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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Musk und Weidel – Viel Lärm um nichts
Datum: 10. Januar 2025 um 10:36 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Ideologiekritik, PR, Wahlen
Verantwortlich: Jens Berger
Wenn man in den letzten Wochen die Medienberichterstattung zum laufenden Wahlkampf konsumiert hat, könnte man glatt auf die Idee kommen, es gäbe nichts Wichtigeres, als die „Einmischung“ des US-Milliardärs Elon Musk. Der hat sich auf seiner Plattform X, in einem Gastartikel in Springers WELT und gestern Abend mit einem live übertragenen Gespräch mit Alice Weidel mehrfach als Edel-Wahlhelfer für die AfD in Szene gesetzt. Überraschend ist das alles nicht. Substanz hat es schon gar nicht. Nicht Musks Äußerungen, sondern die Berichterstattung dazu hilft der AfD, die so – mal wieder – genau die mediale Aufmerksamkeit bekommt, nach der sie lechzt. Ein Kommentar von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Aus rein privatem Interesse hätte ich mir das gestrige Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel sicher nicht angeschaut. Ich weiß, was Musk zu sagen hat, und ich weiß, was Alice Weidel zu sagen hat. Nach dem medialen Hype, der im Vorfeld gestreut wurde, packte mich jedoch der professionelle Eifer. Schließlich wurde zwar zu Musks „Einmischung“ in den deutschen Wahlkampf bereits alles gesagt – aber nicht von jedem. Also habe ich mir das Gespräch für die NachDenkSeiten angehört. Was tut man nicht alles für seine Leser. Fühlen Sie sich aber bitte nicht motiviert, es mir nachzutun. Hand aufs Herz: Es lohnt sich nicht. Wenn Sie sich eine eigene Meinung bilden wollen, empfehle ich Ihnen, das Gespräch im Original auf Englisch zu hören, da die „Wortlosigkeit“ der beiden Gesprächspartner dort am besten rüberkommt. Sollten Sie des Englischen nicht mächtig sein, finden Sie mittlerweile auch eine deutsche Übersetzung im Netz.
Here's the full conversation from earlier today between Elon Musk and Alice Weidel, co-chairwoman of Germany's AfD party.
Use the timestamps below to easily navigate the different topics.
1:09 General presentation of the AfD
2:14 Germany's destructive energy policy
12:21… pic.twitter.com/dGEPn2Xw1T— ELON CLIPS (@ElonClipsX) January 9, 2025
Um was ging es eigentlich?
Die inhaltliche Ebene des Gesprächs ist eigentlich schnell abgehakt und dürfte für deutsche Hörer weitestgehend uninteressant sein. Sinn und Zweck des Gesprächs schien es – vor allem von Musks Seite – zu sein, die AfD dem internationalen oder um genauer zu sein dem amerikanischen Publikum vorzustellen. Das taten die beiden dann auch, natürlich sehr subjektiv. Musk lieferte Vorlagen, Weidel antwortete brav und schilderte ihre Sicht der Welt. Es ging um Merkel und die CDU, die in Weidels Welt eine linksgrüne Partei ist, ein wenig um Migration, um Meinungsfreiheit und ganz ausführlich um Energiepolitik. Dieser Themenbereich stach zumindest insofern heraus, da er die Art und Weise, wie das Gespräch geführt wurde, recht gut charakterisiert. Man redete munter aneinander vorbei und zumindest Alice Weidel schien dies gar nicht zu merken und stimmte Musk frohgemut immer wieder zu, wenn dieser sich positiv über regenerative Energien äußerte. Spannend wäre es ja gewesen, man hätte das Thema E-Mobilität debattiert. Dann hätte Weidel dem Tesla-Chef ja mal erklären können, warum sie E-Autos für unausgereift hält und ihrer Meinung nach niemand ein E-Auto in der Garage haben will. So blieb das Ganze beim freundlichen Smalltalk.
In diesem Stil ging es dann weiter. Weidel erzählte, dass man in deutschen Schulen nur noch etwas über „Gender-Studies“ lernt, was Musk dazu animierte, seine altbekannte Litanei über das „Woke Mind Virus“ abzuspulen. Es ging um die Mainstreammedien, die sowohl Weidel als auch Musk nicht mögen, um den Ukrainekrieg, den Trump nun stoppen müsse, und Israel, mit dessen Politik sich beide solidarisch erklärten. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Die Themen sind natürlich wichtig und es gäbe sowohl zum Bildungssystem, zum Kulturkampf, zum Verfall der Medien und natürlich auch zum Ukrainekrieg sehr viel Kritisches zu sagen und es ist auch nicht so, dass Musk und Weidel hier in allen Punkten komplett falsch liegen. Die vorgetragene undifferenzierte, zugespitzte und faktenbefreite Aneinanderreihung von Schlagworten aus rechtslibertärer Sicht nutzt der Debatte jedoch nicht. Wer sich eine – vielleicht sogar differenzierte – Debatte zwischen dem reichsten Mann der Welt und einer deutschen Spitzenpolitikerin erhofft hatte, hoffte vergebens. Einzig und allein die Schlusspassage, in der es dann über Raumfahrt, den Mars und Gott ging, hatte durchaus Stärken, was jedoch an Musk, der auf diesen Themenfeldern zuhause ist, und nicht an Weidel lag. Sonst passt man sich halt rhetorisch dem Niveau der Plattform X an.
Sie hat „Hitler“ gesagt
Gerade als das Gespräch in der Mitte vollends in Belanglosigkeit und Gestammel versank, merkte wohl auch Alice Weidel, dass sie nun einen Aufreger braucht, um am nächsten Tag die Schlagzeilen zu füllen. Und was passt besser ins mediale Erregungsschema als Hitler? Also legte Weidel los …
Weidel: The National Socialists were socialist. Adolf Hitler was a socialist.
Musk: Yeah, they nationalized industries like crazy.
Weidel: Yes absolutely! He was a communist and he considered himself a socialist. Ähm. What they did. Ähm. Ja. Ähm. They state-funded the private companies and then thy asked for taxes, huge taxes. And then also.. wait a second, I ask for the word now … Verstaatlichen … yeah nationalize the entire industry. Ja. You said that before. And the biggest success, the biggest success after that terrible era in our history was to label Adolf Hitler as right and conservative. He was exactly the opposite. He wasn´t conservative. He wasn´t a libertarian. He was a communist, socialist guy!
Elon Musk: Yeah!
Weidel: So full stop. No comment on that.
Bitte erwarten Sie nicht von mir, dass ich diesen Unsinn nun tatsächlich ernsthaft inhaltlich aufgreife. Dass die Nazis eigentlich Linke waren, wird ja von reaktionärer und neuerdings auch von libertärer Seite schon länger behauptet und entbehrt jeglicher historischen Grundlage. Aber darum geht es auch nicht. Sowohl Musk als auch Weidel sind, wenn man es in klassischen politischen Schablonen ausdrücken will, rechtslibertär. Diese politische Strömung war in Deutschland bislang weitestgehend unbekannt und marginalisiert. Für Rechtslibertäre ist der Staat – verkürzt gesagt – der Feind. Mehr Staat = Kommunismus oder zumindest Sozialismus, so die These. In dieser „Logik“ waren die Nazis dann freilich „Kommunisten“. Das sehen einige Milliardäre, für die der Gedanke, sie müssten über erhobene Steuern die Allgemeinheit finanzieren, bekanntlich genauso und so waren sich Musk und Weidel auch schnell einig.
Wir erlebten also eine „ganz normale“ Debatte, wie sie tausendfach innerhalb der rechtslibertären Blase genauso geführt wird. Für unsere Medien und diejenigen, die sich noch nie ernsthaft mit dem ideologischen Hintergrund der AfD oder gar der rechtslibertären Szene in den USA beschäftigt haben, mag dies ja überraschend sein und für Schlagzeilen ist „alles mit Hitler“ natürlich Gold wert. Und darum ging es Alice Weidel, zumal das Gespräch bis zu diesem Zeitpunkt sicher nicht nach ihren Vorstellungen lief.
Die nette Frau Weidel
Das lag vor allem an den beiden Gesprächspartnern. Elon Musk wirkte vollkommen unvorbereitet und auch wenn man ihm natürlich auf bestimmten Themenfeldern, wie der Energiepolitik, Raumfahrt und dem medialen Diskurs, Kompetenzen zuschreiben kann, so ist völlig klar, dass er von Deutschland keine Ahnung hat. So nahm das Gespräch schnell die Form einer Erklärstunde an. Alice erklärt Elon, was in Deutschland so vor sich geht – nur dass das, was Alice zu sagen hatte, natürlich vor allem Wahlkampfgetöse ist. Das kann man ihr noch nicht einmal vorwerfen, jeder Politiker würde diese Plattform für Wahlkampf nutzen.
Ansonsten wirkte die sonst so tough auftretende Alice Weidel erstaunlich unterwürfig. Und das war die eigentliche Überraschung. Gerade Alice Weidel ist ja für ihre teils harte Rhetorik in ihren Reden bekannt. Davon war gestern nichts zu spüren. Jeder noch so lahme Scherz von Musk wurde von ihr mit einem mädchenhaften Giggeln belohnt. Es wirkte über weite Strecken so, als säßen sich hier nicht zwei Gesprächspartner auf Augenhöhe gegenüber, sondern als spräche der große Elon Musk mit einem Fan, der ihn bewundert. Wenn Weidel nicht giggelte, stimmte sie ihrem Gegenüber wahlweise mit „Ja“, „Yes“ oder „You are absolutely right“ zu, auch wenn Musk Weidel gerade inhaltlich widersprach. Ja, man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Weidel Lampenfieber hatte und dieses Gespräch eine Nummer zu groß für sie war.
Sicher, das kann man – wenn man freundlich sein will – als positive Gesprächsatmosphäre bezeichnen. Wenn man allerdings bedenkt, dass die Spitzenkandidatin einer Partei, die sich gerne als anti-elitär verkauft und – zu Recht – das Duckmäusertum der politischen Konkurrenz vor einflussreichen Milliardären kritisiert, bei der ersten öffentlichen Gelegenheit sich selbst höchst duckmäuserisch verhält, wirft dies doch Fragen auf.
Einmischung in den Wahlkampf? Bleiben wir doch mal auf dem Boden
Welchen Erkenntnisgewinn diese Veranstaltung für die vornehmlich amerikanischen Zuhörer bringen soll, ist fraglich. Das war kein Gespräch, sondern Wahlkampf. Und da Wahlkampf naturgemäß auf die eigenen Wähler und nicht auf das internationale Publikum ausgerichtet ist, war der (über)große Rahmen nicht gerade zielführend. Kommen wir also zur Frage, was die ganze Veranstaltung für den Wahlkampf bedeutet. Und hier wird es kompliziert. In AfD-Kreisen wurde das Gespräch bereits im Vorfeld als „Jahrhundertereignis“ hochgejazzt. Man versprach sich offenbar sehr viel, heraus kam erstaunlich wenig. Selbst eingefleischte AfD-Fans werden sicher nicht eben glücklich über ihre giggelnde Spitzenkandidatin gewesen sein.
Aber das ist zweitrangig. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein einziger eingefleischter AfD-Fan wegen der suboptimalen Performance Weidels nun eine andere Partei wählt. Die AfD ist eine Partei, die wie keine andere davon lebt, dass über sie gesprochen wird. Auch negative Berichterstattung nutzt der Partei. Und jede Menge Berichterstattung war der AfD seit letzter Woche dank Musks Wahlwerbung zunächst auf X, dann in der Welt und nun zusammen mit Weidel mit X ja sicher. Man regte sich gekünstelt darüber auf, dass sich ein US-Milliardär in den deutschen Wahlkampf einmische. Oskar Lafontaine hatte auf den NachDenkSeiten bereits darauf hingewiesen, dass dies hochgradig verlogen ist, haben deutsche Medien doch nicht das geringste Problem damit, wenn andere US-Milliardäre sich für andere Parteien in den Wahlkampf einmischen.
Nicht Musks Einmischung, sondern die verlogene Kritik daran dürfte der AfD abermals zahlreiche Stimmen beschert haben. Ähnlich verhält es sich mit dem Gespräch zwischen Musk und Weidel. Ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass auch nur ein unentschlossener Wähler sich nach Konsum dieses Gesprächs sagt: „Das war ja prima, nun wähle ich aber die AfD!“. Der ganze mediale Rummel rund um dieses Gespräch hat die AfD jedoch einmal mehr in der unzufriedenen Öffentlichkeit als „eigentliche Opposition“ zu den Parteien der Mitte präsentiert. Wer also irgendwie „dagegen“ ist, weiß nun, was er wählen soll. Da kann sich die AfD bei den Medien – und nicht bei Elon Musk – bedanken.
Titelbild: Alice Weidel via X
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