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Titel: Randale in Amsterdam, falsches Bildmaterial und die einseitige Verurteilung der Bundesregierung

Datum: 13. November 2024 um 9:00 Uhr
Rubrik: Antisemitismus, Audio-Podcast, Medienkritik
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Am letzten Freitag verurteilten Außenministerin Annalena Baerbock mit Verweis auf von ihr gesehene Videoaufnahmen („Die Bilder sind furchtbar“) sowie Kanzler Scholz mit Verweis auf „Berichte“ die „Jagd auf Juden“ in Amsterdam nach dem Europa-League-Spiel von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv. Doch bereits am Samstag mussten die Tagesschau und viele weitere Leitmedien einräumen, dass sie das von ihnen gesendete Bildmaterial um 180 Grad gedreht hatten. Die Aufnahmen zeigten in Wirklichkeit Angriffe von israelischen Maccabi-Fans auf Passanten in Amsterdam. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob es sich um dieses Videomaterial handelte, welches den Kanzler und die Außenministerin zu ihren entsprechenden Äußerungen bewogen hatte. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Am 8. November in der ARD-Hauptnachrichtensendung um 20 Uhr zeigte die Tagesschau Aufnahmen, die angeblich die Angriffe auf Fans des israelischen Fußballklubs Maccabi Tel Aviv in Amsterdam belegen sollten. Die Aufnahmen stammten vom X-Account „@iAnnetnl“, eine niederländische Fotografin. Diese hatte allerdings von Anfang an darauf hingewiesen, dass ihre Aufnahmen das genaue Gegenteil zeigten, nämlich Angriffe israelischer Maccabi-Fußballfans und Hooligans auf Passanten in Amsterdam. Am 9. November sah sich die Tagesschau dann gezwungen, öffentlich einzuräumen, dass sie die „Bilder von @iAnnetnl in einem falschen Zusammenhang gezeigt“ hätte:

Wobei der Verweis auf einen „falschen Zusammenhang“ nicht wirklich als „Richtigstellung“ im eigentlichen Sinne des Wortes zu bewerten ist. Denn auch in der Korrektur vermeidet es die Tagesschau-Redaktion, die Faktenlage transparent darzulegen. Kein Wort dazu, dass das ausgestrahlte Bildmaterial in Wirklichkeit Angriffe von israelischen Hooligans auf Einwohner von Amsterdam zeigte und das die für die Aufnahmen verantwortliche niederländische Fotografin von Beginn an diesen Sachverhalt korrekt so dargestellt hatte:

„Die Tagesschau ist die erste Nachrichtenagentur, die sich für die Verwendung meiner Aufnahmen von den Angriffen der Maccabi-Anhänger auf Amsterdamer Bürger in einem antisemitischen Kontext entschuldigt hat und sie aus der Sendung entfernt hat. Vielen Dank, das weiß ich zu schätzen.“

Zwei Tage später entschuldigte sich dann der verantwortliche ARD-Brüssel-Korrespondent, Christian Feld, nochmals öffentlich auf X für die „Bilder im falschen Kontext“:

Bereits am Freitagmittag, lange vor der Ausstrahlung der falschen Bilder bei Tagesschau & Co, hatte allerdings der Chef der Amsterdamer Polizei, Peter Holla, im Rahmen einer Pressekonferenz auf die gewaltsamen Übergriffe von Anhängern des Fußballclubs Maccabi Tel Aviv hingewiesen. Dort führte er unter anderem aus:

„Sie (die Maccabi-Fans) rissen eine Flagge von einem Haus am Rokin, und sie zerstörten ein Taxi. Auf dem Dam-Platz wurde eine palästinensische Flagge angezündet.“

Als eine der wenigen deutschen Medien wies die FAZ auf diese Vorgeschichte der Gewaltakte der israelischen Hooligans in Amsterdam hin. Sie verweist auf „gewaltsame Übergriffe von Anhängern des Fußballclubs Maccabi Tel Aviv“ sowie die Natur der „Schlachtrufe“:

„Auf dem Weg zur U-Bahn riefen sie „Tod den Arabern“ und einen Schlachtruf, mit dem sie nicht ihr Team, sondern ihre Armee anfeuerten. In der U-Bahn sangen sie ein Lied mit der Zeile: „Es gibt keine Schulen mehr in Gaza, alle Kinder sind tot. Olé, olé, olé.“

Vor diesem Hintergrund stellt sich nach wie vor die Frage, ob sowohl Außenministerin Baerbock wie auch Kanzler Scholz auf Grundlage der nachweislich in einem völlig falschen Kontext gezeigten Videos und Fotos ihre entsprechenden Aussagen zu den Vorfällen in Amsterdam trafen. Ebenso bleibt die Frage im Raum, wieso sie nicht grundsätzlich auch die Gewaltakte der israelischen Fans verurteilten – denn die waren, siehe die deutlichen Aussagen des Amsterdamer Polizeichefs, zum Zeitpunkt der Äußerungen von Baerbock und Scholz bereits bekannt:

Äußerung der deutschen Außenministerin:

Stellungnahme des Kanzlers:

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 11. November 2024

Frage Warweg
Ich möchte gern auf die Ausschreitungen in Amsterdam zurückkommen. Sowohl der Kanzler als auch die Außenministerin haben die Ausschreitungen umgehend verurteilt. Die Außenministerin hat dabei explizit auf die Bilder aus Amsterdam verwiesen, der Kanzler auf Berichte.

Nun haben die „tagesschau“ und viele andere Leitmedien Bildmaterial gesendet, von dem wir wissen, dass es um 180 Grad gedreht wurde und tatsächlich Randale und Ausschreitungen gegen Amsterdamer Passanten durch Maccabi-Fans zeigte. Die „tagesschau“ hat das mittlerweile korrigiert und sich entschuldigt.

Handelte es sich um dieses Bildmaterial, das jetzt zurückgezogen wurde, das der Kanzler und die Außenministerin gesehen hatten und das zu den entsprechenden Äußerungen auf X führte?

Regierungssprecher Hebestreit
Herr Warweg, der Kanzler hat sich ausdrücklich auf Berichte bezogen. Das sind Texte, das sind Fernsehbilder, das sind Radioberichte. Ich denke, es besteht keinerlei Zweifel, dass es diese Vorfälle gegeben hat. Es sollte auch niemand versuchen, hier neue Zweifel zu schüren.

Es gehört sich für ordentlichen Journalismus, es zu korrigieren, wenn man merkt, dass ein Fehler passiert oder dass man Desinformation aufgesessen ist oder Desinformation betreibt. Insofern ist es sehr vorbildlich, wie die ARD auf diesen Fehler, der ihr passiert ist, reagiert hat.

Das ist eben der Unterschied. Es waren die Bilder, die ihnen zugespielt wurden, die nicht korrekt gewesen sein mögen. Aber an der Tatsache, dass sich das abgespielt hat, gibt es keinen Zweifel, und den sollte hier auch niemand säen.

Zusatzfrage Warweg
Meine Frage ging auch an die Außenministerin. Sie hat explizit gesagt, dass sie aufgrund dieser Bilder interveniert hat. Waren das diese Bilder, die vom Großteil der deutschen Presse – „BILD“ steht noch aus – mittlerweile zurückgezogen werden mussten?

Wagner (AA)
Herr Warweg, ich habe dem, was der Regierungssprecher gerade gesagt hat, nun wirklich nichts hinzuzufügen.

Frage Warweg
Eine Verständnisfrage zu meiner vorherigen Frage: Sie betonen sonst hier immer, dass man zum einen Medienberichte grundsätzlich nicht kommentiere und dass man zum anderen polizeiliche Ermittlungen abwarte, bevor man entsprechend Stellung beziehe. Beides ist in diesem konkreten Fall nicht passiert. Könnten Sie mir kurz darlegen, aus welcher Motivlage heraus man sich diesmal dafür entschieden hat, von diesem Grundsatz der Bundesregierung abzuweichen?

Hebestreit
Herr Warweg, ich denke nicht, dass Ihr Vorhalt in diesem Fall zutrifft. Es ist schon so, dass wir uns äußern, wenn wir Hinweise, glaubwürdige Berichte über solche furchtbaren Vorfälle haben. Es ist ein Unterschied, wenn es um strafrechtlich relevante Fragen zu Einzelpersonen geht oder so etwas, aber ich denke, das tun wir zu ganz verschiedenen Vorfällen, die es in aller Welt immer wieder gibt. Da differenzieren wir schon sehr genau. Insofern ist der Vorhalt hier nicht einschlägig.

Zusatzfrage Warweg
Ein Großteil des gezeigten Bildmaterials war, wie gesagt, um 180 Grad gedreht. Die Darstellungen der Amsterdamer Polizei sprechen von zerstörten Taxis, rassistischen Rufen, Angriffen auf Passanten durch die Maccabi-Fans. Wieso haben die Außenministerin und auch der Kanzler dann denn nicht auch beide Seiten kritisiert? Tod den Arabern zu wünschen, sich über Tausende getöteter Kinder lustig zu machen und Passanten in der Amsterdamer Innenstadt anzugreifen, das wäre dann ja ebenfalls verurteilenswürdig.

Hebestreit
Herr Warweg, Sie mögen das hier immer und immer wieder fragen, aber Sie können nicht ungeschehen machen, was dort passiert ist. Der Bundeskanzler und die Außenministerin haben sich zu einem sehr konkreten Fall – – – Das ist der Unterschied. Wenn gruppenbezogene Gewalt vorkommt, dann äußern wir uns dazu. Das ist auch eine politische Äußerung, und davon werden wir uns nicht distanzieren.

Ich denke, man muss in all diesen Fällen immer differenziert darauf blicken. Wir haben hier viele Stunden miteinander verbracht, um über das Thema des Nahostkrieges, die Situation in Gaza oder jetzt auch die Situation im Libanon miteinander zu diskutieren. Sie kennen die Haltung der Bundesrepublik und der Bundesregierung zum Staate Israel und unsere besondere Verantwortung, die wir diesbezüglich sehen. Aber in diesem Falle frage ich mich, worauf Sie hinauswollen und was der eigentliche Vorhalt ist. Ich denke, wir haben Ihnen hier umfänglich erläutert, was unsere Position ist. Sie mögen sie nicht teilen – das ist Ihr gutes Recht -, aber ich denke, Sie bekommen hier keine andere Position von uns.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 11.11.2024


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