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Titel: Kriegstüchtig: Wird die deutsche Gesellschaft diesem Wahnsinn verfallen?

Datum: 12. Januar 2025 um 10:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Aufrüstung, Militäreinsätze/Kriege
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Deutschland soll kriegstüchtig werden. Doch was heißt das in letzter Konsequenz? In dieser Woche erschien das neue Buch von NachDenkSeiten-Autor Marcus Klöckner mit dem Titel „Kriegstüchtig! Deutschlands Mobilmachung an der Heimatfront”. In gewohnter Schärfe kritisiert Klöckner die politischen Debatten, die seit der ausgerufenen Zeitenwende in Deutschland geführt werden, und legt den Finger schonungslos in die Wunde. Die NachDenkSeiten veröffentlichen im Folgenden einen Auszug aus dem Buch. Von Redaktion.

Ist die deutsche Gesellschaft so dumm, dass sie diesem Wahnsinn verfallen wird? Oder ist sie so apathisch, so teilnahmslos, so kraftlos, so zahm, dass sie zuschaut, wie Politiker dabei sind, den Weg zum großen Unheil zu pflastern? Wann ist die Sollbruchstelle erreicht, die dazu führt, dass die deutsche Gesellschaft endlich aufwacht? Auf der deutschen Gesellschaft lastet eine gewaltige historische Schuld. Die Vergangenheit ist vorüber, sicher. Und die heutigen Generationen können nichts für den Wahnsinn ihrer Vorfahren. Sie könnten auch, selbst wenn sie es wollten, die Vergangenheit nicht ungeschehen oder wiedergutmachen. Was sie aber tun können ist, einer Politik, die offensichtlich von allen guten Geistern verlassen ist, laut und deutlich zu entgegnen: Wir Deutsche wollen nie mehr Krieg. Nie mehr! Das Problem ist: Der Kipppunkt wurde bereits überschritten. Die Politik ist bereits in Richtung Militarismus gekippt. Die Logik des Militärischen fließt bereits mit hohem Druck in die Zellorganellen staatlich-gesellschaftlicher Multiplikatoren. Die Bundeswehr zu Besuch an Schulen? Kein Tabu. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht? Der Widerstand hält sich in Grenzen. Deutsche Panzer auf russischem Boden? Längst Realität geworden. Ein Radio-Beitrag von SWR 2 trägt die Überschrift: „Wie die Gesellschaft kriegstüchtig werden soll”. Und dann wird auch noch das Wort Kriegswirtschaft angeführt: „Selbst die Europäische Union, die früher immer eine Organisation des Friedens sein wollte, könnte laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bald auf Kriegswirtschaft umstellen: mit einem eigenen EU-Kommissar für Verteidigung, gemeinsamer Waffen- und Munitionsbeschaffung, Überwachung der Rüstungsproduktion – und all das natürlich ausgestattet mit reichlich Budget.” Der in dem Radiobeitrag zu Wort kommende “Sicherheitsexperte” Wolfgang Ischinger spricht gar davon, dass Deutschland seine Militärausgaben bei einem Sieg Russlands über die Ukraine von zwei auf vier Prozent seines Bruttohaushalts erhöhen müsste. Und als ob das alles noch nicht genug wäre, gibt es auch noch einen “Operationsplan Deutschland”, aus dem deutlich wird, wie weit die „sicherheitspolitische Neuausrichtung” Deutschlands gehen soll.

Ein Bild auf der Website der Bundeswehr zum Operationsplan Deutschland zeigt vier Jacken, die nebeneinander an Kleiderhaken hängen. Die hinterste Jacke ist eine Jacke des Technischen Hilfswerks, die folgende vom Roten Kreuz. Dann kommt eine Jacke der Polizei, der Feuerwehr. Und ganz vorne hängt eine Jacke der Bundeswehr. Die vermittelte Symbolik ist evident. Staatliche Stellen im engen Verbund mit der Bundeswehr – die ganz vorne steht. Oberhalb des Bildes heißt es:

„Deutschland und seine Bevölkerung müssen wehrhafter und resilienter werden, um gegen Bedrohungen und Aggressoren gewappnet zu sein. Diese Herausforderungen können nicht rein militärisch, sie müssen gesamtstaatlich und gesamtgesellschaftlich gemeistert werden. ‘Deutschland. Gemeinsam. Verteidigen’ ist das Ziel und der Maßstab. Deutschland und die Bundeswehr müssen sich darauf einstellen, auf die aktuellen Bedrohungen und die territoriale Verteidigung in Frieden, Krise und auch Krieg zu reagieren. Mit diesem Ziel entwickeln Expertinnen und Experten aus allen Bereichen der Bundeswehr in einer gemeinsamen Planungsgruppe aus Bund, Ländern und Kommunen, den sogenannten Blaulichtorganisationen und der Wirtschaft den militärischen Anteil einer gesamtstaatlichen Verteidigungsplanung, den ‘Operationsplan Deutschland’ (OPLAN DEU). Der OPLAN DEU ist ein geheimes Dokument, an dem kontinuierlich in Verantwortung des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr gearbeitet und das stetig aktualisiert wird.”

Eine der zentralen Stelle offenbart einiges: „Sie müssen gesamtstaatlich und gesamtgesellschaftlich gemeistert werden.” Hier ist etwas im Busch! Und das gewaltig. So, wie auf dem erwähnten Symbolbild die Verschmelzung von militärischen und staatlich-zivilen Bereichen sichtbar wird, so lässt der Text erkennen, wie bundesweit die Militarisierung gehen wird. Die gesamte Gesellschaft soll involviert werden. Dämmert es jetzt vielleicht jenen, die das Wort “Kriegstüchtigkeit” überhören? (…)
Die Aussagen könnten kaum deutlicher sein. Ausführungen dieser Art würden nie öffentlich getätigt, wenn die politische Grundhaltung von ganz oben nicht dahinter stünde. Anders gesagt: Die Häufung all dieser Meldungen zur Kriegstüchtigkeit, zum Aufbau des Heimatschutzes, zur „kriegsnahen” Ausbildung sollten sämtliche Alarmglocken klingeln lassen. Es geht hier nicht um Äußerungen von irgendwelchen “Krieg-Freaks” in abseitigen Internetforen. Die Aussagen sind “Mainstream”. Sie werden von großen Medien, von hochrangigen Akteuren an die Bevölkerung „kommuniziert”, oder genauer: regelrecht promotet. Das Vorhaben “Kriegstüchtigkeit” ist ernst. Sehr ernst. Wie in der Einleitung schon geschrieben: Im November sickerte durch, dass bereits Unternehmen in Deutschland im Rahmen des Operationsplan Deutschland auf den »Kriegsfall« vorbereitet werden. „Nach Informationen der F.A.Z. schult die Bundeswehr seit Kurzem Unternehmen für den Verteidigungsfall. In einem geheimen Strategiepapier ist auch die Rolle der Wirtschaft klar umrissen, sollte Putin im Osten angreifen.”

Lesetipp: Marcus Klöckner: Kriegstüchtig! Deutschlands Mobilmachung an der Heimatfront. Verlag Fifty Fifty, 6. Januar 2025, 160 Seiten, broschiert, ISBN 978-3946778431, 16 Euro.


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