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Titel: Geopolitik, Fankurve und Berufsleben: Das Berliner BSW stellte seine Kandidaten zur Bundestagswahl vor

Datum: 20. November 2024 um 13:00 Uhr
Rubrik: BSW, Wahlen
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Die Gerüchte hatten also einen wahren Kern. Oliver Ruhnert, ehemaliger Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Union Berlin, soll in Berlin für das BSW auf Platz 1 kandidieren. Auf einer Pressekonferenz im Sprechsaal Berlin, dem mondänen Veranstaltungsort einer kritischen, hauptstädtischen Intelligenzija, fand am gestrigen 19. November die Pressekonferenz statt, in deren Rahmen der Vorschlag des Landesvorstands des BSW Berlin für die ersten vier Plätze zur Bundestagswahl 2025 vorgestellt wurde. Von Ramon Schack.

Vom Fußballfeld in den Bundestag

Ruhnerts Wechsel in die Politik war nicht die Sensation des Vormittags, denn schon vor einigen Monaten hatte der gebürtige Sauerländer, Jahrgang 1971, seinen Parteieintritt in das BSW erklärt. Dabei waren auch schon Ambitionen auf ein Bundestagsmandat angedeutet worden. Ruhnert räumte ein, dass ein politisches Mandat wohl das Ende seiner Karriere als Sportfunktionär implizieren könnte. „Beides ginge wohl leider nicht“, ließ er damals verlautbaren. So wird es denn auch kommen. Der neue Berliner Spitzenkandidat des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) wird Union zum Jahreswechsel verlassen.

Mit dem ursprünglichen Wahltermin im September 2025 hätte er vor dem Wahlkampf noch die Saison mit Union beenden können. Das ist jetzt nicht mehr möglich, es geht im neuen Jahr direkt in die heiße Phase des Wahlkampfes. Ein politischer Mensch war Ruhnert aber schon vor seinem Engagement beim BSW.

Vor langer Zeit war er einmal SPD-Mitglied, saß aber für die Linke lange im Stadtrat seiner Heimatstadt Iserlohn. Gleich nach der Gründung des BSW vor knapp einem Jahr sprach Ruhnert in der Sport Bild von einem „interessanten und spannenden Projekt“. Und:

„Wenn man in die Bundespolitik will, dann sollte man nicht noch fünf Jahre warten.“

Bei Eisern Union wird man Oliver Ruhnert vermissen, denn unter ihm gelang dem Verein erst der Aufstieg in die Bundesliga und dann der Einzug in die Champions League.

Ob ähnliche Erfolge ihm auch als BSW-Politiker bevorstehen, wird sich zeigen.

„Oliver Ruhnert ist ein Mann aus dem prallen Leben“, äußerte BSW-Co-Landeschef Alexander King über seinen Kandidaten. Ruhnerts Schwerpunkte als Bundestagsabgeordneter würden sich um Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Inklusion drehen. Als Persönlichkeit aus dem Sport sei er dafür prädestiniert, ließ der Berliner BSW-Chef verlautbaren.

Sicherlich, das wurde auf der Konferenz nicht erwähnt, stellt Ruhnert auch einen Magnet für die Wähler im Bezirk Treptow-Köpenick dar, wo der 1. FC Union Berlin zur Alltagskultur gehört und die Fankurve ein beträchtliches Wählerpotential darstellt. Dass es sich hierbei auch um den Wahlkreis von Gregor Gysi handelt, dürfte bei der strategischen Planung dieser Personalie eine gewichtige Rolle gespielt haben.

Sevim Dağdelen kandidiert jetzt an der Spree

Auf Platz zwei präsentierte der hauptstädtische BSW-Verband die außenpolitische Sprecherin der Partei, Sevim Dağdelen. Sie stehe für die Friedenspolitik der Partei, lobte King, was dem Potential dieser Politikerin, die sich für die Freilassung von Julian Assange engagierte und schon seit Jahren die ihrer Meinung nach „riskante Politik der NATO“ kritisiert, durchaus entspricht. Mit ihrer scharfen Kritik an der aktuellen bundesdeutschen Außenpolitik der Ampelregierung hat sie sich eine feste Wählerschaft gesichert.

„Die NATO – eine Abrechnung mit dem Wertebündnis!“ heißt das aktuelle Buch der Bundestagsabgeordneten, welches auch in die SPIEGEL-Bestsellerliste aufrückte. Dağdelen, die bisher immer in Bochum antrat und seit 2005 dem Bundestag angehört, begründete ihren Ortswechsel als Kandidatin unter anderem damit, dass sich ihr Lebensmittelpunkt schon seit Jahren an der Spree befindet, wo sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt.

Dağdelen wechselte von der Linken zum Bündnis Sahra Wagenknecht und gilt als enge Vertraute der Parteigründerin. Sie freue sich darauf, mit den Berlinerinnen und Berlinern ins Gespräch zu kommen, betonte die Politikerin selbstbewusst.

Die gebürtigen Berliner Josephine Thyrêt und Norman Wolf

Neben Ruhnert und Dağdelen sind auf den weiteren Plätzen der Berliner Liste bekannte Namen aus der Politik und der Arbeitswelt Berlins vertreten. Der Berliner Kommunalpolitiker Norman Wolf und die Krankenschwester und Betriebsratsvorsitzende Josephine Thyrêt.

Norman Wolf, Jahrgang 1979, ist so etwas wie ein Pionier seiner jungen Partei. Schon seit Februar ist das BSW in Fraktionsstärke in der Lichtenberger BVV vertreten, wo Wolf als Vorsitzender fungiert. Der Diplom-Verwaltungswirt fasst gerne heiße Eisen an und positionierte sich in jüngster Zeit kritisch zu der weiteren Aufnahme von Flüchtlingen in seinem Bezirk.

Wolf, der eigentlich die politische Arbeit im Bezirk fortzusetzen gedachte, begründet seinen angestrebten Wechsel auf die bundespolitische Bühne damit, dass er im Falle eines Einzuges in den Bundestag kommunale Interessen sehr gut vertreten könne.

Auf Platz 4 kandidiert die amtierende Co-Vorsitzende des BSW Berlin, Josephine Thyrêt. Die 50-Jährige ist seit langer Zeit Krankenschwester bei Vivantes, seit vier Jahren Betriebsratschefin und seit zwei Jahren als Arbeitnehmervertreterin stellvertretende Aufsichtsratschefin des größten kommunalen Klinikkonzerns Deutschlands. Die Pankowerin ist organisiert in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und engagiert sich in der Friedensbewegung.

Erst im Oktober wurde die Berlinerin in einer außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrates des Vivantes-Netzwerkes überraschend als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende abgewählt. Das BSW Berlin vermutete politische Gründe.

In den jüngsten Umfragen zur Bundestagswahl bewegt sich das BSW bei rund 6 Prozent. Alexander King wies darauf hin, dass ein Ergebnis wie zur Europawahl den Einzug der Kandidaten in den Bundestag sichern würde. Damals erzielte die neue Partei 6,2 Prozent.

Ein Parteitag muss den Vorschlag des BSW-Landesvorstands in Berlin noch bestätigen. Dieser soll am 8. Dezember stattfinden. Eventuelle Kritik von Mitgliedern und Unterstützern an der Kandidatur oder den Kandidaten wurden auf der Pressekonferenz nicht erwähnt.

Titelbild: Valeri Schiller


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