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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Massive Begriffsverwirrung: T-Online – das „ultra-linke Hetzportal“
Datum: 11. Oktober 2024 um 13:53 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Tobias Riegel
Die Umdeutung von zentralen politischen Begriffen und die daraus folgende Verwirrung in den Debatten treibt immer wildere Blüten. Besonders absurd sind einige neuere Definitionen von „Rechts“ und „Links“, auch der Begriff „Sozialismus“ wird mittlerweile oft in seltsame Zusammenhänge gestellt. Aktuelles Beispiel: Julian Reichelt ordnet das Portal T-Online als „ultra-links“ ein. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Julian Reichelt hat in einem Tweet auf X auf einen sehr geschmacklosen Tweet eines T-Online-Redakteurs reagiert:
Lars Wienand vom ultra-linken Hetzportal T-Online findet es lustig, Wortspiele über Tote zu machen. "Vom rechten Weg abgekommen", hihi, über einen Menschen, der in den Tod gestürzt ist. Was ist bei diesen linken Glaubenskriegern bloß kaputt im Kopf? pic.twitter.com/mIYVla38Z3
— Julian Reichelt (@jreichelt) October 10, 2024
Die in dem T-Online-Tweet zutage tretende Verrohung ist scharf zu kritisieren – hier soll aber auf einen anderen Aspekt eigegangen werden: Nämlich auf die Einordnung von T-Online als „ultra-links“ durch Reichelt. Ich finde, das ist eine neuerliche Gelegenheit, auf das Phänomen der Begriffsumdeutungen und -verwirrungen bezüglich „rechts“ und „links“ hinzuweisen.
Dass das Portal T-Online nach keinem seriösen Kriterium als politisch „links“ eingeordnet werden kann, belegt das Medium ganz aktuell mit einem sehr fragwürdigen Beitrag zu Ukrainekrieg, in dem es etwa heißt:
„Also muss ein anderes Gegengewicht her, damit ein Waffenstillstand der russischen Kriegsmaschinerie nicht nur eine willkommene Pause zur Hochrüstung verschafft. Die Konsequenz ist ebenso geradlinig wie unerfreulich: Damit die Feuerpause hält, muss der Westen in den Rüstungswettlauf mit Moskau eintreten – und diesen gewinnen. Erst eine vor Waffen starrende Ukraine stellt für Putin kein attraktives Opfer mehr dar. Ja, es ist leider ein hässliches und gefährliches Europa, das sich dabei abzeichnet. Aber wenigstens eines mit weniger frischen Gräbern.“
Die auch sonst überwiegend auf T-Online vertretenen Positionen zu Krieg und Rüstung, zur neoliberalen Wirtschaftsordnung und zu vielen anderen Themen sind – zumindest nach klassischer Definition – weit entfernt davon, „links“ oder gar „ultra-links“ zu sein. Reichelt ist nicht der einzige Konservative, bei dem ein doch bemerkenswerter Umgang mit dem Begriff „links“ zu beobachten ist.
Und das soll „Sozialismus“ sein?
Auch der Umgang mit dem Wort „Sozialismus“ ist gewöhnungsbedürftig: So hat etwa der Herausgeber des Portals Tichys Einblick kürzlich aktuelle, kritikwürdige Tendenzen in Deutschland als „Weg in den Sozialismus“ bezeichnet. Diese Sichtweise lässt den Bürger, der sich noch an ursprüngliche Definitionen von „Links“ und von „Sozialismus“ erinnern kann, ratlos zurück.
Ähnlich wie mit dem Ausdruck „links“ wird auch mit dem Ausdruck „rechts“ häufig fragwürdige und der eigentlichen Bedeutung widersprechende Meinungsmache betrieben, etwa wenn der Wunsch nach Waffenstillstand oder nach einer Corona-Aufarbeitung als irgendwie „rechts“ diffamiert werden soll. Die NachDenkSeiten sind auf das Phänomen der Begriffsumdeutungen und -verwirrungen bereits in einigen Artikeln eingegangen. So heißt es im Beitrag Phrasenwörterbuch – Heute: „linksgrün“ :
„Grüne Politik ist nicht links. Der Begriff „linksgrün“ ist irreführend und schädlich. Mit der einst negativ aufgeladenen Vokabel können inzwischen Handlungen grüner Politiker getarnt werden, die man als „rechts“ bezeichnen muss – die Ignoranz sozialer Nöte, die Unterwürfigkeit gegenüber US-Interessen, die Waffenlieferungen und viele weitere Aspekte. Durch die Verknüpfung destruktiver grüner Politik mit dem Attribut „links“ werden zusätzlich die klassischen (tatsächlich) linken Inhalte in Verruf gebracht.“
Im Artikel Woke: Pseudolinks ist nicht „Linksliberal“ heißt es:
„In der Debatte um pseudolinke und „woke“ Politik wird oft ein „linksliberales“ Milieu beschrieben, das es gar nicht gibt: Die grünen Kriegstreiber und Corona-Hardliner, die die sozialen Fragen nicht stellen – sie und ihre Gefolgschaft sind weder „links“ noch „liberal“.“
Titelbild: FrankHH / Shutterstock
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