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Titel: Wirtschaftsforscher und Interpreten des SPIEGEL haben nicht mehr alle Tassen im Schrank
Datum: 27. April 2006 um 16:14 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Wichtige Wirtschaftsdaten, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Albrecht Müller
Verzeihen Sie die drastische Sprache. Aber wenn eine Korrektur der erwarteten Wachstumsrate von 1,2 auf 1,8 in diesem Jahr als „kräftiger Aufschwung“ interpretiert wird – siehe unten, dann ist diesen Experten nicht mehr zu helfen. Das ist kein Aufschwung, und schon gar kein kräftiger, so gerne wir das hätten. Die 1,8% dürften knapp über der Rate des Produktivitätszuwachses liegen. Das heißt: das bisschen Wachstum wirkt sich kaum auf dem Arbeitsmarkt aus. Was wir wirklich an wirtschaftlicher Dynamik bräuchten, habe ich vor kurzem in einem Beitrag skizziert. Siehe Ziffer 3. meiner Einführung zur Vorstellung von “Machtwahn” am 11.4.2006.
Hier zunächst zu Ihrer Information der Beginn des SPIEGEL ONLINE Artikels:
Frühjahrsgutachten
Ökonomen sehen kräftigen Aufschwung
Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr so stark wachsen wie seit sechs Jahren nicht mehr. Das geht aus dem heute in Berlin vorgestellten Frühjahrsgutachten der sechs führenden Wirtschaftsinstitute hervor. Sorgen macht den Ökonomen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Berlin – Die Forscher der sechs Institute gehen von 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr aus. In ihrem Herbstgutachten waren die Experten noch von einem Zuwachs von bundesweit 1,2 Prozent ausgegangen. In der Zwischenzeit hatten die einzelnen Institute ihre jeweiligen Erwartungen bereits angehoben.
Da noch ein Link zu einer entsprechenden Einlassung von Joachim Jahnke.
Und noch ein Schlusskommentar:
Ich halte einen wirtschaftlichen Aufschwung für den entscheidenden Hebel zur Verbesserung der Lage der Mehrheit der Menschen in Deutschland. Deshalb würde ich eine begründete Euphorie begrüßen. Was wir aber von den Forschungsinstituten zu hören bekommen, sind Beruhigungspillen für die Bundesregierung und die Öffentlichkeit. Die Bundesregierung müsste aber hellwach sein, weil angesichts dieser schwachen wirtschaftlichen Entwicklung die geplante und auch von den Wirtschaftsforschern kritisch betrachtete Mehrwertsteuererhöhung in 2007 katastrophale Wirkungen haben wird. Wieder wird ein kleines Pflänzchen einer wirtschaftlichen Verbesserung im Keim erstickt.
Wir haben dies vor kurzem schon einmal erlebt: der Sachverständigenrat meldete sich im November 2000 mit der Behauptung zu Wort, die Konjunktur laufe rund. Damals gab es über 4 Millionen Arbeitslose und wirklich kein Grund zur Beruhigung. Die Schönfärberei hatte die Konsequenz, dass die kleine Konjunktur nicht gepflegt sondern abgewürgt wurde. Das darf uns doch nicht immer wieder passieren.
Aber es ist, wie in „Machtwahn“ ausführlich begründet: Unsere Eliten sind unfähig zu einer pragmatischen Makropolitik, also zu einer pragmatischen und alle Instrumente einsetzenden Politik der Globalsteuerung unserer Volkswirtschaft.
Die Unfähigkeit wird heute vom zuständigen Minister und Vizekanzler Müntefering wieder einmal in besonderer Weise demonstriert. Siehe folgende Presseerklärung – dort heißt es:
Die deutsche Wirtschaft ist gefordert, ihre wachsende Kraft in mehr Arbeit und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten umzusetzen. Die Politik der Bundesregierung wird dies weiter unterstützen. Wir werden unsere Politik der Reformen der sozialen Sicherungssysteme und der Arbeitsmarktreformen konsequent fortsetzen. Insbesondere im Bereich der Arbeitsmarkpolitik für Jüngere unter 25, ältere Arbeitnehmer und im Bereich der unteren Löhne werden wir konkrete Akzente setzen.
Dieser Arbeitsminister glaubt immer noch, neue Arbeitsplätze würden aus Reformen folgen, man müsse nur genügend Reformen machen und dann die Wirtschaft auffordern, Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist grotesk. Arbeitsplätze werden geschaffen, wenn Aufträge da sind.
Wir leiden nicht unter Reformstau auf dem Arbeitsmarkt oder sonst wo, sondern unter der makroökonomischen Unfähigkeit unserer meinungsführenden und politisch entscheidenden Eliten.
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