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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 16. Februar 2012 um 8:40 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Griechenland
  2. 8,5 Billionen Euro Besitz
  3. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus
  4. Brüssel vertuscht deutsche Sünden
  5. Versagen auf der ganzen Linie
  6. Deutsche Post DHL trennt sich von Subunternehmen
  7. Streitthema Fachkräfte – “Die Hälfte der Ingenieure geht in Rente”
  8. Fordern kostet nichts
  9. Hetze gegen Einwanderer: Polenpolder
  10. »Man muss die Demokratie auch zubeißen lassen«
  11. Iran: Der permanente Machtkampf und die Fehler des Westens
  12. Ärzte ohne Grenzen prangern Folter in Libyen an
  13. ISAF verteidigt ­Luftangriff auf Kinder
  14. Malaysia liefert Mohammed-Kritiker ans Messer
  15. Noam Chomsky – ‘Losing’ the world: American decline in perspective, part 1
  16. Das Ringen um die Seele der israelischen Nation

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Griechenland
    1. Zweifel am Rettungspaket für Griechenland
      Eine Einigung über das Rettungspaket für Griechenland bedeutet nicht zwangsläufig eine erfolgreiche Rettung. Laut Stephen Lewis von Monument Securities wird es nicht lange dauern, bis Statistiken zeigen, dass wegen der anhaltenden konjunkturellen Abwärtsspirale die der politischen Einigung zugrundeliegenden Annahmen unrealistisch seien. Erreicht würden nur ein Zeitgewinn und die Vermeidung eines Zahlungsausfalls bereits am 20. März, wenn Griechenland 14,5 Mrd. ¤ zurückzahlen muss. Auch andere Beobachter, wie Marshall Auerback von Pinetree Capital, halten die eingeschlagene Politik angesichts des Fehlens von Wachstumschancen für kontraproduktiv. Sie werde fast zwangsläufig in einen Staatsbankrott freiwilliger oder unfreiwilliger Art münden. Die eingeschlagene Strategie der inneren Abwertung stosse aufgrund der zunehmenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kosten an ihre Grenzen. Auch zeichne sich nicht ab, wie die angestrebte Reduktion der Verschuldung auf 120% des Bruttosozialprodukts, was immer noch unvertretbar hoch wäre, erreicht werden kann.
      Der Blick richtet sich deshalb zunehmend auf die Alternative eines geordneten Staatsbankrotts und einer äusseren Abwertung. Das Thema Staatsbankrott scheint kein politisches Tabu mehr zu sein. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass sich als Folge der ergriffenen Sanierungsmassnahmen die Haushaltlage des Landes verbessert hat. Die Senkung der Staatsausgaben im zweiten Halbjahr 2011 und der Anstieg der Einnahmen führten im Primärhaushalt (Staatshaushalt ohne Schuldzinsen) zu einem Überschuss. Eine positive Primärbilanz gilt vielfach als eine Voraussetzung für einen gezielten Staatsbankrott, da der Staat nicht mehr auf externe Finanzierung angewiesen ist. Es verwundert deshalb nicht, dass das Thema eines Bankrotts und eines Austritts des Landes aus der Euro-Zone in Marktkreisen immer häufiger diskutiert wird.
      Quelle: NZZ
    2. Harsche Kritik aus EU-Parlament: Cohn-Bendit nennt Troika “neoliberale Taliban”
      Heftige Kritik aus dem EU-Parlament: Statt Griechenland “kaputt zu sparen”, brauche das Land endlich Vorschläge zur Ankurbelung der Wirtschaft. Athen werde von der Troika “erpresst”, monierten die Sozialdemokraten. Die Grünen bezeichneten die internationalen Geldgeber als “neoliberalen Taliban”.
      Quelle: Spiegel-Online
    3. Rüge von griechischem Präsidenten„Wer ist Schäuble, dass er Griechenland verhöhnt?“
      Deutschlands eiserne Linie in der Schuldenkrise stößt in Griechenland weiter auf harsche Kritik. Mit erbosten Worten attackierte Präsident Papoulias Finanzminister Schäuble. Auch die Niederlande und Finnland knöpfte sich Papoulias vor.
      Quelle: Focus-Online

      Anmerkung unseres Lesers O.S.: teilweise unerträgliche Kommentare zu dem o.g. Artikel, z.B.:

      “…, wenn die Griechen einen kleinen Rest von Ehre im Leib hätten, würden sie ihr Wirtschaft in Gang bringen und ihr Schulden zurück zahlen. Die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Volk, angeführt von ihrem Präsidenten, fordert, bis in alle Ewigkeit auf unsere Kosten leben zu können, ist schon bemerkenswert.”

      Ergänzende Anmerkung RS: Solche Kommentare sind nicht nur zynisch, sondern dumm. Denn wie soll Griechenland seine Wirtschaft in Gang bringen, wenn es dazu verdonnert wird, diese durch Einkommensverzicht abzuwürgen?

  2. 8,5 Billionen Euro Besitz
    Deutsche könnten Schulden der Euro-Zone tilgen
    Während die Regierungen in der Krise jeden Cent zusammenkratzen, haben die Deutschen ein riesiges Vermögen angehäuft. Abzüglich ihrer eigenen Verbindlichkeiten besitzen sie rund 8,5 Billionen Euro. Genug Geld, um die Schulden aller Euro-Länder komplett abzubezahlen.
    Quelle: Spiegel-Online

    Anmerkung RS: Für solche Artikel müsste man eigentlich eine neue Rubrik für die „Milchmädchenrechnung des Monats“ einführen. Ein Teil des 8,5 Billionen Euro Vermögen dürfte übrigens gerade die Gläubigerseite der Schulden sein, die SPON mit dem Vermögen tilgen will.

  3. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus
    Das Parlament in Athen hat pflichtgemäß die Restlaufzeit des griechischen Kapitalismus verlängert und gönnt uns einen Vorgriff auf das postdemokratische Zeitalter
    Quelle: Freitag
  4. Brüssel vertuscht deutsche Sünden
    Die EU-Kommission kuscht in der Schuldenkrise vor Deutschland. Wegen seiner Überschüsse in der Handelsbilanz hätte das Land gerüffelt werden müssen – das ist aber ausgeblieben.
    Quelle: FTD
  5. Versagen auf der ganzen Linie
    Bankräuber wollen den Tresor einer systemrelevanten Großbank ausplündern. Sie schaffen es, ihn zu knacken und verschwinden unerkannt mit reicher Beute. Haben sie versagt – oder einen genialen Coup gelandet? Klarer Fall: Versagen tun die Ganoven, die die Tür nicht aufgebrochen kriegen, Alarm auslösen und am Ausgang von der Polizei in Empfang genommen werden. Merke: Es „versagt“ nicht der erfolgreiche Übeltäter, sondern derjenige, der sich blöd anstellt; nach seinem Misserfolg wird er dann zu Recht abgestraft. Wieso wird dann aber der Bundesregierung insgesamt und Frau Merkel im Besonderen ständig „Versagen“ vorgeworfen? Ob Bankenkrise oder Afghanistankrieg, Klimaschutz oder wachsende Kluft zwischen den Klassen, Bekämpfung der Nazis oder Einsatz für mehr Demokratie: Überall habe die Regierung und/oder die Kanzlerin versagt. Die Liste der Versagens-Kritiker wächst von Tag zu Tag: Steinbrück und Steinmeier, Roth und Özdemir, DGB, ver.di und die Piraten, all die wackeren Oppositionellen schwingen die Keule des „Versagens“. Gabriel konstatiert gar „ein Versagen auf der ganzen Linie“. Sogar Karl-Theodor zu Guttenberg hat ein Versagen bei der Bekämpfung der Krise beobachtet!
    Quelle: Saarländische-Online-Zeitung
  6. Deutsche Post DHL trennt sich von Subunternehmen
    Nach der Ausstrahlung unserer Dokumentation “Die Paketsklaven” vor zwei Monaten und den erneuten Recherchen für die gestern ausgestrahlte Dokumentation “45 Min: Immer noch ausgebeutet – Die Paketsklaven” kündigt der Logistik-Konzern Deutsche Post DHL seinem Subunternehmen fristgerecht zum 31. März 2012 die Hamburger Zustellbezirke.
    Damit reagiert die Post auf unsere Recherchen. Der Konzern versprach bereits nach Ausstrahlung des Undercoverfilmes “45 Min – Die Paketsklaven”, die Arbeitsbedingungen bei diesem Subunternehmen verbessern zu wollen. In der gestern ausgestrahlten Folge belegten die Recherchen, dass es keine Verbesserungen gegeben hat. Im Gegenteil: Das DHL-Subunternehmen TEW/HFL hat sogar einen Mitarbeiter entlassen, weil er sich auf einer Informationsveranstaltung von Verdi über seine Rechte informieren wollte. Nun jedoch, nachdem 45 Min in einem weiteren Film über die Zustände in der Paketbranche berichtet hat, will sich der Logistik-Konzern von HFL trennen. Allerdings gilt die Kündigung, nach NDR Informationen, nur für die Hamburger Zustellbezirke. Der Subunternehmer ist jedoch auch in Kiel, Bremen und Lübeck für die Post DHL unterwegs.
    Quelle: NDR
  7. Streitthema Fachkräfte – “Die Hälfte der Ingenieure geht in Rente”
    Es fehlen so viele Techniker wie seit Jahren nicht, meldet der Ingenieurverband VDI. Kritiker halten den Daueralarm für eine Taktik, um die Gehälter zu drücken. Im Interview erklärt VDI-Chef Willi Fuchs die Nöte der Unternehmen – und warum es so bald keine Entwarnung gibt.
    Quelle: Spiegel-Online

    Anmerkung J. K.: Als gelernter Ingenieur kann ich nur sagen, dieses dumme Gerede hängt einen inzwischen zum Hals heraus. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn einige Entlassungswellen erlebt und weiß von vielen Kollegen wie schwierig es ist ab Mitte vierzig, selbst als angeblich so gefragter Ingenieur, wieder eine adäquate Anstellung zubekommen. Ein Grund ist, dass man als Ingenieur mit 20 Jahren Berufserfahrung natürlich ein gewisses Gehaltsniveau erreicht hat, das viele Firmen einfach nicht bereit sind zu zahlen. Aber ich kenne keinen Kollegen, der nicht zu den entsprechenden Abstrichen bereit wäre. Man darf aber nicht erwarten einen berufserfahrenen Ingenieur für den Preis eines Absolventen zu bekommen. Für die Firmen gilt nach wie vor jung, willig und möglichst billig. Für die Telekommunikationsindustrie kann ich aus eigener Erfahrung nur sagen, dass man lieber in China oder Indien billige Ingenieure und Entwickler rekrutiert als hier auch nur einen neuen Arbeitsplatz zuschaffen.
    Wie erklärt sich zudem Herr Fuchs dann die Tatsache, dass auch im Ingenieursbereich die Zeitarbeit immer weiter um sich greift? Und wie erklärt sich Herr Fuchs dann die Meldung von letzter Woche, dass IBM sich möglichst weitgehend seiner festangestellten Belegschaft entledigen will. Wie es in der Einleitung des Interviews bereits erwähnt wurde sind die Statements von Fuchs Propaganda um die Gehälter niedrig zuhalten, da auch im Bereich der hochqualifizierten Arbeitskräfte eine genügend große Reservearmee den Interessen der Unternehmen sehr entgegenkommt.
    Es wäre hier interessant einmal empirisch zu verfolgen wie schnell die mehreren tausend Menschen, darunter sicher viele Ingenieure, die nun von Nokia Siemens Networks in München gefeuert werden, wieder einen Arbeitsplatz bekommen? Laut Fuchs müsste dies ja im Handumdrehen geschehen.

    Ergänzende Anmerkung RS: Folgende Aussage macht deutlich, dass es in Wirklichkeit nicht um einen Fachkräftemangel geht, sondern um einen Mangel an billigen Fachkräften:

    KarriereSPIEGEL: Würde wirklich Fachkräftemangel herrschen, dann würden sich die Leute aber auch damit nicht zufrieden geben. Herrscht also gar keine Knappheit?

    Fuchs: Der Jobmarkt für Ingenieure ist international. Wenn wir hier also die Gehälter exorbitant in die Höhe fahren, werden die Unternehmen Arbeitsplätze verlagern. Wenn wir überziehen, dann wird die Entwicklung ins Ausland verlegt.

  8. Fordern kostet nichts
    Ursula von der Leyen (CDU) ist mal wieder vorgeprescht. Die Bundesarbeitsministerin hat für die aktuelle Tarifrunde spürbare Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsrate gefordert. Sie bedient sich einer beliebten Figur: Pünktlich zu Jahresbeginn, wenn Tarifverhandlungen in diversen Branchen eingeläutet werden, fühlen sich Politiker bemüßigt, ihr Herz für die Arbeitnehmer zu entdecken. Es kostet ja nichts, einen kräftigen Schluck aus der Pulle zu verlangen, wenn man nicht dafür einstehen muss. Dabei könnte die Arbeitsministerin durchaus mehr für Beschäftigte tun: Würde sie stärker Druck machen für eine strengere Regulierung der Leiharbeit, könnte die gleiche Bezahlung von Leiharbeitskräften und Stammbeschäftigten näher rücken. Beim Thema Mindestlöhne hat sie zwar vollmundig angekündigt, sich “mit aller Kraft” für eine “allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze” noch in dieser Legislaturperiode einzusetzen. Doch längst ist klar, dass ihre Partei nur ein Flickwerk an bundesweit unterschiedlichen Mindestlohnhöhen zulassen wird.
    Quelle: taz
  9. Hetze gegen Einwanderer: Polenpolder
    Dass Geert Wilders mit seiner „Partij van de Vrijheid“ eine Website für Klagen über osteuropäische Zuwanderer eröffnet hat, mag daran liegen, dass der Rechtspopulist mit seinem Fremden- und Islamhass nicht mehr im politischen Trend liegt. Wäre jetzt Wahl, könnte die ultralinke Sozialistenpartei eventuell sogar den Premierminister stellen. Deren Spitzenkandidat, der joviale Brabanter Knuffelbär Emile Roemer, hat mit viel Humor und Grundsatzkritik am Neoliberalismus Wilders längst den Rang abgelaufen und ist der populärste Politiker. Damit also Wilders nicht in der Versenkung verschwindet, müssen jetzt die Polen als Sündenböcke herhalten. Trotz aller entgeisterter Kritik von Den Haag und Brüssel bis Warschau will Wilders aber an seiner „phantastischen Website“ festhalten: Über vierzigtausend Klagen seien bereits gegen osteuropäische Kriminalität, Lohndumping und schlechtes Benehmen eingegangen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wie erfreulich, anscheinend hat Geert Wilders seinen Höhepunkt überschritten und ist echt verzweifelt. Wilders käme bei Wahlen heute nur noch auf 20 Sitze. Die SP (Sozialistische Partei) kam bei den Wahlen 2010 auf 15 Sitze, in den Umfragen käme sie heute auf 32 Sitze. Holland macht es möglich: Eine postmaoistische Partei könnte den Regierungschef stellen. Welch eine Horrorvorstellung für das politische Establishment Deutschlands!

  10. »Man muss die Demokratie auch zubeißen lassen«
    Stephan J. Kramer über eskalierenden Rechtsradikalismus, die falsche Gleichsetzung von Links und Rechts und die Versäumnisse der Politik
    Stephan Joachim Kramer ist seit 2004 Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. Vorgestern beteiligte er sich an den Dresdner Protesten gegen Neonazis. Bereits vor Kurzem monierte er, dass »symbolische Menschenketten« nicht ausreichen, und sprach sich für »friedliche Blockaden« gegen Neonazis aus. Über die Schwierigkeiten eines künftigen Holocaust-Gedenkens sprach mit ihm für »nd« Thomas Blum.
    Quelle: Neues Deutschland
  11. Iran: Der permanente Machtkampf und die Fehler des Westens
    Es sieht schlecht aus für den Frieden im Nahen Osten: Die Differenzen innerhalb der iranischen Regierung lassen kaum einen grundlegenden Kurswechsel zu. Und die Nachbarstaaten haben mit Schützenhilfe der USA längst Stellung bezogen.
    Quelle: Die Wochenzeitung
  12. Ärzte ohne Grenzen prangern Folter in Libyen an
    Der Mann in der Lederjacke winkt einen Gefangenen heran: „Erzähl‘ der Presse, was mit dir geschehen ist!“ Der Häftling hält den Kopf gesenkt, nur aus dem Augenwinkel sieht er auf die Besucher. „Nichts ist passiert“, sagt er. Ich habe den Mann gesehen, als er hier ankam, und ich staune, dass er noch lebt“, mischt sich ein Mann im Kampfdress ins Gespräch ein. Scheich Fathi, wie ihn alle nennen, ist kein Mithäftling, er ist Direktor dieses Militärgefängnisses, zuständig für über tausend Insassen. Die meisten von ihnen wurden nicht hier in Misrata, sondern in Tripolis, Sirte und Tawarna gefangen genommen. Fast alle hätten bei ihrer Ankunft im Gefängnis dringend ärztliche Hilfe benötigt, berichtet Scheich Fathi, der mit seinem Turban und dem langen Bart ein wenig wie Osama bin Laden aussieht. „Wir waren dankbar, dass die ausländischen Ärzte uns geholfen haben. Die Krankenhäuser in Misrata sind zumeist nicht bereit, diese Gefangenen zu behandeln. Das müssen Sie verstehen: Die Menschen hier sehen in jedem von ihnen den Mörder ihres Sohnes oder den Vergewaltiger ihrer Tochter.“ Seine braunen Augen werden immer wieder feucht, während er über seine Gefangenen spricht. „Es ist für uns natürlich schlecht, dass sich die ,Ärzte ohne Grenzen‘ zurückgezogen haben und dass sie in alle Welt herausschreien, dass in Misrata gefoltert wird“, sagt er. „Ich persönlich bin aber auch sehr froh darüber. Durch den Druck wird sich hoffentlich endlich etwas ändern.“ Wie bitte? Wenn er doch der Gefängnisdirektor ist: Wieso kann er nicht aufhören zu foltern? „Ich schwöre Ihnen, es wird nicht hier im Gefängnis gefoltert“, antwortet Scheich Fathi. „Oft werden die Gefangenen aber bei ihrer Festnahme sehr brutal behandelt. Und auch später werden sie immer mal wieder zum Verhör abgeholt, und dann bringt man sie uns mit deutlichen Spuren der Folter zurück.“ Das Problem, sagt Scheich Fathi, sei das Fehlen staatlicher Strukturen. Es gebe weder eine funktionierende Justiz, um die Gefangenen abzuurteilen, noch eine Regierung, die stark genug sei, dem Rachedurst der ehemaligen Rebellen Einhalt zu gebieten. So folge auf altes Unrecht neues Unrecht.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Auch die NachDenkSeiten haben auf den Rückzug der „Ärzte ohne Grenzen“ aus den Gefängnissen Misratas verwiesen. Der Artikel der FR gibt der Hoffnung Raum, dass in Libyen auch Gegenkräfte wirken, wenn selbst in Misrata ein Gefängnisdirektor sich gegen Rache und für den Rechtstaat ausspricht. Bemerkenswert auch, dass Julia Gerlach vor Ort recherchierte und so zu einer differenzierenden Sicht der Lage beiträgt.

  13. ISAF verteidigt ­Luftangriff auf Kinder
    Kabul. Die NATO hat einen Luftangriff in Afghanistan verteidigt, bei dem vor einer Woche nach afghanischen Angaben acht Kinder getötet wurden. Der Angriff habe bewaffneten Jugendlichen gegolten, die »eine Bedrohung« dargestellt hätten, sagte der für Lufteinsätze zuständige Kommandeur der NATO-Truppe ISAF, Mike Wigston, am Mittwoch in Kabul. Afghanistans Staatschef Hamid Karsai hatte den Luftangriff scharf verurteilt und erklärt, es seien acht Kinder getötet worden. Einem Parlamentarier aus Kapisa zufolge, der den Vorfall untersuchte, seien die Toten zwischen sechs und 14 Jahren alt gewesen, nur eines der Opfer sei zwischen 18 und 20 Jahren alt gewesen.
    Quelle: Junge Welt
  14. Malaysia liefert Mohammed-Kritiker ans Messer
    Weil er an Mohammed zweifelt, liefert Malaysia einen Lokaljournalisten nach Saudi-Arabien aus. Dort erwartet ihn möglicherweise die Todesstrafe. Eine über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitete Bemerkung Kaschgaris über den islamischen Religionsgründer hatte in Saudi-Arabien für Empörung gesorgt. „An deinem Geburtstag werde ich mich nicht vor dir verbeugen“, hatte Kaschgari geschrieben. „Ich habe Sachen an dir geliebt und ich habe Sachen an dir gehasst und es gibt viel, was ich über dich nicht verstehe.“
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Hat es Sinn sich über Länder aufzuregen, die nach unseren Maßstäben ihrer Bevölkerung z.T. unvorstellbare Dinge im Namen des Staates oder der Religion antun? Deutschland unterhält oder unterhielt glänzende Geschäftsbeziehungen mit Libyen, Saudi-Arabien, dem Sudan, dem Iran, dem Irak, Syrien, Pakistan, Russland, China usw. Gegenwärtig passt es unserer Regierung in den Kram, das Regime in Teheran wegen Verletzung der Menschenrechte und wegen seines Atomprogrammes auf das Schärfste zu verurteilen, aber die vielfältige Missachtung der Menschenrechte durch die Saudis und vieler anderer wird unter den Teppich gekehrt. Im Gegenteil, wir verkaufen ihnen Panzer, die sie gegebenenfalls gegen die eigene Bevölkerung einsetzen können. Vielleicht sollte die deutsche Regierung in der Außenpolitik die Moral ganz außen vor lassen, statt sich mit ihrer offensichtlichen Doppelmoral zu blamieren, und sich einfach fragen, was nutzt dem deutschen Volk. Wenn nicht, so wird es Zeit, sich wenigstens bei uns bekannten Fällen, wie z.B. bei Hamsa Kaschgari, offensiv zu unseren Werten zu bekennen und sowohl in Malaysia wie auch in Saudi-Arabien diplomatisch an die Tür zu klopfen. Uns interessieren sollte allerdings auch, dass Kaschgari aufgrund eines von Interpol ausgestellten Haftbefehls von den malaysischen Behörden festgenommen wurde. Dabei verbieten die Statuten von Interpol jegliche Hilfestellung bei religiösen Angelegenheiten.

  15. Noam Chomsky – ‘Losing’ the world: American decline in perspective, part 1
    US foreign policy ‘experts’ only ever provide an echo chamber for American imperial power. A longer, broader view is necessary
    […] American decline is real, though the apocalyptic vision reflects the familiar ruling-class perception that anything short of total control amounts to total disaster. Despite the piteous laments, the US remains the world dominant power by a large margin, and no competitor is in sight, not only in the military dimension, in which, of course, the US reigns supreme. […]
    In brief, American decline can perhaps be stemmed if we abandon hope for decent survival – prospects that are all too real, given the balance of forces in the world.
    Putting such unpleasant thoughts aside, a close look at American decline shows that China indeed plays a large role, as it has for 60 years. The decline that now elicits such concern is not a recent phenomenon. It traces back to the end of the second world war, when the US had half the world’s wealth and incomparable security and global reach. Planners were naturally well aware of the enormous disparity of power, and intended to keep it that way.
    Quelle: The Guardian
  16. Das Ringen um die Seele der israelischen Nation
    Immer mehr treten in Berichten über Israel die Aktivitäten orthodoxer oder nationalreligiös geprägter Kräfte in den Vordergrund. Der Schriftsteller Abraham B. Jehoschua macht zudem eine Annäherung zwischen diesen Strömungen aus und plädiert nachhaltig dafür, dass Israel sich einzig als Nationalstaat definieren solle: “Wenn die Umsetzung der geplanten Zweistaatenlösung für Siedler wie für Soldaten, die die Räumung von Siedlungen vorzunehmen haben werden, nicht zu leidvoll und traumatisch verlaufen soll, muss sie so energisch und entschieden durchgeführt werden wie eine dringende Operation. Wir kämpfen heute nicht nur für Entspannung und friedliche Koexistenz mit den Palästinensern, sondern auch für den Primat des souveränen, demokratischen israelischen Staates.”
    Quelle: NZZ


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