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Titel: UN-Zukunftsgipfel verabschiedet „Pakt für die Zukunft“ – Wie er umgesetzt werden soll, bleibt „Geheimnis des Augenblicks“
Datum: 30. September 2024 um 8:59 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Interviews, Parteien und Verbände
Verantwortlich: Redaktion
Karin Leukefeld sprach mit dem langjährigen UN-Diplomaten und ehemaligen beigeordneten Generalsekretär Hans von Sponeck über den „Pakt für die Zukunft“, der von der 79. UN-Generalversammlung mehrheitlich angenommen wurde. Die Autorin erreichte von Sponeck in Kopenhagen, wo er mit Richard Falk, dem langjährigen UN-Diplomaten und Sonderberichterstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete, ihr gemeinsames Buch vorstellte: Liberating the United Nations – Die Vereinten Nationen befreien.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Das Interview:
Im Rahmen der diesjährigen UN-Vollversammlung hat ein zweitägiger „Zukunftsgipfel“ der Staats- und Regierungschefs der 193 Mitgliedsstaaten in New York stattgefunden. Ein Pakt für die Zukunft der Vereinten Nationen wurde auf 30 Seiten, in 5 Kapiteln und 50 Maßnahmen präsentiert. Kennen Sie das Papier, um das es geht?
Hans von Sponeck: Ja, der Zukunftsgipfel hat stattgefunden. Die Generalversammlung hat am 22. September eine Paktresolution verabschiedet (A/79/L.2). 143 Länder stimmten dafür, 7 Länder waren dagegen, 15 Länder enthielten sich der Stimme. Was die Welt in diesem Dokument zu lesen bekommt, ist eine beeindruckende Wunschliste, eine sogenannte „Aktionliste“. Sie deutet an, dass Staatsoberhäupter wohl wissen, was multilateral im Argen liegt und wo Reformen dringend anstehen.
Nennen Sie bitte einige Beispiele.
Hans von Sponeck: In Teil 2 des Paktes geht es um „Internationalen Frieden und Sicherheit“. Aufgelistet sind einige Aktionen, also Maßnahmen. Aktion 13 besagt beispielsweise: „Wir werden unsere Anstrengungen verdoppeln, um friedliche, integrative und gerechte Gesellschaften aufzubauen und zu erhalten und die Ursachen von Konflikten anzugehen.“ Weiter geht es mit Aktion 14: „Wir werden alle Zivilisten in bewaffneten Konflikten schützen.“ Und Aktion 16 verspricht: „Wir werden die Zusammenarbeit und das Verständnis zwischen den Mitgliedstaaten fördern, Spannungen abbauen, die friedliche Beilegung von Streitigkeiten anstreben und Konflikte lösen.“
Es erinnert an das Lied ‘I have a dream’ (Abba, I have a dream). Nehmen wir diesen ambitionierten Vorschlag in Aktion 39, der im Entwurf des Paktes sagt: „Wir werden den Sicherheitsrat reformieren, in Anerkennung der dringenden Notwendigkeit, um ihn repräsentativer, inklusiver, transparenter, effizienter, effektiver, demokratischer und rechenschaftspflichtiger zu machen.“ In dem nun verabschiedeten Pakt sind nur noch Bruchstücke davon übernommen worden.
Es werden also große Ankündigungen gemacht. Gibt es auch Vorschläge, wie man das umsetzen will?
Hans von Sponeck: Genau das ist der Punkt. Wie soll das umgesetzt werden? Besonders die Frage, wie die Reformen der UNO-Strukturen, also des Sicherheitsrates und der Generalversammlung, umgesetzt werden sollen, bleibt Geheimnis des Augenblicks. Für mich ist diese lange „Aktionsliste“ nicht mehr als eine Erinnerungshilfe. Sie kann nützlich sein für die lange Reise der Reformen auf einer verminten Straße, die voller Schlaglöcher ist.
Bundeskanzler Scholz hat in seiner wohlmeinenden Rede sehr kurz zu den Reformherausforderungen Stellung genommen. U.a. meinte er die, „UNO darf nicht an einem ‘Status Quo’ kleben bleiben“; da hat er recht. Es stimmt auch, dass „Afrika, Asien und Lateinamerika besser vertreten sein müssen“, wie er sagte. Die vielleicht wichtigsten Aussagen von ihm waren für mich: „Es muss verhandelt werden“ und „Kein Land darf mit Maximalansprüchen diese Verhandlungen blockieren. Die Generalversammlung muss über die Reformen des Sicherheitsrats entscheiden.“ Allerdings hätte ich von dem Bundeskanzler mehr Inhalt und konkrete Hinweise erwartet, wie verfahren werden soll, um etwas zu erreichen. Immerhin ist er der Vertreter des Landes, das zusammen mit Namibia die Federführung für die Vorbereitung des Gipfels innehatte.
Warum wurde diese Aufgabe an nur zwei und dann gerade an diese beiden Staaten übertragen?
Hans von Sponeck: Es war Generalsekretär Guterres, der den Vorschlag gemacht hat, Namibia und Deutschland mit der Vorbereitung zu beauftragen. Warum er das so entschieden hat, ist mir nicht bekannt.
Sie haben 32 Jahre als deutscher Diplomat bei den Vereinten Nationen gearbeitet und waren zuletzt (1998-2000) als beigeordneter Generalsekretär im Irak für das UN-Sanktionsprogramm „Öl für Nahrungsmittel“ verantwortlich. Sie waren bereits UN-Diplomat, als Deutschland noch gar nicht Mitglied bei den Vereinten Nationen war. Haben Sie an dem Pakt als langjähriger und sehr erfahrener UN-Diplomat mitgearbeitet?
Hans von Sponeck: Einen direkten Kontakt zwischen dem Auswärtigen Amt und mir bezüglich der Vorbereitungen für den UN-Gipfel hat es nicht gegeben. 2016 ist im Herder-Verlag ein Buch mit dem Titel „Wir sind UNO“ erschienen. In diesem sind 45 deutsche Staatsangehörige erwähnt, die in den Vereinten Nationen lange tätig waren. Ich bin unter den dreien, die zur ersten deutschen UNO-Generation gehören. Zwei sind inzwischen verstorben. Der Herausgeber, Dr. Ekkehard Grieb, heute Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), schrieb in seinem Vorwort, das Buch würdige „Menschen, die das UN-System lebendig halten, durch ihr persönliches Engagement, ihren Idealismus, ihre politische oder fachliche Kreativität und ihr kritisches Hinterfragen“.
Mir ist aufgefallen, dass heute in Sachen Vereinte Nationen häufig Personen um Stellungnahmen gebeten werden, die oft gute Beiträge liefern, aber nie in der UNO gearbeitet haben. Diejenigen aber, die jahrelang als UNO-Insider im Feld oder in den Zentralen gearbeitet haben, kommen kaum zu Wort. Ist das eine bewusste Entscheidung oder Zufall? Ich weiß es nicht. Und nein, ich kann nicht sagen, ob das Auswärtige Amt mit den erwähnten Personen in dem eben erwähnten Buch Kontakt aufgenommen hat. Ich war jedenfalls nicht dabei.
Sie haben mit Professor Richard Falk, der viele Jahre für die Vereinten Nationen Sonderberichterstatter in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten war, ein umfangreiches Buch zur Reform der UN vorgelegt. Welche Themen sind wichtig?
Hans von Sponeck: Der nun offiziell akzeptierte UNO-Reformen-Katalog benennt ein breites Netz dringend notwendiger Reformen. Unser Buch basiert auf einem ähnlichen Katalog und benennt zudem Prioritäten als Basis dafür, wie dieser Reformprozess entwickelt werden muss.
Das wichtigste Thema ist der Sicherheitsrat. Er ist die leitende Einheit der UN und muss erweitert werden. Wichtig sind die Fragen des Vetorechts und das Verhältnis zwischen Sicherheitsrat und Generalversammlung. Es ist offensichtlich, dass die Generalversammlung unzufrieden mit dem Sicherheitsrat ist, weil er sich als unfähig erweist, sein wichtigstes Mandat der UN-Charta erfolgreich umzusetzen, nämlich für Frieden, für militärische und menschliche Sicherheit zu sorgen. Es gibt immer mehr Mitgliedsstaaten, die dem Sicherheitsrat das Entscheidungsrecht entziehen wollen. Die Generalversammlung muss mehr Entscheidungsautorität bekommen, es geht auch um den Internationalen Gerichtshof und insgesamt um mehr Rechenschaftsverpflichtung.
Ihr Buch wurde im Juli von der Stanford University Press in Englisch veröffentlicht und trägt den Titel „Liberating the United Nations“ – Die Vereinten Nationen befreien. Was muss geschehen, um die UNO zu befreien?
Hans von Sponeck: Zunächst muss das Völkerrecht als Rahmen für multilaterales Handeln verpflichtend anerkannt werden. Nichtbeachtung muss Folgen haben. Jede Form des Unilateralismus, das heißt einseitiges Handeln eines Staates im ausschließlich eigenen Interesse, muss aufhören. Dazu gehört auch die auf die Interessen des Westens zentrierte Einseitigkeit, beides muss aus den Vereinten Nationen entfernt werden. Alle UN-Mitgliedsstaaten müssen Verpflichtungen aus der UN-Charta einhalten, die sie mit ihrer Mitgliedschaft eingegangen sind. Dazu gehört auch die Verpflichtung, „den internationalen Charakter der Verantwortung des UN-Generalsekretärs und der sonstigen Mitarbeiter zu achten und nicht zu versuchen, sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.” (UN-Charta, Kapitel XV, Artikel 100, Abs.2)
Die Finanzierung der Arbeit der UN muss an die Aufgaben angepasst werden, die die Generalversammlung und einzelne Mitgliedsstaaten der operationalen UNO stellen. Und zur Befreiung der UNO gehört auch, was Richard Falk und ich nicht leichtfertig geschrieben haben. Wir erwarten, dass die Reformdiskussion – die nun offiziell und ernsthaft begonnen hat – unseren Beitrag beachtet. Und zwar im Verständnis, dass wir unsere sorgfältigen Recherchen in Bezug zu unseren eigenen UNO-Erfahrungen setzen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Titelbild: kckate16/shutterstock.com
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