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Titel: Faktencheck à la NDS: Kein offizieller Empfang für Außenministerin Annalena Baerbock in Indien?

Datum: 6. November 2024 um 13:05 Uhr
Rubrik: Bundesregierung, Medienkritik
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Seit letzter Woche kursiert ein Video, welches zeigen soll, wie die bundesdeutsche Außenministerin allein aus dem Regierungsflieger steigt und sich irritiert umschaut, weil weit und breit keine sonst übliche Empfangsdelegation sichtbar ist. Laut dem Clip soll dies wahlweise beim Besuch in Indien oder China geschehen sein. Die NachDenkSeiten fragten beim Auswärtigen Amt nach, ob dieses die Authentizität des Videoschnipsels bestätigen beziehungsweise den Kontext richtigstellen könne. Die Frage und Antwort des AA wurden medial breit aufgegriffen, allerdings wurde sehr unterschiedlich mit der Nennung des Fragestellers und seines Mediums umgegangen. Die „Faktenchecker“ von Correctiv verschwiegen die Quelle gleich ganz. Von Florian Warweg.

Anmerkung der Redaktion: Das Video zeigt die Regierungspressekonferenz vom 28. Oktober 2024, auf Grund technischer Probleme konnte wir das Video erst heute veröffentlichen.

Hintergrund

Der Verfasser dieser Zeilen saß gerade in der Bundespressekonferenz am 28. Oktober, als er, leicht gelangweilt vom gerade behandelten Thema „mögliche Strafen für Autohersteller im Zusammenhang mit Flottengrenzwerten“, durch X und Telegramm scrollte und dabei vermehrt auf einen als aktuell bezeichneten Videoschnipsel stieß, in welchem Annalena B. die Gangway des Regierungsfliegers hinuntersteigt und sich dann sichtbar irritiert umschaut. Das sonst bei solchen Anlässen übliche Empfangskomitee ist nicht sichtbar. Betitelt waren die Clips unter anderem mit „Die chinesische Regierung ignorierte Baerbocks Ankunft“ oder auch „Kein Bock auf Baerbock“ und dem Verweis, dass dies gerade in Indien geschehen sei. China konnte es nicht sein, das war mir sofort klar, denn für Baerbock stand 2024 kein einziger China-Besuch auf der Agenda. Aber die deutsch-indischen Regierungskonsultationen fanden genau in diesen Tagen statt, und das aktuelle Wetter in Neu-Delhi würde auch durchaus das auf dem Video sichtbare Sommerkleid der Außenministerin erlauben.

Also nutzte ich meine nächste Fragemöglichkeit, als es sowieso um das Thema Indien, Habecks dortige U-Bahnfahrt und die anstehenden Regierungskonsultationen ging, und fragte beim Sprecher des Auswärtigen Amtes nach und es entwickelte sich folgender Dialog:

Frage Warweg:

„Herr Fischer, auf X und auch anderswo kursieren Videoschnipsel, die zeigen, wie die Außenministerin in Indien landet und angeblich von keiner offiziellen Regierungsdelegation empfangen wird. Könnten Sie das vielleicht für uns auflösen? Ist das tatsächlich vorgekommen? Falls ja: Was ist der Grund dafür, dass die Außenministerin ohne Empfang durch indische Offizielle in Indien gelandet ist?“

Sprecher des Auswärtigen Amtes, Fischer:

„Die Außenministerin ist – das haben Sie wahrscheinlich verfolgt – letzte Woche in Libanon und dann in Paris bei der Konferenz gewesen, und von dort ist sie dann per Linie nach Indien geflogen. Von daher hat sie sozusagen den Linienausstieg gewählt und ist dann auch dementsprechend empfangen worden, wie es sich von indischer Seite gehört. Sie haben das ja auch an den Gesprächen der Außenministerin mit ihrem indischen Kollegen gesehen: Die waren von großer Vertrautheit und enger Kooperation geprägt.“

Zusatzfrage Warweg:

„Die Videoschnipsel, auf die ich mich bezogen habe, zeigen sie allerdings aussteigend aus einem Flugzeug der Flugbereitschaft. Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, dementieren Sie das? Das ist dann sozusagen aus dem Kontext gerissen oder wie auch immer? Weil diese Videoschnipsel gerade anfangen, viral zu gehen, wäre es ja vielleicht sinnvoll, das richtigzustellen.“

Fischer:

Herr Warweg, ich stelle das ja gerade richtig. Ich kann Ihnen sagen, dass die Außenministerin per Linie nach Indien geflogen ist. Wenn es Schnipsel gibt, die darlegten, sie sei mit einem Flugzeug der Flugbereitschaft geflogen, dann ist das einfach falsch.

Rund 30 Minuten später, ich hatte mich bereits fertig gemacht zum Gehen, kam dann noch eine Nachreichung des AA-Sprechers, in welcher dieser erklärte, dass der Videoschnipsel eine reale Situation zeige, allerdings weder in China noch in Indien, sondern beim Besuch der Außenministerin im Januar 2024 in Malaysia und dass die Situation einem „Missverständnis“ geschuldet gewesen sei:

BPK-Vorsitzender Feldhoff

„Dann hat das Auswärtige Amt erst noch Aufklärung zu dem kursierenden Video.“

Fischer (AA)

„Genau. Ich habe meine Kolleginnen und Kollegen im Hintergrund gebeten, sich dieses Video doch einmal anzuschauen. Es ist so, wie ich gesagt habe. Es stammt nicht aus Indien. Es gibt Behauptungen, es stamme aus China. Auch das ist falsch. Es ist die Landung der Außenministerin in Malaysia. Dort hat durch ein Missverständnis das Flugzeug nicht da geparkt, wo es hätte parken sollen. Dadurch war das Begrüßungskomitee an einer anderen Stelle aufgebaut als an der, an der das Flugzeug zum Stehen gekommen ist. Insofern musste die Außenministerin ein paar Schritte gehen, um dann in Empfang genommen zu werden.“

Eine schnelle Recherche nach dieser Information ergab, dass unter anderem die Deutsche Welle, das Auswärtige Amt selbst und mehrere Fotoagenturen den Besuch Baerbocks am 12. Januar 2024 in Malaysia fotografisch dokumentiert hatten, und die Außenministerin genau in der Szenerie und mit demselben Kleid auf dem Flughafen in Kuala Lumpur zu sehen ist.

Die Darlegung des AA erscheint also in dem Fall als durchaus schlüssig und glaubwürdig. Bei der Bildagentur Alamy findet man zudem Bilder, die Baerbock am 12. Januar zeigen, wie sie dann im späteren Verlauf tatsächlich von malaysischen Offiziellen und dem deutschen Botschafter auf dem Gelände des Flugplatzes empfangen wird.

Focus nennt Quelle, Correctiv verschweigt sie

Jetzt beginnt allerdings ein recht aufschlussreiches Phänomen, was den redaktionellen Umgang mit dieser Frage der NachDenkSeiten auf der BPK und der Antwort des AA angeht. Exemplarisch sei auf die entsprechende Berichterstattung im Focus und bei den selbsternannten „Faktencheckern“ von Correctiv verwiesen. Das oft boulevardesk angelegte Nachrichtenmagazin mit Sitz in Berlin griff am 29. Oktober als eines der ersten deutschen Medien den Clip sowie meine entsprechende Frage in der BPK auf und nannte dabei, wie journalistisch eigentlich üblich, meinen Namen als Quelle:

„Eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, die der deutsche Journalist Florian Warweg angefragt hatte, sorgte für Aufklärung.“

Ganz korrekt wäre es natürlich gewesen, neben meinem Namen auch die NachDenkSeiten als verantwortliches Medium zu nennen „…der für das Onlineportal NachDenkSeiten tätige deutsche Journalist Florian Warweg…“. Aber in den aktuellen Zeiten muss man ja schon die sachliche Nennung des Namens eines NDS-Journalisten als Quelle, zudem ohne die sonst üblichen Attribute, positiv hervorheben.

Dass solche journalistischen Grundstandards keine Selbstverständlichkeit mehr sind, beweist eindrücklich Correctiv, also just die Organisation, die für sich selbst in Anspruch nimmt, besonders „transparent und nachvollziehbar“ zu berichten. Das „gemeinwohlorientierte Medienhaus“ widmete dem Thema einige Tage später, am 31. Oktober, einen seiner berüchtigten „Faktenchecks“. Dort heißt es dann im Gegensatz etwa zu den Kollegen beim Focus lapidar:

„Das Video in Sozialen Netzwerken war auch Thema bei der Bundespressekonferenz am 28. Oktober 2024. Auf die Frage, ob die viralen Videoschnipsel einen Bezug zur Reise nach Indien hätten, sagte Sebastian Fischer, Sprecher des Auswärtigen Amtes: „Ich kann Ihnen sagen, dass die Außenministerin per Linie nach Indien geflogen ist. Wenn es Schnipsel gibt, die darlegten, sie sei mit einem Flugzeug der Flugbereitschaft geflogen, dann ist das einfach falsch.“

Jetzt überrascht es niemanden, der mit den Praktiken und Haltungen bei Correctiv vertraut ist, dass die Namen nicht genehmer Medien und Journalisten als Ursprungsquelle nicht genannt werden. Das ändert aber nichts daran, dass dies mit der Selbstdarstellung in Bezug auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Kontext in den (zu großen Teilen von einem US-Oligarchen finanzierten) „Faktenchecks“ kollidiert:

„Mit einer eigenständigen Faktencheck-Redaktion setzen wir uns gegen Falschinformationen ein, decken Halbwahrheiten und Gerüchte auf und bieten Kontext an.“

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz am 28. Oktober

Frage Warweg
Herr Fischer, auf X und auch anderswo kursieren Videoschnipsel, die zeigen, wie die Außenministerin in Indien landet und angeblich von keiner offiziellen Regierungsdelegation empfangen wird. Könnten Sie das vielleicht für uns auflösen? Ist das tatsächlich vorgekommen? Falls ja: Was ist der Grund dafür, dass die Außenministerin ohne Empfang durch indische Offizielle in Indien gelandet ist?

Fischer (AA)
Die Außenministerin ist – das haben Sie wahrscheinlich verfolgt – letzte Woche in Libanon und dann in Paris bei der Konferenz gewesen, und von dort ist sie dann per Linie nach Indien geflogen. Von daher hat sie sozusagen den Linienausstieg gewählt und ist dann auch dementsprechend empfangen worden, wie es sich von indischer Seite gehört. Sie haben das ja auch an den Gesprächen der Außenministerin mit ihrem indischen Kollegen gesehen: Die waren von großer Vertrautheit und enger Kooperation geprägt.

Zusatzfrage Warweg
Die Videoschnipsel, auf die ich mich bezogen habe, zeigen sie allerdings aussteigend aus einem Flugzeug der Flugbereitschaft. Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, dementieren Sie das? Das ist dann sozusagen aus dem Kontext gerissen oder wie auch immer? Weil diese Videoschnipsel gerade anfangen viral zu gehen, wäre es ja vielleicht sinnvoll, das richtigzustellen.

Fischer (AA)
Herr Warweg, ich stelle das ja gerade richtig. Ich kann Ihnen sagen, dass die Außenministerin per Linie nach Indien geflogen ist. Wenn es Schnipsel gibt, die darlegten, sie sei mit einem Flugzeug der Flugbereitschaft geflogen, dann ist das einfach falsch.

–rund 30 Minuten später–

Vorsitzender Feldhoff
Dann hat das Auswärtige Amt erst noch Aufklärung zu dem kursierenden Video.

Fischer (AA)
Genau. Ich habe meine Kolleginnen und Kollegen im Hintergrund gebeten, sich dieses Video doch einmal anzuschauen. Es ist so, wie ich gesagt habe. Es stammt nicht aus Indien. Es gibt Behauptungen, es stamme aus China. Auch das ist falsch. Es ist die Landung der Außenministerin in Malaysia. Dort hat durch ein Missverständnis das Flugzeug nicht da geparkt hat, wo es hätte parken sollen. Dadurch war das Begrüßungskomitee an einer anderen Stelle aufgebaut als der, an der das Flugzeug zum Stehen gekommen ist. Insofern musste die Außenministerin ein paar Schritte gehen, um dann in Empfang genommen zu werden.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 28.10.2024


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