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Titel: Die Geschichtenerzähler der NATO

Datum: 25. Oktober 2024 um 10:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Aufrüstung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Strategien der Meinungsmache
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Der Kampf um unsere Köpfe ist in vollem Gange. Über „russische Desinformation“ werden wir ausreichend, wenn auch nicht immer zuverlässig informiert. Welche Rolle spielen aber die NATO und die sogenannten „Centers of Excellence“ in Ost- und Nordeuropa im „Cyberkrieg“, und was bedeutet das für uns als europäische Bevölkerung? Der U.S.-amerikanische Historiker Joshua Rahtz gibt in diesem Artikel Einblicke in die Akteure und Strategien auf „unserer“ Seite. Übersetzt aus dem Englischen von Maike Gosch.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Dieses Reptil“, schrieb Brecht einmal in sein Tagebuch und bezog sich dabei auf Thomas Mann, „kann sich nicht vorstellen, dass irgendjemand etwas für Deutschland (und gegen Hitler) tut, ohne dass er von irgendwoher einen Befehl dazu erhält.“ Die Manns hatten in Los Angeles Gerüchte verbreitet, Brecht sei ein Handlanger Moskaus: „Verleumdungen … sie wissen ganz genau, dass sie großen Schaden anrichten können.“

Ausländische Einmischung

Seit den ersten Anzeichen des „Neuen Kalten Krieges“ kursiert in den USA eine ähnliche Form von Verleumdungen als Waffe – Trump wird beschuldigt, als Handlanger des Kremls zu agieren und die Präsidentschaft durch dessen Protektion gewonnen zu haben. Was zunächst wie eine bloße Erfindung der Clinton-Demokraten im Wahljahr aussah, breitete sich bald auch in Europa aus. Dort fand es, ohne parteiische Färbung, in schärferer geopolitischer Form Ausdruck, als das Europäische Parlament im Jahr 2020 eine Untersuchung über „Ausländische Einmischung in alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union“ einleitete.

Der Bericht des INGE-Sonderausschusses (Anm. d. Übersetzerin: Die Abkürzung INGE steht für die französische Bezeichnung des Ausschusses: „Ingérences étrangères”, was auf Deutsch „ausländische Einmischung“ bedeutet.) zeichnete das Bild einer makellosen Europäischen Union, die von russischen und chinesischen Machenschaften bedroht wird. Amerikas umfangreiche Aktivitäten innerhalb der EU wurden ignoriert – die Hauptquartiere des European und African Command, 70.000 stationierte Truppen, die Entführung und Folterung von EU-Bürgern, die Nutzung europäischen Territoriums für CIA-Gefängnisse im Zuge des Krieges gegen den Terror, Industriespionage und das Abhören von Staatsoberhäuptern in jüngerer Zeit blieben allesamt unerwähnt. Stattdessen konzentrierte sich der Ausschuss ausschließlich auf die östlichen Gegner der NATO und prangerte deren Versuche an, die EU durch Desinformation zu „schwächen und zu spalten“.

Die globale Innenpolitik der USA

Solche Anschuldigungen sind wohlbekannt und gut vorbereitet. Sie sind Bestandteile eines hybriden Kriegsmodells, das die USA seit dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts entwickelt haben. Zum Teil geschieht dies durch ein Netzwerk von NATO-Thinktanks, die in ganz Europa stationiert sind und sich dem erweiterten Aufgabenspektrum des Bündnisses widmen, zu dem auch Operationen zur Steuerung der öffentlichen Meinung gehören – im Grunde die globale Innenpolitik des US-Imperiums. Da sich politische Parteien von Organisationen mit Massenmitgliedschaft zu Verwaltungsorganisationen gewandelt haben, prägen solche Zentren der Pseudo-Expertise zunehmend die seriöse Politik. Sie liefern vorgefertigte Darstellungen von Ereignissen und unterscheiden Freunde von Feinden (wie dürftig die gesammelten oder fabrizierten Beweise auch sein mögen), indem sie sich durch den Anschein akademischer Korrektheit als vertrauenswürdig darstellen. Europa steht aufgrund seines geostrategischen Einflusses auf Eurasien – nach Zbigniew Brzezinskis Einschätzung der „wichtigste geopolitische Preis“ – natürlich im Mittelpunkt solcher Bemühungen, an dessen westlichem Ende die „entscheidenden und dynamischen Akteure“ Frankreich und Deutschland liegen. Die Integration des größeren „amerikanisch dominierten Westens“ und die effektive Zertrennung der Beziehungen zwischen Berlin und Moskau werden in Vorbereitung auf die endgültige Einkreisung der VR China durchgeführt.

Willkommen im Cyberkrieg

Die Cyberkriegsführung der NATO – d.h. digitale und internetbasierte Angriffe einschließlich Spionage, Propaganda und Sabotage der Infrastruktur – sowie andere militarisierte Eingriffe in die Zivilgesellschaft werden oft als neuartige Entwicklungen dargestellt. Tatsächlich haben sie jedoch viel mit der Strategie der USA und der NATO in den frühen 2000er-Jahren gemeinsam, als „Competitive Intelligence“ – die Zusammenarbeit verbündeter Geheimdienste zur Fabrikation und Aufwertung von Behauptungen – eingesetzt wurde, um ein Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen und den Weg in Richtung Krieg zu beschleunigen. Vor der Invasion des Irak spielte beispielsweise das italienische SISMI eine Schlüsselrolle bei der Versorgung des Pentagons mit gefälschten Beweisen, wie die investigativen Reporter Carlo Bonini und Giuseppe D’Avanzo belegten. Auch die heutige hybride Kriegsführung erinnert an ihre Vorläufer, indem sie sich auf die Bevölkerung im eigenen Land oder in verbündeten Ländern konzentriert. Snowdens Enthüllungen von 2013 dokumentierten Versuche des GCHQ (Government Communications Headquarters, britischer Geheimdienst, zuständig für Kommunikation und Cyberabwehr), die Öffentlichkeit durch Täuschung und Simulation zu manipulieren – von einem parallelen NSA-Programm (National Security Agency, U.S.-amerikanisches Äquivalent) ist auszugehen.

Centres of Excellence” an der Ostflanke

Trotz dieser Kontinuitäten haben die Denkfabriken der NATO – bestehend aus 28 sogenannten „Centres of Excellence“ (Kompetenzzentren/Exzellenzzentren) sowie vom US-Außenministerium finanzierten Einrichtungen wie dem in Bratislava ansässigen GLOBSEC – die im letzten Vierteljahrhundert der amerikanischen Kriegsführung entwickelten Propagandamethoden deutlich verstärkt. Um einen Eindruck von diesem Wandel zu vermitteln, lohnt es sich, einige dieser NATO-nahen Organisationen und ihre Versuche zu untersuchen, die öffentliche Meinung im Einklang mit den Prioritäten des Bündnisses an seiner Ostflanke zu gestalten.

Das NATO-Kompetenzzentrum für strategische Kommunikation (StratCom) mit Sitz in Riga, das von Jānis Sārts vom lettischen Verteidigungsministerium geleitet wird, wurde 2014 gegründet, um diplomatische und Öffentlichkeitsarbeit sowie Informations- und psychologische Operationen zu koordinieren. Es wurde unter anderem ins Leben gerufen, um das Image der NATO nach der jahrzehntelangen Besetzung Afghanistans wiederherzustellen. Ein kritischer Bericht des pensionierten kanadischen Oberst Brett Boudreau mit dem Titel „We Have Met the Enemy and He Is Us“ (Wir haben den Feind getroffen und er ist wir) kam zu dem Schluss, dass es „kein Handbuch für eine einheitliche Doktrin der Alliierten zu strategischer Kommunikation“ gibt – nur eine „sich widersprechende oder verwirrende“ Reihe von Richtlinien. Dementsprechend widmete sich das Rigaer Zentrum, das über ein Jahresbudget von knapp 600.000 Euro verfügte und von NATO-Staaten auf Ad-hoc-Basis gesponsert wurde, der Entwicklung einer solchen „Doktrin“ und des „Konzepts“ der NATO-Kommunikation sowie der Bildung, Ausbildung und operativen Unterstützung. Im Jahr 2014 veranstaltete es ein Seminar zum Thema „Weaponisation of Social Media“ (Kampfeinsatz von sozialen Medien) für „ukrainische und georgische Regierungsvertreter“. Es veröffentlicht außerdem alle zwei Jahre die akademische Zeitschrift Defence Strategic Communications (strategische Kommunikation für Militär und Sicherheitspolitik), die vom King’s College London herausgegeben wird.

Auf dem Weg in den totalen Cyberkrieg

Die grundlegende Ausrichtung des Zentrums wird in Boudreaus grundlegendem Essay sowie in verschiedenen Beiträgen zu seiner Zeitschrift dargelegt. „We Have Met the Enemy and He Is Us“ forderte die Beseitigung bestimmter „Firewalls“ – oder Trennungen zwischen den Disziplinen der militärischen Kommunikation. Öffentliche Angelegenheiten und psychologische Operationen, ausländische und inländische Zielgruppen, politische und militärische Bereiche: Solche bisher getrennten Teilbereiche der Propaganda sollten unter gemeinsamer Kontrolle zusammengeführt werden. Unterschiede zwischen psychologischen Operationen, die darauf abzielen, das Publikum zu manipulieren, und der „wertneutralen“ Verbreitung von Informationen im Bereich der öffentlichen Angelegenheiten würden damit formell abgeschafft. „Die Trennung zwischen dem ausländischen und dem inländischen Publikum“, schrieb Boudreau, „ist eine fehlerhafte Grundlage für die Organisationsstruktur.“ Der Bericht empfahl außerdem, die Trennung zwischen politischen und militärischen Büros für öffentliche Angelegenheiten aufzuheben, um das Militärpersonal der NATO von den Einschränkungen bei direkt politischen Interventionen zu befreien.

Soziale Kontrolle auf dem Social-Media-Schlachtfeld

Auf den Seiten von Defence Strategic Communications (DSC) finden sich nicht weniger kühne Inhalte. Zwei charakteristische Artikel aus der Eröffnungsausgabe 2016 verraten viel über die neue PR-Strategie der NATO: „The Narrative and Social Media“ („Die Erzählung und Soziale Medien) von Miranda Holmstrom, Spezialistin für psychologische Operationen der US-Armee, und „It’s Time to Embrace Memetic Warfare“ (etwa: Es ist an der Zeit, Kriegsführung anhand von Internet-Memes und viralen Inhalten mit Begeisterung einzuführen) von Jeff Giesea, einem von Softbank unterstützten Finanzier. Der erste Artikel gibt eine besonders frappierende Deutung der aktuellen Medienlandschaft und der Aktivitäten der NATO in diesem Bereich; der Zweite zeigt das Ausmaß, in dem StratCom offen über den Einsatz von Desinformation nachgedacht hat. Holmstrom ihrerseits zielt darauf ab, über soziale Medien „Herzen und Köpfe zu gewinnen“, indem sie „einfache, aber runde Erzählungen verwendet, die leicht reproduziert werden können“. Sie behauptet, dass „Narrative“ als „Rahmen für die Handlung und den Schauplatz einer Geschichte“ für „Propaganda“ von grundlegender Bedeutung sind, da sie eine Form der Sinngebung darstellen, durch die Informationen gestaltet und erinnert werden können und sogar eine irrationale Reaktion auf Ereignisse fördern können.

Ähnlich wie die Struktur der fabula in einem fiktionalen Werk verwendet Propaganda die Elemente „Aufbau, Konflikt, Auflösung“, um das Denken und Handeln einer Zielgruppe zu lenken. Dieses Prinzip kann auf die „horizontale Propaganda“ angewendet werden, die durch Kontakte von Mensch zu Mensch, wie auf Twitter oder Facebook, verbreitet wird. Diese Form fordert zu Aktivität und Beteiligung auf und „schafft die Illusion von Wahlmöglichkeiten, freiem Willen und persönlicher Entscheidungsfindung“. Giesea rät seinerseits dazu, Pseudonyme zu verwenden, um Social-Media-Nutzer in die Irre zu führen. Er empfiehlt „aggressivere Kommunikationstaktiken“ und fordert die NATO auf, ihre Kapazitäten für die Durchführung von „memetischen Kriegen“ zu erhöhen – also Operationen, die auf das Online-Universum zugeschnitten sind und bei denen es um „soziale Kontrolle in einem Social-Media-Schlachtfeld“ geht.

Deepfakes sind immer die anderen

StratCom hat sich auch für die Software privater Unternehmen interessiert, wo „Anwendungsprogrammierschnittstellen“ empfohlen werden, um Benutzer mithilfe der im Digital Forensic Research Lab des Atlantic Council entwickelten Tools zu verfolgen. In einem separaten Bericht über „Social Media Manipulation“ rühmt sich die Denkfabrik, mit den US-Senatoren Chuck Grassley und Chris Murphy zusammengearbeitet zu haben, um Interaktionen auf jedem ihrer Konten zu kaufen und so die Reaktionen der Öffentlichkeit zu testen. Ein Beitrag von Tim Hwang aus dem Jahr 2020 für DSC mit dem Titel „Deepfakes – Primer and Forecast“ (etwa: KI-basierte Fälschung – Einführung und Ausblick) befasste sich mit technischen Innovationen der visuellen Desinformation und dem Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Erstellung überzeugender falscher Bilder und Videos. Hwang, der früher bei Google, dem MIT Media Lab und RAND tätig war und jetzt am Center for Security and Emerging Technology in Georgetown arbeitet, nahm 2016 an einem von der US-amerikanischen Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) finanzierten Social-Media-Experiment teil. In seinem Artikel empfiehlt er, „Kontakte zur technischen Medienforensik-Gemeinschaft“ aufzubauen, um sich für die „Erforschung der psychologischen Dimensionen von Deepfakes“ Verstärkung zu holen.

Bestimmte Operationen, die sich gegen die Zivilbevölkerung richten, sind rechtmäßig“

Das 2008 in Tallinn gegründete Cooperative Cyber Defence Centre (CCD) ist eines der ältesten von der NATO akkreditierten Exzellenzzentren, das von einer Reihe von EU-NATO- und Nicht-EU-Ländern finanziert und personell ausgestattet wird. Es befasst sich mit den technischen Aspekten von Cyberkonflikten, Strategie und Recht. Seit 2009 finden hier jährliche internationale Konferenzen zu diesen Themen statt, die Hunderte von Teilnehmern aus Militär, Wissenschaft und Regierung nach Estland locken. Sie werden von US-amerikanischen Software-, Geräte- und Dienstleistungsunternehmen wie Microsoft gesponsert.

Das CCD erstellt die NATO-Richtlinien für die Cyberkriegsführung, die im Tallinn Handbuch zusammengefasst sind. In seiner ersten Auflage enthielt das Handbuch 95 „Regeln“, die Staaten im Falle eines Cyberkonflikts einhalten müssen. Abgesehen von der üblichen Rhetorik über das Recht auf Selbstverteidigung ist das Dokument bemerkenswert für seine Auslegung von Cyberangriffen, die „Personen verletzen oder töten oder Gegenstände beschädigen oder zerstören“ – man denke an Waffen wie die israelische Stuxnet, die gegen die iranische Infrastruktur eingesetzt wurde –, und die Ausnahmen, die es für den Krieg gegen Zivilisten vorsieht. „Bestimmte Operationen, die sich gegen die Zivilbevölkerung richten, sind rechtmäßig“, heißt es in Regel 31, darunter ‚psychologische Operationen wie … Propagandasendungen‘ oder ähnliche Operationen „im Rahmen der Cyberkriegsführung“. An anderer Stelle hält das Handbuch den Einsatz von ‚List‘ und ‚Falschinformationen‘ für zulässig.

Rollenspiele für den Krieg

Im Mittelpunkt der Aktivitäten des CCD steht die Organisation regelmäßiger Militärübungen. „Crossed Swords“ (gekreuzte Schwerter) wurde 2016 als sogenannte „Red-Teaming“-Übung ins Leben gerufen, bei der die Teilnehmer Cyberangriffe simulieren und die Fähigkeit von Spezialeinheiten testen, eine offensive „Cyberoperation in vollem Umfang“ durchzuführen.

Anm. der Übersetzerin: Eine „Red-Teaming“-Übung ist eine Übung, bei der eine Organisation simulierte Angriffe oder Herausforderungen gegen ihre eigenen Systeme, Pläne oder Strategien durchführt, um Schwachstellen aufzudecken und die Widerstandsfähigkeit zu verbessern. Ein „Red Team“ (rotes Team) übernimmt dabei die Rolle eines Gegners, der versucht, wie ein externer Angreifer oder Konkurrent zu denken. Zum Beispiel wird in der Cybersicherheit ein Red Team versuchen, in die Sicherheitssysteme der Organisation einzudringen, genau wie ein echter Hacker es tun würde. Das Ziel ist es, Schwachstellen zu entdecken und zu testen, wie gut die Verteidigungsmechanismen (meistens durch das „Blue Team“, also das blaue Team, dargestellt) auf diese Angriffe reagieren, sie erkennen und abschwächen können.

Seit 2018 wurden diese Militärübungen deutlich ausgeweitet und umfassen nun auch den „cyberkinetischen“ Einsatz des Militärs – ein Bereich der Cyberkriegsführung, der der Infrastruktur oder dem Personal echten Schaden zufügen kann. Solche Übungen gehen eindeutig über den angeblich defensiven Auftrag des CCD hinaus.

„Locked Shields“, das 2010 ins Leben gerufen wurde, ist heute eine der größten militärischen Cyberübungen der Welt, an der Teilnehmer aus Gruppen sogenannter „Computer Emergency Response“ (Reaktion auf Computer-/IT-Notfälle)-Teams teilnehmen, um „die gesamte Komplexität eines massiven Cybervorfalls“ zu simulieren. Neben Akademikern nehmen auch Delegierte des Militärs, von Verteidigungsministerien und Polizeibehörden – darunter das FBI – an dem Kriegsspiel teil. Journalisten sind eingeladen, sich selbst zu verkörpern, um dem Rollenspiel Authentizität zu verleihen. Auch private kommerzielle Interessen sind vertreten: Das CCD hat beispielsweise formelle Verträge mit Siemens, die die Nutzung seiner Hard- und Software ermöglichen, während das Unternehmen seinerseits die Simulationen nutzt, um seine eigenen Schwachstellen zu untersuchen.

In den letzten Jahren hat das CCD Angriffe auf einen Militärflughafen, Energieversorgungssysteme und zentrale Computernetzwerke simuliert, ebenso wie Vandalismus auf Websites, die Verbreitung von Falschmeldungen, Datendiebstahl, die Übernahme von Militärdrohnen und die Entführung von Flugzeugbetankungssystemen.

Im Jahr 2019 simulierte die Übung die Verwendung von Desinformation, um „Zweifel zu säen“, und schickte Verteidigungsteams los, um ihrem Eindringen über soziale und traditionelle Medienkanäle entgegenzuwirken. Wie StratCom profitiert auch das CCD von seinen Verbindungen zu US-amerikanischen Denkfabriken und Spionageagenturen: Zu seinen prominenten Botschaftern gehört Kenneth Geers, ein Stipendiat des Atlantic Council, der jahrelang für die NSA und die US-Marine gearbeitet hat und als „Analyst für globale Bedrohungen“ bei FireEye, einem kalifornischen privaten Sicherheitsunternehmen, tätig war.

Dann gibt es auch noch die 2005 gegründete Denkfabrik GLOBSEC (kurz für Global Security, also Globale Sicherheit) mit Sitz in Bratislava, die Nachfolgerin der Slowakischen Atlantischen Kommission, die 1993 gegründet wurde, um den Beitritt der Slowakei zur NATO zu unterstützen. Im Gegensatz zu den Exzellenzzentren ist sie nicht offen auf die Ausbildung des Militärs und der nationalen Sicherheitsapparate der NATO-Staaten ausgerichtet, sondern richtet sich eher an mittel- und osteuropäische Länder, wo sie die Konsolidierung und Erweiterung der NATO unterstützt, indem sie transatlantisch ausgerichtete nationale Kräfte in die Kreisläufe des transatlantischen Kapitals und der offiziellen Stellen integriert. Dies ist der Zweck ihres regelmäßigen „Forums“, das GLOBSEC als „die herausragende internationale Strategiekonferenz an der Front einer wieder geteilten Welt“ bezeichnet. (Auf dem Treffen 2021 fand eine Diskussion zwischen Victoria Nuland und dem Moskauer Korrespondenten der New York Times sowie eine Sitzung mit dem Stabschef von Alexej Nawalny mit dem Titel „Demokratischer Wandel in Russland: Wie kann man die Chancen erhöhen?“ statt.)

Die Geschichtenerzählung der NATO

Als NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Werbekampagne „NATO 2030“ ankündigte, steuerte GLOBSEC eine Reihe zum Thema „Geopolitischer Wettbewerb in der Informationslandschaft“ bei. Darin wurde eine verstärkte öffentlich-private Zusammenarbeit zur Bekämpfung Russlands und Chinas gefordert und behauptet, dass die NATO die Subventionierung kleiner und mittlerer Unternehmen und NGOs beschleunigen müsse. Zu diesem Zweck wurde Rigas StratCom als Kanal vorgeschlagen; es könnte „eine verstärkte Interaktion mit den Bürgern eingehen, einschließlich der Bekämpfung von Desinformation und der Förderung der Medienkompetenz und mehr“. Die Denkfabrik kam auch zu dem Schluss, dass die „Geschichtenerzählung der NATO“ geschärft werden müsse. Als Ergänzung zu ihrer regelmäßigen Veröffentlichung von Sachmedien sollte sie in Erwägung ziehen, in die Belletristik einzusteigen und Studios und Verlage für die Produktion von Filmen, Büchern und Videospielen zu gewinnen. Die NATO sollte in „populären Hollywood-Filmen oder Online-Streaming-Reihen“ auftreten und eine größere Anzahl „kreativer und unkonventioneller Vertreter“ gewinnen. Kein Akteur der Kulturindustrie darf vernachlässigt werden.

Die Wissenschaft ist ein weiterer Bereich, in dem GLOBSEC aktiv ist. Das Stipendienprogramm „Slovak Aid“ integriert belarussische Fachleute in die Reihen des kapitalistischen Managements, indem es ihnen slowakische Mentoren zuweist – nämlich die Ökonomen und Industriellen, die für die schockartige Liberalisierung der 1990er-Jahre verantwortlich waren. Die Außenposten von GLOBSEC auf dem Westbalkan fungieren als PR-Arm der NATO-Osterweiterung und haben zuletzt dazu beigetragen, die Aufnahme Nordmazedoniens (in die NATO, Anm. d. Übersetzerin) im Jahr 2020 zu erleichtern.

Zeitgenössischer Militarismus

Trotz aller Rhetorik über einen „neuen Kalten Krieg“ unterscheiden sich die politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Koordinaten des zeitgenössischen Militarismus von denen des 20. Jahrhunderts. Der Neoliberalismus bleibt ein globaler „pensée unique“ (einzige Denkweise), wie sehr sein Ruf auch durch aufeinanderfolgende Wirtschaftskrisen beschädigt sein mag. Und die größten Mächte in der aktuellen Konfrontation – die USA, Russland und China – sind entweder in militärischen Angelegenheiten ungleicher geworden (USA-Russland) oder sie sind in einem weitaus fragileren Regime der globalen Kapitalakkumulation im Wesentlichen voneinander abhängig geworden (USA-China).

Staaten müssen sich auch mit einer Reihe interner Spannungen auseinandersetzen. Eine davon ist die wachsende Unfähigkeit fast aller Gesellschaften, angemessene Beschäftigungs- und Lebensstandards für große Teile ihrer Bevölkerung zu schaffen – wie man an den „Rostgürteln“ (ehemaligen Industriegebieten) sowohl in China als auch in den USA, im Hinterland Europas und an dem sozialen Abstieg gebildeter städtischer Bevölkerungsschichten sehen kann. Die politischen Folgen sind, dass Staaten mit der Erosion der Legitimität und dem Ansteigen von „populistischer“ oder anderer Unzufriedenheit konfrontiert sind. Die nachlassende Wirtschaftsleistung hat dazu geführt, dass das Kapital immer direkter vom Staat abhängig wird: Wo rentable Investitionen in die Produktion schwierig sind, hat sich die Umverteilung nach oben durch Korruption durchgesetzt – ein Prozess, den Robert Brenner anatomisch seziert hat. Die staatsnächsten Kapitalsektoren – der Finanzsektor sowie die Sektoren, die das Militär, die Polizei und die Geheimdienste umgeben – werden wirtschaftlich profitieren, aber sie antizipieren, dass die Gesellschaft ohne ein höheres Maß an Repression immer schwerer zu kontrollieren sein wird. Bemühungen, die Herrschaft durch Zustimmung zu sichern, stoßen heute auf innenpolitischen und internationalen Widerstand, da die Interessen konkurrierender Bereiche innerhalb der nationalen Volkswirtschaften sowohl untereinander als auch mit internationalen Konkurrenten in Konflikt stehen. Das Ergebnis ist eine stärkere Konzentrierung für mit der Politik gut vernetzte Unternehmen und eine Tendenz zur Konfrontation im Ausland.

In den USA gibt es darüber noch eine Schicht imperialer Strategen, die sich der Einhegung und Kontrolle Chinas sowie der Integration Russlands in den amerikanischen Einflussbereich verschrieben haben. Bis 2018 haben nur wenige mit einem Krieg zwischen Amerika und seinem eurasischen Rivalen gerechnet. Heute sind ihre unabhängigen und unkooperativen Entwicklungswege – erzwungen durch die wirtschaftlichen Realitäten, die alle Gesellschaften unter Druck setzen – zu einer unvermeidlichen Quelle von Reibung geworden. Eine koordinierte Aufwertung des Yuan oder ein Anstieg der chinesischen Löhne könnte die Wettbewerbsfähigkeit der US-amerikanischen Fertigungsindustrie steigern, würde aber das welthistorische exportorientierte Wachstumsmodell der VR China untergraben, das darauf angewiesen ist, niedrigste Arbeitskosten mit High-Tech-Fertigung zu kombinieren. Gleichzeitig behindert die verschärfte US-Politik gegenüber Russland den profitablen Export von Werkzeugmaschinen und Dienstleistungen aus Deutschland nach China – indem sie dessen Industrie der billigen Energie beraubt. Dies war aber Deutschlands Lebensader während der Eurokrise des letzten Jahrzehnts.

Da die Beziehungen zwischen den wichtigsten Zonen des globalen Kapitalismus in eine offene und anhaltende Feindschaft gekippt sind, hat die Gestaltung der europäischen öffentlichen Meinung an Bedeutung gewonnen. Washington ist durch den inländischen und internationalen Druck, der aus einem Nullsummenspiel zwischen nationalen Herstellern und auf verschiedenen Sektoren resultiert, überfordert und daher um die Konsolidierung Europas als atlantische Hochburg bemüht. Hier fungiert die Ukraine als „geopolitischer Dreh- und Angelpunkt“, wie Brzezinski es ausdrückte. Ohne sie „hört Russland auf, ein eurasisches Imperium zu sein“.

Das von Washington verordnete Schicksal annehmen

Für einige große europäische Unternehmen hat dieses Sicherheitsprogramm klare wirtschaftliche Vorteile. Aber für die Mehrheit der europäischen Bevölkerung, die aufgefordert wird, „für den Frieden zu frieren“, wird es viele Opfer verlangen. Die Zerstörung lebenswichtiger heimischer Industrien und die Inflation der Militärbudgets folgen der jahrzehntelangen Sparpolitik, die dem Sozialstaat auferlegt wurde. In diesem Zusammenhang müssen auch die Anordnungen zur Intensivierung des „memetischen“, psychologischen und Informationskriegs verstanden werden (Anm. der Übersetzerin: „Memetischer Krieg“ bedeutet die gezielte Verbreitung von kulturellen Elementen, Ideen und Narrativen, um Meinungen, Überzeugungen oder Verhaltensweisen in der Gesellschaft zu beeinflussen). Die digitalen Sabotageübungen des CCD und seiner Partner zeigen, dass die NATO-Propaganda letztlich darauf abzielt, die Bevölkerung der Klientelstaaten (d.h. Staaten, die politisch, wirtschaftlich oder militärisch von einer anderen, oft mächtigeren Nation abhängig sind) für ihr von Washington verordnetes Schicksal gefügig zu machen. Seit dem Krieg gegen den Terror hat sich das Bündnis als beeindruckend anpassungsfähig erwiesen und aus seinen selbst diagnostizierten Fehlern in raffinierter Weise gelernt. Antikriegsinitiativen sollten sich darüber klar werden und sich auf die neuen harten Bandagen in der Auseinandersetzung um Krieg oder Frieden gefasst machen.

Dieser Artikel wurde zuerst im englischen Original am 5. Mai 2023 auf dem Blog „Sidecar“ der britischen Zeitschrift New Left Review veröffentlicht, er stützt sich auf die Ergebnisse eines Berichts aus dem Jahr 2021, der von der Linken im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben wurde.

Über den Autor: Joshua Rahtz ist ein US-amerikanischer Historiker. Er hat an der University of California, Los Angeles, in Geschichte promoviert. Derzeit lehrt er in Berlin.

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