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Titel: „Die Verarmung des Staates als strategischer Hebel“
Datum: 14. Februar 2012 um 14:59 Uhr
Rubrik: Markt und Staat, Privatisierung, Sozialstaat
Verantwortlich: Albrecht Müller
Dieses Stück wurde in der vergangenen Woche wie sooft in der letzten Zeit wiederaufgeführt. Diesmal nicht nur praktiziert im Umgang der deutschen Regierung und ihres Anhangs mit Griechenland. Das Stück findet auch Erwähnung in einem zweiseitigen Essay von Barbara Supp im gedruckten Spiegel 6/2012. Der Titel „Unbarmherzige Samariter. Wie Margaret Thatcher und ihre deutschen Schüler die marktkonforme Demokratie erschaffen haben.“ Albrecht Müller.
Jetzt kann man nur hoffen, dass viele Spiegel-Redakteure den Text ihrer Kollegin gelesen haben oder noch lesen. Und andere auch.
Der Essay von Barbara Supp ist leider (noch) nicht als Datei verfügbar. Das ist schade. SpiegelOnline täte gut daran, sich einen Schupps zu geben, um diesen guten Text schnell ins Netz zu stellen.
Die Verarmung des Staates ist der strategische Hebel für allerhand: für Privatisierung, für Lohnsenkungen, für Aushungern des öffentlichen Dienstes und für die Verringerung der Versorgung mit den Gütern des öffentlichen Bedarfs. Die Verarmung des Staates führt zu ständigen Klagen über den Staat und setzt damit die Abkehr von Leistungen in öffentlicher Verantwortung fort.
In Griechenland wird die Strategie wieder einmal angewandt: Reformen, Sparen, Staatstätigkeit verringern, Beschäftigte entlassen. Auf Anweisung aus Berlin, Brüssel und Washington (IMF).
Für alle, die Verschwörungstheorien vermuten, hier noch ein Hinweis auf eine von Barbara Supp zitierte Äußerung eines „Experten“ der neoliberalen Bewegung. Es ist eingebettet in ihren Text:
Dringend, schrieb in den neunziger Jahren so ein mehr in Wirtschaftskreisen bekannter Experte, müsse der Staat an Macht verlieren. Dagegen sei Widerstand zu erwarten. Zu lösen sei das Problem, indem man beispielsweise Steuern senke. Man brauche „das Diktat der leeren Kassen“. Man brauche „ein Defizit, das als anstößig gilt“. so könne man den Staat beschneiden. Ganz unverblümt steht es da: Nicht aus Notwendigkeit solle der Staat machtloser und ärmer werden, sondern aus Prinzip.
Der das schrieb, war kein Exot. Es war Herbert Giersch, ein vor anderthalb Jahren in hohem alter verstorbener Wissenschaftler, der jahrzehntelang als „Doyen der deutschen Volkswirtschaft“ galt. Er war Regierungsberater, Gründungsmitglied der „Fünf Wirtschaftsweisen“, Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, prägender Lehrbuchschreiber und Ausbilder mehrerer Generationen von Ökonomen, die heute in Banken, Verbänden, Unternehmen zu finden sind. Einer der führenden neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler, wie Thatcher ein Hayek-Anhänger, auf den sich ja jede klassische marktliberale, jede klassisch unternehmerfreundliche Politik beruft.
Die Spiegelautorin liegt bei ein paar Dingen falsch, was den Wert ihrer Veröffentlichung aber nicht mindert:
Aber: Alleine schon der Hinweis auf das Zitat von Giersch ist für alle, die in der Auseinandersetzung um die zerstörerischen Strategien der Neoliberalen stehen, viel wert.* Hinzu kommt eine für den Spiegel erstaunlich offene, aufklärende Analyse der Strategie, die hinter dem „Diktat der leeren Kassen“ steckt. Gut, dass so etwas endlich mal im Spiegel stand.
P.S.: Als Autor von „Meinungsmache“ und des dortigen Kapitel 13 mit der Kapitelüberschrift „Die Verarmung des Staates als strategischer Hebel“ kann ich nur hoffen, dass Journalistinnen/en und andere Menschen, die an einer Analyse der Hintergründe interessiert sind, den dortigen Text nachlesen. Der Text ist als Leseprobe in den NachDenkSeiten eingestellt. Hier als Ziffer 8.
* Hier sind die Quellen für die beiden Giersch-Zitate. Das “Diktat der leeren Kassen” kommt in einem kleinen Giersch-Traktat von 1991 vor; es heißt “Europas Wirtschaft. Ordnungspolitische Aufgaben in Ost und West”. Das zweite, das mit dem “anstößigen” Defizit, ist aus einem Giersch-Text in der Wirtschaftswoche, 22.10.1998, Titel: “Produktive Schulden”.
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