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Titel: Mittelmaß und Irreführung bei Steinbrück und SPIEGEL
Datum: 8. Mai 2006 um 10:41 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Sozialstaat
Verantwortlich: Albrecht Müller
Den folgenden kurzen Text einer Vorabmeldung des SPIEGEL 19/2006 sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe ihn gelesen, weil ich dachte, ich fände irgend einen Hinweis zur Begründung der Behauptung in der Überschrift: „Steinbrück hält Sozialstaat für nicht zukunftsfähig.“ Nichts davon. Ansonsten an vielen Ecken bar jeder Logik: Was hat die Pflicht zur Arbeit mit dem Sozialstaat zu tun? Hindert der Sozialstaat die Menschen daran zu arbeiten? Es fehlt eher an Arbeitsplätzen, als am Willen zur Arbeit. Vielleicht haben die Redakteure von SpiegelOnline falsch zusammengefasst. Am Montag werden wir sehen. Heute schon mache ich auf unseren Tagebucheintrag vom 5.5. aufmerksam. Das war das Interview in der taz mit dem schwedischen Sozialwissenschaftler Palme. Der Vergleich der beiden Texte belegt einmal mehr: Wir leiden unter der Mittelmäßigkeit unsere Eliten.
Hier der wörtliche Text des Spiegel mit wenigen kurzen Anmerkungen von mir:
„Bankrott-Erklärung
Steinbrück hält Sozialstaat für nicht zukunftsfähig
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hält den Sozialstaat nicht mehr für zukunftsfähig. Er plädiert deshalb für eine Pflicht zur Arbeit, ein Ende der beitragsfreien Mitversicherung von verheirateten Hausfrauen und einen Verzicht auf weitere Kindergelderhöhungen.
Hamburg – “Wenn wir alles so lassen, wie es ist, fährt der Sozialstaat in zehn Jahren gegen die Wand”, sagte der Minister dem SPIEGEL. Auf die Frage “Gibt es eine Pflicht zur Arbeit” sagte Steinbrück: “Ja, ich gehöre zu denjenigen, die sagen: Wenn jemand ein-, zwei- oder möglicherweise dreimal einen angebotenen Job verweigert, dann muss das Folgen haben.”
AM: Steinbrück sollte sich mal darum kümmern, endlich eine einigermaßen durchdachte Makropolitik zu Wege zu bringen! Das hier sind offenbar jetzt schon Versuche, Schuldige zu finden für das Ausbleiben eines richtigen Aufschwungs.
Zudem stellt der Minister das Ehegattensplitting in seiner jetzigen Form auf den Prüfstand. “Ich glaube, dass das so genannte Realsplitting bei der Berechnung des Krankenversicherungsbeitrages von Ehepaaren in die Diskussion der Gesundheitsreform gehört”, so der Minister zum SPIEGEL. Man müsse sich “die Wirkung dieser Vergünstigung sehr genau ansehen”, so Steinbrück weiter, “es lohnt sich, das zu tun, wenn man die Kosten der Arbeit senken will”.
AM: Auch hier wieder der gängige Denkfehler, wir litten vor allem darunter, dass die Kosten der Arbeit zu hoch sind. Dieser Finanzminister hat einfach nicht verstanden, dass die Gesundheitskosten der Ehefrauen auch dann getragen werden müssen, wenn er das System umbaut. Im übrigen findet sich bei Palme eine knappe Zurückweisung des mangelhaften Argumentes, die Steuerfinanzierung sozialer Leistungen löse ein Problem.
Steinbrück äußerte zudem Zweifel, ob künftige Kindergelderhöhungen sinnvoll seien: “Fünf Euro zusätzliches Kindergeld bedeuten eine Zusatzausgabe für den Staat von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Könnte eine solche Summe nicht besser für eine kostenlose Kinderbetreuung statt für eine individuelle Zuwendung – für viele kaum spürbar – verwendet werden?”.
AM: Das ist ja gut und schön. Aber warum unsere Regierungsvertreter nun Kinderbetreuungsleistungen gegen Kindergeld ausspielen müssen, erschließt sich mir nicht.
Quelle: mik / DER SPIEGEL
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