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Titel: Stimmen aus Ungarn: Deutsche Außenpolitik ohne Rückhalt in der Bevölkerung

Datum: 1. Oktober 2024 um 11:03 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Innen- und Gesellschaftspolitik, Wahlen
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Die Wahlen im September in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben bestätigt, dass sich die deutsche Außenpolitik unter der seit 2021 amtierenden Regierung von Olaf Scholz von den Interessen der deutschen Gesellschaft entfernt hat. Sowohl in den bilateralen Außenbeziehungen als auch in den internationalen Organisationen wird die Richtung der deutschen Außenpolitik mehr von der Erfüllung externer Akteure als von den Erwartungen der Bürger und den nationalen Interessen bestimmt. Ein Beitrag von Botschafter a. D. György Varga, aus dem Ungarischen übersetzt von Éva Péli.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Wahlergebnis in Brandenburg bestätigt zum dritten Mal in Folge die außenpolitische Doktrin von Außenministerin Annalena Baerbock:

„Egal, was meine Wähler denken. Aber ich werde die Menschen in der Ukraine wie versprochen unterstützen“.

Die Wählerinnen und Wähler haben nun gesagt, was sie denken: Sie wollen mit überwältigender Mehrheit weder die derzeitige Außenministerin (Grüne) im Amt sehen noch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die FDP (Freie Demokratische Partei), die dritte Partei in der Regierungskoalition, steht in der Außenpolitik an vorderster Front für die Eskalation des Krieges in der Ukraine und die Lieferung von Taurus-Langstreckenraketen. Die Wähler gaben ihr mit 0,9 Prozent in Sachsen, 1,1 Prozent in Thüringen und 0,8 Prozent in Brandenburg die verdiente Note; das Verschwinden der Freien Demokraten ist auch auf Bundesebene im Gange.

Die Grünen, die direkt für die Diplomatie zuständig sind, haben gleich nach ihrem Regierungsantritt 2021 eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen gebrochen und ihre Wähler innerhalb weniger Monate getäuscht: „Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen“.

Die Außenministerin ist zu einer Vorreiterin für die Lieferung deutscher Waffen in die Ukraine geworden. Das von den Grünen geführte Auswärtige Amt ist das am stärksten mit den USA verbundene Ministerium. Das zeigt sich auch in den internationalen Beziehungen Deutschlands.

Schädliche Außenpolitik

Über die diplomatischen Fehltritte von Außenministerin Baerbock könnte man Bücher schreiben, und die deutschen Wähler sind, gelinde gesagt, nicht erfreut, wenn sie in ihrem Namen vor ausländischen Partnern oder den Medienvertretern spricht. Aber die Art und Weise, wie sie das Außenministerium führt, gefällt den Wählern auch nicht. Derzeit wird untersucht, dass die deutsche Botschaft in Pakistan angewiesen wurde, afghanischen Bürgern, die mit falschen Pässen vorstellig werden, Einreisevisa auszustellen. Wen interessiert schon der Kampf gegen den Terrorismus, wenn die spektakulär gescheiterte US-Afghanistanpolitik durch zusätzliche Maßnahmen unterstützt werden muss und jeder, der das von den Taliban beherrschte Land verlassen will, in Europa aufgenommen werden soll? Die ideologiegeleitete Baerbock betreibt eine offiziell verkündete „feministische“ Außenpolitik und ist der Professionalität nicht zu bezichtigen. Es ist ein Glück, dass andere Minister der Regierung bisher nicht nachgezogen haben, denn das Ergebnis könnte eine „feministische Chirurgie“ oder ein „feministisches Militär“ sein – unabhängig von der Zahl der Frauen, die sich als Chirurginnen oder Soldatinnen bewerben.

Verstärkt wird der Abwärtstrend der deutschen Außenpolitik nicht nur durch die von nationalen Interessen losgelöste Ukraine- und Russlandpolitik der Regierung und die Vorreiterrolle der EU im Umgang mit illegaler Migration, ebenfalls gegen nationale Interessen. Auch die Tätigkeit der deutschen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die den europäischen Interessen den Rücken kehrt, schmälert das Image der Außenpolitik der Bundesrepublik.

Jeden Tag werden die Wählerinnen und Wähler mit den Nachteilen der neuen Initiativen der Europäischen Kommission konfrontiert: illegale Migration, Import des anhaltenden Krieges in Europa, Kredite in Höhe von Dutzenden Milliarden Euro an die Ukraine, eine Sanktionspolitik, die der EU-Wirtschaft zusetzt, und die überdehnte grüne Politik.

Antieuropäische Kommissionspräsidentin

Was die Bundesregierung im eigenen Wirkungskreis nicht in den Sand setzen kann, wird die von Deutschland beauftragte Präsidentin der Europäischen Kommission mit einem Gnadenstoß auf EU-Ebene lösen.

Die EU-Kommissionspräsidentin hat schon lange nicht mehr die Interessen des sie entsendenden Landes (und Dutzender europäischer Volkswirtschaften, die mit der deutschen Wirtschaft verbunden sind) im Blick.

Der Wandel von einem „Europa des Friedens“ zu einem „Europa des Krieges“, die Lähmung der Volkswirtschaften der EU-Länder durch selbstzerstörerische Sanktionen, die Aufnahme von Krediten bei der EU zur Finanzierung von Kriegen in Nicht-EU-Ländern – mit der Rückzahlung ist nicht zu rechnen – und das Missmanagement der illegalen Migration (Aufnahmezwang, nationale Quoten, Verzicht auf wirksame Kontrollen der Außengrenzen) gehören zu den denkwürdigsten Elementen ihrer bisherigen Arbeit und haben direkte Auswirkungen auf die Stimmungslage der deutschen Wähler.

Die deutsche Kommissionspräsidentin ist eine entschlossene Kämpferin für die unbeschränkte Einfuhr ukrainischer Agrarprodukte, die nicht den EU-Standards entsprechen, für die Überbetonung transatlantischer militaristischer Interessen und für die ideologisch motivierte Abkopplung der europäischen Volkswirtschaften von den Energie-, Wirtschafts- und Verkehrssystemen des postsowjetischen Raums, ihrem natürlichen geographischen Partner.

Innere Widersprüche

Die Abkopplung der deutschen Außenpolitik von nationalen Interessen führt auch in der Innenpolitik zu seltsamen Situationen, die Fragen nach den inneren Widersprüchen der deutschen parlamentarischen Demokratie aufwerfen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD arbeitet, offiziell vom Verfassungsschutz beauftragt, mit geheimdienstlichen Mitteln gegen die Oppositionspartei Alternative für Deutschland (AfD) und gegen deren Außenpolitik, indem sie die Vertreter der Partei – und nur dieser Partei – auf Bundes- und Landesebene überwacht. (Die Regierungspartei SPD bekam unter sieben Prozent der Stimmen bei den Wahlen Anfang September in Thüringen und Sachsen, während die AfD derzeit 28 bis 33 Prozent der Stimmen in den Ländern und 20 im Bund Prozent hat.) Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass viele deutsche Bürger die außen-, energie-, wirtschafts- und migrationspolitische Agenda der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei unterstützen.

Die Ukraine- und Russlandpolitik der Regierung von Olaf Scholz, die Fortsetzung der Sanktionen und des Krieges sowie die Migrationspolitik haben keine gesellschaftliche Mehrheit, aber das stört die Regierungskoalition nicht.

Die Grünen, die die Außenministerin und den Vizekanzler stellen, erhielten bei den drei Landtagswahlen im September zwischen 3,2 und 5,1 Prozent der Stimmen und haben den Einzug in die Landtage von Thüringen und Brandenburg nicht mehr geschafft.

Nationale Interessen

Laut Umfragen stellen die deutschen Wählerinnen und Wähler auch Fragen zur moralischen Dimension ihrer außenpolitischen Entscheidungsträger. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, Ex-Vorsitzender der Sozialdemokraten, wurde von seinen Parteikollegen als Putins Marionette bezeichnet, weil er sich aktiv an der Versorgung der deutschen Wirtschaft mit russischen Gasimporten beteiligt hatte. Er hat sein Handeln bis heute nicht bereut und scheint der einzige Politiker im Parteienverbund CDU-SPD-FDP-Grüne zu sein – welcher in den letzten Jahren für die Ursachen und den möglichen Ausgang des Krieges in der Ukraine verantwortlich war –, der sich auch bei ideologischem, sektiererischem, kriegspsychologisch motiviertem transatlantischen Gegenwind für die nationalen Interessen Deutschlands einsetzt. Es ist kein Problem, eine Position in einem US-amerikanischen Unternehmen zu bekleiden, aber wer sich auf eine Führungsposition in einem russischen oder chinesischen Unternehmen einlässt, in einem Bereich, der für die deutsche Wirtschaft von Bedeutung ist, der begeht Hochverrat.

Der amtierende Staatschef, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ist da schon ein routinierterer Gegenspieler und kann durch seine Selbstaufgabe ein Exempel statuieren: Er hat sich bei der Ukraine für seine Rolle als Außenminister beim Bau der Nord-Stream-Pipeline – die die deutschen nationalen Interessen maximal erfüllte – von Herzen entschuldigt. (Wenn nur Konrad Adenauer, Helmut Kohl, Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher oder Helmut Schmidt diese Entschuldigung gesehen hätten!!!). Nachdem er einige Monate vertröstet wurde, kann der Bundespräsident die ukrainische Hauptstadt, aus der er nach Kriegsbeginn wegen seiner wirksamen Vertretung deutscher Interessen verbannt worden war, jetzt wieder frei besuchen – dank seiner glaubwürdigen Transformation.

Vergessene Unterschriften

Zu seinem Glück wurden dem Staatschef bisher keine ernsthaften Fragen über den völkerrechtlichen Wert seiner Unterschriften in offizieller Funktion gestellt.

Bekanntlich haben der damalige deutsche Außenminister Steinmeier, sein polnischer Amtskollege Radosław Sikorski und der französische Staatssekretär des Außenministeriums am 21. Februar 2014 in Kiew als Garanten eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der die Krise zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch und der einheimischen Opposition mit politischen Mitteln (Neuwahlen) beigelegt werden sollte. Nachdem die Garantiegeber abgereist waren, brach die Opposition die Vereinbarung und übernahm am 22. Februar gewaltsam die Macht. Die Bürgen – die EU-Länder, die sie entsandt hatten – und die EU selbst erinnerten sich nicht mehr an die Unterschriften (die Tinte war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal trocken!), das Ergebnis ist bekannt: Die Ukraine stürzte in einen Bürgerkrieg und anschließend in einen Krieg, der bis heute andauert.

Die Rolle der Bürgen wurde nie untersucht: wie sie den amtierenden ukrainischen Staatschef über den Tisch gezogen hatten, der folglich beschloss, die Wachsamkeit der Strafverfolgungsbehörden zu verringern. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn die Bürgen waren falsche Bürgen, die für ihre Unterschrift keine Verantwortung trugen. Der Vorfall hat auch dazu beigetragen, dass der russische Präsident Wladimir Putin heute die Unterzeichnung eines Abkommens durch einen EU-Politiker nicht mehr als ausreichende Garantie ansieht.

Ähnlich verhält es sich mit den Minsker Vereinbarungen, an denen seinerzeit Bundespräsident Steinmeier als Außenminister ebenfalls beteiligt war und die von der Ukraine nie eingehalten wurden, für die aber die Garanten – die deutsche und die französische Regierung – acht Jahre lang keine Sanktionen vorschlugen, während sie heute bereit sind, Sanktionen zu initiieren, auch wenn es um belanglose Fragen geht.

Begriffsstutzige Wähler

Wie wir sehen, wurden – und werden heute noch – viele für die Ukraine wichtige Schritte auf Geheiß oder mit der Komplizenschaft der deutschen, französischen und polnischen Regierungen unternommen. Die Folgen tragen die Menschen in der Ukraine und, nun im dritten Jahr des Krieges, die 450 Millionen EU-Bürger.

Die Landtagswahlen im September waren nicht nur eine Bewertung der Regierung, sondern auch der persönlichen Leistung von Bundeskanzler Scholz in der Außenpolitik. Viele werden sich daran erinnern, dass US-Präsident Joseph Biden am 7. Februar 2022 in Washington im Beisein des Kanzlers ankündigte, die Nord-Stream-Pipelines zu liquidieren. Der Bundeskanzler hielt wortlos der Demütigung stand, später der Umsetzung der Worte des US-Präsidenten, und hat sich seither sehr gleichgültig, ja desinteressiert an der internationalen Untersuchung des staatlich geförderten Terroranschlags auf die strategische Infrastruktur Deutschlands gezeigt.

Die neueste, auch von der deutschen Regierung unterstützte Version lautet, dass die Gaspipelines durch ukrainische Sabotage zerstört wurden, aber der Wähler versteht seine gesalbten Anführer immer noch nicht: Warum ist Deutschland der größte europäische Unterstützer einer Ukraine, deren Terrorakt nach „zuverlässigen“ westlichen Quellen und dem offiziellen Verdacht des deutschen Generalstaatsanwalts die deutsche und europäische Wirtschaft um Jahrzehnte zurückgeworfen hat? Wo bleibt hier die Vertretung deutscher Interessen?

Politisches Mandat

Die deutsche Diplomatie hat im multilateralen Rahmen zwei verantwortliche Positionen inne: Unter den internationalen Organisationen, die auf dem europäischen Kontinent die wichtigste Rolle spielen (EU, NATO und OSZE), sind zwei (EU und OSZE) unter deutscher Führung.

Während wir Ursula von der Leyen, die deutsche Präsidentin der Europäischen Kommission, ohne politisches Mandat zum Thema Krieg in der Ukraine täglich sprechen hören – obwohl die Ukraine nicht Mitglied der EU ist –, haben wir die deutsche Generalsekretärin der OSZE, deren Hauptaufgabe die Aufrechterhaltung der europäischen Sicherheit ist und deren Zuständigkeitsbereich auch die Ukraine und Russland umfasst, seit Beginn des Krieges weder gehört noch gesehen.

Das heißt, eine Organisation (die EU) ist de jure nicht für den Umgang mit dem Krieg in der Ukraine zuständig, aber eskaliert ihn täglich unter der Führung eines deutschen Politikers. Die andere Organisation (OSZE) soll sich de jure um die europäische Sicherheit kümmern, die Organisation gemäß ihrem Grundmandat zur Beendigung des Krieges führen, aber den Namen ihrer deutschen Generalsekretärin haben wir in drei Jahren noch nicht gehört.

Falsche Friedenskonferenz

Die OSZE befindet sich in einem Zustand der tiefen Narkose. Der politische Westen blockiert ihre Institutionen, ihre Koordinierungs- und Krisenbewältigungsmechanismen, die seit 1975 bestehen, und drängt Russland (Nachfolger eines der Gründungsländer) aus der wichtigsten Organisation für europäische Sicherheit heraus. Der russische Außenminister darf nicht auf der obersten Entscheidungsebene der Organisation vertreten sein: Man spricht ohne ihn, aber über ihn. Im Juni richtete die Schweiz ohne Einladung der Russen eine „Friedenskonferenz“ genannte Ersatzhandlung aus, obwohl alle Voraussetzungen für eine normale Version im Rahmen der OSZE gegeben sind, bei der 57 Länder ihre Positionen auf der Ebene von Staatschefs, Ministern oder Botschaftern formell zum Ausdruck bringen könnten, und zwar täglich in Wien, im Ständigen Rat der Organisation.

Der Ausgang der Landtagswahlen war seit Monaten absehbar, doch Bundeskanzler Scholz hat offenbar zu spät auf den drastischen Rückgang der öffentlichen Unterstützung für seine Innen- und Außenpolitik reagiert.

Angesichts der katastrophalen Ergebnisse der Wahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September mit jeweils weniger als zehn Prozent für die SPD und der Befürchtung, dass ihm bei den Landtagswahlen in Brandenburg am 22. September Ähnliches widerfahren könnte, unternahm der Kanzler Mitte September zwei wichtige Schritte:

  1. Er ordnete die Wiedereinführung von Kontrollen an den deutschen Grenzen an.
  2. Er begann, sich dazu zu äußern, dass Friedensgespräche mit Russlands Teilnahme an der Zeit wären.

Die nächsten Monate werden zeigen, wie aufrichtig die Absichten von Scholz sind, aber die Ergebnisse in zwei Wochen sind erschütternd: Die SPD, die bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni nur 13,1 Prozent der Stimmen erhalten hatte, lag am 22. September in Brandenburg mit 31 Prozent an erster Stelle. Die Wähler haben also bestätigt, dass sie weder den Krieg in der Ukraine noch den bisherigen Umgang mit der illegalen Migration unterstützen und jede Änderung in diesen Bereichen honorieren werden.

Außenpolitische Heuchelei

Die außenpolitische Heuchelei der Regierung zur Maximierung der Wählerstimmen wird jedoch durch zwei aktuelle Schritte deutlich. Am 18. September stimmten die Regierungsparteien für die Resolution des Europäischen Parlaments zur Fortsetzung des Krieges in der Ukraine, in der die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert werden, „den Einsatz aller an die Ukraine gelieferten Waffensysteme gegen russisches Territorium zu genehmigen“ und damit den Krieg rundum zu eskalieren.

Das Votum der regierenden deutschen Europaabgeordneten spiegelte den glühenden Friedenswillen der oben erwähnten Äußerungen von Bundeskanzler Scholz in den Tagen vor den Wahlen in Brandenburg kaum wider.

Ein weiteres Beispiel: Die Bundesregierung entsendete im September 2024 zwei Kriegsschiffe in die Taiwanstraße, um der merkwürdigen Aufforderung des Hohen Vertreters der EU Josep Borrell nachzukommen. Das Vorgehen ist nach den Statuten von EU und NATO nicht nachvollziehbar. Und dass die EU oder die deutsche Regierung auf bilateraler Basis Kriegsschiffe auf die andere Seite des Globus schickt nach dem Motto „trau dich, groß zu sein“ ist ebenso wenig mit konstruktiven Zielen zu untermauern. Die chinesische Diplomatie ist da viel gescheiter, ihre Marine ist in Hamburg nämlich noch nicht aufgetaucht. Die deutsche Militäraktion rund um Taiwan kann nur im Sinne globaler US-Interessen interpretiert werden, was für die deutsch-chinesischen oder EU-China-Beziehungen einen Minus-Mehrwert bedeutet, zumal China zwischen 2017 und 2023 Deutschlands Außenhandelspartner Nummer eins war. Mit der Abkehr von billiger russischer Energie, den EU-Sanktionen gegen China und den deutschen Kriegsschiffen in der Taiwanstraße scheint sich auch in dieser Dimension der Trend zu ändern – nicht zum Vorteil der deutschen Wirtschaft.

Die deutsche Wählerschaft sieht immer klarer und die Widersprüche werden immer größer. Der vor zwei Wochen bekannt gewordene Friedenswille der Bundesregierung spiegelt sich darin wider, dass in diesen Tagen deutsche Panzer in der russischen Region Kursk stürmen und brennen und die Lieferung weiterer Panzer auf der Tagesordnung steht.

Klares Wählervotum

Russland liefert keine Waffen für den Einsatz gegen Deutschland, aber die deutsche Regierung liefert welche gegen Russland. Die deutschen Europaabgeordneten stimmen über Angriffe auf russische Ziele ab, nicht Russen über russische Angriffe auf deutsche Ziele. Nicht Russland hat die nationalen Ersparnisse des deutschen Volkes und das Vermögen seiner Bürger eingefroren und ihr bewegliches Vermögen beschlagnahmt, sondern die EU – und in ihr Deutschland – hat das russische Vermögen eingefroren. Es ist nicht die russische Regierung, die bereits über den Inhalt des 15. Sanktionspakets gegen Deutschland nachdenkt, sondern die deutsche Regierung greift eifrig die stets neuen Eskalationsinitiativen gegenüber Russland auf, die sich unter den Fittichen der deutschen Präsidentin der Europäischen Kommission entfalten.

Der Zustand der drei Parteien der deutschen Regierungskoalition spiegelte sich im September in den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg wider: Die FDP erreichte im Durchschnitt der drei Bundesländer weniger als ein Prozent der Stimmen, die Grünen lagen bei etwa vier Prozent und die SPD, angeführt von Bundeskanzler Scholz, erhielt zwischen 14 und 15 Prozent. Selbst nach den stimmungsaufhellenden Maßnahmen vertraut also nur jeder fünfte Wähler in Ostdeutschland der Regierungskoalition (den drei Parteien zusammen!), und das ist vor allem auf die Auswirkungen der fehlgeleiteten Außenpolitik auf die Wirtschaft und das offensichtliche Versagen bei der Bekämpfung der illegalen Migration zurückzuführen.

Vor der Bundestagswahl im Herbst 2025 steht Bundeskanzler Scholz vor einem Dilemma: Wird seine Regierung endlich im nationalen Interesse regieren und damit die Chancen seiner Partei bei den Wählern verbessern, oder wird er seine Politik der nationalen Selbstaufgabe fortsetzen, um die Erwartungen des globalen Westens zu erfüllen und dadurch die Koalitionsparteien im Vorfeld der Wahl 2025 völlig zu ruinieren?

Titelbild: Shutterstock / Jürgen Nowak


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