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Titel: D-Ticket ade!? Und bereitmachen für die Bahn-Zerschlagung

Datum: 13. November 2024 um 13:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Finanzpolitik, Privatisierung, Verkehrspolitik
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Mit dem Aus der Ampel droht auch das Aus für das Deutschlandticket. Markus Söder stellt unerfüllbare Bedingungen, um es nicht zu retten, und Friedrich Merz fliegt auf eine Bahn mit „reduziertem Angebot“. Wenn es demnächst nach ihm geht, wird der Laden ohnedies so richtig aufgemischt, also abserviert. Und die Kunden gleich mit. Von Ralf Wurzbacher.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Es gibt wahrhaftig nicht viel Gutes, was die tote Ampel hinterlässt. Das Deutschlandticket, die bundesweit einheitliche Fahrkarte zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), zählt ohne Frage zu den echten Errungenschaften der scheidenden Regierung. Aber wie das halt so ist mit Erbangelegenheiten: Nicht immer machen sich die Nachkommen verdient um den Nachlass. Markus Söder (CSU) zum Beispiel ist einer, der auf Fortschritt pfeift, wenn es dem eigenen Fortkommen dienlich sein könnte. Also will er das D-Ticket am liebsten beerdigen.

So sagt er das freilich nicht. Aber Bayerns Ministerpräsident meint es so, wenn er neuerdings postuliert, die Länder müssten von der Finanzierung ausgenommen werden. Zitat: „Es muss der Bund bezahlen. Und wenn der Bund es nicht bezahlt, dann muss es fallen.“ In der jetzigen Form sei es nicht mehr tragbar, äußerte er am Dienstag im Anschluss an eine Haushaltsklausur seines Kabinetts. „Unser Ziel ist, eine Änderung am Deutschlandticket herbeizuführen.“ Soll heißen: Das Ding muss weg. Damit setzt er der schon in den Vortagen begonnenen Diskussion die Krone auf, wie es eben so seine Art ist. Hauptsache, der Markus klopft im Politzirkus den markigsten Spruch.

Verkehrswende möglich

Zweifel am Fortbestand des Tickets hatte davor auch die CDU gestreut, in Person des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der Unions-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei. Er könne sich eine Unterstützung „nicht vorstellen“, sagte er am Montag im Podcast des Magazins Politico. Es sei nicht „davon auszugehen, dass wir wie so ein Einwechselspieler für die FDP jetzt rot-grüne Vorlagen einfach mittragen“. Für seine Fraktion liege der Schwerpunkt eher auf Investitionen in die Infrastruktur. Das glaube ihm, wer will. CDU/CSU haben in 16 Jahren Regierungsverantwortung Schienen, Straßen und Brücken im Land systematisch verkommen lassen, von wegen schwarze Null und Schuldenbremse. Und gerade die Letztere bleibt Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) lieb und teuer. Man könne darüber reden, sie „zu reformieren, aber nicht darüber, sie abzuschaffen“, gab er Bescheid.

Für das D-Ticket gilt das nicht, für etwas also, das der breiten Bevölkerung tatsächlich zugutekommt und das zu den wenigen klimapolitsch sinnvollen Maßnahmen der Ex-Koalition gehört. Losgegangen war es im Sommer 2022 in der Neun-Euro-Variante, in Reaktion auf den Preisschock im Gefolge des Ukraine-Krieges. Drei Monate lang, zwischen 1. Juni und 31. August, rissen sich die Leute um die Offerte, fluteten landauf, landab Busse, Straßen-, S- und Regionalbahnen und trieben die Deutsche Bahn (DB) weit über die Grenzen ihrer Belastbarkeit hinaus. Ganz egal: Die Zeit lieferte einen Eindruck davon, dass die Verkehrswende funktionieren und wie es laufen könnte, wenn nur die Rahmenbedingungen stimmten, wenn also die Züge in Deutschland rollen würden und nicht ständig stehen, schleichen oder ganz ausfallen.

Teurer geht immer

Für den großen Wurf bräuchte es vor allem den politischen Willen und die Bereitschaft, viel Geld in die Hand zu nehmen, auch um Bahnfahren für den Normalbürger erschwinglich zu machen. Und was machte die Ampel? Sie erschuf einen Nachfolger für 49 Euro, gab dem jedoch nicht eben diesen Namen, sondern nannte ihn preislich unverbindlich Deutschlandticket mit dem Kalkül, dass es dann gerne auch teurer werden möge, sofern die Kassenlage es erfordert.

Der Zeitpunkt wäre eigentlich zum Jahreswechsel gekommen. Bereits im September hatte sich die Verkehrsministerkonferenz auf einen Tarif von 58 Euro pro Monat verständigt, der zum 1. Januar greifen sollte. Schon unter diesen Bedingungen wäre es praktisch ausgemacht gewesen, dass der Zuspruch der Menschen abnimmt und allerhand wieder umsteigen, zurück ins Auto nämlich. Entsprechend fürchteten Kritiker, dass der Beschluss das Ende des Angebots einleiten könnte, weil die Verantwortlichen bald feststellen würden: Komisch, die Kunden bleiben weg – dann kann auch das D-Ticket weg.

Das geht jetzt womöglich viel schneller. Denn mit der Ampel hat sich zugleich die ohnehin brüchige Finanzierungsgrundlage verflüchtigt. Gemäß dieser teilen sich Bund und Länder die Mehrkosten des Einheitstarifs, um so die Defizite bei den öffentlichen und privaten Verkehrsanbietern zu kompensieren. 2025 wären das wie schon im laufenden Jahr drei Milliarden Euro gewesen, für jede Seite 1,5 Milliarden Euro. Was die Zukunft angeht, gab es lediglich vage Absichtsbekundungen, die Mittel langfristig aufzustocken und das Ticket bis mindestens 2036 zu verlängern.

Rolle rückwärts beim Klima

Zu doof nur: Schon fürs nächste Jahr fehlt das nötige Geld. Das liegt einerseits daran, dass der Bundeshaushalt 2025 wohl erst unter Federführung der kommenden Bundesregierung beschlossen wird. Was aber vor allem fehlt, ist die Zustimmung des Bundestages zur 10. Novelle des Regionalisierungsgesetzes, das unter anderem die Höhe der Bundeszuschüsse zum in Länderhoheit befindlichen Schienenpersonennahverkehr festlegt. Im konkreten Fall geht es dabei auch um die Verwendung nicht eingesetzter Mittel aus dem Jahr 2023. Eigentlich sollten diese wenigstens die Anschlussfinanzierung fürs kommende Jahr sichern. Wird aber das Gesetz nicht rechtzeitig von Bundestag und Bundesrat gebilligt, wonach es bei den Verlautbarungen von Söder, Merz und Co. aussieht, dann wäre das D-Ticket wegen der dann mangelnden Finanzierungsgarantie schon zum Jahresende Geschichte. Oder aber es könnte sich noch einmal erheblich verteuern, was seinen Tod auf Raten nur beschleunigen würde.

SPD und Grüne in Bund und Ländern schreien jetzt Zeter und Mordio und warnen davor, das D-Ticket zum „politischen Spielball“ zu machen. Daran tragen sie freilich eine gehörige Mitschuld. Hätte die Ampel es rechtzeitig und langfristig finanziell sattelfest abgesichert und nicht nur auf Basis halbgarer Kurzzeitkompromisse, könnten die Nachfolger im Wartestand jetzt auch nicht die Axt daran anlegen und einen Vorgeschmack auf wohl noch größere Zumutungen in künftiger Regierungsverantwortung geben. Carl Waßmuth vom Bündnis „Bahn für alle“ rechnet jedenfalls „mit dem Schlimmsten“, wie er den NachDenkSeiten sagte. „Mit ihrer Blockade beim Deutschlandticket zeigt die Union schon im Wahlkampf, wo es hingeht mit ihr: gegen eine vernünftige Verkehrspolitik und gegen das Klima. Danke, Herr Merz, Danke, Herr Söder!“

„Supergau für die Schiene“

Tatsächlich hat der Vorgang eine größere Dimension. Neben dem Deutschlandticket wackelt aktuell auch das, was die DB als „Generalsanierung“ feiert. Bekanntlich will der Staatskonzern binnen sechs Jahren 40 vielbefahrene Streckenabschnitte und Hunderte Bahnhöfe in Schuss bringen und dabei riskieren, mit mehrmonatigen Vollsperrungen zahllose Kunden zu vergraulen. Erst in der Vorwoche hatte die Bahn stolz verkündet, der Bund werde für das Programm 53 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 bereitstellen – 23 Milliarden Euro mehr, verglichen mit der früheren Finanzplanung.

Mit dem Bruch der Koalition steht aber auch dahinter ein großes Fragezeichen. Werde der Etat für 2025 nicht in vorgesehener Form verabschiedet, fehlten allein im kommenden Jahr bis zu 20 Milliarden Euro aus Bundesmitteln, beklagte am Dienstag der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Martin Burkert. „Jahrelange Planungsarbeit, um die Infrastruktur endlich auf Vordermann zu bringen, um damit Pünktlichkeit und Kapazität des Netzes zu verbessern“, stünden auf dem Spiel, das wäre ein „Super-Gau für die Schiene“.

Die Sorge ist sehr berechtigt. Dass eine absehbar unionsgeführte Regierung an den Ausbauzielen der scheidenden Regierung festhalten wird, erscheint ziemlich ungewiss. Die Instandsetzung besagter Korridore könnte damit wenigstens verzögert, wenn nicht komplett abgeblasen werden. „Selbst die jetzt eigentlich beginnende, dringend notwendige Sanierung zwischen Berlin und Hamburg droht damit unmittelbar zum Rohrkrepierer zu werden“, merkte der EVG-Chef an. „Zehntausende Fahrgäste werden damit weiter im Unklaren gelassen und die jahrelange Planung kluger Bahnbeschäftigter in den Wind geschossen.“

Privatisierung im Anflug

Nicht nur das. Die übergeordnete Frage ist die, was nach dem Machtwechsel in Berlin von der Bahn überhaupt noch übrigbleibt. Die Unionsparteien liebäugeln wie die FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit einer Zerschlagung und mindestens Teilprivatisierung des Staatskonzerns. Die Voraussetzungen dafür erscheinen bestens: Die jüngste Reform mit der Schaffung der neuen Netzgesellschaft InfraGO gilt schon jetzt als gescheitert. Eine Demontage der integrierten Bahn fordern mit der Monopolkommission, dem Bundeskartellamt und dem Bundesrechnungshof gleich drei wichtige Bundesbehörden. Außerdem zerlegt sich die DB mit dem Verkauf ihres profitablen Logistikers Schenker gerade selbst, während die EU-Kommission mit einer Veräußerung der Frachtsparte Cargo droht.

Man kann deshalb sicher sein, dass das Thema schon bald politisch und medial groß ausgewalzt wird. Eher noch nicht vor der Wahl, denn dem Wähler könnte das nicht gefallen, aber danach bestimmt. Möchtegern-Bundeskanzler Merz hatte schon im Sommer durchblicken lassen, wohin die Reise mit ihm gehen soll: „Die Bahn muss ihr Angebot reduzieren, damit das reduzierte Angebot wieder zuverlässig erbracht werden kann.“ Sprach’s und stieg in seinen Privatflieger …

Titelbild: Friedrich Merz via Twitter


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