steinbrück 2013 Kanzlerkandidat wird oder nicht, ist daher schon fast unwichtig. Die Frage ist eher, ob er wieder Finanzminister wird. Die SPD verhält sich schließlich wie der ewige Junior.
Quelle: FTD
Anmerkung RS: Leider kostenpflichtig.
- Paul Krugman: US-Republikaner sind Feinde des Wissens
Bei einer Sache sind wir US-Amerikaner immer einzigartig gewesen: unserem Engagement für Bildung. Zuerst waren wir führend bei der Grundschulbildung der gesamten Bevölkerung; dann machte uns das „High-School-Movement“ zur ersten Nation, die sich der umfassenden Sekundarschulbildung annahm. Und nach dem Zweiten Weltkrieg half die öffentliche Unterstützung, einschließlich der G.I. Bill und der Gründung zahlreicher öffentlicher Universitäten, vielen Amerikanern dabei, einen Hochschulabschluss zu machen. Doch nun hat eine unserer beiden großen politischen Parteien das Steuer herumgerissen und kämpft gegen Bildung, oder zumindest gegen Bildung, die arbeitende Amerikaner sich leisten können.
Es ist nicht schwer, zu erkennen, was Santorums Flügel der Partei antreibt. Seine spezifische Behauptung, dass der Besuch einer Hochschule den Glauben untergräbt, ist zwar falsch. Aber er hat natürlich Recht damit, dass die Universitäten kein fruchtbarer Boden für seine konservative Ideologie sind. Von zehn Wissenschaftlern sympathisieren neun mit den Demokraten und nur einer mit den Republikanern. Wissenschaftlern fällt es eben schwer, eine Partei zu unterstützen, in der die Leugnung des Klimawandels zur politischen Gretchenfrage geworden ist und die Leugnung der Evolutionstheorie zum guten Ton gehört. Aber was ist mit Leuten wie Romney? Setzen sie nicht auf den künftigen wirtschaftlichen Erfolg der USA, der doch durch den Kreuzzug gegen die Bildung gefährdet ist? Nun, es hat es in den letzten 30 Jahren eine verblüffende Entkopplung zwischen den gewaltigen Einkommen an der Spitze und den alltäglichen Kämpfen der gewöhnlichen Arbeiter gegeben. Man könnte behaupten, dass dem Interesse der amerikanischen Elite am besten dadurch gedient wird, dass diese Trennung bestehen bleibt. Also: Die Steuern auf hohe Gehälter sollen um jeden Preis niedrig gehalten werden, ohne sich um die Konsequenzen zu scheren – Konsequenzen wie eine schlechte Infrastruktur und eine schlecht ausgebildete Erwerbsbevölkerung.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: Immer wieder ist es erschütternd zu sehen, wie in dieser Großmacht, von der soviel auf unserem Globus abhängt, beim großen Haufen jenseits der realen Interessenlage allein das Pro und das Kontra für ein bestimmtes politisches Lager zählt und wie die Eliten zynisch damit spielen dürfen.
- Lehrknechte und Betteldozenten – Ausbeutung in der Bildungsrepublik Deutschland
“Die Forschungs- und Wissenschaftspolitik ist ein großer Schwerpunkt. Wir geben jedes Jahr vier Milliarden Euro mehr für Wissenschaft in unserem Land aus, weil wir wissen, Wissenschaft und Bildung sind die zentralen Zukunftspfeiler.” Das sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, in ihrem aktuellen Video-Podcast. Doch die Hochschulen Deutschlands beschäftigen Abertausende hoch qualifizierte Wissenschaftler mit nur kurzfristigen Verträgen und geringen Honoraren.
Manch einer spricht bereits von der Prekarisierung des Wissenschaftsbetriebes. Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kritisiert deshalb: “Mehr als die Hälfte aller Lehrbeauftragten hat ein monatliches Nettoeinkommen von gerade einmal 1000 Euro”. Der Gewerkschaftler fordert außerdem “ein Verbot der zerstückelten, kurzen Zeitverträge”.Frontal21 über prekäre Arbeitsverhaltnisse an deutschen Hochschulen.
Quelle 1: ZDF Frontal21 Video
Quelle 2: ZDF Frontal21 Manuskript [PDF – 47.8 KB]
Quelle 3: Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zum öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologieabschätzung des Deutschen Bundestags [PDF – 307 KB]
- Afghanistans Frauen leiden wie unter den Taliban
Sie werden geschlagen, eingekerkert, entrechtet: Die Lage von Frauen in Afghanistan ist dramatisch, warnt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Es gibt kaum einen Unterschied zu der Zeit, als die Taliban herschten. Der Westen hat das Thema längst aufgegeben.
Quelle: Spiegel-Online
- Bedrohte Landwirtschaft: Klimawandel bringt Süden Dürre und Missernten
Ein spanisches Forscherteam um die Madrider Agrarökonomin Ana Iglesias hat in einer neuen Studie die Auswirkungen verschiedener Klimaszenarien auf die Landwirtschaft durchgerechnet. Selbst, wenn die internationale Klimapolitik das Ziel erreicht, den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, sind die Folgen erheblich: Im südlichen Afrika sinkt die durchschnittliche Produktivität des Ackerlands bis 2080 um 14 Prozent, in Südostasien gar um 18 Prozent. Steigen dagegen die Temperaturen um vier Grad, klettern die Verluste auf 27 beziehungsweise 32 Prozent. Der reiche Norden hingegen profitiert: In den USA steigt die Produktivität der Felder um sechs, in Nordeuropa gar um zwölf Prozent. Denn hier werden die Böden für immer kürzere Perioden zufrieren und können so länger für den Anbau genutzt werden. Durch die Erderwärmung steigt auch der Wasserbedarf der Bauern drastisch an. Da gerade in diesen Gebieten die Bevölkerung weiter wächst, befinden sich Afrika und Südostasien nach Einschätzung der Autoren schon jetzt an einem “kritischen Punkt” in Sachen Wassermanagement. Zu spüren bekommen wir die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft am unmittelbarsten im Geldbeutel – über die Lebensmittelpreise. Und auch hier sind die Armen überproportional betroffen. Denn sie geben einen viel höheren Anteil ihres Einkommens für Essen und Trinken aus. – Absurderweise könnte der Kampf gegen den Klimawandel die Probleme sogar weiter verschärfen: Immer mehr landwirtschaftliche Flächen werden weltweit für den Anbau von Biotreibstoff reserviert, und CO2 -Zertifikate für Wälder machen Aufforstungen immer attraktiver. So wird fruchtbares Land immer umkämpfter. Mitte dieses Jahrhunderts könnte es dadurch zu einer dramatischen Verknappung ergiebiger Böden kommen, prognostiziert US-Forscher Thomas Hertel. Nach Berechnungen der Wissenschaftler De Hoyos und Medvedev für die Weltbank hat der Biotreibstoff-Boom schon jetzt die weltweite Armut um knapp einen Prozentpunkt nach oben getrieben.
Quelle 1: Handelsblatt
Quelle 2: Worldbank [PDF – 288 KB]
Quelle 3: Oxfordjournals
- Bahn
Eine vorab Anmerkung von Jürgen Karl: Zwei Hinweise die auch im Zusammenhang von Stuttgart21 interessant sind. Von einer zukunftweisenden Verkehrsstrategie kann bei der Bahn offenbar nicht die Rede sein. Lieber steckt man Geld in aberwitzige Prestigeprojekte wie Stuttgart21 oder die ICE-Strecke nach Erfurt als für ein gutes und umweltschonendes Fernverkehrsnetz zu sorgen.
- Abgehängt von der Bahn: Am Fernverkehr wird auf Kosten kleinerer Städte rigoros gespart
aus der Sendung vom Dienstag, 27.3. | 21.45 Uhr | Das Erste
Die Deutsche Bahn AG (DB) hat seit 1999 insgesamt 110 Personenbahnhöfe von ihrem Fernverkehrsnetz abgetrennt. Das ergab eine Auswertung von Kursbüchern und Fahrplänen im Auftrag von REPORT MAINZ. An den 368 untersuchten Bahnhöfen, die nicht an den Hauptstrecken liegen, fahren heute 46 Prozent weniger Fernverkehrszüge ab, als noch vor 13 Jahren.
Die Deutsche Bahn argumentiert mit Wirtschaftlichkeit. Auf den Nebenstrecken sei die Nachfrage gesunken. Das Unternehmen baue dagegen profitable Strecken aus. Zwölf Landesverkehrsministerien und der Deutsche Städtetag kritisieren diesen Rückzug der Deutschen Bahn aus der Fläche. Der CDU Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster wirft der DB vor, die Region Trier vom Fernverkehr “abgehängt” zu haben.
Quelle: SWR
- DurchZug – Lärmterror im Rheintal
- Sendung vom Mittwoch, 21.3. | 20.15 Uhr | SWR Fernsehen
- Sendetermin 29.03.2012 | 09.30 Uhr | EinsPlus
- Sendetermin 30.03.2012 | 06.15 Uhr | EinsPlus
- Sendetermin 31.03.2012 | 03.00 Uhr | EinsPlus
“betrifft” begleitet Menschen am Mittelrhein bei ihrem Kampf gegen den Bahnlärm. Der Film stellt die kleine, romantische Welt der Rheintalbürger den großen paneuropäischen Träumen von Bahn und Politik gegenüber.
Lärmterror durch die Bahn am Mittelrhein: Durch die idyllischen Städtchen rollen die Güter der globalisierten Welt. Mit 100 Dezibel an der Schmerzgrenze. Ausgerechnet das Unesco-Weltkulturerbe Mittelrhein gehört zur neuen europäischen “Alpentransversale” der Bahn, die von Rotterdam bis nach Genua führt. Für Gerhard Köhnen und Elly Schneider aus Filsen am Rhein bedeutet das: Alle fünf Minuten bebt die Erde, klirren Gläser, wackeln Wände und Türen. Rund 400 Züge donnern täglich durch das Rheintal – fünf Meter an ihrem Haus vorbei. Beladen auch mit jeder Menge Gefahrgut. Auch Wolfgang Eulberg, ehemaliger Winzer aus Assmannshausen, wohnt direkt an der Strecke im Epizentrum des Bahnlärms. Er würde gerne weg aus der Lärmfalle Rheintal, aber sein Haus ist nichts mehr wert.
Frank Groß, Marketingmann aus Boppard und Vorsitzender des Bürgernetzwerks “Pro Rheintal”, setzt gegen den Bahnlärm alle Hebel in Bewegung. Denn nirgendwo sonst in Europa fahren mehr Züge, nirgendwo sonst ist der Bahnlärm lauter, näher und bedrohlicher. Seit Jahren haben die Bürger unendliche Wut im Bauch. Sie werden krank. Und wer kann, zieht weg. Bei den Recherchen kommt nach und nach heraus: Die Politiker in Berlin vernachlässigen beim Lärmschutz ihre gesetzgeberischen Pflichten.
Quelle: SWR
- Zu guter Letzt
Volker Pispers: Untiefen
Quelle: WDR2