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Titel: Deutsche Kriegstauglichkeit – Eine Betrachtung aus sicherheitspolitischer und verfassungsrechtlicher Perspektive
Datum: 28. Dezember 2024 um 12:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Aufrüstung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
Verantwortlich: Redaktion
Die Überschrift mag irritierend wirken, da sie auf den ersten Blick eine Frage eröffnet, deren Antwort für manche eine Selbstverständlichkeit darstellt: Natürlich müsse eine Armee kriegsfähig oder -tüchtig sein, sonst erfülle sie ihren Auftrag nicht, das Land zu verteidigen. Andere, darunter ich, stören sich an der Wortwahl und den daraus resultierenden möglichen Folgen – spiegelt sie doch eine Denkweise wider, die ich als hochgefährlich betrachte. Denn klar ist auch: Nicht nur die Realität prägt Denken und Sprache, auch umgekehrt prägt die Sprache das Denken, prägt die politische und soziale Realität. Und welche Realität soll geschaffen werden, wenn solche Begriffe in den Kommunikationsraum geworfen werden? Soll eine erhöhte gesellschaftliche Akzeptanz von Militär, Militärausgaben und Krieg geschaffen werden? Soll die pazifistische Kultur der deutschen Gesellschaft rückabgewickelt werden? Von Alexander Neu.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der noch deutsche Verteidigungsminister, ein Sozialdemokrat wohlgemerkt, hat nicht nur den Begriff, die Aussage, Deutschland müsse kriegstüchtig werden, in den Kommunikationsraum geworfen, sondern er hat damit auch deutlich gemacht, dass er gewillt ist, eine Kriegstüchtigkeit herzustellen. Denn der logische Rückschluss seiner Aussage ist: Deutschland sei gegenwärtig eben nicht kriegstüchtig aufgestellt.
Was aber nicht minder schwer wiegt, ist die weitgehend ausbleibende gesellschaftliche, politische und mediale Reaktion auf eine derartige Aussage. Wie kann es sein, dass so eine Formulierung überhaupt aus dem Munde eines deutschen Regierungspolitikers, genauer gesagt der politischen Führung des BMVg, unwidersprochen bleibt – und dies angesichts der deutschen Geschichte? Wo blieb und bleibt der Sturm der Entrüstung der öffentlichen und veröffentlichten Meinung? Noch zu meiner Zeit als Student der Politischen Wissenschaften in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre hätte eine solche Formulierung einen ministeriellen Rücktritt zur Folge gehabt – und zwar nicht nur angesichts der deutschen Geschichte, sondern auch angesichts der damals wie heute richtigen Erkenntnis: Der Krieg als Fortsetzung der Politik hat im Nuklearwaffenzeitalter ausgedient – zumindest zwischen Atommächten respektive Militärbündnissen mit nuklearen Fähigkeiten. Nun aber fabuliert ein fachfremder Verteidigungsminister über Kriegstüchtigkeit und, dass die Russen Ende des Jahrzehnts in der Lage seien, die NATO anzugreifen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr C. Breuer sekundierte in der Sendung „Maischberger“ mit folgender Formulierung:
„Dann zeigt mir das, dass wir gewappnet sein müssen in fünf bis acht Jahren. Weil dann ein Angriff wieder möglich sein könnte. Ich sag es bewusst in Möglichkeitsform.“ (hier ab Minute 14:22)
Womit der ranghöchste Soldat der Bundeswehr seine Bewertung selbst in Frage stellt, denn mehr Konjunktiv und Potentialis geht nicht. Der Minister sowie sein Generalinspekteur bewegen sich faktisch auf dem Feld wilder Spekulationen. Und wo bleibt der sonst so gern betriebene mediale Faktencheck? Beispielsweise hätte Maischberger die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Greenpeace-Studie mit dem Titel „Wann ist genug? Vergleich der Kräfte von NATO und Russland“ oder die Daten bei Statista abrufen und erwähnen können – journalistische Schlamperei oder doch Absicht? Auf jeden Fall journalistischer Totalausfall.
Noch zu Zeiten der sehr präferierten Beschäftigungstherapie der „Out-of-area-Einsätze“ (Auslandseinsätze und militärische Maßnahmen jenseits des Bündnisgebietes) der NATO – inklusive der Bundeswehr – in den 1990er- und 2000er-Jahren wurde zum Zwecke der fortgesetzten Daseinsberechtigung der NATO bisweilen allen Ernstes mit so bizarren und skurrilen Argumenten wie den „abstrakten Gefahren“ für Deutschland und seine Verbündeten begründet, warum die NATO und damit auch die Bundeswehr weltweit operieren müsse.
Die Hilflosigkeit, ja geradezu die Verzweiflung, Gefahren identifizieren zu müssen – und seien sie noch so skurril –, die angeblich eine starke und global agierende NATO erforderlich machen, sollte einem nachdenkenden Menschen sofort in das Gesicht springen. Zugleich, und das muss ich einräumen, scheint so ein Blödsinn tatsächlich unwidersprochen von der Gesellschaft hingenommen zu werden. Faktisch mangelt es solchen Begründungen aber erheblich an Substanz. Denn „abstrakte Gefahren“ für Leib und Leben erfährt jeder Mensch weltweit täglich – auf dem Weg zur Arbeit, im Job, in der Familie etc. Und von ähnlich substanzloser Qualität sind die Aussagen Pistorius‘ und Breuers, Russland könnte die NATO angreifen. Auch die USA verfügen über die militärischen Fähigkeiten, praktisch jedes Land anzugreifen. Ob sie es tun oder aber nicht, hängt von ganz anderen Faktoren, nämlich politischen Erwägungen und Interessen ab – also politischen Absichten.
Militärische Fähigkeiten und politische Absichten
Natürlich könnte Russland sich Fähigkeiten aneignen, die rein spekulativ einen Angriff auf die NATO ermöglichten. Und natürlich kann man die militärischen Fähigkeiten eines Staates messen – Militärausgaben, Quantität an Militärpersonal und Waffensystemen, Art der Waffensysteme, Anzahl und Standorte von Militärbasen, Militärdoktrinen etc. Aber bei all den soeben erwähnten quantitativen Elementen liegt in der Summe die NATO weit vor der Russischen Föderation (siehe die o.g. Quellen: Greenpeace-Studie und Statista).
Es ist richtig, die russische Wirtschaft wurde auf Kriegswirtschaft umgestellt. Es ist auch zutreffend, dass die russischen Waffenschmieden derzeit aufgrund der Umrüstung der Wirtschaft eine größere Produktionsmenge an Waffensystemen erreichen. Richtig ist aber auch, dass sich das Russland dauerhaft gar nicht wird leisten können. Moskau wurde in den 1980er-Jahren schon mal totgerüstet von der NATO. Diese Lehre dürfte in Moskau angekommen sein. Wichtiger zur Entkräftung aber ist, dass eben nicht nur die Quantität und Qualität der konventionellen Waffensysteme und die Personalgröße zählen, mithin die sogenannten militärischen Fähigkeiten. Zur Evaluation eines Bedrohungsszenarios oder eines Bedrohungsumfeldes zählen eben auch die politischen Absichten einer Regierung.
Und diese politischen Absichten sind ebenfalls einschätzbar. Sie können sich rasch ändern, jedoch lassen sich in den Erklärungen der politischen Entscheider und den öffentlich zugänglichen Doktrinen durchaus Absichten in die eine oder andere Richtung erkennen. Mir sind, und ich bin da durchaus offen für Korrekturen, keine Erklärungen politischer Entscheider in Russland bekannt, die einen Angriff auf das NATO-Gebiet beinhaltet hätten – mit Ausnahme von möglichen militärischen Schlägen gegen jene Staaten, die der ukrainischen Seite Langstreckenraketen liefern und diese auch zur Anwendung auf russisches Staatsgebiet autorisieren – wie es gegenwärtig geschieht. Das einzig Wahrnehmbare sind Behauptungen westlicher Akteure – aus Politik, Wissenschaft und Militär –, ohne dass Beweise vorgelegt werden. Das heißt nicht, dass Russland nicht diese Absichten haben könnte – wer kann schon in den Kopf Dritter schauen. Aber mit Blick auf die bislang bekannte Faktenlage handelt es sich nur um faktenfreie Behauptungen, deren Überzeugungsqualität so skurril sind wie die fragwürdigen „abstrakten Bedrohungen“.
Politische Absichten und Nuklearwaffen
Der mögliche Einwand, wonach politische Absichten rascher veränderbar als militärische Fähigkeiten seien, ist richtig. Aber eine Staatsführung, die ungeachtet der Qualität und Quantität der eigenen militärischen Fähigkeiten ihre politischen Absichten auf Angriff gegen einen anderen Atomwaffenstaat oder dessen unter dem Nuklearschutzschild befindliche Verbündete wendet, begeht faktisch Selbstmord. Und damit sind wir beim Kern der Gegenargumentation für eine massive Aufrüstung, eine erforderliche Kriegstüchtigkeit:
Auch heute, 35 Jahre nach dem Kalten Krieg, gilt die Philosophie der MAD – mutual assured destruction –, also der gesicherten gegenseitigen Vernichtung, garantiert durch die nuklearen Zweitschlagsfähigkeiten, die wiederum durch die nukleare Triade abgesichert ist. Die nukleare Triade bedeutet, dass die Nuklearsprengköpfe auf diversen Trägersystemen in der Luft (Boden-Luftsysteme), auf See (seegestützte Systeme) und zu Land (mobile und stationäre Trägersysteme) montiert sind, sodass bei einem anvisierten enthauptenden Erstschlag hinreichend Reaktionskapazitäten für den vernichtenden nuklearen Gegenschlag (Zweitschlag) nahezu gesichert sind. Sowohl Washington als auch Moskau verfügen über diese Triade. Und diese Tatsache macht einen Krieg zwischen zwei Atommächten unter der Prämisse, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sinnlos, da es mit der gesicherten gegenseitigen Vernichtung logischerweise keinen politischen Gewinner geben kann. Der Ausgangspunkt: Das politische Ziel kann nicht erreicht werden. Vielmehr wird Politik buchstäblich pulverisiert.
Angesichts dessen gilt es, zwei große Fragezeichen zu beantworten:
Das politische Ziel der Kontrolle, der Okkupation oder der Annexion fremden Staatsgebietes oder auch umstrittener Territorien, dessen Staat über Atomwaffen verfügt, ist nicht erreichbar, sondern nur die eigene nukleare Zerstörung. Aus diesem Grund haben die im Territorialkonflikt stehenden Nuklearwaffenstaaten Pakistan und Indien sowie China und Indien sehr bewusst ihre Konflikte nicht über ein paar Grenzscharmützel hinaus eskalieren lassen.
Und diese Einsicht führt zur Politik, Atomwaffen in erster Linie als Abschreckungswaffen (politische Waffen) zu betrachten und nur bei Versagen der Abschreckung diese auch real einzusetzen.
Quelle: Büro Sevim Dagdelen
Kurzum: Das Ziel der Kriegstüchtigkeit Deutschlands ist sicherheits- und haushaltspolitisch völlig absurd und zeithistorisch absolut unmoralisch. Dies heißt nicht, dass es nicht eine Verteidigungsarmee geben sollte. Das wäre nicht minder absurd. Die Bundeswehr als rein territorial gebundene Verteidigungsarmee zum Schutze Deutschlands unterstütze ich uneingeschränkt. Denn auch konventionellen Fähigkeiten kommt ein Abschreckungsmoment zu. Ob es schlussendlich ausreicht, ist differenziert zu sehen. Die konventionellen Verteidigungsfähigkeiten des Irak oder der Bundesrepublik Jugoslawien reichten nicht für eine effektive Abschreckungskraft aus, um die völkerrechtswidrigen Angriffe auf ihre Staatsgebiete abzuschrecken. Hätten diese Staaten Nuklearwaffen besessen, wären sie nicht unter US-geführten Koalitionen bzw. der NATO angegriffen worden.
Für mich ist der Auftrag einer Armee – hier der Bundeswehr – entscheidend: B. Pistorius hat nicht die Adjektive „verteidigungsfähig“ oder „verteidigungstüchtig“ verwendet, sondern ganz bewusst das Adjektiv „kriegstüchtig“. Und auch als fachfremder Minister sollte er den Unterschied kennen bzw. werden ihm das seine Berater sicherlich expliziert haben: Während der Begriff der „Verteidigung“ eine Abwehr gegen etwas, hier eine Abwehr gegen einen Angriff von außen, definiert, ist der Begriff „Krieg“ offener und kann mithin alle Varianten umfassen, auch den – als Präventivkrieg verkappten – Angriffskrieg. Öffnet der Verteidigungsminister mit seiner Wortwahl, seiner Formulierung das Tor auch zur Debatte für offensive Fähigkeiten? Öffnet er auch das Tor zur Frage, ob nicht auch offensive Absichten im Raum stehen könnten? Diese Frage zumindest steht mit dem Wort „Kriegstüchtigkeit“ ganz ohne Nöte nun im Raume.
Rechtliche Grundlagen zur Anwendung militärischer Maßnahmen
Da die Debatte um Kriege und mögliche Einsatzszenarien auf Hochtouren läuft, möchte ich die verfassungsrechtlichen Spielräume für den Einsatz der Bundeswehr nochmals in Erinnerung rufen. Denn diese scheinen in der Debatte nahezu keine Rolle mehr zu spielen – sind aber eben die Grundlage allen politischen Handelns in einem Rechtsstaat. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schafft und präzisiert den Rahmen für einen möglichen bewaffneten Einsatz der Streitkräfte.
X a. Verteidigungsfall – Art. 115a (Territorialbezug)
(1) Die Feststellung, dass das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall), trifft der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates…
(4) Wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen…
(5) Ist die Feststellung des Verteidigungsfalles verkündet und wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen,
Artikel 115a GG stellt einen unmissverständlichen Territorialbezug her. Das heißt, nicht Interessen oder Werte, nicht einmal feministische Werte, definieren den Verteidigungsbegriff, sondern – ganz im Sinne der UNO-Charta – der vorausgegangene oder gegenwärtige Angriff auf das Staatsgebiet Deutschlands. Mit der Formulierung „ein solcher Angriff unmittelbar droht“ wird der Präemptivschlag als zeitlich vorgezogene Reaktion betrachtet. Die zeitliche Dimension ist jedoch auf den Faktor der Unmittelbarkeit, des Jetzt, begrenzt. Damit unterscheidet sich der Präemptivschlag vom Präventivschlag, der zeitlich durchaus weiter in der Zukunft liegen kann. Beispielsweise würde ein Militärschlag gegen iranische Atomanlagen einen Präventivschlag darstellen, der völkerrechtlich nicht gedeckt wäre, sondern ganz klar als rechtswidrige Angriffshandlung bewertet werden müsste. Wenn hingegen ein Drittstaat bereits seine militärischen Maßnahmen auf einen konkreten Angriff hin ausgerichtet hat, bereits schon in Feuerstellung gegangen ist, darf der an der Schnittstelle von zukünftigem und gegenwärtigem Angriff befindliche Staat bereits völkerrechtskonform militärisch reagieren. Wichtig zu wissen ist, dass im Englischen die Begriffe präventive und präemptive exakt umgekehrt definiert sind. Das sorgt gelegentlich in den Debatten für Verwirrung.
Art. 87a – Streitkräfte
(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
(3) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.
Dieser Artikel verpflichtet die Bundeswehr zu einer Verteidigungsarmee, in Verbindung mit Art. 115a sogar primär zu einer territorialgebundenen Verteidigungsarmee. Erst unter Art. 87a, Absatz 3 werden Ausnahmemöglichkeiten zur deutschen Territorialverteidigung angedeutet. Gemeint sind hier Art. 24 (System gegenseitiger kollektiver Sicherheit, wie der UNO). und Art. 80 a, Abs. 3 (Bündnisvertrag, wie der NATO):
Art. 24 – Übertragung von Hoheitsrechten – Kollektives Sicherheitssystem
(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen;
er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
Es handelt sich hierbei nicht um ein Verteidigungsbündnis, sondern um eine intergouvernementale Organisation wie die UNO, der ein anderes, ein progressives Sicherheitskonzept zugrunde liegt, jedoch bislang tatsächlich nicht effektiv umgesetzt wurde. Die Bundesrepublik darf gemäß dem Artikel 24 Abs. 2 tatsächlich auch die Bundeswehr jenseits des territorial gebundenen Verteidigungsauftrages in den Dienst eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit stellen. Es kann sich hierbei um UN-geführte Blauhelmeinsätze sowie um UN-mandatierte-Einsätze wie in der serbischen Provinz Kosovo (UN-Sicherheitsratsresolution 1244) handeln.
Die NATO und die EU sind explizit keine Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit ungeachtet dessen, dass das Bundesverfassungsgericht 1994 die NATO faktenwidrig zu einem solchen System im Sinne von Artikel 24, Absatz 2 erklärte. Die NATO verfügt nicht einmal über ein konstitutives Element eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit, nämlich einen internen Konfliktregulierungsmechanismus, der im Falle des Konfliktes zweier NATO-Mitgliedsstaaten die Lösungsschritte dieses internen Konflikts beschreiben würde. Ein Sicherheitskollektiv wirkt – und das ist sein konstitutives Merkmal – indes nicht nach außen, sondern nach innen. Die NATO wirkt unter anderem nach außen, womit sie vieles sein mag, jedoch kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit.
Art. 80a (Spannungsfall) Bündnisverteidigung – (NATO & EU)
(3) Abweichend von Absatz 1 ist die Anwendung solcher Rechtsvorschriften auch auf der Grundlage und nach Maßgabe eines Beschlusses zulässig, der von einem internationalen Organ im Rahmen eines Bündnisvertrages mit Zustimmung der Bundesregierung gefasst wird.
Artikel 80a des Grundgesetzes formuliert die Möglichkeit, einem Verteidigungsbündnis beizutreten, dessen Rechte und Pflichten zu tragen, wozu auch die Verteidigung von Staatsterritorien verbündeter Staaten als Auftrag gehören kann – mithin die Bündnisverteidigung.
Zwei-plus-Vier-Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland – Art. 2
Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschlands sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, dass das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.
Fazit
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag fügt sich in die Friedensverpflichtung des Grundgesetzes nahtlos ein. Die Formulierung, „dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“, kontrastiert absolut und unmissverständlich mit der geforderten Kriegstüchtigkeit B. Pistorius‘.
Angesichts der fehlenden diplomatischen Initiativen Deutschlands zur Einhegung des Krieges in und um die Ukraine in Kombination mit Waffenlieferungen an die Ukraine und der geforderten Kriegstüchtigkeiten wäre der aktuelle Versuch, eine Zwei-plus-Vier-Vertrags- und verfassungskonforme Außen- und Sicherheitspolitik herbeizubegründen, eine interessante Herausforderung.
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